[...] Die vorliegende Arbeit will versuchen nachzuzeichnen, zu welchen Problemen es nach dem Antrag auf Einstellung des Baus, vom 31. Oktober 1928, innerhalb der Großen Koalition und im Verhältnis der Reichstagsfraktion der SPD und Kabinettsmitgliedern der SPD kam. Besonderes Gewicht soll hierbei einerseits auf die Möglichkeiten gelegt werden, die die SPD und die anderen Parteien gehabt hätten, diese „Krisis des Parlamentarismus“6 zu verhindern, andererseits auf die Problemstellungen, die sich aus dem Abstimmungsverhalten der Kabinettsmitglieder der SPD am 16. November 1928 ergaben. Neben der Studie von Wolfgang Wacker7 wird ein Schwerpunkt auf eine Gesamtdarstellung zur Weimarer Republik von Heinrich August Winkler8 und die Darstellung zur Arbeiterbewegung der Jahre 1924 bis 1930 desselben Autors9 gelegt. Weiterhin findet eine Arbeit über Otto Wels 10 von Hans J.L. Adolph Verwendung. An Quellen werden sowohl die Akten der Reichskanzlei, der Nachlass von Gustav Stresemann, die stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, eine Schrift von Carl Ossietzky und einige Tageszeitungen dieser Zeit herangezogen11 6 nach: ebenda, S. 550. 7 Wacker, Bau. 8 Winkler, Weimar. 9 ders., Schein der Normalität. 10 Adolph, Hans, Otto Wels und die Politik der deutschen Sozialdemokratie 1894-1939. Eine politische Biographie, Berlin 1971. 11 Akten der Reichskanzlei (AdR), Weimarer Republik. Das Kabinett Müller II , 28. Juni 1928 – 27. März 1928, Band 1, bearb. v. Martin Vogt, Boppard 1970. Stresemann, Gustav, Vermächtnis. Der Nac hlass in drei Bänden, hrsg. v. Henry Bernhard, Berlin 1933. Verhandlungen des Reichstags (VdR), Stenographische Berichte, IV. Wahlperiode, Band 423, Berlin 1928. Ossietzky, Carl von, Schriften 1, hrsg. v. Frei, Bruno, Weimar 1966. Verhandlungen des Reichstags (VdR), Anlagen, IV. Wahlperiode, Band 431, Berlin 1928. Berliner Tageblatt und Handels -Zeitung. Kölnische Zeitung. Vorwärts. Berliner Volksblatt – Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Vossische Zeitung. Frankfurter Zeitung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Weg zum Antrag der SPD-Reichstagsfraktion am 31. Oktober 1928
3. Der Konflikt zwischen den sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedern und ihrer Reichstagsfraktion
4. Die Abstimmung über den Antrag und die Folgen
5. Bilanz
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellenverzeichnis
6.2 Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Bedeutung der Debatte um die Bewilligung der ersten Rate für den Bau des Panzerkreuzers „A“ ist in der Forschung ein relativ unumstrittenes Thema. Bereits 1959 stellte Wolfgang Wacker in einer Darstellung zu diesem Thema[1] klar heraus, daß die Auseinandersetzung innerhalb der SPD über die Bewilligung der ersten Rate für den Bau und die daraus resultierende kritische Haltung der Parteien des Bürgerblocks gegenüber der SPD und ihrer Regierungsbeteiligung, ein entscheidender Belastungsfaktor für die weitere Zusammenarbeit innerhalb der Großen Koalition war und zu ihrem Scheitern beitrug. Zu demselben Schluß kommt Heinrich August Winkler in verschiedenen Veröffentlichungen über diese Zeit[2]. Sowohl Wacker als auch Winkler sehen den entscheidenden Fehler der SPD in ihrem Verhalten im Wahlkampf, d.h. in der überaus starken Fokussierung auf die Parole „Kinderspeisung statt Panzerkreuzer“ zusammen mit der KPD, als auch in dem Verhalten der SPD-Reichstagsfraktion gegenüber den Regierungsmitgliedern aus den eigenen Reihen, dem Reichskanzler Hermann Müller und den Ministern Carl Severing (Inneres), Rudolf Hilferding (Finanzen) und Rudolf Wissell (Arbeit), nachdem der Antrag auf Einstellung des Baus von der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion gestellt worden war.
