Der Mensch in seiner Natürlichkeit, unterdrückt durch die Angst vor der Gesellschaft und somit entstehender Moral, Angst vor Gott und Angst vor dem Selbst – für Lord Henry aus Oscar Wildes "The Picture of Dorian Gray" ist das eine unweigerliche Tatsache. Mit seinem Appell, an den noch unbeschriebenen Helden Dorian Gray, möchte er ihm aufzeigen, dass die Selbstentfaltung des Menschen innerhalb gesellschaftlich gesetzter Grundlagen von Moral und Normen nicht möglich ist und nur eine Loslösung von ebenjenen den Menschen zu seinem vollen Glück verhelfen kann. Wildes Roman handelt im Weiteren von der äußerlichen, auf rätselhafte Weise unveränderlichen Schönheit des Dorian Gray und seiner Selbstentfaltung wider die Norm. In der Sozialstruktur um den Helden werden seine verübten Tabubrüche vermutet, doch angesichts des makellosen, jünglinghaften Äußeren wird er von jeder Schuld freigesprochen. Das literarische Beispiel aus dem Jahre 1891 tangiert schon hier die Relevanz des menschlichen Körpers in der Gesellschaft, sowie die Verwirklichung des eigenen Naturell anhand einer Verweigerung der Norm.
Im Februar 2008 veröffentlichte die Fernsehmoderatorin Charlotte Roche ihren Debütroman Feuchtgebiete . In ihrem Werk stehen ebenfalls anomale Taten wie auch der repräsentierte, gleichwohl im Kontext gesellschaftlicher Vorstellungen nicht repräsentative Körper im Mittelpunkt. Ist es bei Oscar Wildes The Picture of Dorian Gray noch der Kult des männlichen Ich, der „bei der sorgfältigen Pflege der eigenen Körperschönheit in elaborierten Toilettenritualen und bei der wechselseitigen Bewunderung vor allem männlicher Wohlgeformtheit“ ansetzt, so lässt sich Charlotte Roches Feuchtgebiete als Antonym dazu lesen. Mit Helen Memel, die sich aufgrund einer Analfissur im Krankenhaus aufhalten muss, stellt die Autorin eine Protagonistin vor, die ausführlich von ihrem versehrten Körper erzählt, Hygiene gerade im Intimbereich klein- und Sexualität in jeglicher Ausübung großschreibt. Sie widersetzt sich dem Kult des weiblichen Ich, bewundert keine gesellschaftlichen Idealbilder und führt den Leser mit ihren Selbstexperimenten in verdrängte oder auch unbekannte Gebiete des
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretischer Rahmen: Der vergesellschaftete Körper
- 1. Versuch einer Definition
- 2. Normen, Werte und Tabus
- 3. Weiblichkeit und Repräsentation
- 3.1 Die Angst vor dem Unterleib
- 3.2 Körper en vogue
- Diskursive Feuchtgebiete: Normalität und Natürlichkeit
- 1. Die Erzählung
- 2. Vater der Natur - Mutter der Kultur
- 3. Die intime Rebellion der Helen Memel
- 4. Poetik des (versehrten) Körpers
- 5. Die Lust am Leib
- Fazit: Rebellion gegen den vergesellschafteten Körper
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht Charlotte Roches Debütroman Feuchtgebiete und analysiert, inwiefern die Reaktionen auf das Buch einen gesellschaftlichen Gehalt offenbaren. Der Fokus liegt darauf, die Kontroversen um das Werk im Kontext zeitgenössischer Körperkonzeptionen zu interpretieren und die Frage zu beantworten, ob Feuchtgebiete als ein Gegenentwurf zu hegemonialen Vorstellungen vom Körper gelesen werden kann.
- Der vergesellschaftete Körper: Die Arbeit analysiert, wie gesellschaftliche Normen und Tabus den Körper prägen und beeinflussen.
- Weiblichkeit und Repräsentation: Der Text untersucht die spezifische Konstruktion von Weiblichkeit im Kontext der gesellschaftlichen Vorstellung vom Körper.
- Die Rebellion gegen Normen: Die Arbeit fokussiert auf die Darstellung von Körperlichkeit und Sexualität in Feuchtgebiete und analysiert, inwiefern diese Darstellungen eine Rebellion gegen gesellschaftliche Normen darstellen.
- Diskursive Konstruktion von Normalität und Natürlichkeit: Der Text untersucht, wie die Themen Hygiene, Krankheit und Sexualität in Feuchtgebiete als Mittel zur Dekonstruktion von gesellschaftlich konstruierten Normvorstellungen verwendet werden.
- Der Körper als Ort der Selbstentfaltung: Die Arbeit analysiert, wie die Protagonistin Helen Memel ihren Körper als Mittel zur Selbstfindung und zur Überschreitung von gesellschaftlichen Tabus nutzt.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und präsentiert Charlotte Roches Feuchtgebiete als einen Roman, der sich mit der Konstruktion des Körpers in der Gesellschaft auseinandersetzt. Die Einleitung analysiert die Reaktionen auf den Roman und untersucht die Relevanz des menschlichen Körpers für die Gesellschaft.
Der theoretische Rahmen beleuchtet die gesellschaftliche Konstruktion des Körpers und bezieht sich auf Pierre Bourdieus und Michel Foucaults Theorien. Das Kapitel erläutert, wie gesellschaftliche Normen, Werte und Tabus den Körper prägen und wie diese Einflüsse die weibliche Repräsentation beeinflussen.
Der Abschnitt "Diskursive Feuchtgebiete: Normalität und Natürlichkeit" analysiert die Darstellung von Körperlichkeit und Sexualität im Roman. Das Kapitel befasst sich mit der Erzählstruktur und der Bedeutung des Körperbildes der Protagonistin Helen Memel. Es untersucht, wie die Themen Hygiene und Sexualität im Roman eine Rebellion gegen gesellschaftliche Normen darstellen.
Schlüsselwörter
Der Text analysiert die gesellschaftliche Konstruktion des Körpers, Weiblichkeit und Repräsentation, Tabubrüche, Körperlichkeit, Sexualität, Hygiene und Krankheit im Kontext von Charlotte Roches Roman Feuchtgebiete. Die Arbeit untersucht den Einfluss von gesellschaftlichen Normen auf die Konstruktion des Körpers und betrachtet den Roman als eine Rebellion gegen hegemoniale Körperbilder.
- Quote paper
- Sarah Baeblich (Author), 2014, Diskursive "Feuchtgebiete". Charlotte Roche und der vergesellschaftete Körper, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323675