Die Einführung der leistungsorientierten Abgeltung der Spitalleistung und weitere Veränderungen führen in den Schweizer Spitälern zu einem steigenden Kostendruck und einer erhöhten Anforderung an die Qualität. In der Organisationstheorie und -praxis gilt das professionelle Management von Prozessen als Methode, um die Kosten signifikant zu senken und gleichzeitig höchste Qualität zu gewährleisten. Als Prozessmanagement- Ansatz stösst Lean Management in den Spitälern auf ein steigendes Interesse. Die vorliegende Arbeit untersucht, ob die Prozessorientierung und der Lean Hospital-Ansatz im Spital zu der gewünschten Steigerung der Operations Performance führen. Um die Fragestellung zu beantworten, wurde in 46 Schweizer Akutspitälern eine empirische Studie durchgeführt. Die zentrale Erkenntnis ist, dass ein hoher Grad der Prozessorientierung die Operations Performance signifikant positiv beeinflusst. Bezüglich Lean Management konnte in der vorliegenden Studie kein Einfluss gefunden werden, was aber wahrscheinlich auf das frühe Stadium der Lean Hospital-Implementierung zurückzuführen ist. Somit sollten die Spitäler eine prozessorientierte Organisation implementieren, um die Operations Performance zu steigern. Lean-Projekte sollten sorgfältig geplant und die Wirkung regelmässig überprüft werden. Schliesslich braucht die Einführung von Lean Management Zeit, um den geforderten Kulturwandel herbeizuführen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage
1.2 Problemstellung
1.3 Zielsetzung
1.4 Vorgehensweise
1.5 Abgrenzung der Arbeit
1.6 Aufbau der Arbeit
2 Grundlagen und aktueller Forschungsstand
2.1 Die prozessorientierte Organisation im Spital
2.1.1 Der Prozessbegriff
2.1.2 Abgrenzung prozessorientierte Organisation
2.1.2.1 Funktions- vs. Prozessorientierung
2.1.2.2 Zwei Sichtweisen der Prozessorganisation
2.1.2.3 Die prozessorientierte Organisation
2.1.3 Charakteristiken einer prozessorientierten Organisation
2.1.3.1 Fokus auf Geschäftsprozesse
2.1.3.2 Kundenorientierung
2.1.3.3 Empowerment
2.1.4 Aktuelle Prozessorientierung in den Schweizer Akutspitälern
2.1.4.1 Hemmer der Prozessorientierung
2.1.4.2 Befähiger der Prozessorientierung
2.1.4.3 Fazit der aktuellen Prozessorientierung
2.1.5 Einfluss der Prozessorientierung auf die Operations Performance
2.2 Lean Management im Akutspital
2.2.1 Begriffsdefinition
2.2.1.1 Lean Management
2.2.1.2 Lean Hospital
2.2.2 Abgrenzung zu bestehenden Ansätzen des Qualitätsmanagements im Spital
2.2.3 Aktueller Forschungsstand zur Anwendbarkeit von Lean Hospital
2.2.4 Beispiele Lean Hospital in der Praxis
3 Methodik
3.1 Forschungsmodell
3.2 Operationalisierung
3.3 Durchführung der Befragung
3.4 Stichprobe
4 Ergebnisse
4.1 Prozessorientierung im Akutspital
4.1.1 Aktuelle Prozessorientierung
4.1.1.1 Übersicht aktuelle Prozessorientierung
4.1.1.2 Prozessorientierung nach Trägerschaft
4.1.1.3 Prozessorientierung nach Krankenhaustypologie
4.1.2 Einfluss der Prozessorientierung auf die Operations Performance
4.2 Lean Management im Akutspital
4.2.1 Aktuelle Anwendung des Lean Hospital-Ansatzes
4.2.2 Bewertung der Verschwendungsarten
4.2.3 Einfluss von Lean Hospital auf die Operations Performance
4.2.3.1 Indirekter Einfluss auf die Operations Performance
4.2.3.2 Direkter Einfluss auf die Operations Performance
4.3 Zusammenfassung
5 Diskussion
6 Handlungsempfehlungen
7 Limitationen und zukünftige Forschungsfragen
Literaturverzeichnis
Anhang
Management Summary
Die Einführung der leistungsorientierten Abgeltung der Spitalleistung und weitere Veränderungen führen in den Schweizer Spitälern zu einem steigenden Kostendruck und einer erhöhten Anforderung an die Qualität. In der Organisationstheorie und –praxis gilt das professionelle Management von Prozessen als Methode, um die Kosten signifikant zu senken und gleichzeitig höchste Qualität zu gewährleisten. Als Prozessmanagement-Ansatz stösst Lean Management in den Spitälern auf ein steigendes Interesse. Die vorliegende Arbeit untersucht, ob die Prozessorientierung und der Lean Hospital-Ansatz im Spital zu der gewünschten Steigerung der Operations Performance führen. Um die Fragestellung zu beantworten, wurde in 46 Schweizer Akutspitälern eine empirische Studie durchgeführt. Die zentrale Erkenntnis ist, dass ein hoher Grad der Prozessorientierung die Operations Performance signifikant positiv beeinflusst. Bezüglich Lean Management konnte in der vorliegenden Studie kein Einfluss gefunden werden, was aber wahrscheinlich auf das frühe Stadium der Lean Hospital-Implementierung zurückzuführen ist. Somit sollten die Spitäler eine prozessorientierte Organisation implementieren, um die Operations Performance zu steigern. Lean-Projekte sollten sorgfältig geplant und die Wirkung regelmässig überprüft werden. Schliesslich braucht die Einführung von Lean Management Zeit, um den geforderten Kulturwandel herbeizuführen.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Definition Prozess
Abbildung 2: Funktionsziele versus Prozessziele
Abbildung 3: Typische Silostruktur der Spitäler
Abbildung 4: Die fünf Kernprinzipien des Lean Managements
Abbildung 5: Das Auftreten von Lean Hospital
Abbildung 6: Forschungsmodell
Abbildung 7: Messmodelle prozessorientierte Organisation
Abbildung 8: Beziehung Prozessorientierung und Operations Performance
Abbildung 9: Regressionsgerade der Beziehung Prozessorientierung und
Operations Performance
Abbildung 10: Anwendung Lean Hospital
Abbildung 11: Umfang Anwendung Lean Hospital
Abbildung 12: Nicht-Anwender von Lean Management
Abbildung 13: Trend der Implementierung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Eine Übersicht der vorgestellten Studien zur Prozessorientierung
Tabelle 2: Übersicht über die acht Verschwendungsarten
Tabelle 3: Eine Übersicht der vorgestellten Studien zum Lean Management
Tabelle 4: Operationalisierung Prozessorientierung und Operations Performance
Tabelle 5: Stichprobe und Grundgesamtheit nach Typologie
Tabelle 6: Elemente der Prozessorientierung
Tabelle 7: Übersicht über Items der Prozessorientierung
Tabelle 8: Übersicht über Kategorien der Prozessorientierung
Tabelle 9: Vergleich der Kategorie-Mittelwerte mit Angerer et al. (2012)
Tabelle 10: Prozessorientierung nach Trägerschaft
Tabelle 11: Prozessorientierung nach Krankenhaustypologie
Tabelle 12: Prozessorientierung nach Performance-Typ
Tabelle 13: Übersicht über die Bewertung der Verschwendungsarten
Tabelle 14: Beurteilung der Verschwendungsarten im Vergleich
Tabelle 15: Prozessorientierung nach Zeitpunkt der Implementierung
Tabelle 16: Prozessorientierung nach Umfang der Implementierung
Tabelle 17: Operations Performance nach Zeitpunkt der Implementierung
Tabelle 18: Operations Performance nach Umfang der Implementierung
Tabelle 19: Zusammenfassung der Resultate
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In the struggle for survival, the fittest win out at the expense of their rivals because they succeed in adapting themselves best to their environment.
(Charles Darwin)
1.1 Ausgangslage
Das schweizerische Spitalwesen befindet sich im Wandel. Der steigende Kostendruck, der zunehmende Wettbewerb durch die freie Spitalwahl der Patienten, knappe finanzielle Mittel sowie Zusammenschlüsse zu Spitalgruppen sind die treibenden Kräfte für Veränderungen in den Spitälern (Kappler, 2009b, S. 1).
