Die vorliegende Bachelorarbeit analysiert die Livestreaming-Branche und ihre jeweiligen Akteure unter der Annahme eines Trends zu Livestreaming. Als Ausgangspunkt der Analyse wird der Begriff Livestreaming definiert und von anderen Streaming-Verfahren abgegrenzt, um eine Trennschärfe zu gewährleisten.
Anschließend wird auf das Thema Trends eingegangen, um ein Verständnis dafür zu schaffen was Trends sind, wie Trends entstehen, welche Trendarten es gibt und wie Trendforschung betrieben wird. Da Trends Bestandteil eines Geflechts von Trends und Wechselwirkungsbeziehungen sind, werden mit Livestreaming in Zusammenhang stehende Trends erläutert, um Livestreaming in das aktuelle Zeitgeschehen einzuordnen und Einflussfaktoren für die Relevanz von Livestreaming zu bestimmen.
Für die Trendidentifikation wurde die Methode des Scannings gewählt, um Medien und Märkte nach schwachen Signalen zu durchsuchen und Informationen systematisch zu verdichten. Dadurch konnten identifizierte Akteure der Livestreaming-Branche in die Kategorien Lineares OTT-TV, (soziale) Livestreaming-Plattformen und lineare OTT-Content-Anbieter geclustert werden. In der Trendanalyse wurde folglich Desk-Research betrieben und eine Online-Umfrage durchgeführt, um Indizien für die Validierung der Trendhypothese zu sammeln und Indikatoren für die Relevanz von Livestreaming zu bestimmen.
Das Ergebnis der Analyse ist, dass Livestreaming ein aktuelles Trendphänomen ist, welches die Medienbranche verändert und für bestimmte Akteure der Medien- und Eventbranche relevant ist. Die Reichweiten von Livestreams nehmen in Deutschland jährlich zu. Das technische Übertragungsverfahren ist kein Nischenphänomen mehr, sondern im Mainstream angekommen. Gefragte und gewünschte Inhalte für lineares OTT-TV sind vor allem Sportevents. Auf den neu erschienenen Livestreaming-Plattformen werden neben Events vor allem journalistische Inhalte im Livestream gewünscht, auch wenn die meisten von ihnen in Deutschland noch weitgehend unbekannt oder ungenutzt sind. Aber auch Vlogger erzeugen bereits hohe Reichweiten und verdienen Summen im dreistelligen Bereich. Die Zuschauer und Sender schätzen dabei den Rückkanal, über welchen eine Echtzeitkommunikation parallel zum Livestreaming möglich ist. Des Weiteren sind sich Experten und die Umfrageteilnehmer weitgehend einig, dass Livestreams die Authentizität erhöhen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen der Analyse
2.1 Was ist Livestreaming?
2.1.1 Streaming Media und Streaming
2.1.2 Definition und Abgrenzung von Livestreaming
2.2 Trends
2.2.1 Definition und Abgrenzung des Trend-Begriffs
2.2.2 Entstehung von Trends
2.2.3 Trendarten
2.2.3.1 Trends und Gegentrends
2.2.3.2 Megatrends
2.2.3.3 Macro-Trends
2.2.3.4 Micro-Trends: Schwache Signale und Trendindikatoren
2.2.4 Vorgehen in der Trendforschung
2.2.4.1 Suchfelddefinition
2.2.4.2 Trendidentifikation
2.2.4.3 Trendanalyse
2.2.5 Mit Livestreaming in Zusammenhang stehende Trends
2.2.5.1 Megatrend: Konnektivität
2.2.5.2 Megatrend: Individualisierung 19
3 Die Analyse der Relevanz von Livestreaming
3.1 Suchfelddefinition
3.2 Auswahl der Forschungsmethoden
3.2.1 Scanning der Medien
3.2.2 Forschungsmethoden für die Trendanalyse
3.2.2.1 Desk-Research
3.2.2.2 Online-Umfrage
3.3 Trendidentifikation und -Analyse
3.3.1 Lineares OTT-TV
3.3.1.1 Lineare OTT-Angebote der Free-TV-Sender
3.3.1.2 Lineare OTT-Angebote der Pay-TV-Anbieter
3.3.1.3 Lineare OTT-TV-Plattformen
3.3.1.4 Relevante Umfrageergebnisse zu linearem OTT-TV
3.3.2 Soziale Livestreaming-Plattformen
3.3.3 Lineare OTT-Angebote der Content-Produzenten
3.3.4 Sekundärquellen zu linearem OTT-Content
3.3.5 Zusammenfassung der Analyseergebnisse 56
4 Fazit
Quellenverzeichnis
Anhang
Management Summary
Die vorliegende Bachelorarbeit analysiert die Livestreaming-Branche und ihre jeweiligen Akteure unter der Annahme eines Trends zu Livestreaming. Als Ausgangspunkt der Analyse wird der Begriff Livestreaming definiert und von anderen Streaming-Verfahren abgegrenzt, um eine Trennschärfe zu gewährleisten. Anschließend wird auf das Thema Trends eingegangen, um ein Verständnis dafür zu schaffen was Trends sind, wie Trends entstehen, welche Trendarten es gibt und wie Trendforschung betrieben wird. Da Trends Bestandteil eines Geflechts von Trends und Wechselwirkungsbeziehungen sind, werden mit Livestreaming in Zusammenhang stehende Trends erläutert, um Livestreaming in das aktuelle Zeitgeschehen einzuordnen und Einflussfaktoren für die Relevanz von Livestreaming zu bestimmen.
Für die Trendidentifikation wurde die Methode des Scannings gewählt, um Medien und Märkte nach schwachen Signalen zu durchsuchen und Informationen systematisch zu verdichten. Dadurch konnten identifizierte Akteure der Livestreaming-Branche in die Kategorien Lineares OTT-TV, (soziale) Livestreaming-Plattformen und lineare OTT-Content-Anbieter geclustert werden. In der Trendanalyse wurde folglich Desk-Research betrieben und eine Online-Umfrage durchgeführt, um Indizien für die Validierung der Trendhypothese zu sammeln und Indikatoren für die Relevanz von Livestreaming zu bestimmen.
Das Ergebnis der Analyse ist, dass Livestreaming ein aktuelles Trendphänomen ist, welches die Medienbranche verändert und für bestimmte Akteure der Medien- und Eventbranche relevant ist. Die Reichweiten von Livestreams nehmen in Deutschland jährlich zu. Das technische Übertragungsverfahren ist kein Nischenphänomen mehr, sondern im Mainstream angekommen. Gefragte und gewünschte Inhalte für lineares OTT-TV sind vor allem Sportevents. Auf den neu erschienenen Livestreaming-Plattformen werden neben Events vor allem journalistische Inhalte im Livestream gewünscht, auch wenn die meisten von ihnen in Deutschland noch weitgehend unbekannt oder ungenutzt sind. Aber auch Vlogger erzeugen bereits hohe Reichweiten und verdienen Summen im dreistelligen Bereich. Die Zuschauer und Sender schätzen dabei den Rückkanal, über welchen eine Echtzeitkommunikation parallel zum Livestreaming möglich ist. Des Weiteren sind sich Experten und die Umfrageteilnehmer weitgehend einig, dass Livestreams die Authentizität erhöhen.
Abstract
This bachelor thesis analyzes the livestreaming-industry and its respective actors assuming a trend to livestreaming. As a starting point of the analysis the term livestreaming is defined and distinguished from other streaming methods to guarantee a separation efficiency. This is followed by a look at the topic trends in order to create an understanding of what trends are, how trends emerge, which trend types are available and how trend-research is conducted. Since trends are part of a network of trends and interactive relations, with livestreaming-related trends are outlined to sort livestreaming in current affairs and to determine factors influencing the relevance of livestreaming.
The method of scanning was elected to scan media and markets for weak signals in order to condensing information systematically for trend identification. This allowed the author to cluster identified actors of the livestreaming industry into the categories linear OTT-TV, (social-) livestreaming-platforms and linear OTT-content - provider. Consequently, desk research was operated and an online survey conducted to gather evidence for validating the trend hypothesis and to determine indicators for the relevance of livestreaming
The result of the analysis is that livestreaming is a current trend phenomenon that changed the media industry and is relevant for certain players in media-, event- and journalism-industry. The range of live streams rise annually in Germany. This technical transfer-process is not a niche phenomenon anymore, but hit the mainstream. Sought and desired content for linear OTT-TV is especially sporting events. Besides events journalistic content is desired on the newly released social livestreaming-platforms, even though most of them are still largely unknown or unused in Germany. Nevertheless Vlogger already generate high coverage and earn sums in triple digits. Users and broadcasters appreciate the feedback-channel, which allows real-time communication on livestreaming. Furthermore, experts and the respondents of the survey largely agree that live streams increase the authenticity.
Schlüsselbegriffe
Lineares Streaming
Livestreaming
Over-the-Top-Content
Trendanalyse
Live-Unterhaltung
Keywords
Linear streaming
Livestreaming
Over-the-Top-Content
Trend analysis
Real-Time-Entertainment
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Schematische Abgrenzung von schwachen Signalen, Trends & Trendindikatoren
Abb. 2: Der Trend: Zeitliche Veränderung einer Bezugsgröße auf der Basis statistischer Daten
Abb. 3: Phasen eines Trendforschungsprojektes
Abb. 4: Reichweiten der NOW-Plattformen der RTL Group im Jahr 2015
Abb. 5: Media Triangle: Struktur der Marktverflechtung in Medienmärkten
Abb. 6: Suchinteresse von "Live TV" und "Live Streaming" bei Google.de (weltweit)
Abb. 7: Präsenz von Livestreaming in der Literatur
Abb. 8: Suchinteresse verschiedener Begriffe auf Google im Zeitverlauf (Deutschland)
Abb. 9: Rank Historie, ARTE.tv, iPhone, Germany
Abb. 10: Rank Historie, ARTE.tv, iPad, Germany
Abb. 11: Historie der App-Bewertungen, ARTE.tv, All Versions, Germany
Abb. 12: Rank Historie, ZDF-App, iPhone, Germany
Abb. 13: Rank Historie, ZDF-App, iPad, Germany
Abb. 14: Historie der App-Bewertungen, ZDF, All Versions, Germany, 1
Abb. 15: Historie der App-Bewertungen, ZDF, All Versions, Germany, 2
Abb. 16: Rank Historie, 7TV-App, iPhone, Germany
Abb. 17: Durchschnittliches Alter der Zuschauer ausgewählter Fernsehsender
Abb. 18: Rank Historie, 7TV-App, iPad, Germany
Abb. 19: Historie der App-Bewertungen, 7TV, All Versions, Germany, 1
Abb. 20: Historie der App-Bewertungen, 7TV, All Versions, Germany, 2
Abb. 21: Historie der App-Bewertungen, 7TV, All Versions, Germany, 3
Abb. 22: Rank Historie, RTL NOW-App, iPhone, Germany
Abb. 23: Rank Historie, RTL NOW-App, iPad, Germany
Abb. 24: Historie der App-Bewertungen, RTL-NOW, Germany, 1
Abb. 25: Historie der App-Bewertungen, RTL-NOW, Germany, 2
Abb. 26: Reichweiten ausgewählter Inhalte auf Sky-Plattformen in DE in 2014/15 (in Mio.)
Abb. 27: Konsumverhalten (Index = Sky Go Nutzer / Nicht Sky Go Nutzer x 100)
Abb. 28: Sky 360 Demografie
Abb. 29: Rank Historie, Sky Go-App, iPhone, Germany
Abb. 30: Rank Historie, Sky Go-App, iPad, Germany
Abb. 31: Historie der App-Bewertungen, Sky Go, Germany, 1
Abb. 32: Historie der App-Bewertungen, Sky Go, Germany, 2
Abb. 33: Historie der App-Bewertungen, Sky Go, Germany, 3
Abb. 34: Rank Historie, Entertain to Go-App, iPhone, Germany
Abb. 35: Rank Historie, Entertain to Go-App, iPad, Germany
Abb. 36: Historie der App-Bewertungen, Entertain to Go, Germany
Abb. 37: Gesamtübersicht der KPIs von Live-TV-Plattformen in Deutschland
Abb. 38: E-Mail von Chief Sales Officer von Zattoo, Oliver Knappmann (12.01.2016)
Abb. 39: Rank Historie, Zattoo-App, iPhone
Abb. 40: Rank Historie, Zattoo-App, iPad, Germany
Abb. 41: Rank Historie, Zattoo-App, iPad, Germany
Abb. 42: Rank Historie, Zattoo-App, iPad, Germany
Abb. 43: Rank Historie, Magine TV-App, iPhone, Germany
Abb. 44: Rank Historie, Magine TV-App, iPads, Germany
Abb. 45: Rank Historie, Magine TV-App, iPad, Germany
Abb. 46: Rank Historie, Magine TV-App, iPad, Germany
Abb. 47: Rank Historie, TV Spielfilm-App, iPhone, Germany
Abb. 48: Rank Historie, TV Spielfilm-App, iPad, Germany
Abb. 49: Rank Historie, TV.de, iPhone, Germany
Abb. 50: Rank Historie, TV.de, iPads, Germany
Abb. 51: Rank Historie, TV.de-App, iPad, Germany
Abb. 52: Rank Historie, Periscope, iPhone, Germany
Abb. 53: Rank Historie, Meerkat, iPhone, Germany
Abb. 54: Rank Historie, YouNow, iPhone, Germany
Abb. 55: Monatliche Broadcaster auf Twitch.TV in den Jahren 2012 bis 2015
Abb. 56: Twitch-Partner auf Twitch.TV in den Jahren 2012 bis 2015.
Abb. 57: Summe mtl. gesehener Livestreams auf Twitch.TV in Min.
Abb. 58: Monatliche Unique-Viewer auf Twitch.TV in Min. in den Jahren 2012 bis 2015
Abb. 59: Rank Historie, Twitch, iPhone, Germany
Abb. 60: Web-Traffic der Domain Twitch.TV in den USA & dem Rest der Welt in Mio.