Gotthard Jasper[3] hingegen sieht das Problem vielmehr im Verhalten des Reichswehrministers Wilhelm Groener (parteilos) und des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Der Reichswehrminister habe zusammen mit dem Reichspräsidenten „die SPD gleichsam durch das kaudinische Joch“[4] gezwungen, somit geht er von einer Krise aus, die stärker durch die äußeren, als durch die inneren Schwierigkeiten der SPD hervorgerufen wurde. Sowohl Wacker als auch Winkler erwähnen dieses ebenfalls, legen das Gewicht allerdings auf die inneren Schwierigkeiten in der SPD, nämlich den Zwang der Kabinettsmitglieder, innerhalb der Fraktionsdisziplin stimmen zu müssen. Wacker geht in seiner Darstellung des weiteren auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Abstimmung ein, er beschäftigt sich unter anderem mit dem nach seiner Meinung offenen Verfassungsbruch der SPD-Kabinettsmitglieder, den sie mit dem Mißtrauensvotum gegen sich selber begangen. Diese verfassungsrechtliche Sichtweise ist bei Jasper nicht zu finden.
Winkler spricht hier von nicht vorhandenem „stabilen Rückhalt im Reichstag“ der Regierung aufgrund der parlamentarischen Praxis des „kaiserlichen Deutschland(s)“[5]. Die vorliegende Arbeit will versuchen nachzuzeichnen, zu welchen Problemen es nach dem Antrag auf Einstellung des Baus, vom 31. Oktober 1928, innerhalb der Großen Koalition und im Verhältnis der Reichstagsfraktion der SPD und Kabinettsmitgliedern der SPD kam. Besonderes Gewicht soll hierbei einerseits auf die Möglichkeiten gelegt werden, die die SPD und die anderen Parteien gehabt hätten, diese „Krisis des Parlamentarismus“[6] zu verhindern, andererseits auf die Problemstellungen, die sich aus dem Abstimmungsverhalten der Kabinettsmitglieder der SPD am 16. November 1928 ergaben.
Neben der Studie von Wolfgang Wacker[7] wird ein Schwerpunkt auf eine Gesamtdarstellung zur Weimarer Republik von Heinrich August Winkler[8] und die Darstellung zur Arbeiterbewegung der Jahre 1924 bis 1930 desselben Autors[9] gelegt. Weiterhin findet eine Arbeit über Otto Wels[10] von Hans J.L. Adolph Verwendung. An Quellen werden sowohl die Akten der Reichskanzlei, der Nachlass von Gustav Stresemann, die stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, eine Schrift von Carl Ossietzky und einige Tageszeitungen dieser Zeit herangezogen[11].
2. Der Weg zum Antrag der SPD-Reichstagsfraktion am 31.10.1928
Nach der Wahl am 20. Mai 1928, die mit einem deutlichen Wahlerfolg für die SPD (29,8 % gegenüber 26 % bei der vorherigen Reichstagswahl) und die KPD (10,6 % gegenüber 9,0 % bei der vorherigen Reichstagswahl)[12] ausgegangen waren, versuchte der designierte Reichskanzler Hermann Müller (SPD) eine Große Koalition ins Leben zu rufen[13], unter Beteiligung der SPD, der DVP, der DDP, der BVP und des Zentrums. Nach Scheitern der Koalitionsverhandlungen , unter anderem aufgrund von konträren Standpunkten zwischen der DVP und der SPD in der Panzerkreuzerfrage[14], kam die Große Koalition schließlich am 29. Juni 1928 zu Stande, nach dem Eingreifen des Parteivorsitzenden der DVP, Gustav Stresemann, („Schuß von Bühlerhöhe“[15] ). Am 03. Juli gab Hermann Müller seine Regierungserklärung ab, jedoch ohne zur Frage des Panzerkreuzers Stellung zu nehmen, obwohl die SPD ihren Stimmenzuwachs bei den Wahlen vor allem der strikten Ablehnung des Baus, unter dem Motto „Kinderspeisung statt Panzerkreuzer“[16], zu verdanken hatten. Nach einem Antrag der KPD-Reichstagsfraktion, den Panzerkreuzer nicht zu bauen und die dafür nötige, erste Rate in Höhe von 9 Mio. Reichsmark in die „Schulspeisung für Volksschulkinder“ zu verwenden[17], erwiderte Müller, man „müsse von den Abreden ausgehen“, die die vorangegangene Reichsregierung getroffen habe[18]. Er wollte sich, um die ohnehin schon gespannte Koalitionssituation nicht weiter zu gefährden, an die Entscheidung des Kabinett Wilhelm Marx vom 31. März 1928 halten, die erste Rate zu bewilligen, falls es keine Finanzvorbehalte mehr gäbe. Sowohl Reichstag als auch Reichsrat hatten dieser Entscheidung im März 1928 zugestimmt, unter dem Vorbehalt, daß der Haushalt durch den Ersatzbau nicht weiter strapaziert würde.