Durch die Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Jahr 2012 trat eine der grössten Revisionen des Gesundheitswesens der letzten Jahre in Kraft. Die Einführung von Fallpauschalen (DRGs = Diagnosis Related Groups) als Finanzierungsgrundlage und die interkantonale freie Spitalwahl sind wesentliche Änderungen, die sich mit der Neuerung der Spitalfinanzierung ergaben (Angerer et al., 2012, S. 9). Der Wechsel von Tagespauschalen auf eine schweizweite, leistungsorientierte Abgeltung von Spitalleistungen mittels Fallpauschalen erhöhte für die Spitäler den Druck, die Behandlungskosten zu optimieren. Ausserdem führt das DRG-System zu mehr Transparenz der Kosten eines Spitals im Vergleich zu anderen Anbietern (Kappler, 2009b, S. 2). Um die freie Spitalwahl sinnvoll zu ermöglichen, werden vermehrt Qualitätsindikatoren wie Fallzahlen, Anteilswerte und Mortalitäten publiziert (Bundesamt für Gesundheit, 2012). Dies führt dazu, dass der Wettbewerb auch bezüglich der Qualität angekurbelt wird. Und für den Entscheid, ob ein Spital den für die Finanzierung entscheidenden Platz auf der Spitalliste erhält, dienen ebenfalls Qualitäts- und Effizienzkriterien als Grundlage (Kappler, Umbruch in der Spitallandschaft, 2009a).
Die neue Spitalfinanzierung führte zu einer zunehmenden Liberalisierung des Spitalwesens und einer damit einhergehenden Verschärfung des Wettbewerbs. Zusätzlich bewirken die Deregulierung, bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen und die zunehmende Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie, zusammen mit einem veränderten Patientenverhalten, ein Verwischen der Grenzen einer Vielzahl von Industrien und Bereichen. So konkurrieren Spitäler heute nicht mehr nur untereinander, sondern auch mit ambulanten Anbietern, Reha-Einrichtungen, Pharma-, Kosmetik- und Industrieunternehmen (Braun von Reinersdorff, 2007, S. 18).
Es sind allerdings nicht nur finanzielle Herausforderungen mit welchen Schweizer Spitäler konfrontiert werden: Die Bevölkerung wird älter, multimorbider, chronisch kranker und es fehlt zunehmend an Gesundheitspersonal (Angerer et al., 2012, S. 9). Dies führt dazu, dass die Erbringung der Spitalleistung sich zunehmend komplexer gestaltet.
1.2 Problemstellung
Durch den steigenden Kostendruck und die erhöhten Anforderungen an die Qualität der Spitalleistung stellt sich für das Spitalmanagement immer dringender die Frage nach notwendigen Anpassungen in den Bereichen Strategie, Führung und Organisation sowie in der Gestaltung der internen Behandlungsprozessen (Kappler, 2009b, S. 1).
Internationale Erfahrungen zeigen, dass das professionelle Management von Prozessen signifikant die Kosten senken kann und gleichzeitig höchste Qualität gewährleistet (Angerer et al., 2012, S. 9). Deshalb erhält das Prozessmanagement und die Prozessoptimierung im Spital eine immer zentralere Bedeutung bei der Ausschöpfung von Effizienzreserven und der Steigerung der Produktivität. Für die meisten Spitäler stellt dies neue Anforderungen an eine professionelle Spitalführung und führt zu einer Suche nach geeigneten Methoden und Werkzeugen, um den Patientenfluss abteilungsübergreifend vom Eintritt bis Austritt zu optimieren (Kappler, 2009b, S. 2).
Als ein Prozessmanagement-Ansatz, der eine effiziente Leistungserbringung sichert und zugleich die Kunden- und Mitarbeiterorientierung in den Fokus unternehmerischen Handelns stellt, hat sich Lean Management in der Industrie erfolgreich etabliert und findet zunehmend Einzug in den Dienstleistungssektor. Auch Spitäler versuchen in den letzten Jahren, die Ansätze des Lean Management in ihre Praxis zu übertragen. Im Vergleich zu der fertigenden Industrie und dem Dienstleistungsbereich kann die Umsetzung von Lean Management im Akutspital aber als relativ junge Entwicklung angesehen werden (Pöhls, 2012, S. 2ff.).
International wurde Lean Management in den letzten zehn Jahren bereits in verschiedenen Kliniken in den USA, England und Australien erfolgreich eingeführt. Es lässt sich vermuten, dass in der Schweiz der Lean Management-Ansatz noch keine weite Verbreitung gefunden hat (Pöhls, 2012, S. 2f.).
Es ist bekannt, dass im Gesundheitswesen noch bedeutende Effizienzreserven vorhanden sind (Bundesamt für Gesundheit BAG, 2014). Theoretisch stellt Lean Hospital einen Ansatz dar, um diese wesentlich zu schmälern ohne dabei die Qualität negativ zu beeinflussen. Gemäss Knickmeier et al. (2014, S. 363f.) gibt es aber bis jetzt keine empirisch fundierten Kenntnisse darüber, ob sich Lean Management, wegen der Besonderheit von Dienstleistungen, so ohne weiteres auf das Spitalwesen übertragen lässt. Daraus folgt die Kernfrage, ob Lean Management auch in den Spitälern anwendbar ist.
1.3 Zielsetzung
Im Zentrum der Arbeit steht die Beantwortung folgender Fragen:
- Welchen Einfluss hat die Prozessorientierung in den Spitälern auf die Operations Performance (OP)?
- Wie bewerten Spitäler die Prinzipien von Lean Management bezüglich des Einflusses auf das effiziente Arbeiten in ihren Hauptprozessen?
- Welchen Einfluss hat in den Spitälern die Anwendung des Lean Hospital-Ansatzes auf die Operations Performance (direkte Wirkung) und die Prozessorientierung (indirekte Wirkung auf OP)?
- Sollen Spitäler somit Lean Management anwenden?
Die Forschungsfragen sollen mit Hilfe einer empirischen Befragung in den Schweizer Spitälern beantwortet werden.
1.4 Vorgehensweise
In einem ersten Schritt soll durch eine eingehende Literaturrecherche der aktuelle Forschungsstand zur Prozessorientierung im Spital und zum Lean Hospital-Ansatz ermittelt werden. Die Analyse dient dazu, Hypothesen zu den eigenen Forschungsfragen zu bilden und Grundlagen für die folgende empirische Befragung zu erarbeiten, welche den Kern der Arbeit bildet. Im zweiten Schritt werden die Forschungsfragen mit Hilfe der im ersten Teil erarbeiteten Grundlagen empirisch untersucht. Dazu wird eine schriftliche Befragung in allen 150 Schweizer Akutspitälern (exklusive der Spezialkliniken der Gynäkologie/Neonatologie) durchgeführt. Im ersten Teil der Befragung sollen Fragen zu der Prozessorientierung und der Operations Performance Aufschluss darüber geben, welchen Einfluss die Prozessorientierung auf die Operations Performance hat und wie sich Lean Management auf die Prozessorientierung und die Operations Performance auswirkt. Im zweiten Teil werden den Befragten verschiedene Prinzipien des Lean Management vorgelegt, die sie bezüglich des Einflusses auf das effiziente Arbeiten in ihren Hauptprozessen beurteilen sollen. Dies soll zeigen, wie die Prozessmanagement-Verantwortlichen die Anwendbarkeit von Lean Management im Spitalbereich einschätzen. Im dritten Teil werden die Stammdaten der Spitäler (u. a. Typologie, Trägerschaft etc.) erfasst und Informationen über die Anwendung von Lean Management gesammelt, um Unterschiede in der Beantwortung der Forschungsfragen bezüglich der Struktur und der Anwendung von Lean Management untersuchen zu können. In einem letzten Schritt soll in der Diskussion der Ergebnisse, die zentrale Forschungsfrage beantwortet werden, ob aufgrund der erzielten Resultate Lean Hospital in den Spitälern als anwendbar eingeschätzt wird oder nicht. Zum Schluss werden aus den Erkenntnissen Handlungsempfehlungen für die Schweizer Spitäler gegeben.