Abb. 61: Web-Video Distribution auf verschiedenen Plattformen in Video-Views pro Tag
Abb. 62: Rank Historie, Twitch, iPhone, Germany – 1. Apr, 2013 - Feb 15, 2016
Abb. 63: Suchinteresse für die Begriffe Snapchat, Periscope, Twitch & YouTube Gaming
Abb. 64: E-Mail Verkehr mit Head of Marketing & PR der LAOLA1 GmbH (16.02.2016)
Abb. 65: Videonutzung im Internet 2015 (in %)
Abb. 66: Umfrage zur Nutzung von verschiedenen Livestream-Angeboten 2014/15
Abb. 67: Suchinteresse der Begriffe Snapchat, Twitch, ZDF Live, RTL NOW und Zattoo
Abb. 68: Veröffentlichungen ausgewählter Livestreaming-Anbieter im Zeitverlauf
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Bis das erste vollelektronische Fernsehgerät im Jahr 1931 auf der Funkausstellung in Deutschland präsentiert werden konnte, waren einige Jahrzehnte der Forschung nötig. Da die Technik noch nicht sonderlich ausgereift und Fernsehgeräte aufgrund der Handfertigung noch unbezahlbar waren, entstanden in Berlin erste öffentliche Fernsehstuben, in denen das Programm kostenlos eingesehen werden konnte (WDR, 2009, S.5). Das erste live im Fernsehen übertragene Großereignis waren die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, welches schätzungsweise von 150.000 Zuschauern verfolgt wurde (vgl. Planet-Wissen, 2011). Erst in der Nachkriegszeit im Jahr 1960 verfügen rund 10 Mio. Haushalte in Deutschland über einen Fernseher, sodass man von einem Massenmedium sprechen konnte (WDR, 2009, S.6). Zu dieser Zeit bot neben dem Fernsehen lediglich das Kino einen Zugang zu audiovisuellen Medien.
Heute befindet sich die Fernsehbranche in einem hoch kompetitiven und komplexen Wettbewerbsumfeld. Die Nutzungsmöglichkeiten von audiovisuellen Medien haben sich vor allem in den letzten Jahren durch die Digitalisierung, das Internet und Smartphones zunehmend diversifiziert. Filme, Serien und andere Videos können auf Abruf oder linear, kostenlos oder im Abonnement, zu Hause oder unterwegs auf verschiedensten internetfähigen Geräten je nach persönlicher Vorliebe und Zahlungsbereitschaft konsumiert werden. Durch eine steigende Gerätevielfalt in den privaten Haushalten und dem mittlerweile national verbreiteten Anschluss an das Internet und die Rundfunkdistributionskanäle hat der Großteil der deutschen Bevölkerung Zugang zu diesem breiten Angebotsspektrum. Im Jahr 2015 besitzen bereits 98% der privaten Hauthalte in Deutschland einen Fernseher, 82% einen PC oder Laptop, 65% ein Smartphone und 35% ein Tablet (vgl. Die Medienanstalten, 2015a, S.4). Während eine Sättigung der Verbreitung von Fernsehgeräten anzunehmen ist, steigt die Besitzrate von Laptops, Smartphones und Tablets Jahr für Jahr an (vgl. SevenOne Media, 2015a, S.6). Trotz der weit verbreiteten Ausstattung der Haushalte mit einem Fernsehgerät ist die Zahl der Fernsehseher in Deutschland laut der agf (2016) von 76% im Jahr 2004 auf 71% im Jahr 2015 gesunken.
Die Anzahl der Internetnutzer ab 14 Jahren ist hingegen von rund 29% im Jahr 2000 auf 80% im Jahr 2015 gestiegen, 63% nutzen es sogar täglich. Nimmt man Personen über 60 Jahren von dieser Zählung aus, so nutzen sogar 93% der 14-59 Jährigen das Internet, davon 80% täglich (vgl. ARD & ZDF, 2015a, S.2). Dementsprechend unterschiedlich fällt die Bewegtbildnutzung in den verschiedenen Altersgruppen aus: Während 99% der Bewegtbildnutzung der über 50-Jährigen auf klassisches Fernsehen entfällt, beträgt dieser Anteil bei den (mit diversen Medien aufgewachsenen) 14-29 Jährigen nur noch 75% (SevenOne Media, 2015a, S.6). So wundert es nicht, dass 41% der jüngeren Gruppe das Internet wichtiger finden als Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften (vgl. ARD & ZDF, 2015a, S.6). Eine Deliotte-Studie aus dem Jahr 2014 zeigt ebenfalls eine Abnahme der traditionellen Nutzungsweise von Bewegtbild: Während im Jahr 2013 noch 73% der 14- bis 75-jährigen Befragten mit einem internetfähigen Fernsehgerät angaben, Video-Inhalte über das klassische Fernsehen zu konsumieren, sank diese Zahl im darauffolgenden Jahr auf 65% zugunsten eines Anstiegs des Internets als Nutzungsquelle von Video-Inhalten von (vgl. Statista, 2014). Laut einer Bitkom-Studie im Jahr 2015 schauen 76% der Onliner ab 14 Jahren Videos im Stream, die 14- bis 29-jährigen Onliner sogar zu 91% (vgl. Bitkom, 2015a, S.21). Das Internet als Nutzungsquelle von audiovisuellen Medien wird also statistisch gesehen immer beliebter. Dabei werden in Deutschland vor allem Videoportale wie YouTube (60% der Internetnutzer) oder Online-Mediatheken von TV-Sendern (54% der Internetnutzer) genutzt. Aber auch On-Demand-Portale für Serien und Spielfilme wie Netflix oder Maxdome erfreuen sich einer steigenden Beliebtheit: So konsumieren 22% aller Internetnutzer in Deutschland VoD über derartige Portale, was einer Steigerung von 3% im Vergleich zum Vorjahr entspricht (vgl. Bitkom, 2015a, S.20f.). Dementsprechend ist der Umsatz mit VoD-Angeboten im Jahr 2015 um 42% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (vgl. Bitkom, 2015b).
In den USA nutzen bereits 46% der Onliner VoD-Angebote (Statista, 2015a). Allein Netflix zählt im Jahr 2015 in den USA 42 Mio. Abonnenten (Fortune, 2015). Obwohl das On-Demand-Portal zu diesem Zeitpunkt bereits weltweit (außer in drei Ländern) verfügbar ist, zählt es in Ländern außerhalb der USA lediglich 23 Mio. Abonnenten (ebd.; vgl. Vox, 2016). Real-Time-Entertainment macht bereits 65% des gesamten Internet-Datenverkehrs im Festnetz der USA aus, was einer Verdopplung innerhalb von fünf Jahren entspricht. Netflix war laut dem Breitband-Service Unternehmen Sandvine für 35% des gesamten Internet-Traffics in Nordamerika verantwortlich, während YouTube lediglich für 17% verantwortlich war (vgl. Re/code, 2015).
Obwohl diese Daten nur einen Ausschnitt des Wettbewerbsumfelds von Akteuren auf dem Bewegtbildmarkt zeigen, verdeutlichen sie den intensiver werdenden Wettbewerb in diesem. Durch die zunehmende Vernetzung der Menschen mit dem Internet entstehen neue lukrative Geschäftsmodelle und vielseitige Nutzungsmöglichkeiten von audiovisuellen Medien. Es findet ein komplexer Wandlungsprozess des Konsums von Bewegtbildern in der Gesellschaft statt, den es für die Optimierung von Strategien und Produkten der jeweiligen involvierten Akteure zu erkennen gilt. Dabei führen Statistiken wie die obigen zusammen mit jährlich steigenden Umsätzen im VoD-Segment oft zu der Annahme, dass das lineare Fernsehen in seiner heutigen Form aufgrund des zeitlich festgelegten Programmablaufs obsolet werde. Daraus muss aber nicht zwangsläufig geschlussfolgert werden, dass lineare Inhalte generell obsolet werden. Auch der Gründer von Netflix Reed Hastings nimmt an, dass klassisches lineares TV in einem Zeitraum von 20 Jahren zwar aussterben wird, dass dann aber bspw. Sport-Events über Apps aus dem Internet übertragen und verschiedene Kamera-Perspektiven ausgewählt werden können (vgl. Wirtschaftswoche, 2014). Welche Bedeutung hat die lineare Übertragung von audiovisuellen Inhalten über das Internet jedoch für die Akteure der Bewegtbild- und Eventbranche in Deutschland für den heutigen Zeitpunkt? Die vorliegende Bachelorarbeit soll diese Frage unter der Annahme eines komplexen Wandlungsprozesses des Bewegtbildkonsums beantworten.
Erklärungsmodelle für komplexe Wandlungsphänomene sind Trends (siehe 2.2.1). In seinem Konzept zur strategischen Frühaufklärung erklärt Igor Ansoff, dass sich Unternehmen aufgrund der zunehmenden Komplexität, Turbulenzen und auch Unvorhersagbarkeit des Unternehmensumfelds immer häufiger sogenannten strategischen Überraschungen ausgesetzt sehen, welche durch das möglichst frühzeitige Aufspüren zu erwartender Gefahren und Gelegenheiten zum Teil vermieden werden können (siehe 2.2.3.4). Trendforschung soll die Dynamik des Unternehmensumfelds begreifbarer machen und Unternehmen dadurch Orientierung liefern, um sich dann folglich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern, Profite zu steigern und die Möglichkeiten des Unternehmens auszuschöpfen (vgl. Horx & Wippermann, 1996, S.19). Trendforschungsinstitute wie TRENDONE (siehe S.16) und Goldmedia (2015a) sehen im Livestreaming einen Trend des Jahres 2015. Sie begründen dies unter anderem durch das Aufkommen neuer Livestreaming-Anwendungen mit rasant wachsenden Nutzerzahlen oder das zunehmende Interesse von großen Internetkonzernen wie Facebook, Amazon oder Google an dem technischen Übertragungsverfahren und Anbietern von diesem (vgl. ebd.).
Die Klassifizierung von Livestreaming als ein Trend durch die genannten beratend-tätigen Trendforschungsinstitute wird in dieser Arbeit als Ausgangspunkt zugrunde gelegt, um die Relevanz von linear über das Internet übertragenen audiovisuellen Inhalte zu bestimmen. Unter dieser Annahme lautet die These der vorliegenden Arbeit, dass Livestreaming ein aktuelles Trendphänomen ist, welches die Medienbranche verändert und für bestimmte Akteure der Medien- und Eventbranche relevant ist. Um Livestreaming als einen Trend klassifizieren und die Relevanz davon bestimmen zu können, werden vorerst die theoretischen Grundlagen erarbeitet. Dafür wird das technische Übertragungsverfahren zuerst definiert und von anderen Streaming-Verfahren abgegrenzt. Anschließend wird der Trend-Begriff definiert und von anderen Erscheinungsphänomenen abgegrenzt, verschiedene Ursachen der Trendentstehung und unterschiedliche Trendarten beschrieben, sowie ein typisches Vorgehen in der Trendforschung skizziert und die jeweiligen Trendforschungsmethoden erläutert. Um Livestreaming in die aktuellen Trendströmungen einzuordnen, werden außerdem relevante Mega- und Macrotrends von verschiedenen Trendforschungsinstituten vorgestellt. Im darauffolgenden Kapitel werden die erarbeiteten theoretischen Grundlagen zur Beantwortung der Forschungsfrage angewendet. Nach der Definition von Suchfeldern werden Trendidentifikationsmethoden ausgewählt und angewendet, um Livestreaming zuerst als ein Trend zu klassifizieren. In einer Trendanalyse werden dann Sekundäranalysen durchgeführt, um die Trendhypothese zu validieren. Ergänzend dazu wird eine Umfrage durchgeführt, um die bisherigen Untersuchungen durch eigens erhobene Daten zu festigen und um weitere Perspektiven zu erweitern. Abschließend wird ein Fazit des Recherche- und Analyseprozesses, der Analyseergebnisse und der Auswahl der Forschungsmethoden gezogen, sowie ein Ausblick gegeben und offengebliebene Fragen formuliert.
2 Grundlagen der Analyse
In diesem Teil der Arbeit werden die erforderlichen theoretischen Grundlagen für die Analyse des Trendphänomens Livestreaming gelegt. Dafür wird in erster Linie das technische Übertragungsverfahren definiert und von anderen Streaming-Verfahren abgegrenzt. Im Anschluss daran wird auf den Trend-Begriff und -Forschungsmethoden eingegangen, um eine wissenschaftlich fundierte Basis für die Trendanalyse des Phänomens zu gewährleisten und die Relevanz des technischen Übertragungsverfahrens für die Medienbranche- und Eventbranche in Kapitel 3 identifizieren zu können.
2.1 Was ist Livestreaming?
Livestreaming setzt sich aus den Begriffen Live und Streaming zusammen. Um Livestreaming also definieren zu können, wird zuerst auf den Begriff Streaming eingegangen. Anschließend wird eine Klassifizierung von verschiedenen Streaming-Verfahren vorgenommen, um Livestreaming von anderen Verfahren abzugrenzen.
2.1.1 Streaming Media und Streaming
Streaming Media setzt sich aus den Begriffen Streaming (engl.: strömend, fließend) und Media (engl. Media) zusammen und bezeichnet die „kontinuierliche Übertragung komprimierter Video- und Audiodateien in Form eines Datenstroms über das Internet“ (IT-Wissen, 2016a). Der Vorgang der Datenübertragung selbst wird dabei als Streaming bezeichnet. Im Gegensatz zum Download können die Daten beim Streaming bereits während der Übertragung angehört oder angesehen werden, und nicht erst nach der vollständigen Übertragung (vgl. Duden, 2016a). Die Qualität der Daten und die Geschwindigkeit der Übertragung hängen dabei vor allem von der verfügbaren Bandbreite ab. Für eine kontinuierliche Darstellung „muss der Internetzugang gewisse Mindestanforderungen an die Datenübertragungsrate erfüllen, die unmittelbar mit dem Übertragungsanforderungen und der –Qualität zusammen hängen“ (IT-Wissen, 2016a).