Am 10. August beschloß das Kabinett die Bewilligung der ersten Rate, nachdem Reichswehrminister Groener sich bei Reichsfinanzminister Hilferding versichert hatte, daß es „gegen den Beginn des Panzerschiffbaus zum 1. September [...] keine finanziellen Bedenken“[19] gäbe. Reichsinnenminister Severing interpretierte seine eigene Nachfrage bei Groener so, daß „nach der Erklärung des Reichswehrministers Mehrausgaben für das Panzerschiff durch Herabsetzung der Ausgaben für andere Ersatzbauten [...] keine Mehrausgaben für den Wehretat entstünden“[20]. Dieser Beschluß war nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch bedenklich, da z.B. auf der einen Seite Anfang August in Brüssel ein internationaler Arbeiter- und Sozialistenkongreß zusammentreten und am 27. August 1928 von Stresemann der Kellogg-Pakt unterzeichnet werden sollte[21]. Die Aufrüstung, selbst im engen Rahmen des Versailler Vertrages, durch den neuen Panzerkreuzer, hatte ein schlechtes Licht auf das Deutsche Reich geworfen, wie in Pressestimmen aus Großbritannien erkennbar wurde[22].
Innenpolitisch führte der Kabinettsbeschluß zu großen Konflikten, auf der Seite der SPD einen Sturm der Entrüstung, der sich von der Parteibasis, die von fast jeder Parteigliederung bei der Reichsregierung eingereichten Denkschriften und Resolutionen[23], bis zur Reichstagsfraktion[24] der SPD zog, bei der KPD[25], deren Zentralkomitee am 16. August den Start eines Volksbegehrens zum sofortigen Verbot von maritimen Neubauten beschloß (welches zugelassen wurde, der Volksentscheid scheiterte aber bei nur 2,94 % abgegebenen Stimmen), allerdings nach Beschluß des SPD-Parteiausschusses vom 11. September ohne sozialdemokratische Unterstützung[26], da man seitens der SPD die Regierungskoalition nicht offen gefährden wollte. Eine Zusammenarbeit mit der republikfeindlichen KPD war für die SPD ohnehin nicht durchführbar, da auch vor den Wählern nicht zu vertreten[27]. Die SPD-Mitglieder des Kabinetts gaben dem Druck der anderen Koalitionsparteien jedoch nach, um die Koalition nicht schon zu diesem Zeitpunkt erneut zu gefährden, da sonst sicherlich der Reichswehrminister, die Minister der DDP und die Minister des Zentrums und der BVP sich aus der Koalition zurückgezogen hätten. Der Konflikt zwischen der Reichstagsfraktion der SPD und ihren sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedern war nun jedoch offensichtlich und man war seitens der Fraktionsleitung gewillt, die Kabinettsmitglieder der Entscheidung der Fraktion zu unterwerfen. Nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause brachte die sozialdemokratische Reichstagsfraktion den Antrag auf Einstellung des Baus in den Reichstag ein.