1.5 Abgrenzung der Arbeit
Die Arbeit befasst sich in Bezug auf Lean Hospital ausschliesslich mit den privaten und öffentlichen Akutspitälern der Schweiz ohne die Spezialkliniken der Gynäkologie/ Neonatologie. „Ein Akutspital ist ein allgemeines Krankenhaus im Sinne einer stationären Einrichtung zur akutsomatischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Patienten“. Zu den Akutspitälern gehören:
- die allgemeinen Spitäler der Grund- und Zentrumsversorgung
- die Spezialkliniken für Chirurgie, Gynäkologie/Neonatologie sowie für Pädiatrie.
Die übrigen Spezialkliniken zählen nicht zu den Akutspitälern (H+ Die Spitäler der Schweiz).
Die Aufteilung der Spitäler in „Allgemeine Spitäler“ und „Spezialkliniken“ erfolgt aufgrund der Anzahl Leistungsstellen und der Pflegetage pro Leistungsstelle. Die „Allgemeinen Spitäler“ werden bezüglich des Versorgungsniveaus in „Zentrumsversorgung“ und „Grundversorgung“ unterteilt. Die „Spezialkliniken“ teilen sich bezüglich der Spezialisierung weiter auf in „Chirurgie“, „Gynäkologie/Neonatologie“, „Pädiatrie“ und „Diverse Spezialkliniken“ (Bundesamt für Statistik BFS, 2006).
Weiter beschränkt sich die Untersuchung auf die Kernprozesse, in Abgrenzung zu den Management- und Unterstützungsprozessen.
Schliesslich soll betont werden, dass bewusst die Operations Performance zum Messen der Leistung gewählt wurde, da die Bestimmung der Leistung im Spital extrem komplex ist. Auch wenn die meisten Gesundheitsorganisationen eine Optimierung der Finanzziele verfolgen, ist oft der Hauptzweck die Erhaltung und Verbesserung des menschlichen Lebens. Somit ist es wenig sinnvoll, die Leistung anhand der Finanzkennzahlen zu messen (Cleven et al., 2011, S.51). Aus diesem Grund greifen auch reine Effizienzkriterien zu kurz, da oft bemängelt wird, dass die Effizienz auf Kosten der Qualität und Mitarbeiterzufriedenheit geht. Die Messung mittels eines umfassenden Konstrukts der Operations Performance scheint somit angemessen und beinhaltet auch die Forderung von Donabedian (1966), dass der Nutzen der Gestaltung von Prozessen im Spital in der Effektivität, der Effizienz und der Qualität liegt.
1.6 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in sieben Teile. Im Einleitungskapitel (Kapitel 1) steht die Forschungsfrage im Zentrum. Die Ausgangslage und die Problemstellung werden dargelegt und somit die Kernfrage, ob Lean Management auch in den Spitälern anwendbar ist, hergeleitet. Die Zielsetzung soll deutlich machen, welche Fragen in der Arbeit beantwortet werden sollen. Weiter wird erläutert, wie vorgegangen wird, um schliesslich eine Antwort auf die Kernfrage zu finden. Der Rahmen der Arbeit wird in der Abgrenzung beschrieben.
Das zweite Kapitel beinhaltet die theoretischen und definitorischen Grundlagen der Arbeit zur prozessorientierten Organisation im Spital (Kapitel 2.1) und zum Lean Hospital-Ansatz (Kapitel 2.2). In den beiden Unterkapiteln wird jeweils auch der aktuelle Forschungsstand zum Einfluss der Prozessorientierung auf die Operations Performance und zur Anwendbarkeit von Lean Management im Spital dargestellt. Ebenfalls werden aus der bestehenden Literatur Hypothesen zu den eigenen Forschungsfragen aufgestellt.
Die gewählte Methodik, um die Forschungsfragen zu beantworten, wird im Kapitel 3 erläutert. Eingangs wird das Forschungsmodell visualisiert und aufgezeigt, welche Hypothesen jeweils zur Erklärung der verschiedenen Zusammenhänge gebraucht werden. Danach wird dargelegt, wie das Forschungskonstrukt messbar gemacht wird, wie die verwendeten Daten erhoben wurden und wie sie schliesslich analysiert werden.
Im Kapitel 4 werden die erhobenen Daten auf die Hypothesen statistisch angewendet, um so Antworten auf die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit zu finden. Im ersten Teil (Kapitel 4.1) werden die Ergebnisse bezüglich der aktuellen Prozessorientierung der Schweizer Spitäler und der Einfluss der Prozessorientierung auf die Operations Performance beschrieben. Im zweiten Teil (Kapitel 4.2) werden die Resultate hinsichtlich der aktuellen Anwendung von Lean Hospital, der Bewertung der Verschwendungsarten und des Einflusses von Lean Management auf die Operations Performance präsentiert.
Anschliessend werden die erzielten Ergebnisse im Kapitel 5 diskutiert und aus den Erkenntnissen Handlungsempfehlungen für die Schweizer Spitäler gegeben (Kapitel 6). Das Kapitel 7 beinhaltet schliesslich die Limitationen der Forschungsarbeit und gibt einen Ausblick auf zukünftige und weiterführende Forschungsfragen.
2 Grundlagen und aktueller Forschungsstand
2.1 Die prozessorientierte Organisation im Spital
2.1.1 Der Prozessbegriff
Bevor in dieser Arbeit vertieft auf die prozessorientierte Organisation eingegangen werden kann, soll der Prozessbegriff definiert werden. Aufgrund des Fehlens einer einheitlichen Begrifflichkeit, haben sich in im Laufe der Jahre viele verschiedene Prozessdefinitionen ausgebildet. Diese können auf vier wesentliche Elemente reduziert werden (Liebert, 2012, S. 10f.):
- ein definierter Input
- eine wertschöpfende Transformation des Inputs
- ein Output
- ein Kundenbezug bzw. Kundenanforderung bezüglich interner und externer Kunden-Lieferantenbeziehungen
Dieser Definition folgend, können in einem Unternehmen Tausende von Prozessen benannt werden, da der Prozessbegriff in dieser Form nichts über Reichweite, Begrenzung und Empfänger aussagt. Im Rahmen dieser Arbeit soll ein Prozess mit Input und Output nur als solcher bezeichnet werden, wenn die Transformation aus einer Verknüpfung wertschöpfender Aktivitäten besteht, deren Reichweite funktions- und organisationsüberschreitend ist und sich bis zum Kunden erstreckt (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 63f.). Einerseits soll durch diese Erweiterung die wesentlichen Zielsetzung des Prozessmanagements unterstrichen werden, die funktionale Zerstückelung von Prozessketten zu überwinden. Anderseits soll betont werden, dass nicht jeder im Sinne des Taylorismus entstandene arbeitsteilige Ablauf innerhalb einer funktionalen Struktur als Prozess bezeichnet und nicht jeder Bereich, der Verfahrensvorgaben festgelegt hat, als prozessorientiert beschrieben wird (Liebert, 2012, S. 11).
Davenport (2013, S. 5) gibt eine praxisorientiertere Definition. Er versteht unter einem Prozess eine spezifische Anordnung der Aktivitäten in Raum und Zeit mit einem Anfang und Ende und einem klar definierten Output. Dies fasst er unter einer „structure for action“ zusammen. Die Abbildung 1 macht die Definition eines Prozesses anschaulich.
Abbildung 1: Definition Prozess
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Vera & Kuntz (2007, S. 57)
2.1.2 Abgrenzung prozessorientierte Organisation
Aufbauend auf dem im vorherigen Abschnitt definierten Prozessbegriff soll nachfolgend die prozessorientierte Organisation abgegrenzt werden. Eine erste Unterscheidung erfolgt gegenüber der Funktionsorientierung, damit ein klares Verständnis über die Charakteristik dieser Organisationsform geschaffen wird. Nachfolgend werden die in der Literatur oft unterschiedlich interpretierten Begriffe „Prozessorganisation“ und „prozessorientierte Organisation“ gegeneinander abgegrenzt. Vor dem Hintergrund der definitorischen Heterogenität kann so erläutert werden, was in dieser Arbeit unter Prozessorientierung verstanden wird.