2.1.2 Definition und Abgrenzung von Livestreaming
Für die Übermittlung von Audio- und Videoinhalten über das Internet existieren derzeit drei unterschiedliche Ansätze des Streamings. Je nach Art der Bereitstellung des Inhalts wird dabei zwischen On-Demand-Streaming, Livestreaming und Simulated Livestreaming unterschieden. Beim On-Demand-Streaming werden im Vorfeld digitalisierte Inhalte bereitgestellt, wie bspw. ein Kinofilm oder Musikvideo. „Dieser Inhalt wird bei der Anforderung durch den Benutzer an dessen Wiedergabeclient […] übertragen“. Da der übertragene Inhalt vom Server an jeder Position und zu jeder Zeit erneut übertragen werden kann, hat der Benutzer die Möglichkeit, nach Belieben die Wiedergabe des Inhalts zu pausieren, vor- oder zurückzuspulen. Beim Livestreaming können diese Benutzerinteraktionen hingegen nicht durchgeführt werden. Hier erhält der Benutzer die Streaming-Inhalte zeitglich mit der Erstellung, wie bspw. bei Sport- oder Konzertübertragungen, bei denen das zu übertragene Ereignis aktuell (also live) stattfindet. Simulated Streaming hingegen kann als eine Hybridlösung aus On-Demand- und Livestreaming verstanden werden. Das zu übertragene Ereignis wird hierbei im Vorfeld aufgezeichnet und „zu einem späteren Zeitpunkt mit den Eigenschaften eines Livestreams gesendet“ (vgl. Röder, 2005, S.2). Können Nutzer also nicht selbst bestimmen, wann das Angebot startet oder endet, wird das Angebot linear verbreitet. Live bedeutet darüber hinaus, dass das Angebot nur zeitgleich zum realen Geschehen empfangen werden kann (Die Medienanstalten, 2014, S.1).
2.2 Trends
Um die Relevanz von Livestreaming für die Medienbranche bestimmen und als ein Trendphänomen der heutigen Zeit identifizieren zu können, wird in diesem Kapitel auf das Thema Trends eingegangen. Dafür wird der Trend-Begriff zuerst definiert und zu anderen Erscheinungsphänomenen abgegrenzt. Im Anschluss werden verschiedene Trendarten dargestellt und die Entstehung von Trends erläutert. Abschließend werden Trendidentifikationsmethoden vorgestellt, um Livestreaming einer Trendanalyse unterziehen zu können.
2.2.1 Definition und Abgrenzung des Trend-Begriffs
Der Begriff Trend wird in verschiedenen Kontexten inflationär verwendet. Laut Brockhaus (2006) sind Trends eine „allg. Bezeichnung für die Ausbildung einer bestimmten Richtung des Verhaltens oder des Verlaufs einer Entwicklung“ (S. 709). Der Duden definiert Trends als eine „über einen gewissen Zeitraum bereits zu beobachtende, statistisch erfassbare Entwicklung[stendenz]“ (2016b). Im alltagssprachlichen Verständnis wird der Begriff für ein modisch-aktuelles Gegenwartsphänomen mit hoher öffentlich-medialer Resonanz verwendet (Pfadenhauer, 2004, S.1). Matthias Horx (2016a) zufolge (welcher sich selbst als einflussreichsten Trend- und Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum bezeichnet) sind Trends jedoch keine Moden, da Moden kurzfristige Ideen oder saisonale Highlights seien, welche meist nach kurzer Zeit von etwas anderem Neuem ersetzt werden. Trends haben laut Horx einen tieferen Kern, eine erläuternde Bedeutungsebene. Er definiert sie als „komplexe, mehrdimensionale gesellschaftliche Phänomene, die weite Bevölkerungskreise umfassen und Werte, Verhaltensweisen, Kaufverhalten etc. nachhaltig verändern und mindestens fünf Jahre lang aktiv sind“ (1993, S. 11f.). Im Jahr 2010, 17 Jahre nach Veröffentlichung dieser Definition, definiert Horx den Trend-Begriff jedoch generischer als eine „Veränderungsbewegung oder ein Wandlungsprozess“, welcher in „[…] unterschiedlichsten Bereichen des Lebens [vorkommt]“ und deshalb „nur `Sinn´ macht, wenn wir sie in ihren jeweiligen Umwelt- und Referenzsystemen betrachten“ (Horx, 2010). Dementsprechend existieren auch unterschiedliche Definitionen in verschiedenen Fachwissenschaften: „In wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Hinsicht etwa sind Trends Veränderungen des Werte- und Verhaltensgefüges der Gesellschaft. In der Marktforschung wird damit die Veränderung und Entwicklung des Konsum- und Verbraucherverhaltens bezeichnet“ (Pillkahn, 2007, S.125). Da Veränderungen jedoch auch zufällig bzw. chaotisch verlaufen können, ist es wichtig zu betonen, „dass Trends wenigstens über einen gewissen Zeitraum gerichtet verlaufen müssen“ (Thede, 2014, S.53).
In den oben genannten Definitionen des Trend-Begriffs werden die Komponenten Veränderungs- und Entwicklungstendenzen sowie eine zeitliche Dimension wiederholt verwendet. Trends können also als „[…] Grundausrichtung der statistisch erfassten Entwicklung einer Zeitreihe“ bezeichnet werden (Pillkahn, 2007, S.125, zit. nach Meyers, 2003). Sie „sind Veränderungsbewegungen in der Umwelt, die in der Gegenwart bereits wirksam und sichtbar sind und damit auch quantitativ abgeschätzt und qualitativ beschrieben werden können“ (Deckers & Heinemann, 2008, S.59). Außerdem sind sie keine schnelllebigen, sondern langfristige und fortwährende Wandlungsphänomene, was jedoch jährliche Schwankungen bzw. Fluktuationen nicht ausschließt (Kruthoff, 2005, S.29, zit. nach Opaschowski, 1995, S.11).
2.2.2 Entstehung von Trends
Trends können auf unterschiedliche Art und Weise entstehen. Sie können sich bspw. in veränderten Bedürfnis- oder Kaufstrukturen ausdrücken (vgl. Pillkahn, S.129, 2007), was auch als Komplex der automatisierten Bedürfnis- und Trendbildung bezeichnet wird (vgl. Otto, 1993, S.60) und auf ökonomischen, technischen, sozialen oder psychischen Veränderungen basiert (vgl. Bovenkerk, 2006, S.33). Einige Forscher gehen davon aus, dass sie an bestimmten Orten oder in besonderen Unternehmen entstehen und sich dann anschließend weltweit ausbreiten (Belz, Schögel & Tomczak, 2007, S.15). Unternehmen können demnach auch bewusst Trendentstehungen beeinflussen oder sogar kreieren (vgl. Otto, 1993, S.48, zit. nach Leitherer, 1985, S.19ff.). Meist entstehen neue Trends jedoch durch eine Kombination aus „`automatischer Trendentstehung´ […] und unternehmerischem Trendsetting […]“ (Otto, 1993, S.61).
2.2.3 Trendarten
Wie in Kapitel 2.2.1 dargestellt, wird der Trend-Begriff in verschiedenen Kontexten sehr inflationär verwendet. Die Systematisierung von Trends in Trendarten und die Definition dieser fällt dementsprechend ebenfalls uneinheitlich aus und unterscheidet sich je nach Forscher oder Institution. In dieser Arbeit soll zwischen Mega-, Macro- und Micro-Trends unterschieden werden. Zuerst wird jedoch auf das Phänomen der Gegentrends eingegangen.
2.2.3.1 Trends und Gegentrends
Trends sind oftmals mehrdimensionale und paradoxe bzw. hybride Phänomene (Pfadenhauer, 2004, S.6). So existieren bspw. häufig „zwei oder mehr Trends gleichzeitig, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen“ (Thede, 2014, S.56, zit. nach Fischer, 1997, S.7). Dieser Umstand ist teilweise durch die Vervielfältigung von Sinnangeboten (Pluralisierung) und den Wandel von langfristiger Wertorientierung zu kurzfristiger Issue-Orientierung (Werteverfall) zu erklären (Pfadenhauer, 2005, S.5). Menschen verhalten sich demnach nicht mehr stringent im Sinne stabiler Wertevorstellungen, sondern handeln eher situationsabhängig (Thede, 2014, S.57, zit. nach Hillmann, 2001). „Häufig bedingen sich paradoxe Wandlungsprozesse aber auch gegenseitig und werden in diesem Fall als Trend und Gegentrend bezeichnet“ (ebd.).
Trend und Gegentrend können zum Beispiel parallel auftreten, wenn ein Trend ungleichzeitig von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen übernommen wird (ebd., zit. nach Horx & Wippermann, 1996, S.159). Während einige gesellschaftliche Gruppen also erstmalig von einem Trend erfasst werden, können sich Trendinnovatoren bereits von diesen abwenden. „Dieses Phänomen ist häufig bei subkulturellen Trends zu beobachten, deren Adoption sehr stark durch das Distinktionsbedürfnis gegenüber anderen sozialen Gruppen getrieben wird“ (ebd.). Menschen können aber auch gleichzeitig von einem Trend und mehreren Gegentrends beeinflusst sein, was in diesem Fall als Kompensationsentwicklung interpretiert werden kann. „So stieg beispielsweise in 2010 die Zahl der täglichen Internetnutzer weiter an, während gleichzeitig Probleme dauerhafter Internetnutzung verstärkt in den Medien thematisiert wurden und `digitales Fasten´, also die bewusste Nichtnutzung des Internets, sich zu einem Gegentrend entwickelte“ (ebd., zit. nach Wulff, 2010; Sudoneighm, 2010; Rühle, 2010). Für dieses scheinbar paradoxe Phänomen kann der vom Schriftsteller Alex Shakar eingeführte Begriff der „Paradessenz“ (paradoxe Essenz) verwendet werden, welcher die Verschmelzung zwei sich scheinbar ausschließender Phänomene miteinander meint (vgl. Liebl, 2003, S.1).
Bei der Trendforschung sollte also beachtet werden, dass widersprüchlich erscheinende Phänomene zu einem Trend nicht bedeuten, dass ein Trend vorbei oder irrelevant ist. „Vor allem Kompensationsentwicklungen können im Gegenteil häufig als weitere Indikatoren für die Einflussstärke eines Trends verstanden werden“ (ebd.).
2.2.3.2 Megatrends
Laut Duden-Redaktion (2016c) ist ein Megatrend ein „Trend, der zu großen Veränderungen führt“. Ulf Pillkahn (2007) definiert den Begriff als „Trend in großem Maßstab, langanhaltend mit tiefgreifenden Veränderungen“ (S.127). Sie können als „[…] eine Zusammenfassung verschiedener Trends zu einer wichtigen, auf mehrere Jahre hinweg Gültigkeit besitzenden Entwicklung“ verstanden werden (Bovenkerk, 2006, S.30, zit. nach Liebl, 2000, S.60). Dem Trend- und Innovationsforschungsunternehmen TRENDONE GmbH (2016a) zufolge bezieht sich die Entwicklung auf gesellschaftliche Strukturveränderungen, welche alle Ebenen der Gesellschaft beeinflussen und langfristig wirken. Auch Matthias Horx (2016b) nennt letzteren Punkt als eine Voraussetzung für einen Megatrend. Darüber hinaus setzt er eine Halbwertszeit von mindestens 25 bis 30 Jahren und einen globalen Charakter voraus, um einen Trend als Megatrend diagnostizieren zu können, während andere Akteure von einer Halbwertszeit von mind. 10 bis 20 Jahren ausgehen (Seiter & Ochs, 2014, S.6). Prof. Dr. –Ing. Christian Seiter und Masterabsolvent Simon Ochs (2014) haben Beschreibungen von verschieden Autoren, Wissenschaftlern und Institutionen im Bereich der Zukunftsforschung zum Thema Mega-Trends untersucht und definieren den Begriff wie folgt:
„Megatrends sind die großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen unserer Zeit. Sie haben einen prägenden Einfluss auf Tiefenstruktur, Verhaltensweisen, Lebensweisen und Wertesysteme in einer Gesellschaft. Sie bilden und entfalten sich langsam, aber wenn sie wirken, kann von einem globalen rückschlagresistenten Einfluss von min. zehn bis zwanzig Jahren ausgegangen werden, auch wenn ihre Wirkungsstärke regional sehr unterschiedlich ausfallen kann“ (S.7).
Wiederkehrende Komponenten innerhalb der vorgestellten Definitionen sind die lange Systemzeit, die große Wirkungsstärke sowie ein tiefgreifender Strukturwandel, der durch Megatrends zusammengefasst werden soll. In drei der sechs aufgegriffenen Definitionen bewirken Megatrends Umwälzungen aller gesellschaftlichen Teilsysteme, während lediglich in zwei Definitionen ein globaler Charakter vorausgesetzt wird.
2.2.3.3 Macro-Trends
Eine Betrachtungsperspektive für Trends auf Macro- und Micro-Ebene liefert das Trend- und Innovationsforschungsunternehmen TRENDONE GmbH. Macro-Trends bezeichnet das Unternehmen als „die `kleinen unter den großen Trendströmungen´“ (2016b). Sie sind „spezifische Ausprägungen von Mega-Trends [und beschreiben] Teilströmungen, die einen unterschiedlichen Wirkungshorizont aufweisen. Den jeweiligen Mega-Trends zugeordnet, beschreiben sie Entwicklungen, die sich mit Hilfe von konkreten Innovationen belegen lassen“ (ebd.).
2.2.3.4 Micro-Trends: Schwache Signale und Trendindikatoren
Micro-Trends hingegen sind die „ersten konkreten Anzeichen von entstehenden Trendströmungen“ (2016c) in Form von marktfähigen Innovationen, Produkten oder Services. Ein Micro-Trend muss TRENDONE zufolge vier Kriterien erfüllen, um als solcher bezeichnet werden zu können: Er muss neu, intelligent, leistungsstark und strukturverändernd sein. Werden wiederkehrende Muster in unterschiedlichen Micro-Trends erkannt, können sie zu einem Macro-Trend geclustert werden (vgl. ebd.).
Die von TRENDONE als Micro-Trends definierten Anzeichen von entstehenden Trendströmungen können mit dem Konzept der „schwachen Signale“ (1976) von Harry Igor Ansoff in Verbindung gebracht werden, welches als wichtiger Impuls für die heutige Trend- und Zukunftsforschung gilt (vgl. Thede, S.53, 2014). Demnach treten Ereignisse nicht plötzlich, sondern durch Vorboten (schwache Signale) auf, sodass diese im Vorfeld erkannt werden können (ebd., zit. nach Liebl, 1995, S.5). Die strategische Relevanz des Konzepts für Unternehmen äußert sich in der Annahme, „dass sich Unternehmen aufgrund der zunehmenden Komplexität, Turbulenz und auch Unvorhersagbarkeit des Unternehmensumfelds immer häufiger sog. strategischen Überraschungen ausgesetzt sehen“ (Gabler, 2016a). Schwache Signale können also im Vorfeld identifiziert und interpretiert werden, um zu erwartende Gefahren oder Gelegenheiten möglichst frühzeitig aufzuspüren (vgl. ebd.). Dabei bergen vor allem neuartige Phänomene das Potential für gefährliche Überraschungen, aber auch entscheidende Vorteile gegenüber Wettbewerberbern (vgl. Thede, S.54, 2015). Der Begriff Neuartigkeit wird in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich verwendet. Im Kontext der Trendforschung kann Neuartigkeit als kontextgebundene Eigenschaft verstanden werden, sodass bspw. eine Idee, ein Objekt oder ein Konzept auch als neu bewertet wird, wenn es „aus seinem ursprünglichen Kontext herausgenommen und in einen anderen Kontext gestellt wird“ (ebd.).