[...]
[1] Wacker, Wolfgang, Der Bau des Panzerschiffes ‚A’ und der Reichstag, Tübingen 1959.
[2] Winkler, Heinrich August, Der Schein der Normalität. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1924 bis 1930, Berlin/Bonn 1988. ders., Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1998. ders., Der Lange Weg nach Westen. Erster Band. Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München 2000.
[3] Jasper, Gotthard, Die große Koalition 1928-1930, in: Jasper, Gotthard, Zeidler, Manfred, Die Weimarer Republik. Das Ende der Demokratie. Band 3, München 1995.
[4] nach: Jasper, Koalition, S. 28.
[5] nach: Winkler, Schein der Normalität, S. 537.
[6] nach: ebenda, S. 550.
[7] Wacker, Bau.
[8] Winkler, Weimar.
[9] ders., Schein der Normalität.
[10] Adolph, Hans, Otto Wels und die Politik der deutschen Sozialdemokratie 1894-1939. Eine politische Biographie, Berlin 1971.
[11] Akten der Reichskanzlei (AdR), Weimarer Republik. Das Kabinett Müller II, 28. Juni 1928 – 27. März 1928, Band 1, bearb. v. Martin Vogt, Boppard 1970. Stresemann, Gustav, Vermächtnis. Der Nachlass in drei Bänden, hrsg. v. Henry Bernhard, Berlin 1933. Verhandlungen des Reichstags (VdR), Stenographische Berichte, IV. Wahlperiode, Band 423, Berlin 1928. Ossietzky, Carl von, Schriften 1, hrsg. v. Frei, Bruno, Weimar 1966. Verhandlungen des Reichstags (VdR), Anlagen, IV. Wahlperiode, Band 431, Berlin 1928. Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung. Kölnische Zeitung. Vorwärts. Berliner Volksblatt – Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Vossische Zeitung. Frankfurter Zeitung.
[12] nach: Winkler, Schein der Normalität, S.521f.
[13] in: Vorwärts, 10.06.1928.
[14] nach: Wacker, Bau, S.78f.
[15] Stresemann stimmt der Koalitionsbeteiligung seiner Partei gegenüber Müller zu, ohne seine Fraktion hiervon vorher in Kenntnis zu setzen: „[...] Ich halte die sogenannte Große Koalition für die beste praktische Möglichkeit, um einigermaßen stabile Regierungsverhältnisse in Deutschland zu schaffen. [...]“ in: Stresemann, Nachlass, S.298f.
[16] in: Wacker, Bau, S.90, Fußnote 34.
[17] in: ebenda, S.80.
[18] in: Winkler, Schein der Normalität, S.539.
[19] in: AdR, Müller, Bd. 1, Dok. 15, S. 63.
[20] in: AdR, Müller, Bd. 1, Dok. 15, S. 63.
[21] in: Wacker, Bau, S. 83.
[22] vgl.: Manchester Guardian nach Wacker, Bau, S. 55f.: „[...] jedoch der Neubau gibt Deutschland die Möglichkeit, eine Blockade Polens durchzuführen, das die stärkste Stütze in dem französischen Bündnissystem zum Aufrechterhalten der Vorherrschaft Frankreichs auf dem Kontinent ist. [...]“.
[23] in: Wacker, Bau, S. 85f.
[24] vgl.: MdR Künstler (SPD): „[...] Der Stimmung in der Reichstagsfraktion mußten die Genossen in der Reichsregierung Rechnung tragen, sie hatten nicht das Recht, die Partei und Fraktion vor eine vollendete Tatsache zu stellen. [...]“ in: Vorwärts, 16.08.1928.
[25] in: Wacker, Bau, S.104-107.
[26] in: Vorwärts, 12.09.1928.
[27] vgl.: Berliner Tageblatt, 11.08.1928; Vorwärts, 21.08.1928.
- Quote paper
- Thomas Crämer (Author), 2004, Der Konflikt um die Wehrpolitik zwischen Fraktion und Regierung. Der parlamentarische Streit zum Panzerkreuzer A im November 1928, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32420
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