2.1.2.1 Funktions- vs. Prozessorientierung
Wie Osterloh & Frost (2006, S. 23ff.) aufzeigen, begann anfangs des 20. Jahrhunderts mit dem Taylorismus die Auseinandersetzung mit Fragen des Managements und insbesondere der Organisation. Die Grundidee dieses Ansatzes war, die Produktivität zu steigern mittels eines effizienten Systems der organisatorischen Arbeitsteilung und Arbeitsausführung ohne die Arbeiter zusätzlich zu belasten. Dies erzeugte eine Spezialisierung, die in zwei Arten eingeteilt werden kann. Einerseits erfolgte durch die Zerlegung des Arbeitsprozesses in kleinste Arbeitsschritte eine horizontale Spezialisierung, anderseits führte die vollständige Trennung von Kopf- und Handarbeit zu einer vertikalen Spezialisierung. Es entstand ein organisatorisches Konzept, dass stark funktionsorientiert ist.
In funktionalen Organisationen führen Abteilungsgrenzen zu Prozess- und Verantwortungsbrüchen sowie Schnittstellen. Diese verursachen „Koordinations- und Kontrollaufwand, erzeugen Missverständnisse und Fehler, verzögern Entscheidungen […], erschweren die Kommunikation, führen zu Informationsverlusten und mindern insgesamt die Ergebnisqualität sowie die Produktivität” (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 73f.).
Die organisationsbedingte Zerstückelung der Prozesse in Funktionsorganisationen verhindert ebenfalls, dass die Mitarbeiter eine ganzheitliche Sicht einnehmen können. Die Aufteilung der Verantwortung in kleine Teilabschnitte führt zu einem Verlust des Kundenbezugs. Dies hat zur Folge, dass sich keiner für die Endleistung verantwortlich fühlt und Lerneffekte und die Identifikation mit dem Kunden verloren gehen (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 74). Jung (2002, S. 12f.) spricht in diesem Zusammenhang von sich bildenden Bereichslogiken und Abteilungsegoismen, die zwar im Detail zu Erfolgen führen, aber das Verständnis für Prozesse und damit die Kundenorientierung stark behindern.
Ist die Umwelt relativ stabil und überschaubar, die Wettbewerbsintensität niedrig und besteht somit keine Notwendigkeit sich flexibel den sich ändernden Bedingungen anzupassen, stellt der sich aus den vielen Schnittstellen ergebende Koordinationsbedarf kein schwerwiegendes Problem dar (Osterloh & Frost, 2006, S. 24f.).
Im Gegensatz zur funktionsorientieren Organisation steht die prozessorientierte Organisation. Diese orientiert sich, anders als Funktionen, von aussen nach innen, ausgehend vom Markt und den Bedürfnissen der Kunden. Die in den Prozessen erzeugte Leistung wird bestimmt aus den Bedürfnissen, Anforderungen und Erwartungen der Kunden. Dabei findet eine Konzentration auf Leistungen statt, die für den Kunden einen Wert erzeugen. (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 75). Wie Abbildung 2 zeigt, sind die Prozessziele auf den Kunden ausgerichtet. In der Funktionalen Organisation richten sich die Ziele nach den Funktionen.
Wie Schmelzer & Sesselmann (2008, S. 75) weiter erläutern, ermöglichen prozess-orientierte Organisationen flexibel auf veränderte Bedürfnisse des Marktes oder der Kunden zu reagieren. Die gemeinsame Sicht der Mitarbeiter auf den Kunden führt zu einer starken Koordinationswirkung und unterstützt die horizontale Kooperation. Nicht mehr die effiziente Erfüllung von Teilaufgaben, sondern die Optimierung des gesamten Wertschöpfungsprozesses steht im Zentrum.
Abbildung 2: Funktionsziele versus Prozessziele
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schmelzer & Sesselmann (2008, S. 73)
2.1.2.2 Zwei Sichtweisen der Prozessorganisation
In der Literatur kommt es oft zu einer ungenügenden Begriffsbestimmung oder definitorischen Heterogenität des Terms „Prozessorganisation“ (Liebert, 2012, S. 12). Um Klarheit zu schaffen, werden zwei verschiedene Sichtweisen, die „Prozessorganisation als Primär- und Sekundärstruktur“ kurz erläutert.
Die Verschiedenheit der zwei Sichtweisen beruht auf der dualistischen Betrachtungsweise vom Aufbau und Ablauf in der Organisationslehre, die auf Nordsieck und Kosiol zurück geht (Gaitanides, 2007, S. 6ff.). Unter der Aufbauorganisation wird „die „strukturierende Gestaltung“ verstanden, wobei die Abteilungs- und Stellenbildung (Aufgabenverteilung) im Vordergrund stehen.“ Dem gegenüber steht die Ablauforganisation, die „die raumzeitliche Gestaltung der Arbeitsprozesse (Arbeitsverteilung) innerhalb der von der Aufbauorganisation definierten Stellen“ beinhaltet (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 46).
Vor diesem Hintergrund kann die Prozessorganisation als Primärstruktur der Gestaltung der Aufbauorganisation zugeordnet werden. Wie Schmelzer & Sesselmann (2008, S. 171) schreiben, versteht man unter Prozessorganisation „die Integration der Geschäftsprozesse in die Organisationsstruktur [.] des Unternehmens bzw. der jeweiligen Geschäftseinheit.“ Bei einer konsequenten Umsetzung der Prozessorganisation wird die funktionale Struktur gänzlich aufgegeben und durch eine Ordnung abgelöst, die sich komplett an den Geschäftsprozessen orientiert. Diese Sichtweise der Prozessorganisation ändert die von Chandler geprägte Aussage von „structure follows strategy“ (Chandler, 1962, S. 14ff.) in „structure follows process“ (Osterloh & Frost, 2006, S. 40). Unter anderen erklärt aber Gaitanides (2007, S. 74ff.), dass es auch hybride Formen der Prozessorganisation gibt, die durch unterschiedliche Integrationsgrade der Geschäftsprozesse in die Organisationsstruktur gekennzeichnet sind.
Im Gegensatz dazu steht bei der Prozessorganisation als Sekundärstruktur die Ablauforganisation im Mittelpunkt der Betrachtung. Die so definierte Prozessorganisation legt Geschäftsprozesse fest, überwacht und trägt zur deren optimaler Durchführung bei und verbessert fortlaufend die Leistungsfähigkeit durch Prozessverbesserungen und Neuerungen (Liebert, 2012, S. 15). Diese Ansicht teilt Kohlbacher (2010, S. 135) mit seiner Definition, ein prozessorientierte Organisation sei eine Unternehmung, die das Konzept des Prozessmanagements umfassend anwende.
2.1.2.3 Die prozessorientierte Organisation
Um Klarheit zu schaffen, ist es wichtig zu definieren, was in dieser Arbeit unter Prozessorientierung verstanden wird. So soll deutlich gemacht werden, dass der Begriff der prozessorientierten Organisation in dieser Arbeit im Sinne einer Prozessorganisation als Sekundärstruktur verwendet wird. Dadurch richtet sich der Fokus hauptsächlich auf die Ablauforganisation. Dies wird legitimiert durch die von mehreren Autoren geteilten Meinung von Manganelli & Raspa (1995), dass eine prozessorientierte Organisation nicht unbedingt das Resultat eines Business Process Reengineering (BPR) Projektes sein muss, sondern auch schrittweise entstehen kann, als Ergebnis von kontinuierlicher Verbesserung der existierenden Strukturen. Somit können die Ausdrücke „Prozessorientierung“ und „Prozessmanagement“ als Synonyme verwendet werde (Cleven A. , 2011).