Schwache Signale müssen aber von Trends unterschieden werden. Der wissenschaftliche Direktor des Trend- und Zukunftsforschungsunternehmens Z_punkt Dr. Karlheinz Steinmüller (2012) bezeichnet schwache Signale als faktisch beobachtbare Einzelereignisse, wohingegen Trends erst durch die interpretative Verknüpfung mehrerer einzelner Ereignisse konstruiert werden (S.8). So ist bspw. die Eröffnung des ersten Biosupermarktes in Deutschland zu diesem Zeitpunkt im internationalen Kontext nicht etwas gänzlich Neuartiges gewesen, wohl jedoch im regionalen Kontext Deutschlands. Da es sich hierbei jedoch lediglich um ein einzelnes Ereignis handelt, beschreibt das Schwache Signal für sich genommen noch keinen Trend (vgl. Thede, S.55, 2015). Erst durch die „interpretative Verknüpfung mit weiteren Signalen (z.B. erste Listung von Bioprodukten in klassischen Supermärkten, erster Bericht zu Bioprodukten in einer überregionalen Tageszeitung) lassen sich Trends ableiten“ (ebd.).
Trendindikatoren beschreiben dabei konkrete Manifestationen (faktische Indizien) von Trends (siehe Abb. 1). Sie müssen nicht neuartig sein, sind aber mit einem oder mehreren spezifischen Trends verknüpft. So sind bspw. „die Eröffnung des 300. Biosupermarktes in Deutschland“ und „die zehnte Titelgeschichte zum Thema Biolebensmittel“ nicht mehr als schwache Signale zu bezeichnen. Im Kontext der Trendforschung sind sie aber als „Indikatoren für die anhaltende Relevanz eines Trends“ (ebd.) trotzdem relevant.
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Abbildung 1 : Schematische Abgrenzung von schwachen Signalen, Trends und Trendindikatoren Quelle: Thede, 2014, S.55
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Abbildung 2 : Der Trend: Zeitliche Veränderung einer Bezugsgröße auf der Basis statistischer Daten
Quelle: Pillkahn, 2007, S.126
Um Trends zu identifizieren, können also statistische Daten aus der Gegenwart und Vergangenheit (schwache Signale) auf eine Entwicklungstendenz hin untersucht werden. Die statistisch in Zusammenhang gebrachten Daten können dann rückblickend einen Trend ergeben und sich diagnostizieren lassen. Trends besitzen also für die Vergangenheit einen Feststellungswert. Sie lassen sich jedoch nicht in die Zukunft verlängern, da von außen wirkende Einflüsse unvorhersehbar sind. Über den zukünftigen Verlauf der Entwicklung können also lediglich Hypothesen aufgestellt werden (siehe Abb. 2) – „[…] mit der Unsicherheit über den Exakten Verlauf und die dadurch entstehende Bandbreite der Entwicklung“ (Pillkahn, 2007, S.125). Trendforschung beschäftigt sich also mit der Gegenwart, sodass Trends „`keine Prognosen [sein sollten], sondern zunächst einmal Diagnosen´ sind“ (Thede, 2014, S.53, zit. nach Bauman, 2012, S.456).
2.2.4 Vorgehen in der Trendforschung
In der Trendforschung existieren im Gegensatz zur Marktforschung keine allgemein anerkannten Standards in Bezug auf Methoden und Prozesse. Beim Vergleich der Ausführungen der Trendforscher zu ihrem Vorgehen entsteht zunächst der Eindruck, dass jeder von ihnen mit eigens entwickelten Methoden arbeitet. Die Eigenständigkeit beschränkt sich beim genaueren Hinsehen jedoch oft auf die Benennung der Methoden, welche eng mit denen der qualitativen Marktforschung verwandt sind (Pfadenhauer, 2004, S.3f.).
Jan Tewes Thede (2014) hat sich in seiner Dissertation umgehend mit der Trendforschung befasst und ein generischen Trendforschungsprozess skizziert, welcher „aus den Methodenbeschreibungen der unternehmerisch aktiven Trendforscher und Prozessbeschreibungen aus der strategischen Frühaufklärung […] abgeleitet wurde“ (S.67, zit. nach Liebl, 2005; Horton, 1999; Voros, 2003). Demnach sei der Ablauf eines Trendforschungsprojektes (Abb.3) mit dem eines Marktforschungsprojektes vergleichbar.
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Abbildung 3 : Phasen eines Trendforschungsprojektes Quelle: Eigene Darstellung (in Anlehnung an Thede, 2014, S.67)
In der ersten Phase wird die Fragestellung in Form eines Suchfeldes formuliert. Das Suchfeld gibt vor, welche (gesellschaftlichen) Sphären betrachtet werden sollen. Im Anschluss werden passende Datenquellen auf Basis der zu betrachtenden Themenfelder ausgewählt. In den zwei anschließenden Phasen erfolgt also die Datengewinnung und –Verarbeitung. „In der zweiten Phase durchsucht der Trendforscher das zuvor definierte Suchfeld in einem explorativen Modus nach schwachen Signalen und aggregiert diese zu Trendhypothesen. In der dritten Phasen arbeiten Trendforscher konfirmativ und erheben gezielt Daten, um die zuvor aufgestellten Trendhypothesen zu validieren“ (ebd.). Das gewonnene Trendwissen wird in der letzten Phase zusammen mit Handlungsempfehlungen an die Stakeholder kommuniziert (vgl. ebd.).
2.2.4.1 Suchfelddefinition
Zu Beginn eines Trendforschungsprojektes wird der thematische Fokus durch die Formulierung eines oder mehrerer Suchfelder eingegrenzt. Es können entweder spezielle Themenfelder oder die Gesellschaft als Ganzes betrachtet werden. „In der strategischen Frühaufklärung wird die themenspezifische Umfeldanalyse meistens auf Projektbasis durchgeführt, während die ungerichtete Analyse des gesamten Unternehmensumfeldes als kontinuierlicher Prozess etabliert ist“ (ebd., zit. nach Rohrbeck, 2010, S.131). Symbolisch können die beiden Ansätze als Radar und Mikroskop interpretiert werden: Während mit einem Mikroskop ein klar abgegrenztes, kleines Feld detailliert betrachtet wird, werden mit einem Radar alle Signale im Umfeld aufgespürt (vgl. ebd.)
2.2.4.2 Trendidentifikation
Für die Formulierung von Trends müssen neuartige und faktisch beobachtbare Einzelereignisse (schwache Signale) innerhalb der zuvor definierten Suchfelder identifiziert und zu Trendhypothesen aggregiert werden. Dabei gibt es unterschiedliche Methoden zur Identifikation von schwachen Signalen.
Trendscouts und Early-Adopter
Trendforschungsinstitute arbeiten häufig mit einem Netzwerk von Trendscouts zusammen, die über neue Verhaltensweisen, Stile oder Produkte berichten. Bei der Identifikation von soziokulturellen Trends werden bspw. vor allem Personengruppen beobachtet, „die Trends in der Regel früh übernehmen und andere Personen beeinflussen“ (Thede, 2014, S.68). Laut Vejlgaard (2016) sind das vor allem Jugendliche, Künstler, Designer, Wohlhabende, Prominente, schwule Männer und stilbewusste Subkulturen. Im Fachjargon werden diese Personen auch teilweise als Early-Adopter bezeichnet, da sie bspw. die neuesten Innovationen der Unternehmen zu einem sehr frühen Zeitpunkt nutzen und Wert auf diese Vorreiterrolle legen (vgl. Gründerszene, 2016).
Scanning und Inhaltsanalyse
Scanning ist eine systematische Informationsverdichtung, in dem alle Zeichen, die eine Gesellschaft absondert, gesichtet und geclustert werden, um daraus Trends zu extrahieren. Für die Identifikation von schwachen Signalen werden vor allem Medien und Märkte gescannt. Beliebte Medien dafür sind Zeitungen, Zeitschriften, TV, Radio und Internet. Die Märkte werden nach Produkten und Dienstleistungen abgetastet, wobei neue, innovative Produkte nicht zwingend einen Trend darstellen müssen (vgl. Pradel, 2001, S. 207). Wenn sich nun in der Gesellschaft wiederkehrende Muster aufzeigen, können Trendhypothesen durch die interpretative Verknüpfung der identifizierten schwachen Signale formuliert werden. Kommen mehrere Beobachter zu gleichen Auffälligkeiten, ist es wahrscheinlich, dass sich ein Trend entwickelt, welcher weiterhin verfolgt werden sollte (vgl. Bovenkerk, 2006, S. 87, zit. nach Godenschwege, 1997, S. 28). Häufig ist aber auch „das Auftauchen eines schwachen Signals in mehreren Kontexten ein hinreichender Beleg für die Existenz eines dahinterstehenden Trends“ (Thede, 2014, S.69).
Die Methode des Scannings ähnelt besonders der von Berelson entwickelten Inhaltsanalyse, welche er als Forschungstechnik zur „`objektiven, systematischen und quantitativen Beschreibung manifester Inhalte von Kommunikation´“ bezeichnet (Thede, 2014, S.68, zit. nach Berelson, 1952, S.18). Bei der qualitativen Inhaltsanalyse werden die relevanten Textstellen (Daten) den zu analysierende Texten entnommen. Man extrahiert also Rohdaten, bereitet diese auf und wertet sie aus. So wird eine neue Informationsbasis ausschließlich mit Informationen erschaffen, „die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevant sind“ (Gläser & Laudel, 2010, S.199f.).
2.2.4.3 Trendanalyse
In der dritten Phase werden Trendindikatoren gesucht, welche die zuvor aufgestellten Trendhypothesen stützen sollen. Um Indizien für die Unterfütterung der aufgestellten Hypothesen zu identifizieren, können unterschiedliche Methoden herangezogen werden.
Desk-Research
Desk-Research umfasst verschiedene Formen von Sekundäranalysen. Dadurch sollen die gewonnenen Erkenntnisse der vorherigen Untersuchungen gefestigt und um Informationen (quantitative Daten) zum Thema erweitert werden. Darunter fallen die Analyse amtlicher Statistiken, Handels- und Haushaltspanels, sowie Metaanalysen von mehreren Studien zu einem bestimmten Thema (vgl. Bovenkerk, 2006, S. 90, zit. nach Winter, 2000).
Monitoring
“`Monitoring ist das gezielte Beobachten von Trends mit dem Ziel, Weiterentwicklungen zu verfolgen, Datenlücken zu schließen und die Konsistenz der Information zu prüfen´“ (Bovenkerk, 2006, S. 92, zit. nach Liebl, 2000, S. 71). Monitoring bedeutet übersetzt überwachen und fasst verschiedene Methoden der Konsumentenforschung zusammen. Es erfolgt u.a. durch Qualitative Interviews in Form von Konsumentenexploration, Gruppendiskussionen in Fokusgruppen oder teilnehmende Marktbeobachtungen, auch Shadowing genannt (vgl. Pradel, 2001, S. 207). Diese Vorgehensweiße ermöglicht die Deutung des möglichen Trendverlaufs und somit, ob eine Entwicklung zu einem Trend wird oder nicht (vgl. Bovenkerk, 2006, S. 92). „Vermutete Trends werden [also] auf ihre Entwicklungen, Hintergründe, Ursachen und Marktrelevanz untersucht und bekommen einen passenden Namen“ (Zukunftsinstitut, 2016a).
Experteninterviews
„Als Quelle für schwache Signale in weniger öffentlichen Teilbereichen der Gesellschaft (z.B. Technologie) nutzen Trendforscher auch Expertenbefragungen“ (Horx & Wippermann, 1996, S.93). Dabei gibt es unterschiedliche Methoden, Expertenurteile einzuholen und abzugleichen. In der Trendforschung ist vor allem die Delphi-Methode beliebt, bei der verschiedene Spezialisten unabhängig voneinander zu einem spezifischen Thema mit Thesen konfrontiert und um Stellungnahme gebeten werden. Anschließend werden die Antworten „von einem Moderator koordiniert, ausgewertet, interpretiert und verdichtet. Der Extrakt geht an die Spezialisten zurück, die wiederum Stellung nehmen“ (Simon, 2005, S.48). Es existieren auch weitere Methoden wie die Szenario-Analyse oder die Think-Tank-Methode (vgl. ebd.), deren einzelne Darstellung jedoch den Rahmen dieser Bachelorarbeit überschreiten würde.
2.2.5 Mit Livestreaming in Zusammenhang stehende Trends
Trends sind oftmals nicht klar eindimensional ausgerichtet und lassen sich dementsprechend nicht exakt abgrenzen. „Vielmehr ist ein Trend in der Realität ein Bestandteil eines Geflechts von Trends und Wechselwirkungsbeziehungen“ (Pillkahn, S.133, 2007). Um Livestreaming als ein Trendphänomen verstehen und in das Zeitgeschehen einordnen zu können, ist die Kenntnis über die Position und Verflechtung im Gesamtzusammenhang sehr hilfreich. Deshalb wird nun näher auf die relevanten Mega- und Macro-Trends eingegangen, welche im Laufe der Recherche identifiziert wurden.
2.2.5.1 Megatrend: Konnektivität
Die von Matthias Horx (2016a) gegründete Zukunftsinstitut GmbH hat für das Jahr 2016 12 Megatrends definiert, von denen einer Konnektivität genannt wird. Dieser wird als „neue Organisation der Menschheit in Netzwerken“ (Zukunftsinstitut, 2016b) bezeichnet und impliziert einen Trend zur Offenheit von Unternehmen und administrativen Strukturen nach außen hin, welcher wiederrum durch die Forderung nach Transparenz vorangetrieben wird. Diese soziokulturelle Forderung formt nicht nur Unternehmensauftritte, sondern die ganze Gesellschaft um (ebd., 2016b). Die Digitalisierung und das Internet durchdringen somit „alle Bereiche des menschlichen Lebens und verändern Gesellschaft, Ökonomie und Kultur“ (ebd., 2016c). Dass Konnektivität vor allem ein sozialer und weniger ein technologiegetriebener Prozess ist, hat der rasante Aufstieg von Sozialmedien gezeigt (vgl. ebd.). Der partizipative Aspekt der Sozialmedien werde laut Zukunftsinstitut (2016c) „die digitale, technische Vernetzung in Zukunft weiter in Richtung soziale, kommunikative Konnektivität entwickeln“.
Auch TRENDONE sieht einen Megatrend in der Konnektivität, wobei jedoch der Begriff „Connected World“ für die Bezeichnung des Megatrends verwendet wird. Durch die zunehmende Vernetzung der Menschen mithilfe des Internets sei eine „soziale Dynamik entstanden, die individuelles Mitgestalten mit gemeinschaftlichem Handeln und Erleben kombiniert“ (ebd., 2016d). Soziale Software dringt dabei in private und geschäftliche Beziehungen vor, wobei das Teilen, Offenheit und Transparenz dominierende Handlungsmaxime darstellen. Gleichzeitig sind Konsumenten zunehmend an verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette beteiligt, was nicht zuletzt an zahlreichen realisierten Projekten durch Crowdscourcing[1] oder Crowdfunding[2] zu sehen ist. „Marktplätze verlagern sich in die Virtualität [… und] Likes sind zur Währung geworden“ (TRENDONE, 2016d).
Macro-Trend: Social Software (TRENDONE)
Als Beispiel für einen Macro-Trend des Megatrends Connected World nennt TRENDONE (2016e) Social Software[3]. Sie ist die Basis aller Vernetzungsstufen, da sie digitale Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Menschen im Internet ermöglicht. Heutzutage haben die meisten Websites im Internet bereits Social-Plug-Ins integriert, wodurch Inhalte direkt zu sozialen Netzwerken oder Microblogging-Seiten weitergeleitet werden können. Da die Nutzung dieser Plattformen meist kostenlos ist, zahlen Nutzer mit ihren Daten und erhalten auf sie abgestimmte Werbung ausgespielt (vgl. TRENDONE, 2016e). Durch die „ständigen Erweiterungen der Spielformen von sozialer Software“ (ebd.) werden die Möglichkeiten der Markenkommunikation zunehmend erweitert.
Der Trend bestätigt sich mit einem Blick auf die relevanten Statistiken: Im Jahr 2015 leben weltweit rund 7,2 Mrd. Menschen, von denen rund 3 Mrd. das Internet aktiv nutzen und 2,7 Mrd ein Smartphone besitzen (wearesocial, S.6 & S.40, 2016). Parallel dazu existieren 2,1 Mrd. aktive Konten auf sozialen Netzwerken (ebd., S.24), welche weltweit von 1,6 Mrd. Menschen genutzt werden (vgl. Statista, 2016a). Rund 88% der Social-Media-Nutzer sind bei Facebook registriert. Somit nutzt jeder fünfte Mensch auf der Welt soziale Medien, wobei vor allem die Zahl der Internetnutzer und der Social-Media-Accounts in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Allein im Jahr 2015 ist die Zahl der Internetnutzer um 21% (+525 Mio.) und die Zahl der Social-Media-Accounts um 12% (+222 Mio.) im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Anzahl mobiler Social-Media-Accounts im Jahr 2015 ist im Vergleich zum Vorjahr sogar um 23% (+313 Mio.) auf 1,69 Mrd. angestiegen (vgl. wearesocial, S.6f., 2016).
In Deutschland nutzen sogar 89% der 81 Mio. Einwohner das stationäre und 48% das mobile Internet, wobei täglich durchschnittlich 3,7 Stunden im stationären und rund 2 Stunden im mobilen Internet verbracht werden. Dabei können allein auf Facebook monatlich 28 Mio. aktive Nutzer verzeichnet werden (Social-Media-Aachen, 2016), von denen 18 Mio. den Dienst mobil nutzen (Statista, 2016a). Während 43% der Onliner ab 14 Jahren sich zumindest selten in Online-Communitys wie Facebook aufhalten, nutzen rund 60% von ihnen mindestens gelegentlich Instant-Messaging-Dienste wie Whatsapp. Letztere Dienste werden von 72% der 14-29 Jährigen Onliner sogar täglich genutzt, wobei 69% der täglichen Nutzung auf Whatsapp stattfindet. Gut jeder fünfte Onliner dieser Altersgruppe konsumiert außerdem mindestens einmal wöchentlich Nachrichten über Online-Communitys wie Facebook, wobei 14% dies sogar täglich tun (vgl. ARD & ZDF, 2015b, S.442ff.). Es wundert also nicht, dass 36% aller deutschen Unternehmen auf Social-Media-Maßnahmen setzen (BVDW, 2015, S.9).
Macro-Trend: Life Sharing (TRENDONE)
Als einen weiteren Macro-Trend unter dem Stichpunkt Connected World greift TRENDONE das Life Sharing auf. „Life Sharing bedeutet, andere Menschen am eigenen Leben teilhaben zu lassen, indem Erlebnisse und Aktivitäten über diverse Kommunikationskanäle mitgeteilt werden“ (TRENDONE, 2016f). Dabei werde der Trend durch immer neue Technologien ausgebaut. Hierzu zählt das TRENDONE aktuell auch das Livestreaming:
„Neben Texten und Fotos werden auch vermehrt Livestreaming-Apps in soziale Netzwerke eingebettet, damit Nutzer besondere Momente live teilen können. Lifelogging geht noch einen Schritt weiter und beschreibt Personen, die mit Webcams oder kleinen tragbaren Kameras große Teile ihres Alltags dokumentieren. Dabei gilt: Mit der Echtzeit steigt die Authentizität wieder“ (2016f).
Dass ein Trendforschungsunternehmen Livestreaming im Zuge der Erläuterung eines Macro-Trends verwendet und die Verbreitung dieses Übertragungsverfahrens als steigend bezeichnet ist ein Indiz dafür, Livestreaming als einen aktuellen Trend aufzufassen. Da diese Aussage jedoch nicht ausreicht, werden weitere Aspekte für die Stützung der These in der Trendanalyse ermittelt.
Dass Sharing ein Trend ist, kann an der Anzahl täglich geteilter Fotos auf sozialen Netzwerken oder Diensten abgelesen werden: Im Jahr 2014 wurden lediglich über Snapchat, Whatsapp und Facebook über 1,76 Mrd. Fotos täglich weltweit verbreitet, was einer Steigerung von 488% im Vergleich zum Jahr 2012 entspricht (vgl. Statista, 2016b). Dabei gaben 46% der Nutzer sozialer Netzwerke in einer globalen Befragung im Jahr 2014 an, häufig Inhalte Online zu teilen (Statista, 2016c). Rund 18% aller Smartphone-Besitzer teilen weltweit wöchentlich Video-Inhalte über soziale Medien oder Dienste, 15% sogar täglich (vgl. Statista, 2016d, S.23). Pro Minute werden weltweit mehr als 1,3 Mio. Inhalte auf Facebook geteilt (sproutsocial, 2016). In Amerika gehören Selfies (60%), Fotos mit Freunden oder der Familie (53%) sowie Informationen über die persönlichen Tätigkeiten (50%) zu den meistgeteilten Inhalten unter den 13-22 Jährigen (Statista, 2016d, S.13ff.).
In Deutschland geben im Jahr 2015 rund 46% an, mindestens einmal die Woche soziale Netzwerke im Internet zu benutzen, um Inhalte wie bspw. Bilder oder Videos zu teilen; 29% von ihnen tun dies sogar täglich (Statista, 2016e). Persönliche Fotos werden dabei von 22% der Internetnutzer mindestens gelegentlich im Internet veröffentlicht, wobei die Tendenz seit 2013 leicht steigend ist (Statista, 2016f.). Einem im Jahr 2015 durchgeführten TFM-Online-Panel (2016) zufolge zählen sich jedoch 73% der über 16 Jährigen eher zu den passiven Nutzern in sozialen Netzwerken und lediglich 27% zu den aktiven Nutzern (S.13).
Macro-Trend: Forderung nach Transparenz und Offenheit (Zukunftsinstitut)
Die Forderung nach Transparenz und Offenheit sieht das Zukunftsinstitut (2016c) als einen durch Konnektivität angetriebenen Trend. Weil Daten und Informationen jederzeit zugänglich sind, sei Wissen leicht überprüfbar. „Geheimnisse, unlautere Methoden oder unfaires Verhalten können leicht aufgedeckt und über die Kanäle des Netzes verbreitet werden. Wer der Maxime der Transparenz und der damit eingeforderten Ehrlichkeit nicht gerecht wird, wird von der Internet-Community sanktioniert“ (Zukunftsinstitut, 2016c). Die freie Verfügbarkeit von Daten sei dabei eine wichtige technische Voraussetzung für die soziokulturelle Forderung nach Transparenz. Nach dem Prinzip von Open Data sollen dafür nicht-personenbezogene Daten, welche für die Allgemeinheit Relevanz besitzen, frei zur Verfügung gestellt werden (vgl. ebd.).
Einer Studie der weltweit in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Consulting agierenden Gesellschaft Deloitte zufolge lasse sich „das Wachstumspotenzial einer datengetriebenen Wirtschaft nur ausschöpfen, wenn das Konsumentenvertrauen gewährleistet ist“ (2016). Das Vertrauen lasse sich wiederrum vor allem durch Transparenz erhöhen (Deliotte, 2014, S.6). Auch wenn an dieser Stelle von der Transparenz über die Verwendung personenbezogener Daten durch Unternehmen gesprochen wird (vgl. ebd.), kann die Forderung auf weitere Bereiche übertragen werden. So geben bspw. 89% der Befragten einer repräsentativen Transparenz-Studie an, dass Unternehmen transparenter werden müssen, um Vertrauen zu gewinnen oder zu erhalten (Klenk & Hoursch, 2011, S.12). Außerdem lasse sich durch Transparenz ein positives Image aufbauen (86%) und die Loyalität der Kunden Steigern (83%). Auch auf politischer Ebene wünschen sich die Bürger in Deutschland mehr Transparenz: Laut einer Forsa-Umfrage von 2010 befürworten 88% die Veröffentlichung nicht-personenbezogener Informationen durch die Behörden, wohingegen lediglich 16% darin Gefahren für den Datenschutz sehen (SAS, 2010, S.3). Ein Beispiel für die Umsetzung auf politischer Ebene ist das erste in Deutschland verabschiedete Transparenzgesetz vom Juni 2012, welches in Hamburg in Kraft gesetzt wurde und die Verwaltung der Bürger dazu verpflichtet, Informationen wie bspw. in Auftrag gegebene Gutachten und Studien aktiv zu veröffentlichen und elektronisch zur Verfügung zu stellen (LobbyControl, 2016, S.22). Ein Trend zu Transparenz kann aber auch in Ereignissen wie der globalen Überwachungs- und Spionageaffäre gesehen werden, welche vor allem durch die Enthüllung geheimer Dokumente der NSA und GCHQ durch den Whistleblower Edward Snowden im Jahr 2013 aufgedeckt wurde. Durch ihn wurde bekannt, dass nicht nur E-Mails, Telefongespräche und Videochats von privaten Internetnutzern global durch die Anzapfung der Datenzentren von Internetkonzernen wie Google oder Yahoo (auch verdachtsunabhängig) durch die Geheimdienste überwacht und auf Vorrat gespeichert werden, sondern auch Unternehmen und Politiker wie bspw. die Bundeskanzlerin Angela Merkel von der Spionage betroffen sind (vgl. Heise, 2016).
Macro-Trend: Real-Time-Paradigma (Zukunftsinstitut)
Der letzte Macro-Trend, der in Verbindung zum Megatrend Konnektivität steht und eine Relevanz für Livestreaming hat, ist das vom Zukunftsinstitut herausgestellte Real-Time-Paradigma. Es beschreibt die steigende Tendenz der Kommunikation und Datenverarbeitung in Echtzeit. Der Trend werde bspw. durch die Verbreitung des mobilen Internets unterstützt, da es Menschen erlaubt, ständig Online oder erreichbar zu sein (vgl. Zukunftsinstitut, 2016c). „Alles scheint heute in Echtzeit zu passieren: Wir twittern 140 Zeichen, chatten mit unseren Freunden, beantworten E-Mails optimalerweise innerhalb weniger Stunden nach ihrem Eintreffen und sind auch nach Feierabend für unsere Kollegen erreichbar“ (ebd.). Auch die prognostische Echtzeit-Datengewinnung werde aktuell immer valider. Ein Beispiel dafür ist die Analyse von Verkehrsflüssen in Städten in Echtzeit, um Staus zu vermeiden (vgl. ebd.). Das unter der gemeinnützigen Aktiengesellschaft gut.org agierende betterplace lab, welches digitale Trends im sozialen Sektor erforscht, hat die Echtzeit ebenfalls als einen aktuellen Trend erkannt und beschreibt diesen wie folgt:
„Schnelle Informationen bedeuten ein schnelles Leben. Wer morgens die Papierzeitung aufschlägt, kennt die Schlagzeilen schon seit gestern aus dem Internet. Die Demonstrationen in Tunesien und Ägypten liefen in Echtzeit auf unseren Geräten ab, die Kunde von der Amtsniederlegung des Papstes verbreitete sich binnen Minuten in der ganzen Welt. Über Statusmitteilungen in sozialen Netzwerken nehmen Freunde live Anteil an unserem Leben. Mit Apps wie Transfire können wir Sprachen simultan übersetzen und Dank Lokalisierungsdiensten wie Foursquare wissen wir, welche unserer Freunde gerade am Mailänder Flughafen oder um die Ecke sind. Selbst die Bahn schickt uns Verspätungsmeldungen aufs Handy, das Ferienwetter entnehmen wir der Webcam und der aktuelle häusliche Energieverbrauch kann dank Smartmeter live abgelesen werden“ (2013).