Das Ziel des Prozessmanagements ist das Realisieren von effektiven, effizienten und anpassungsfähigen Prozessen, die somit die vertikalen Funktionsstrukturen überwinden. Die daraus resultierenden Aufgaben können in vier Schritte zusammengefasst werden (Jung, 2002, S. 16ff.):
- Prozesse identifizieren und abgrenzen
- Prozesse analysieren und dokumentieren
- Messsysteme entwickeln
- Prozesse lenken und laufend verbessern
2.1.3 Charakteristiken einer prozessorientierten Organisation
2.1.3.1 Fokus auf Geschäftsprozesse
Wie in Kapitel 2.1.2.1 bereits erläutert wurde, orientiert sich die prozessorientierte Organisation an Geschäftsprozessen anstatt an Funktionen. Alle Aktivitäten, die es braucht, um eine bestimmte Leistung zu erstellen, werden in einem Geschäftsprozess zusammengefasst. Durch die Fokussierung auf die Wertschöpfungskette, die sich über Funktionen und Abteilungen erstreckt, erkennt der Mitarbeiter, wie sich sein Handeln auf den Gesamtprozess und auf das Prozessergebnis auswirkt. Im Zentrum steht die Optimierung der gesamten Wertekette und nicht mehr die effiziente Erfüllung einzelner Aufgaben (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 75).
Die horizontale Aufgabenzusammenführung, die durch die Prozessorientierung impliziert wird, führt zu weniger Hierarchiestufen und reduziert Schnittstellen, was zu weniger Koordinations- und Kontrollaufwand führt (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 73ff.). Denn wie Jung (2002, S. 24) aufzeigt, geht an den Schnittstellen durch die Übergabe von Arbeiten viel Wissen verloren. Ebenfalls kommt es zu einer Verzögerung der Arbeit und Verantwortlichkeiten sind oft unklar geregelt.
2.1.3.2 Kundenorientierung
Das zentrale Element der Prozessorientierung ist die Orientierung am Kunden. Bei der Definition von Geschäftsprozessen werden der Kunde und die Kundenbeziehungen in den Mittelpunkt gestellt und so das ganze Denken und Handeln der Organisation auf den Kunden ausgerichtet (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 69).
Um eine Zufriedenstellung des Kunden zu erreichen, sind zwei Elemente von entscheidender Bedeutung: Die Identifikation und die Befriedigung der Kundenbedürfnisse. Erst die Bestimmung der Bedürfnisse und Wünsche der Kunden kann sicherstellen, dass das Prozessergebnis tatsächlich mit den Anforderungen der Kunden übereinstimmt und so zu einer hohen Kundenzufriedenheit führt. Es ist dann die Aufgabe des Prozessmanagements, durch Prozesssteuerung und –kontrolle sicherzustellen, dass sich die Prozessleistung und die Leistungserwartungen der Kunden kongruieren. Diese Verifizierung erfolgt in einem ständigen Verbesserungskreislauf, der die kontinuierliche Verbesserung der Organisation sicherstellt (Jung, 2002, S. 23ff.).
Nicht nur wird durch Prozessorientierung die Kundenzufriedenheit gesteigert, sondern das Management der Prozesse befähigt die Mitarbeiter ebenfalls, sich auf die Leistungen und Prozesse zu konzentrieren, die eine Wertschöpfung generieren (Jung, 2002, S. 23). Somit werden Aufgaben, die keinen Wert erzeugen und somit nicht zentral für das Unternehmen sind, eliminiert.
Gemäss Schmelzer & Sesselmann (2008, S. 75f.) bewirkt die zentrale Sicht auf den Kunden ebenfalls, dass sich alle Mitarbeiter an einem gemeinsamen Ziel orientieren. Dies „übt eine starke Koordinationswirkung aus und unterstützt die horizontale Kooperation und Zusammenarbeit.“
2.1.3.3 Empowerment
„Nicht die Unternehmen als abstrakte Einheit, sondern die Menschen in den Unternehmen verwirklichen den Prozessgedanke“ (Vahs, 2007, S. 256). Dieser Ansicht ist auch Jung (2002, S. 83ff.), indem er darlegt, dass Prozessorientierung nur erfolgreich ist, wenn sie in der Führungsstruktur verankert ist. Dazu ist es notwendig Verantwortliche für die Leistungsfähigkeit der Geschäftsprozesse zu definieren, welche die damit verbundenen Aufgaben übernehmen und die entsprechenden Kompetenzen besitzen.
Dieser Forderung kann mit dem Element des Empowerments nachgekommen werden. Unter dem Begriff werden „Massnahmen verstanden, auf Mitarbeiter weitreichende Kompetenzen, Befugnisse und Wissen zu übertragen.“ Damit wird der Mitarbeiter dazu befähigt, seinen Leistungsbeitrag wesentlich selber zu bestimmen. Dieser Ansatz geht indessen über Dezentralisation und Delegation von Verantwortung hinaus, es geht vor allem um Ermächtigung zur Eigeninitiative und Selbstverantwortung (Schreyögg, 1996, S. 269).
Der Mitarbeiter erhält so die nötigen Kompetenzen, um den Kunden im Rahmen der Prozessvariante zu befriedigen (Osterloh & Frost, 2006, S. 35). Eine weitere wichtige Folge ist, dass durch die Übertragung von Verantwortung die Mitarbeiter motiviert werden, was wesentliche positive Folgen für das Unternehmen hat (Schreyögg, 1996, S. 271).
Die Selbststeuerung und –kontrolle lösen bei den Mitarbeitern Lernprozesse aus. Diese erweitern die Problemlösungs- und Handlungskompetenzen für die ganze Organisation. Das kontinuierliche Lernen ermöglicht der Organisation, auf Veränderungen zu reagieren und unausgeschöpfte Potentiale zu mobilisieren (Schmelzer & Sesselmann, 2008, S. 76).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass aus der Theorie die Prozessorientierung zu einer hohen Effizienz bezüglich der Zeit, Qualität und Kosten führt. Gleichzeitig kann durch die Kundenorientierung eine hohe Effektivität erreicht werden.
2.1.4 Aktuelle Prozessorientierung in den Schweizer Akutspitälern
In der Industrie findet das Organisationskonzept der Prozessorientierung bereits seit 20 Jahren eine breite und umfassende Anwendung und wird als vielleicht wichtigstes Managementkonzept dieser letzten Jahre bezeichnet (Cole & Scott, 2000). Inwieweit der Wissenstransfer zwischen der Industrie und dem Spital stattfindet und somit die Spitäler das Konzept der Prozessorientierung aktuell anwenden, soll in diesem Kapitel erarbeitet werden.
Es kann vorweg genommen werden, dass bislang eine umfassende Studie fehlt, die den aktuellen Stand der Prozessorientierung im Spital untersucht. Durch ein Literaturstudium sollen aber Hinweise dafür gefunden werden, wie die heutige Situation in den Schweizer Spitälern aussieht.
2.1.4.1 Hemmer der Prozessorientierung
In den kulturellen und strukturellen Eigenheiten der Spitäler konnten einige Elemente erkannt werden, die die Prozessorientierung erschweren. Spitäler sind gekennzeichnet durch einen ausgeprägten Professionalismus, vor allem der Ärzteschaft (Relman, 2007). Als Folge ihrer Ausbildung und ihrer Sozialisierung identifizieren sich Ärzte vor allem mit ihrer Berufsgruppe. Sie besitzen ein starkes Commitment, um die Leistungsfähigkeit und das Prestige ihrer Profession weiter zu entwickeln und suchen bei Berufskollegen Unterstützung (Vera & Kuntz, 2007, S. 58). Als Folge der fachlichen Selbstverwirklichung treiben sie vor allem die medizinische oder medizin-technische Innovation voran. So stehen eine disziplinäre und fallbezogene Perspektive, anstelle einer ganzheitlichen Sichtweise, ein tiefes Kostenbewusstsein und ein grosses Autonomiebedürfnis oft in Konflikt mit der Prozessorientierung (Walther, 2005, S. 409f.).
Ein weiteres Hindernis, dass es zu überwinden gilt, ist die traditionelle funktionsorientierte Aufbaustruktur vieler Spitäler (zur funktionsorientierten Organisation vgl. Kapitel 2.1.2.1). In dieser stehen die drei Bereiche Ärzteschaft, Pflege und Verwaltung gleichberechtigt nebeneinander (vgl. Abbildung 3). Das daraus folgende „Silo-Denken“ und vertikale Führungsmuster implizieren viele Schnittstellen und führen dazu, dass oft die berufs- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit behindert wird. Dies erschwert ganzheitliche Veränderungsansätzen (Walther, 2005, S. 409f.).
Abbildung 3: Typische Silostruktur der Spitäler
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bahro et al. (2000)
Weiter kommt dazu, dass das pflegerische und ärztliche Personal oft keinen gemeinsamen Vorgesetzten hat, der die Gesamtverantwortung trägt. Im Gegensatz zur Industrie wo die strategischen Aufgaben über ein gestuftes Verantwortungssystem auf die operative Ebene übertragen werden, handelt im Spital die operative Ausführungsebene weitgehend eigenverantwortlich. Es kommt somit zu parallelen Hierarchien, in denen die Medizin oft eine dominante Stellung einnimmt und die Administration den beiden anderen Professionen faktisch untergeordnet ist. Es resultiert eine mangelnde Durchsetzungsmöglichkeit von betriebswirtschaftlich motivierten Verbesserungsansätzen. Diese wird noch verstärkt dadurch, dass Mediziner immer wieder ihre informelle Machtbasis ausnützen und ebenfalls betriebswirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen (Walther, 2005, S. 411f.).
Wie Glouberman & Mintzberg (2001, S. 55) schreiben, ist ein Spital eine ausser-gewöhnlich komplexe Organisation. Durch die Vielzahl von Krankheitsbildern mit denen sich Spitäler regelmässig beschäftigen, ist die Anzahl von Kernprozessen im Vergleich zu anderen Industrien sehr gross. Dies macht es schwierig, die Prozesse im Spital zu identifizieren (Vera & Kuntz, 2007, S. 58). Damit ergibt sich ein weiterer Faktor, der die Umsetzung der Prozessorientierung im Spital erschwert.
Abschliessend soll noch ein letztes Element genannt werden, das ein Hindernis darstellt. Der in prozessorientierten Organisationen geforderte breite Aufgabenzuschnitt der Mitarbeiter und funktionsübergreifende Teams sind limitiert durch die ausgeprägte funktionale Spezialisierung der Mediziner, die durch die hohe Wissensintensität in den Spitälern aber unverzichtbar ist (Vera & Kuntz, 2007, S. 58).
Diese in den vorherigen Abschnitten erläuterten hemmenden Elemente, sind kennzeichnend für Expertenorganisation, welchen Spitälern zugeordnet werden können (Walther, 2005, S. 51). Hellström et al. (2010) finden in einer Studie mit dem Titel „Process management in healthcare: Investigating why it’s easier said than done“ vergleichbare Elemente, die sich negativ auf die Prozessorientierung auswirken. Sie kommen weiter zum Schluss, dass die Sichtweise auf Prozesse in den Spitälern noch schwach ist.
Ein zentraler Faktor, welcher die Prozessorientierung ebenfalls massgeblich beeinflusst hat, ist das bis 2012 geltende Vergütungssystem der Spitäler. Bis zu diesem Zeitpunkt finanzierten die Kantone die Ausgaben der öffentlichen Spitäler in Form von Pauschalen für Einzelleistungen, übernahmen Investitionen und waren verpflichtet, Defizite zu decken. Die Pauschalen für die Einzelleistungen berechneten sich in den meisten Kantonen anhand von Tagespauschalen. Dies kommt einer Input-orientierten Finanzierung gleich (Fritsche & Herrmann, 2009, S. 22). Dies führte für die Spitäler zu einem Mangel an Anreizen, die Kosten zu reduzieren und die Effizienz zu steigern (Busato & von Below, 2010). Zusammen mit einer niedrigen Wettbewerbsintensität sind dies alles Bedingungen, die eine Funktionsorientierung legitimieren.
2.1.4.2 Befähiger der Prozessorientierung
Seit 2012 wird nun schweizweit die Spitalleistung Output-orientiert entschädigt, dies anhand einer leistungsorientierten und fallbezogenen Finanzierung (Morra, 1996, S. 293). Bei der Vergütung mittels Fallpauschalen wird „jeder Spitalaufenthalt anhand von bestimmten Kriterien, wie Hauptdiagnose, Nebendiagnosen, Behandlungen und weiteren Faktoren, einer Fallgruppe (DRG) zugeordnet und pauschal vergütet.“ Diese Entschädigung ist unabhängig von der tatsächlichen Verweildauer des Patienten im Spital (SwissDRG, 2008). Der Anreiz, die Ressourcen kostenbewusst einzusetzen und die Aufenthaltsdauer der Patienten bei gleicher Qualität zu senken, ist mit der neuen Finanzierung gross. Die ganze Spitalorganisation muss sich vermehrt am Markt, den Kunden und an der Qualität orientieren (Morra, 1996, S. 294). Die Effizienz der Prozesse bestimmt, ob das Spital die verursachten Kosten mittels der Fallpauschalen decken und somit auf dem Markt bestehen kann. Darum sollten die Spitäler ihre Prozesse kennen, diese kontrollieren und optimieren. Was dazu führen soll, dass Spitäler sich vermehrt prozessorientiert organisieren (Fritsche & Herrmann, 2009, S. 24f.). Walter (2005, S. 13) und Pieper (2002, S. 259) sind ebenfalls der Meinung, dass die DRG-Einführung einen Trend zur Prozessorientierung initiieren sollte.
Die Studien von Fritsche & Herrmann (2009) und Angerer et al. (2012), die in fünf bzw. in vier Schweizer Akutspitälern das Prozessmanagement untersuchen, stellen fest, dass in den meisten Spitälern bereits Elemente der Prozessorientierung gefunden werden können. Sie kommen aber zum Schluss, dass noch ein grosses Potential vorhanden ist, die Prozessorientierung zu steigern. Beide sind ebenfalls der Meinung, dass durch den zunehmenden finanziellen Druck der DRGs sich die Spitäler weiter in Richtung einer prozessorientierten Organisation entwickeln werden. Fritsche & Hermann (2009) liefern dafür erste empirische Befunde. So weisen die Spitäler, die zum Zeitpunkt der Studie von ihren Kantonen bereits über Fallpauschalen entschädigt wurden, mehr Elemente einer prozessorientierten Organisation auf.
2.1.4.3 Fazit der aktuellen Prozessorientierung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im Vergleich zur Industrie, wo durch den hohen Wettbewerbsdruck die Prozessorientierung bereits sehr weit verbreitet ist, das Spitalwesen noch am Anfang des Prozessmanagements steht. Dies lässt sich auf die anfangs beschriebenen kulturellen und strukturellen Widerstände zurückführen, durch diese sich Spitäler wesentlich von Industrie-Unternehmen unterscheiden. Durch die Abkehr von der Input- hin zur Output-orientierten Finanzierung steigt der Druck auf die Kosten und es lässt sich vermuten, dass die Spitäler ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf Prozesse lenken werden, um auf die geänderten Bedingungen zu reagieren. Daraus wird folgende Hypothese formuliert:
Hypothese 1: In den Schweizer Akutspitälern besteht noch Potential hinsichtlich der prozessorientierten Organisation, es lassen sich aber bereits klare Elemente dafür feststellen.
Das Umfeld der öffentlichen Spitäler war lange stabil und geprägt von einer sehr tiefen Wettbewerbsintensität. Erst durch die mit der neuen Spitalfinanzierung eingeführten interkantonalen freien Spitalwahl und der Spitalliste, welche für die Finanzierung entscheidend ist, fand eine Liberalisierung des Wettbewerbs statt. Zusätzlich erhöhen diese Neuerungen die Transparenz eines Spitals und die Leistungen und die Qualität werden vergleichbar (Kappler 2009a, Kappler 2009b).
Auch wenn die Bedeutung der Trägerschaft durch die Einführung der neuen Spitalfinanzierung abgenommen hat (Bundesamt für Gesunheit BAG, 2015, S. 4; Bundesamt für Gesundheit BAG, 2014), gibt sie trotzdem Auskunft über die historisch bedingten Strukturen. Spitäler mit privater Trägerschaft handeln gewinnorientiert und sind somit seit langem dem Wettbewerb ausgesetzt. So haben sie ein ausgeprägtes Qualitätsdenken, müssen effizient agieren und sind stark auf den Patienten ausgerichtet. Angesichts dieser Gegebenheiten, wird die folgende Hypothese aufgestellt:
Hypothese 2: Im Vergleich zu öffentlichen Spitälern sind private Spitäler prozessorientierter.