Das Bedürfnis nach Echtzeitinformationen aus Nutzersicht spiegelt sich bspw. in der Beliebtheit des Tools „Flugstatus“ der App von KAYAK[4] wieder, über welchen Nutzer den Status des gewünschten Fluges nachvollziehen können und informiert werden, wenn es eine Verspätung gibt: Neben der Flug- und Hotelsuche ist es das meistverwendete Tool der App (vgl. KAYAK, 2014). Im Personenverkehr dienen Echtzeitinformationen der schnelleren Kommunikation zwischen Verkehrsbetreibern und Kunden, wodurch letztere bspw. im Fall von Verspätungen alternative Fahrtmöglichkeiten suchen und somit bessere Entscheidungen treffen können (SCI, 2015, S.32). Die international agierende Agentur für digitale Transformation namens Razorfish empfiehlt Marketingverantwortlichen in ihrer Studie „Always-On Marketing heute“, sich auf die Forderung der Verbraucher nach Echtzeit-Informationen einzustellen (2013, S.5). Und auch die globale Vereinigung der Wirtschaftsprüfer ACCA hat in ihrer Studie zu der Perspektive der Anleger in Bezug auf die Unternehmensberichterstattung festgestellt, dass Anleger einen Bedarf nach Echtzeitberichterstattung haben: Demnach behaupten 85% der Anleger, „dass Echtzeitdaten ihre Möglichkeiten, rasch zu reagieren, verbessern würde. 78% sind der Meinung, dass Echtzeitberichterstattung Anlagerenditen verbessern würde [und] 73% würden davon ausgehen, dass Unternehmen, die Echtzeitdaten zur Verfügung stellen, über eine solidere Unternehmensführung verfügen“ (2013). Zumindest in Bezug auf Anleger kann somit die (bei der Beschreibung des Macro-Trends Life-Sharing genannte) These von TRENDONE bestätigt werden, dass mit der Echtzeit die Authentizität steige. Statistiken und Studien von Authentizitätssteigerung im Kontext von Livestreaming werden in der Trendanalyse in Kapitel 3 angeführt.
2.2.5.2 Megatrend: Individualisierung
Individualisierung ist ein Megatrend, der sowohl vom Zukunftsinstitut (2016d) als auch von TRENDONE (2016g) identifiziert wurde und ebenfalls eine Relevanz für bestimmte Anwendungsszenarien des Livestreamings hat. Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow stellte bereits im Jahr 1943 in seinen Studien fest, dass manche menschliche Bedürfnisse Priorität vor anderen haben. In seiner Theorie zur hierarchischen Anordnung der menschlichen Bedürfnisse und Motive unterteilt er die Bedürfnisse in fünf Kategorien und ordnet sie in einem aufsteigenden Stufenbau in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit und Befriedigung an. Die Hierarchie beginnt mit den physiologischen Bedürfnissen wie Gesundheit, trinken oder Schlaf, welche als elementar für die Lebenserhaltung gesehen werden. Auf der zweiten Ebene steht das Bedürfnis nach Sicherheit, welche sich bspw. in materieller oder beruflicher Sicherheit oder der Sicherheit des Lebens äußern kann. Nach weitgehender Befriedigung der ersten beiden Kategorien folgen nach Maslow soziale Bedürfnisse, welche sich in dem Wunsch nach sozialer Nähe und zwischenmenschlichem Kontakt oder im Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Liebe äußern. Individual oder Ich-Bedürfnisse bilden die vierte Stufe der Bedürfnishierarchie und umfassen sowohl innere Komponente (bspw. das Streben nach Selbstvertrauen und Erfolg) als auch Äußere (bspw. Anerkennung von außen in Form von Ansehen, Status, Wertschätzung). Sind alle genannten Bedürfnisse befriedigt, beginnt der Mensch nach Selbstverwirklichung zu streben. Jede Stufe schließt die frühere Ebene mit ein, sodass die niedrigere Stufe beim Aufsteigen in die höhere nicht gänzlich verlassen wird. Der Mensch versucht also zuerst die dringendsten Bedürfnisse zu stillen, verliert nach Befriedigung dieser die Motivation danach und versucht dann, das nächsthöhere Bedürfnis zu befriedigen (vgl. bwl-wissen, 2016). Die für den Megatrend Individualisierung relevanten Stufen der Bedürfnishierarchie nach Maslow sind die Ich-Bedürfnisse und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. „Die Globalisierung, die digitale Vernetzung und nicht zuletzt der Wohlstandszuwachs der letzten Jahrzehnte haben die Optionen der Selbstentfaltung vervielfacht“ (TRENDONE, 2016g). In der Leistungsgesellschaft werden die Menschen oft in Konkurrenz zueinander gestellt, sodass häufig nicht nur die Selbstverwirklichung im Vordergrund steht, sondern auch die Selbstoptimierung für das System. „Auf der Suche nach Individualität und Originalität hat jeder Einzelne den Wunsch, sich vom anderen zu unterscheiden“ (ebd.). Auf ökonomischer Ebene führt der Trend der Individualisierung zu einer steigenden Ausdifferenzierung der Märkte (vgl. Zukunftsinstitut, 2016d).
Macro-Trend: Personal Brand (TRENDONE)
Ein von TRENDONE identifizierter und für Livestreaming relevanter Macro-Trend des Megatrends Individualisierung ist die Personal Brand, was übersetzt persönliche Marke bedeutet. „Personen inszenieren sich selbst als Marke, um Differenzierung zu erreichen“ (TRENDONE, 2016g). Vor allem die Jugend und junge Erwachsene sind häufig auf sozialen Netzwerken aktiv: „Jeder hinterlässt einen digitalen Fußabdruck, und wer auffallen möchte, erzählt seine eigene, authentische Geschichte über individuelle Fähigkeiten und wettbewerbsdifferenzierende Eigenschaften“ (ebd.). Mithilfe einer durchdachten Onlinepräsenz kann die Reputation gestärkt und Transparenz über seine Persönlichkeit und Fähigkeiten geschaffen werden. Auch potenzielle Partner oder Arbeitgeber lassen sich heutzutage durch das Onlineimage bei ihrer Partner- oder Arbeitnehmerwahl beeinflussen (vgl. ebd.).
Dem Psychologen und Neurowissenschaftler Dr. Dar Meshi zufolge gehört das Streben nach Reputation „zu den Wesensmerkmalen des Menschen“ (FU-Berlin, 2013). Für viele Menschen laufe diese Reputationsmanagement heutzutage über soziale Medien wie Facebook ab. So konnte er zusammen mit weiteren Neurowissenschaftlern der Freien Universität Berlin eine „Verbindung von Aktivierungsmustern der mit Belohnung verbundenen Hirnregion Nucleus accumbens und dem Reputationsgewinn durch soziale Medien“ feststellen (ebd.). Auch Medizinprofessor Joachim Bauer aus Freiburg erforscht den Wunsch nach Anerkennung und behauptet, dass „`Neurobiologische Studien zeigen, dass nichts das Motivationssystem so sehr aktiviert, wie von anderen gesehen und sozial anerkannt zu werden´“ (ZEIT, 2013, zit. nach Bauer). Diese Erkenntnisse bestätigen sich auch bei einer im Februar 2015 durchgeführten Umfrage von rund 1600 Befragten einer VitalSmarts-Studie in den USA: Demnach gaben 58% der Befragten zu, „dass sie sich mit dem Versuch das perfekte Foto zu schießen, schon mehrfach einen schönen Augenblick vermiest haben“ (WIRED, 2015, zit. nach Grenny & Maxfield). Rund 14% der Teilnehmer hätten sogar schon einmal ihre eigene Sicherheit riskiert, um ein besonders ausgefallenen Post in sozialen Medien zu machen (ebd.). Weitere Indizien für den Macro-Trend werden nicht dargestellt, um den Rahmen dieser Bachelorarbeit nicht zu überschreiten.
3 Die Analyse der Relevanz von Livestreaming
Nach der Erarbeitung der theoretischen Grundlagen wird im folgenden Kapitel die Klassifizierung von Livestreaming als Trend, sowie die Analyse der Relevanz davon durchgeführt. Dafür werden zunächst Suchfelder für die Trendidentifikation- und Analyse definiert sowie geeignete Forschungsmethoden ausgewählt, die notwendig sind, um die These „ Livestreaming ist ein aktuelles Trendphänomen, welches für bestimmte Akteure der Medien- und Eventbranche relevant ist“ zu verifizieren oder falsifizieren. Für welche weiteren Akteure Livestreaming relevant ist, wird offen gehalten.
3.1 Suchfelddefinition
Da Livestreaming ein technisches Übertragungsverfahren im Internet ist, kann es der Medienbranche zugeordnet werden. Das typische Wettbewerbsumfeld von Medienunternehmen kann am Beispiel der Media-Triangle (siehe Anhang 1) symbolisch dargestellt werden: Medienunternehmen konkurrieren demnach auf dem Werbe-, Content- und Nutzermarkt. In der traditionellen volkswirtschaftlichen Sichtweise wird ein Markt als ökonomischer Ort des Tausches verstanden, „an dem Angebot und Nachfrage aufeinander treffen, so dass es zur Preisbildung kommt“ (Przybylski, 2010, S.32, zit. nach Freilling & Reckenfelderbäumer, 2004, S. 75). Wenn nun ein audiovisueller Inhalt bspw. kostenlos im Livestream zur Verfügung gestellt und durch Werbung finanziert wird, so wird der Anbieter des Livestreams durch das werbetreibende Unternehmen für die Ausstrahlung der Werbung je nach Anzahl der erreichten Rezipienten entlohnt, von dem wiederrum ein Anteil an den Urheber des audiovisuellen Inhalts fließt. Da die den Rezipienten zur Verfügung stehende Zeit ein knappes Gut ist, stehen sich Anbieter von audiovisuellen Inhalten im Wettbewerb um das Zeitbudget der Rezipienten gegenüber. „[Das Zeitbudget der Rezipienten] ist die Grundlage für das Bestehen im Wettbewerb um Werbemittel“ (Przybylski, 2010, S.32, zit. nach Wirtz, 2009, S.26f.). Unter der Annahme der Existenz dieser Opportunitätskosten[5] kann hier also von einem Rezipientenmarkt ausgegangen werden (vgl. ebd.).
Neben der Möglichkeit, audiovisuelle Inhalte über Werbung zu finanzieren, können diese auch bspw. über Gebühren der Nutzer oder durch Spenden finanziert werden. Das aufgezeigte Beispiel dient also lediglich dazu, ein typisches Wettbewerbsumfeld eines Unternehmens auf dem Medienmarkt zu skizzieren. Dieses Wettbewerbsumfeld kann auf Livestreaming übertragen werden und wird für die Trendidentifikation und –Analyse als Suchfeld abgeleitet.
3.2 Auswahl der Forschungsmethoden
Nach der Eingrenzung der Suchfelder werden geeignete Forschungsmethoden ausgewählt, um Livestreaming als einen Trend des Jahres 2015 klassifizieren und die Relevanz des technischen Übertragungsverfahrens bestimmen zu können.
3.2.1 Scanning der Medien
Um Livestreaming als ein Trendphänomen zu klassifizieren, wird in der Phase der Trendidentifikation zuerst das zuvor definierte Suchfeld in einem explorativen Modus nach schwachen Signalen durchsucht und zu dieser Trendhypothese aggregiert (siehe S.12). Da Livestreaming eine technisch Übertragungsverfahren ist, welches in den letzten Jahren -zumindest dem Suchvolumen auf Google zufolge (siehe Anhang 2)- ein höheres Interesse erfahren hat, wird davon ausgegangen, dass es wegen der Aktualität hauptsächlich im Internet, in Fachzeitschriften, unter Medienexperten oder Early-Adoptern diskutiert und angewendet wird.
Literatur zu Livestreaming ist nur begrenzt vorhanden. Der deutschsprachige Shop von Amazon.de liefert für den Begriff Live Streaming in der Kategorie Bücher bspw. lediglich 124 Suchergebnisse, wohingegen der amerikanische Shop Amazon.com für denselben Suchbegriff in der Kategorie Books 1637 Suchergebnisse liefert (Zeitpunkt der Suchanfrage: 31.01.2016). Dabei bezieht sich nur ein geringer Bruchteil der Bücher hauptsächlich auf Livestreaming, während der Großteil der Bücher nicht-lineare Formen des Streamings als Themenfokus hat und somit Livestreaming teilweise gar nicht behandelt. Auch der Ngram Viewer von Google Books zeigt lediglich eine Zunahme der Verwendung von Livestreaming in englischsprachigen Büchern im Zeitraum von 1992 bis 2008 (siehe Anhang 3). In dem Bestand der von Google Books digitalisierten deutschsprachigen Bücher wird der Begriff im selben Zeitraum laut Ngram Viewer[6] gar nicht verwendet. Dementsprechend wurde auch keine relevante wissenschaftliche Literatur gefunden, welche kostenlos ausgeliehen werden könnte, um sie für die Trendanalyse zielorientiert verwenden zu können.
Als erste Forschungsmethode wurde daher das Scanning von Medien ausgewählt. Um die Validität der Quellen gewährleisten oder zumindest erhöhen zu können, wurden einige Kriterien für die Verwendung von Quellen aus dem Internet definiert. Da Livestreaming ein aktuelles Thema mit einem hohen Bezug zur Medien- und Technologiebranche ist, sind vor allem Online-Nachrichtenseiten mit diesem thematischen Fokus interessant. Hierzu zählen unter anderem die Online-Nachrichtenportale für Technologie- und Internet-Unternehmen wie TechCrunch und re/code, das Technikportal und Mediennetzwerk The Verge oder das Technologie-Magazin Wired. Da die größten Medienunternehmen in Amerika sind und viele neue Medienunternehmen besonders häufig im Silicon Valley gegründet werden, werden diese überwiegend englischsprachigen Nachrichtenportale bevorzugt. Weitere Quellen sind renommierte Zeitungen wie The Wall Street Journal, Forbes, The New York Times oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung, sowie deren Online-Ausgaben. Natürlich sollen aber auch die Webseiten der jeweiligen Anbieter oder professionellen Nutzer von Livestreams verwendet werden. Schließlich dürfen Online-Quellen genutzt werden, die Originalinterviews, Vorträge oder Zitate von wichtigen Persönlichkeiten wie bspw. Mark Zuckerberg oder Jack Dorsey beinhalten.
3.2.2 Forschungsmethoden für die Trendanalyse
Gemäß des skizzierten Vorgehens eines typischen Trendforschungsprojektes (siehe S.11) wird nach der Trendidentifikation die Trendanalyse durchgeführt. Um Indizien für die Validierung der Trendhypothese zu identifizieren und die Relevanz von Live-streaming zu bestimmen, werden Sekundäranalysen in Form von Desk-Research durchgeführt. Durch eine Online-Umfrage sollen mögliche Datenlücken geschlossen und die gewonnenen Erkenntnisse ergänzt werden.