Zentrumspitäler unterscheiden sich von den Spitälern der Grundversorgung durch eine höhere Summe der, von Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH - Foederatio Medicorum Helveticorum) anerkannten, Weiterbildungskategorien oder einer höheren Anzahl der behandelten stationären Fälle. Im Vergleich zu den Zentrums- und Grundversorgungsspitälern charakterisieren sich Spezialkliniken durch die tiefe Anzahl an Leistungsstellen (Bundesamt für Statistik BFS, 2006). Es kann somit die Annahmen getroffen werden, dass Spitäler der Grundversorgung durch die grössere Anzahl an Abteilungen tendenziell komplexer sind als Spezialkliniken. Und sich Zentrumsspitäler wiederum noch komplexer in ihrer Organisation gestalten und grösser sind als die jeweils anderen Typologien.
Anfangs des Kapitels wurde beschrieben, dass sich die Komplexität der Spitäler, durch die hohe Anzahl an Behandlungspfaden, negativ auf die Prozessorientierung auswirkt. Welche Wirkung die Grösse von Spitälern auf die Innovationsfähigkeit hat, untersuchen Meyer & Goes (1988) in einer empirischen Studie. Sie finden einen positiven Zusammenhang zwischen der Grösse und der Adoption von Innovationen. Schliesslich wird somit angenommen, dass sich der negative Effekt der Komplexität und der positive Einfluss der Grösse aufheben und sich so keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Typologien ergeben. Aufgrund dieser Annahme wird folgende Hypothese aufgestellt:
Hypothese 3: Zwischen den Zentrumsspitälern, den Spitälern der Grundversorgung und den Spezialkliniken gibt es keine signifikanten Unterschiede in der Prozessorientierung.
2.1.5 Einfluss der Prozessorientierung auf die Operations Performance
Die Forschung zur Prozessorientierung und zum Prozessmanagement erhält in den 90er Jahren eine hohe Aufmerksamkeit. Eine Vielzahl von Studien beschäftigen sich seither mit diesem Thema (Cleven et al., 2011, S. 49). Einige davon untersuchen den Einfluss der Prozessorientierung auf die Operations Performance. Die Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die nachfolgend vorgestellten Studien.
Tabelle 1: Eine Übersicht der vorgestellten Studien zur Prozessorientierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Kohlbacher (2010) untersucht anhand einer breiten Literaturstudie den Einfluss der Prozessorientierung auf die Operations Performance. Untersucht werden theoretische Statements, quantitative Studien und Fallstudien. Die Analyse kommt zum Schluss, dass die positiven Effekte überwiegen. Die häufigsten Auswirkungen sind Kostenreduktionen, eine Steigerung der Kundenzufriedenheit, Qualität und Produktivität und Produkte, die besser mit den Anforderungen der Kunden übereinstimmen.
Die Prozessorientierung fand unter anderem durch die Arbeit von Bragato & Jacobs (2003) Einzug in den Spitalsektor. Sie ist eine Antwort auf die im Jahr 2002 veröffentlichte Studie von McNulty & Ferlie (2002), die darlegt, dass Business Process Reengineering (BPR) im Spital nicht die gewünschten Veränderungen bringt. Die beiden Autoren untersuchen darum, ob klinische Patientenpfade[1] den Spitälern zu einer ausgeprägten horizontalen Organisation verhelfen können. Sie kommen zum Schluss, dass dieses Instrument, vor allem durch den Bottom-Up-Ansatz, effektiver ist, um Qualitäts-steigerungen und gleichzeitig Kostensenkungen zu erreichen als BPR. Ein wichtiger Aspekt, der den Einzug der Prozessorientierung in das Gesundheitswesen ebenfalls massgeblich beeinflusst, ist der Lean Hospital – Ansatz. Darauf wird im Kapitel 2.2.3 näher eingegangen.
Während der positive Einfluss der Prozessorientierung in vielen verschiedenen Industrien mehrfach belegt ist, existieren wenige quantitative Studien, die die Wirkung auf die organisationale Performance im Spital untersuchen.
Vera & Kuntz (2007) begegnen diesem Mangel mit einer Forschungsarbeit, in deren sie in 41 deutschen Akutspitälern (öffentlicher und privater Trägerschaft) erstmals untersuchen, wie sich ein hoher Grad an Prozessorientierung auf die Effizienz des Spitals auswirkt. Das Ausmass der Prozessorientierung definieren sie durch ein Konstrukt aus sechs Dimensionen: „Prozessoptimierung“, „klinische Patientenpfade“, „interdisziplinäre Zusammenarbeit“, „Prozesskostenrechnung“, „Profitzentren“ und „erfolgsabhängige Vergütung“. Die Autoren finden eine moderate aber signifikant lineare Beziehung zwischen der prozessorientierten Organisation und der Spitaleffizienz. Weiter konnten sie in einer Faktorenanalyse zwei unabhängige Dimensionen ermitteln: „Prozess-management“ und „Dezentralisierung“. Wobei die Items „Prozessoptimierung“, „klinische Patientenpfade“, „interdisziplinäre Zusammenarbeit“ und „Prozesskosten-rechnung“ dem Faktor „Prozessmanagement“ zugeordnet ist. Die beiden verbleibenden Items „Profitzentren“ und „erfolgsabhängige Vergütung“ bilden den Faktor „Dezentralisierung“. Es zeigt sich, dass die positive Wirkung vor allem durch die Dimension „Prozessmanagement“ verursacht wird. Der Faktor „Dezentralisierung“ zeigt einen wesentlich kleineren Einfluss. Das Konstrukt, mit dem die Prozessorientierung erfasst wird, ist eher oberflächlich. Ebenfalls wird die Operations Performance nur eindimensional anhand der Effizienz gemessen. Im Unterschied zu den in den folgenden Abschnitten vorgestellten Studien, wird aber der Output objektiv erfasst und mithilfe einer Data Envelopment Analysis ausgewertet.
Eine Studie, die den Einfluss auf ein umfassenderes Konzept der organisationalen Performance untersucht, ist jene von Cleven et al. (2011). Die Autoren bauen auf der Studie von Vera & Kuntz (2007) auf, messen aber nicht nur den Einfluss auf die Effizienz, sondern auch auf die Mitarbeiter und die Qualität der Spitalleistung. Die drei Komponenten fassen sie unter der internen Performance Perspektive zusammen. Zusätzlich erforschen sie ebenfalls die Wirkung auf die externe Performance Perspektive („Patientenzufriedenheit“ und „finanzielle Performance“). Die Analyse der Fragebögen aus 145 Schweizer Spitäler kommt zum Ergebnis, dass der vermutete positive Einfluss der Prozessorientierung bestätigt werden kann. Besonders hoch ist der Einfluss der prozessorientierten Organisation auf die Kompetenz und Zufriedenheit der Mitarbeiter, was wiederum einen hohen Einfluss auf die Qualität und die Effizienz hat. Wie bereits in der Studie von Vera & Kuntz (2007), wird der Fokus vermehrt auf die Messung des Einflusses auf den Output gelegt und weniger auf das Erfassen des komplexen und multidimensionalen Konstrukts der Prozessorientierung.
Angerer & Früh (2013) untersuchen in ihrer Studie ebenfalls, ob ein hoher Reifegrad des Prozess- und Change Managements zu einer hohen Output-Performance führt. Im Vergleich zu den zuvor vorgestellten Publikationen, erheben sie die Daten nicht durch Führungspersonen und Prozessmanagement-Experten, sondern befragen in vier Schweizer Spitälern über 500 Personen aus verschiedenen Berufsgruppen und Hierarchiestufen zu ihrer individuellen Prozessorientierung. Das Mass der Prozessorientierung definieren sie durch ein Können-Wollen-Dürfen – Modell. Die Dimension „Können“ enthält Items in den Kategorien „Wissen und Einsatz Optimierungsmethoden“, „Standardisierung“ und „Praxiserfolg Optimierungen“. „Wollen“ ist unterteilt in die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter und der Organisation. Während „Dürfen“ Items zu „Führungsstil und Kompetenz“ und „Führungsqualität“ beinhaltet. Wie im Kapitel 2.1.3.3 ausgeführt wurde, ist das Empowerment von Mitarbeitern, hier mit „Dürfen“ bezeichnet, ein wichtiges Element einer prozessorientierten Organisation. Dies bleibt in den beiden zuvor vorgestellten Studien fast gänzlich unbeachtet. Zehn Items, die der Operations Performance zugeordnet sind, werden durch eine Faktorenanalyse auf eine dreidimensionale Struktur reduziert. Die Faktoren sind „Mitarbeiterzufriedenheit“, „Qualität und Schnelligkeit“ und „Zusammenarbeit“. Die Resultate bestätigen im Allgemeinen, dass höhere Levels an Können, Wollen und Dürfen zu besseren Ergebnisse bei der Operations Performance führen. Einen signifikanten Einfluss konnte aber nur bei der Standardisierung und dem Praxiserfolg der Optimierungen festgestellt werden. Dabei muss aber beachtet werden, dass zwar über 500 Personen befragt wurden, aber sich die Stichprobe von vier Akutspitälern beschränkt gestaltet.
Trotz der Hindernisse, eine prozessorientierte Organisation im Spital einzuführen (vgl. Kapitel 2.1.4.1), zeigen die Resultate verschiedener Studien, dass die Prozessorientierung auch im Spital positive Auswirkungen auf die Operations Performance hat. Aufgrund der Literaturrecherche wird somit die folgende Hypothese aufgestellt:
Hypothese 4: Je ausgeprägter die Prozessorientierung im Spital ist, desto höher ist die Operations Performance.
2.2 Lean Management im Akutspital
Wie im vorherigen Kapitel zum Ausdruck kommt, ist es für die Spitäler von zunehmender Bedeutung, sich an seinen Prozessen zu orientieren. Als ein Managementansatz, der effiziente und effektive Prozesse gewährleistet, haben sich die Prinzipien des Lean Managements in der Industrie erfolgreich etabliert. Verursacht durch den zunehmenden Druck, besteht in den Spitälern seit einiger Zeit ein zunehmendes Interesse am Lean Management - Ansatzes (Pöhls, 2012, S. 1ff.).
Braun von Reinersdorff (2007, S. 175) legt dar, dass durch den im Lean Management-Ansatz verwendeten Begriff „Wertschöpfungskette“ die Prozessorientierung angedeutet wird. Dies konkretisiert Poksinska (2010) in einer umfassenden Literaturstudie im Jahr 2010, indem er zeigt, dass Lean Management im Spital grösstenteils als Prozessmanagement-Ansatz verwendet wird. Somit scheint es angebracht, Lean Management als methodisches Prinzip der Prozessorientierung einzuordnen. Es stellt eine konkrete Vorgehensweise dar, eine prozessorientierte Organisation im Spital zu implementieren.
2.2.1 Begriffsdefinition
2.2.1.1 Lean Management
Der Begriff „lean“ wird häufig mit „schlank“ übersetzt, wobei in der Literatur vielfach offen bleibt, was konkret unter einem „schlanken Management“, „schlanken Prozessen“ oder einer „schlanken Organisation“ zu verstehen ist (Pöhls, 2012, S. 11). Darum sollen einige Definitionen herangezogen werden. Braun von Reinersdorff (2007, S. 170) beschreibt Lean Management in Anlehnung an Pfeiffer & Weiss (1994) als „...die permanente, konsequente und integrierte Anwendung eines Bündels von Prinzipien, Methoden und Maßnahmen zur effektiven und effizienten Planung, Gestaltung und Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette von [.] Gütern und Dienstleistungen.“ Die vielzitierten Womack & Jones (1996, S. 8ff./111.ff) sowie Kauper (1994, S. 1f.) verstehen unter dem Lean-Ansatz eine Management Philosophie, die darauf abzielt, alle Aktivitäten eines Unternehmens auf den Kundennutzen auszurichten und alle Tätigkeiten, die überflüssig sind, also keinen Kundennutzen generieren oder nicht existenziell wichtig sind, auf das erforderliche Mass zu reduzieren.
Durch die Konzentration auf die wertschöpfenden Tätigkeiten und die Vermeidung der Verschwendung kann Lean Management die Effektivität und Effizienz der Leistungserbringung erhöhen. Dies zeigt sich in reduzierten Prozesskosten und einem beschleunigten Durchlauf (Pöhls, 2012, S. 12).
Lean Management hat seine Wurzeln im Toyota-Produktionssystem, durch das die Unternehmung zum weltweit führenden Automobilhersteller wurde. Der Erfinder des Produktionssystems war Tachii Ohno. Auf ihn zurück gehen das Kanban-System, die Just-in-time-Produktion und die später in dieser Arbeit beschriebenen klassischen Verschwendungsarten (Womack & Jones, 2013). Womack et al. (1990) prägten mit ihrem Buch „The Machine That Changes the World“ über die bei Toyota erkannten Produktions- und Führungsprinzipien den Begriff „Lean Management“ (Poksinska, 2010, S. 319). Sie können somit, neben Tachii Ohno, zu den wesentlichen Begründern dieses Ansatzes gezählt werden (Pöhls, 2012, S. 12).
Um das Ziel einer effektiven und effizienten Leistungserstellung zu erreichen, beschreiben Womack & Jones (2013, S. 24ff.) fünf Kernprinzipien, um das bestehende System in einem zyklischen Ablauf zu überprüfen (vgl. Abbildung 4).
1. Spezifikation Kundennutzen
Der entscheidende Ausgangspunkt von Lean Management ist die Wertschöpfung. Diese kann nur über den Kunden definiert werden und setzt voraus, dass die Bedürfnisse und Anforderungen an die Leistungserstellung genau identifiziert und spezifiziert werden.
2. Identifikation Wertstrom
Im nächsten Schritt wird der Wertstrom identifiziert. Dies bedeutet, dass alle spezifischen Tätigkeiten definiert werden, die nötig sind, um den identifizierten Kundennutzen zu erfüllen. Durch die Konzentration auf den Wertstrom können die überflüssigen Aktivitäten weggelassen werden.
Abbildung 4: Die fünf Kernprinzipien des Lean Managements
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Lean Management Institut (2006) in Anlehnung an Womack & Jones (2006)
3. Fluss
Aufbauend auf dem identifizierten Wertstrom, wird im Schritt 3 das Augenmerk darauf gelegt, die Prozesse kontinuierlich zu gestalten. Dies bedingt ein Aufbrechen von Funktionen und Abteilungen und verhindert Zwischenlager, Pufferlager, Engpässe und Wartezeiten.
4. Pull
Im nächsten Schritt wird der Wertstrom gemäss dem Pull-Prinzip gestaltet. Dies beschreibt ein bedarfsgesteuertes System im Gegensatz zum Push-Prinzip, wo Leistungen nach Planvorgaben hergestellt werden. Im Pull-System ruft somit der Kunde mit seiner Nachfrage eine Leistung ab.
5. Streben nach Perfektion
Der letzte Schritt beruht darauf, dass sich die vier vorhin genannten Prinzipien gegenseitig stimulieren und so kontinuierlich neue Verbesserungsmöglichkeiten gefunden werden. Durch die Kundennähe erhalten die Mitarbeiter, die Verbesserungen umgesetzt haben, ein möglichst direktes und positives Feedback. Dies ist ein zentraler Aspekt des Lean Managements und eine grosse Motivation für kontinuierliche Verbesserungsbemühungen.
[...]
[1] Definition klinischer Patientenpfad: „Ein klinischer Behandlungspfad ist der im Behandlungsteam selbst gefundene berufsgruppen- und institutionsübergreifende Konsens für die beste Durchführung der gesamten stationären Behandlung unter Wahrung festgelegter Behandlungsqualität sowie unter Berücksichtigung der notwendigen und verfügbaren Ressourcen, ebenso unter Festlegung der Aufgaben sowie der Durchführungs- und Ergebnisverantwortlichkeiten. Der klinische Behandlungspfad steuert den Behandlungsprozess; gleich- zeitig ist er das behandlungsbegleitende Dokumentationsinstrument und erlaubt die Kommentierung von Normabweichungen zum Zwecke fortgesetzter Evaluation und Verbesserung.“ (Roeder et al., 2003).
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