3.2.2.1 Desk-Research
Durch den Bezug auf messbare Daten, Fakten und dokumentierbare Informationen soll ein belastbares und nachvollziehbares Analyseergebnis sichergestellt werden. Deshalb werden verschiedene Sekundärquellen wie Statistiken, Studien oder Handels- und Haushaltspanels herangezogen und ausgewertet. Hierzu zählen bspw. Studien der Fernsehbranche wie die ARD-ZDF Onlinestudie, der Media Activity Guide der ProSiebenSat.1 Media SE oder der Digitalisierungsbericht der Medienanstalten, Panels wie bspw. das Fernsehpanel der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung, Studien aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen wie bspw. von Marktforschungsinstituten oder Statistiken von dem Online-Portal Statista. Aber auch veröffentlichte Statistiken der Anbieter von Livestreams werden ausgewertet.
Aus diesen Sekundärquellen werden Indikatoren herausgefiltert, welche für die Bestimmung der Relevanz von Livestreaming und die Validierung der Trendhypothese verwendet werden können. Wirtschaftliche Indikatoren sind bspw. der erwirtschaftete Umsatz oder der Unternehmenswert von Livestreaming-Plattformen, wobei sich letzterer auch durch die Summe externer Investitionen ausdrücken kann. Indikatoren auf Kundenseite sind bspw. die Reichweite bestimmter Livestreams oder Livestreaming-Plattformen in Form von monatlichen Unique-Viewern oder Einschaltquoten, Gesamtansichten oder die höchste gleichzeitige Zuschaueranzahl. Aber auch die durchschnittliche Verweildauer auf Livestreams, die Summe der zugeschauten Zeit aller Zuschauer oder die Anzahl registrierter Nutzer zählen hierzu. Weitere Indikatoren auf Kundenseite sind außerdem die Zahl der Premium-Nutzer bei Freemium-Modellen, die Anzahl von Spenden für Livestreams oder die erwirtschaftete Summe der Spendengelder (falls solche Modelle angewendet werden). Aus Sicht des Content-Marktes kann die Anzahl der Anbieter von Livestreams oder die Zahl prominenter Anbieter oder bekannter Unternehmen die Relevanz darstellen. Aus der Perspektive des Werbemarktes kann der durch Werbung erwirtschaftete Umsatz herangezogen werden. Durch die Betrachtung dieser Kennzahlen im Zeitverlauf besteht die Möglichkeit, einen Trendverlauf zu identifizieren.
Während diese Kennzahlen eher über veröffentlichte Statistiken der Anbieter ermittelt werden können, dienen Studien, Panels und Statistiken anderer Sekundärquellen als Ergänzung zu diesen. Anhand dieser kann bspw. der gesamte und anbieterunabhängige Konsum von linear übertragenen Inhalten im Internet im Zeitverlauf analysiert und dem Konsum von non-linearen Inhalten oder dem Fernsehkonsum gegenübergestellt werden. Da der Internetzugang außerdem gewisse Mindestanforderungen für die kontinuierliche Darstellung von Streams erfüllen muss, wird auch die Verbindungsgeschwindigkeit der Internetanschlüsse als potentieller Einflussfaktor auf das Konsumverhalten von Livestreams untersucht.
3.2.2.2 Online-Umfrage
Unterstützend zu den vorangegangenen Forschungsmethoden wurde eine Online-Umfrage durchgeführt. Das Ziel dieser Umfrage war es, Annahmen zu überprüfen, die in Folge der Trend- und Sekundäranalysen aufgekommen sind und Datenlücken zu schließen, die aufgrund von fehlenden Informationen nicht geschlossen werden konnten. Außerdem dient die Online-Umfrage der Erhebung zusätzlicher Einstellungs- und Konsumspezifika bezüglich linearen Streamings. Neben diesen Gründen wurde die Form der Online-Umfrage deshalb gewählt, weil sie es ermöglicht, in relativ kurzer Zeit ohne den hohen Aufwand von Ressourcen eine relativ hohe Reichweite von 334 Teilnehmern zu erreichen und somit die vorangegangenen Methoden um eine weitere Meinungsebene zu ergänzen. Obwohl ein möglichst breites Altersspektrum wünschenswert wäre, lag der Fokus der Umfrage auf den Digital Natives und somit eher jüngeren Teilnehmern, da diese in einer digitalen Welt aufgewachsen sind und somit die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass sie ein verändertes Konsumverhalten bezüglich audiovisueller Medien vorweisen als ältere Generationen. Veränderungen des Konsumverhaltens innerhalb dieser Altersgruppen sind oft Indizien für Trendströmungen, da sie oft frühzeitig aufkommende Trends übernehmen und neue Techniken nutzen. Deshalb werden derartige Veränderungen zu einem frühen Zeitpunkt häufig eher bei den Digital Natives sichtbar. Ein Vergleich der Einstellungen und der Nutzung innerhalb der verschiedenen Generationen wäre zwar interessant, konnte aber aufgrund mangelnder Kontakte zu über 30-Jährigen nicht in einem quantitativ-ausreichendem Maße gewährleistet werden. Rund 87% der Teilnehmer sind zwischen 18 und 28 Jahren alt (siehe Anhang 66), sodass die Betrachtung anderer Altersgruppen aufgrund niedriger Teilnehmerzahlen und aus oben genannten Gründen vernachlässigt wird.
Die Umfrage wurde Online durchgeführt, da nahezu alle Digital Natives das Internet nutzen. Da die Relevanz von linearem Streaming für Deutschland identifiziert werden soll, wurde die Umfrage in Deutschland durchgeführt. Mithilfe von öffentlich-zugänglichen Posts und Veranstaltungen auf Facebook sowie der Weiterleitung der Umfrage durch die Teilnehmer wurden insgesamt 334 Teilnehmern erreicht, von denen 289 zwischen 18 und 28 Jahren alt sind (siehe Anhang 66). Die Umfrage wurde eine Woche zur Verfügung gestellt, um gelegentliche Nutzer von Facebook nicht auszuschließen. Im Jahr 2013 waren rund 95% der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland bei Facebook angemeldet (vgl. ARD & ZDF, 2013, S.2), sodass Facebook als Verbreitungskanal der Umfrage für die junge Altersgruppe geeignet ist. Während bei den 20- bis 29 Jährigen in der deutschen Bevölkerung jedoch Männer zu einem geringen Prozentsatz überwiegen, sind rund 60% der Umfrageteilnehmer weiblich (siehe Anhang 67, S.117, Frage 1). Da außerdem die Personen, die der Autor der Studie gezielt mittels einer persönlichen Nachricht zu der Veranstaltung einladen konnte, auf die Freundeslisten von ihm und zwei weiteren Personen beschränkt war, ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Facebook-Freunde des Autors teilgenommen haben und somit keine zufällige Stichprobenziehung vorliegt. Die Umfrage ist somit nicht repräsentativ, zeigt jedoch Tendenzen treffend für die gewählte Altersgruppe auf.
Nach der Angabe von demographischen Daten wurde das Reiseverhalten befragt um zu überprüfen, ob Livestreams eher von Menschen genutzt werden, die viel unterwegs sind. Außerdem werden Fragen zu dem Gerätebesitz der Teilnehmer gestellt, um ihre Zugangsmöglichkeiten zu audiovisuellen Medien festzustellen. Anschließend folgen Fragen zum Konsum von klassischem Fernsehen, um die Affinität zu linearen, audiovisuellen Medien zu bestimmen. Um mögliche Auswirkungen von VoD-Angeboten auf den Konsum von linearen Formaten zu überprüfen, werden auch hierzu Fragen gestellt. Um potentielle Affinitäten zu bestimmten Angeboten innerhalb der jungen Altersgruppe zu identifizieren werden Fragen zu der Kenntnis, der Nutzung und der Gründe der Nutzung diverser linearer Online-Video-Angebote gestellt, die in der Trendanalyse aufgegriffen werden. Um Unternehmen mögliche Nutzungsoptionen von sozialen Livestreaming-Plattformen aufzuzeigen, werden die Teilnehmer danach befragt, welche Inhalte sie gerne im Livestream konsumieren würden und wie sie die Möglichkeit bewerten, Livestreams auf sozialen Plattformen zu integrieren. Relevante Ergebnisse der Online-Umfrage werden an den jeweiligen Stellen in den folgenden Trend- und Sekundäranalysen als Ergänzung aufgegriffen. Der vollständige Fragebogen und das Gesamtergebnis der Umfrage kann im Anhang 67 ab S.177 eingesehen werden.
3.3 Trendidentifikation und -Analyse
In einem explorativen Modus wurden die zuvor definierten Suchfelder nach schwachen Signalen oder sogenannten Micro-Trends durchsucht. Zuerst wurden die identifizierten Akteure der Livestreaming-Branche verschiedenen Kategorien zugeordnet und erläutert, um einen strukturierten Überblick über die Branche zu gewährleisten (3.3.1-3.3.3). Statistiken der jeweiligen Angebote der Akteure, die bei der Recherche gefunden oder durch Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Unternehmen erlangt werden konnten, werden direkt nach der Beschreibung der Angebote angeführt. Zusätzlich dazu werden relevante Ergebnisse der Online-Umfrage aufgeführt.
3.3.1 Lineares OTT-TV
Als lineares Over-the-Top-TV werden Streams bezeichnet, welche TV-Inhalte parallel zu der Fernsehausstrahlung linear über das Internet übertragen. Da hier die klassischen Distributionskanäle des Fernsehens umgangen werden, spricht man auch von OTT-TV[7]. In diesem Kapitel werden die linearen Internet-Angebote der Free- und Pay-TV-Sender, sowie von sogenannten OTT-TV-Plattformen dargestellt.
3.3.1.1 Lineare OTT-Angebote der Free-TV-Sender
Viele Fernsehsender bieten ihre linearen TV-Inhalte parallel zu der klassischen Distribution über ihre Webseiten an. Die Angebots- und Funktionsspektren der öffentlich-rechtlichen und privaten Free-TV-Sender werden in diesem Kapitel an Beispielen dargestellt.
Öffentlich-Rechtliche Sender
Nahezu alle öffentlich-rechtlichen Sender bieten einen kostenlosen Livestream ihrer Sendung über ihre Webseite seit 2013 an. Die TV-Livestreams der Sender von der Sendeanstalt ZDF können dabei zeitversetzt bis zu 30 Minuten vor dem aktuellen Ausstrahlungszeitpunkt eingesehen werden (vgl. GIGA, 2014a). Die Livestreams können über nahezu alle internetfähigen Geräte abgespielt werden, da die meisten von ihnen einen Browser nutzen oder Apps herunterladen können.
Die monatlichen Reichweiten der Livestreams auf den jeweiligen Webseiten der öffentlich-rechtlichen Sender konnten nicht ermittelt werden. In einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2012 teilte das ZDF jedoch mit, dass die Nutzung der ZDF-Streaming-Angebote (also sowohl Abrufvideos, als auch Livestreams) im Jahr 2012 bei durchschnittlich 36,36 Mio. Sichtungen pro Monat und damit um 16% höher als im Vorjahr lag. Die höchste Nutzung wurde dabei im August 2012 erzielt. Laut dem Sender stieg die Nutzung in diesem Monat auf 42,57 Mio. Views „durch die sechs zusätzlichen, zu den Olympischen Spielen angebotenen Livestreams, auf denen exklusiv Wettkämpfe gezeigt wurden, die nicht im Fernsehen übertragen wurden“, an (ZDF, 2012). Auch das Suchvolumen auf Google im Zeitverlauf zeigt am Beispiel der Fußball Welt- und Europameisterschaften, dass vor allem im Zeitraum der Spiele Peaks bei den Suchanfragen „ZDF live“, „ARD live“ oder „Das Erste Live“ zu verzeichnen sind (siehe Anhang 5). Besonders im Jahr 2014 ist ein hoher Peak bei den Suchanfragen „ZDF live“ und „ARD live“ zu verzeichnen. In Bezug auf die Livestreams der öffentlich-rechtlichen Sender kann also geschlussfolgert werden, dass sie vor allem im Kontext von Live-Ereignissen gezielt genutzt bzw. aufgesucht werden und dass die Nutzung der Streams steigt.
Die Beliebtheit der Apps auf Tablets und Smartphones kann anhand der Download-Rankings in verschiedenen App-Stores-Charts über das BI-Tool App Annie ausgewertet werden. In dieser Bachelorarbeit werden dafür exemplarisch die iOS-App-Charts von iPhones und iPads aus verschiedenen Rubriken herangezogen. Die App ARTE.tv liegt demnach seit 2013 auf iPhones durchschnittlich eher unter Platz 60 in der Rubrik Unterhaltung (siehe Anhang 6). In den App-Charts auf iPads schneidet die App jedoch deutlich besser ab und gehört durchschnittlich eher zu den Top 30 in dieser Rubrik (siehe Anhang 7). Die durchschnittliche Bewertung der App durch 591 Nutzer liegt bei 3,1 von 5 Sternen über denselben Zeitraum hinweg. Während 255 Nutzer die App mit 5 Sternen bewerten, beschweren sich 208 Nutzer durch die Angabe von einem Stern (siehe Anhang 8). Die ungefilterte Recherche der Beschwerden hat jedoch ergeben, dass überwiegend technische Probleme wie das Abstürzen der App bemängelt wurden.
Die ZDF-App für iPhones befindet sich in der Rubrik Unterhaltung seit Anfang 2014 hingegen eher zwischen Platz 10 und 50 von 2014 bis 2016 (siehe Anhang 9). Die iPad-App ist ebenfalls populärer als die iPhone App und befindet sich durchschnittlich zwischen Platz 1 und 10 (siehe Anhang 10). Die ZDF-App wird jedoch durchschnittlich besser als die App von Arte bewertet: Der Durchschnitt aus 1588 Bewertungen ergibt eine Wertung von 3,9 von 5 Sternen, wobei 951 Nutzer 5 Sterne vergaben (siehe Anhang 11). Bei der besonders positiven Bewertung wird von 25 Nutzern die Verfügbarkeit der Inhalte im Ausland, von 35 Nutzern die Livestreaming-Funktion und von 73 Nutzern die Nutzungsmöglichkeit über Apple TV direkt gelobt, was jedoch keine signifikanten Zahlen in Anbetracht von 951 Nutzern sind (vgl. Anhang 12).
Private Free-TV-Sender
Die Pro7Sat1. Media SE bietet seit 2014 einen TV-Livestream aller sechs Free-TV-Sender in ihrer 7TV-App an, allerdings für rund 3€ im Monat. Das Angebot kann nach einem Login auch über einen Webbrowser geöffnet werden (vgl. SevenOne Media, 2015b, S.7). Lediglich ausgewählte TV Shows des Konzerns werden kostenlos live über das Tochterunternehmen und Videoportal MyVideo übertragen (vgl. MyVideo, 2015). Laut RTL interactive (der Tochtergesellschaft des Fernsehsenders RTL) werden seit 2013 die Free-TV-Sender RTL, RTL2 und VOX im Livestream über die NOW-Apps angeboten, „nachdem die Zuschauer von 2010 bis Anfang 2013 große Teile des RTL Programms im Livestream über die RTL App via iPhone oder iPad verfolgten“ (RTL interactive, 2016). Sie werden jeweils für 1,8€ im Monat angeboten, wobei RTL bspw. über die RTL NOW-App oder den Browser genutzt werden kann (vgl. GIGA, 2014b).
Wie viel oder wie oft die Livestreams der beiden großen Sendergruppen genutzt werden, konnte nicht getrennt von der On-Demand-Nutzung ermittelt werden. Das Angebot 7TV verzeichnet jedoch 8 Mio. Views pro Monat, wobei 6,5 Mio. davon über mobile Endgeräte generiert werden (vgl. SevenOne Media, 2015b, S.4) Die NOW-Angebote der RTL Gruppe weißen folgende Reichweiten auf (siehe Abb. 4), wobei die Nutzerstruktur zu 52% aus 14-29 Jährigen besteht die überwiegend weiblich (66%) sind (IP-Deutschland, 2016, S.7). Die NOW-Angebote der RTL Group generieren mit rund 38 Mio. Video-Views fast fünf Mal so viele Video-Views wie 7TV.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 : Reichweiten der NOW-Plattformen der RTL Group im Jahr 2015 Quelle: IP Deutschland, 2016, S.6
Die 7TV-App für iPhones schneidet besser ab als die iPhone-Apps der öffentlich-rechtlichen Sender: Sie liegt seit ihrer Einführung im Mai 2014 durchschnittlich zwischen Platz 1 und 20 in der Rubrik Unterhaltung (siehe Anhang 13). Dies könnte mit den durchschnittlich jüngeren Konsumenten des Senders ProSieben (siehe Anhang 14) oder mit dem kurzen Zeitraum der Verfügbarkeit der App in Verbindung gebracht werden. Die iPad-App ist im Zeitverlauf nur etwas beliebter als Die der Öffentlich-Rechtlichen und befindet sich ebenfalls durchschnittlich zwischen Platz 1 und 10 (siehe Anhang 15). Die Bewertungen fallen jedoch überwiegend negativ aus, sodass sie im Durchschnitt mit 1,9 von 5 Sternen durch 1896 Nutzer bewertet wurde (siehe Anhang 16). 1246 Nutzer haben lediglich 5 Sterne vergeben, wobei 431 von ihnen bemängeln, dass in der App zu viel Werbung ausgespielt wird (siehe Anhang 17). Probleme im Kontext von Livestreaming werden von 83 Nutzer kritisiert, wobei die Kosten für die App und die Übertragungsqualität oft bemängelt werden (siehe Anhang 18).
Während die RTL NOW-App für iPhones von Dezember 2010 bis Mitte 2013 durchgängig unter den Top 15 im Bereich Unterhaltung platziert gewesen ist, befindet sie sich nach dieser Zeit eher zwischen den Plätzen 5 und 30 (siehe Anhang 19). Die iPhone-App ist jedoch vom zeitlichen Verlauf aus gesehen ebenfalls beliebter als die iPhone-Apps der Öffentlich-Rechtlichen, sodass auch hier wieder der Rückschluss auf die jüngeren Zuschauer gezogen werden kann (siehe Anhang 14). Die Platzierung der iPad-App ist im Zeitverlauf wiederrum beliebter als die iPhone-App und kann mit den Platzierungen der ZDF-iPad-App verglichen werden (siehe Anhang 20). Die RTL NOW-App ist jedoch mit einem Durchschnitt von 1,9 von 5 Sternen durch 9789 Nutzer und 6592 Bewertungen mit einem Stern ähnlich schlecht bewertet wie die 7TV-App (siehe Anhang 21). Auch hier beziehen sich 977 der schlechten Bewertungen auf die Fülle an Werbung und die Kosten für die App (siehe Anhang 22).
Neben den großen Sendergruppen Pro7Sat1. und RTL können vereinzelte private Sender wie bspw. TELE 5, Servus TV oder sport1 über einen kostenlosen Livestream auf den jeweiligen Homepages empfangen werden. Andere Sender wie bspw. Eurosport bieten hingegen nur einen kostenpflichtigen Livestream an. Über den Eurosport Player können die drei Eurosport-Programme Eurosport, Eurosport 2 und Eurosport News im Livestreaming und Catch-Up in Deutsch und 14 anderen Sprachversionen gegen eine Gebühr von rund 7€ auf allen internetfähigen Geräten empfangen werden (vgl. Eurosportplayer, 2015a). Darüber hinaus können Zusatzfunktionen genutzt werden, wie bspw. die Möglichkeit zwischen der Live-Übertragung von bis zu 16 Tennis-Felder bei den Australian Open zu wählen (vgl. Eurosport, 2015b). Es wird jedoch nicht weiter auf diese Angebote eingegangen, da dies sonst den Rahmen dieser Bachelorarbeit überschreiten würde.
3.3.1.2 Lineare OTT-Angebote der Pay-TV-Anbieter
Auch Anbieter von Pay-TV bieten ihren Abonnenten audiovisuelle Inhalte linear über das offene Internet an. Für den Zugang müssen sich die Kunden lediglich über die digitalen Services der Pay-TV-Anbieter mit ihren Kundendaten anmelden. Am Beispiel von Sky und der deutschen Telekom werden mögliche lineare OTT-Angebote dargestellt.
Sky Go
Der im Jahr 2012 eingeführte Service Sky Go wird kostenlos zum Abonnement von Sky angeboten. Nach Login mit den Sky-Kundendaten können alle im Abonnement enthaltenen, audiovisuellen Inhalte über das Internet auf allen internetfähigen Geräten konsumiert werden, sowohl auf Abruf als auch live. Kunden aus Deutschland können das Angebot lediglich im Inland und Österreich nutzen (vgl. Sky Go, 2015).
Sky Deutschland verzeichnete im ersten Quartal 2015 rund 4,2 Mio. Abonnenten (Statista, 2016h). Da im selben Quartal 1,4 Mio. aktive Sky Go Nutzer gezählt wurden, kann geschlussfolgert werden, dass rund 33% der Abonnenten den kostenlosen Service nutzen (vgl. Skymedia, 2015a, S.3). Verrechnet man die Anzahl aktiver Nutzer mit den 36,8 Mio. Kunden-Logins im vierten Quartal 2014, so loggt sich jeder Kunde durchschnittlich rund 9 Mal pro Monat bei dem Service an (vgl. Mediaimpact, 2015, S.2). Im zweiten Quartal 2014 wurden hingegen nur 28,7 Mio. Kunden-Logins verzeichnet und im Jahr 2013 lediglich 16,7 Mio. (vgl. Sky, 2014). Dabei erfolgen die Log-Ins zu 36% über iPads, 33% über das Web und 16% über iPhones, wobei inhaltlich zu 68% Sport und 32% Unterhaltung aufgerufen wird (vgl. Mediaimpact, 2015, S.9). Zu diesen Kennzahlen zählen jedoch auch die On-Demand-Angebote. Anhang 23 auf S.93 zeigt am Beispiel vier verschiedener Inhalte, dass On-Demand Angebote wie die Serien Game of Thrones oder House of Cards eher über Sky Go konsumiert werden als Live-Events wie Handball- oder Fußballspiele. Live-Events werden überwiegend zu Hause (linear) oder in Sportbars (Out-of-Home) verfolgt. Zum Beispiel wurde lediglich 12% der Reichweite der Handball WM 2015 Live-Spiele über Sky Go generiert. Sky Go hat jedoch in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut TNS Infratest eine qualitative Studie von Dezember 2014 bis Januar 2015 durchgeführt, bei der unter anderem folgendes identifiziert wurde:
„Die Sky Go Nutzer wünschen sich beim Bewegtbildkonsum viel Flexibilität: Sie möchten unterwegs und auf allen Geräten fernsehen, schauen aufgrund ihres großen Freundeskreises aber auch gerne in Gemeinschaft. Die Nutzer sind aktiv und fühlen sich als Early Adopter und Opinion Leader „am Puls der Zeit“. Sie haben ein überdurchschnittliches Einkommen und begeistern sich besonders für High-End-Produkte der Unterhaltungselektronik, für Mobilfunk und Autos. Die Motivation der Sky Go Nutzer, sich durch Werbung mehr mit Marken und Produkten zu beschäftigen, liegt um 54 Prozent höher als im Durchschnitt der Bevölkerung. Die Nutzer von Sky Go sind empfänglicher für Botschaften hochwertiger Produkte (Index: 118[8] ) und schätzen den optimalen Fit zwischen Sky und Marken, die auf der Plattform werben (Index: 122). Doppelt so viele Sky Go Nutzer wie Free-TV-Seher gaben an, über Werbung im Rahmen von Sportveranstaltungen zur Produktsuche angeregt worden zu sein (Index: 209). Und bei fast einem Drittel (Index: 127) erhöht die Werbung die Bereitschaft zur Produktnutzung“ (Sky, 2015).
Die Erkenntnisse dieser Studie beziehen sich zwar auch auf die On-Demand-Nutzung von Sky Go. Es kann jedoch festgehalten werden, dass die Nutzer sich als Early Adopter und Opinion Leader sehen, was wiederrum ein qualitatives Indiz für die Validierung der Trendhypothese ist, da diese Personengruppen „Trends in der Regel früh übernehmen und andere Personen beeinflussen“ (S.12). Mehr als die Hälfte der Befragten geben an, einer der Ersten zu sein, die sich neue, innovative Produkte anschaffen oder neue Services nutzen (Index: 213). Zudem werden sie oft nach ihrer Meinung gefragt, wenn es um die Auswahl von Produkten und Marken geht (Index: 197) (siehe Anhang 24). Aber auch das durchschnittliche Alter spricht eher für eine Trendbewusste Personengruppe: 36% der Sky Go Nutzer sind zwischen 14 und 29 Jahren alt (siehe Anhang 25). Aus diesem Ausschnitt der Studie kann geschlussfolgert werden, dass nicht nur quantitative Werte wie bspw. Nutzerzahlen Indizien für die Relevanz von Livestreaming-Angeboten sind, sondern dass auch qualitative Werte wie die bessere Aktivierung durch Werbung beachtet werden sollten. Das doppelt so viele Sky Go Nutzer wie Nicht-Nutzer über Werbung im Rahmen von Sportveranstaltungen zur Produktsuche angeregt worden sind, ist ein klares Indiz für die Relevanz von Livestreaming. Durch das überdurchschnittliche Einkommen und die Affinität zu High-End-Produkten der Unterhaltungselektronik stellen die Nutzer zudem eine attraktive Zielgruppe aus Perspektive des Marketings dar.
Die App-Platzierungen der für iPhones konzipierten App Sky Go in der Rubrik Unterhaltung schwanken von 2013 bis 2016 zwischen 1 und 50, wobei jedoch seit August 2014 überwiegend Plätze zwischen 1 und 10 eingenommen werden (siehe Anhang 26). Die iPad-App liegt im selben Zeitraum fast durchgängig zwischen Platz 1 und 20, wobei sie im Durchschnitt nicht besser bewertet wird als die 7TV-iPad-App (siehe Anhang 27). Die Durchschnittsbewertung aus 5033 Rezensionen beträgt 1,8 Sterne, wobei 3476 Nutzer nur einen Stern vergeben haben (siehe Anhang 28). 169 Nutzer bemängeln die Video- oder Übertragungsqualität aufgrund der schlechten Verbindung (siehe Anhang 29 & 30).
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[1] Crowdsourcing ist eine „interaktive Form der Wertschöpfung unter Nutzung moderner [Web 2.0-Techniken]“, bei der einzelne Aufgaben, die bisher unternehmensintern bearbeitet wurden, an eine Vielzahl von Nutzern (Crowd) ausgelagert (Outsourcing) wird (Gabler, 2016b).
[2] „ Crowdfunding ist eine Form der Finanzierung (`funding´) durch eine Menge (`crowd´) von Internetnutzern“, bei der über persönliche Homepages, professionelle Websites oder spezielle Plattformen zur Spende aufgerufen wird (Gabler, 2016c).
[3] Sammelbegriff für Softwaretools, die der Pflege sozialer Beziehungen dient (Gabler, 2016d).
[4] Ein Technologieunternehmen für die Onlinesuche und –Planung von Reisen (KAYAK, 2016).
[5] „Verzichtkosten, die durch die Entscheidung für eine Aktivität und den dadurch begründeten Verzicht auf eine Alternative entstehen“ (Przybylski, 2010, S.32, zit. nach Welfens, 2008, S.125)
[6] „Der Google Books Ngram Viewer ist ein webbasiertes Tool, mit dem die relative Häufigkeit des Auftauchens von N-Grammen in über 5.000.000 zwischen 1800 und 2008 erschienenen Büchern ermittelt werden kann. Datengrundlage des Ngram Viewers sind die im Rahmen des Google-Books-Projektes digitalisierten Bücher. Der analysierbare Korpus umfasst ca. 4 % aller jemals veröffentlichten Bücher“ (Thede, 2014, S. 61).
[7] Eine detaillierte Definition des Begriffs OTT und der Abgrenzung zum Begriff Web-TV befindet sich in Anhang 4
[8] Index = Sky Go Nutzer / Nicht Sky Go Nutzer x 100
- Quote paper
- Slawa Hilz (Author), 2016, Video-Livestreaming. Eine wissenschaftliche Analyse des Trendphänomens für 2016, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322785
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