John Rawls ist wohl einer der bedeutendsten Vertreter der politischen Philosophie des Zwanzigsten Jahrhunderts. Seine intensive Auseinandersetzung mit dem politischen Liberalismus resultierte nicht nur in dem Aufblühen des egalitären Liberalismus, sondern auch in einer kritischen Debatte über die Leistungsfähigkeit, Gerechtigkeit und den normativen Wert liberaler Konzeptionen und spezifischer Gesellschaftsmodelle dieser Tradition, die noch bis heute anhält und äußerst fruchtbare Erkenntnisse hervorbringt.
Rawls politische Konzeption kann zunächst einmal als die Antwort, auf eine der fundamentalen Frage der politischen Philosophie (vor allem der Gegenwart) verstanden werden, nämlich: Wie ist eine stabile, effiziente und gerechte Gesellschaft möglich, wenn deren Mitglieder (Bürger) durch teils konträre oder einander ausschließende Lehren und Weltanschauungen (d.s. Religionen, Philosophien oder Moralsysteme) voneinander getrennt sind? Rawls Antwort auf diese Frage lautet: Durch eine spezifische, liberale Ordnung, in der das Fundament des gesellschaftlichen Kooperation mittels Grundsätzen geregelt ist, die von allen Bürgern (trotz der Pluralität ihrer Weltanschauungen) anerkannt werden – eine politische Gerechtigkeitskonzeption.
Die Idee, dass sich Menschen mit teils widersprechenden Überzeugungen dennoch in den grundlegenden Fragen der politischen Interaktion bzw. der Beschaffenheit ihrer Institutionen einig werden können (d.h. einen „übergreifender Konsens“ finden), resultiert nach der Auffassung Rawls, aus dem sog. „Faktum des vernünftigen Pluralismus“. Dieses „Faktum“ artikuliert eine grundlegende Annahme des politischen Liberalismus, nämlich dass es eine Vielzahl von Weltanschauungen (Lehren) gibt, für die gute Gründe sprechen und die somit rational nachvollziehbar sind. Ferner wird jener Pluralismus, als das Ergebnis eines kontinuierlichen, praktischen Vernunftgebrauches von Individuen erachtet, die unter freien Institutionen (d.h. liberale Ordnungssysteme) leben und bringt demgemäß die Subjektivität ihrer Evaluationen zum Ausdruck.
Inhaltsverzeichnis
- John Rawls und der Politische Liberalismus
- Das Faktum des Vernünftigen Pluralismus
- Liberale Ordnungssysteme und die Limitierung von politischer Macht
- Vernunft und Politische Tugenden
- Der Übergreifende Konsens
- Gerechtigkeit als Fairness
- Gerechtigkeitsintuitionen und der Kontraktualismus
- Der Urzustand und der Schleier des Nichtwissens
- Die Zwei Prinzipien der Gerechtigkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert John Rawls' politische Konzeption des Liberalismus und seine Theorie der Gerechtigkeit als Fairness. Er untersucht, wie Rawls die Stabilität und Gerechtigkeit einer Gesellschaft inmitten von pluralistischen Weltanschauungen und unterschiedlichen Interessenkonflikten gewährleisten möchte.
- Das Konzept des vernünftigen Pluralismus
- Die Rolle der Vernunft und politischer Tugenden in einer liberalen Ordnung
- Die Idee des übergreifenden Konsenses und seine Bedeutung für die politische Gerechtigkeit
- Die Prinzipien der Gerechtigkeit als Fairness und ihre Anwendung auf die Verteilung von Gütern und Rechten
- Die Rolle des Urzustands und des Schleier des Nichtwissens in der Entwicklung der Gerechtigkeitsgrundsätze
Zusammenfassung der Kapitel
- John Rawls und der Politische Liberalismus: Dieser Abschnitt führt in die politische Konzeption von John Rawls ein und stellt die zentrale Frage nach der Möglichkeit einer stabilen, effizienten und gerechten Gesellschaft inmitten von pluralistischen Weltanschauungen. Rawls' Antwort auf diese Frage liegt in einer spezifischen, liberalen Ordnung, die auf Prinzipien der Gerechtigkeit basiert, welche von allen Bürgern anerkannt werden können.
- Das Faktum des Vernünftigen Pluralismus: Dieser Teil erläutert Rawls' Konzept des "Faktum des vernünftigen Pluralismus", das die Existenz einer Vielzahl von Weltanschauungen mit guten Gründen und die daraus resultierende Notwendigkeit eines "übergreifenden Konsenses" betont.
- Liberale Ordnungssysteme und die Limitierung von politischer Macht: Hier wird die spezifische Beschaffenheit von liberalen Ordnungssystemen und die Limitierung von politischer Macht durch die kollektive Macht freier und gleicher Bürger sowie das Legitimitätsprinzip des Konstitutionalismus beleuchtet.
- Vernunft und Politische Tugenden: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Bedeutung von Vernunft und politischen Tugenden wie Toleranz, Kompromissfähigkeit und Fairness für das Funktionieren einer liberalen Ordnung. Rawls argumentiert, dass diese Tugenden die Grundlage für eine Gesellschaft bilden, in der Menschen trotz unterschiedlicher Weltanschauungen zusammenleben können.
- Der Übergreifende Konsens: Dieser Teil erklärt die Idee des "übergreifenden Konsenses" als eine Erweiterung des Prinzips des Verfassungskonsenses. Rawls sieht diesen Konsens als die Übereinkunft aller Bürger bezüglich einer politischen Gerechtigkeitskonzeption, die die Verteilung von Gütern, Rechten und Pflichten regelt.
- Gerechtigkeit als Fairness: Dieser Abschnitt präsentiert Rawls' Theorie der "Gerechtigkeit als Fairness" als ein kontraktualistisches Argument, das von Gerechtigkeitsintuitionen ausgeht und die Bedingungen der gesellschaftlichen und natürlichen Welt abstrahiert, um faire Grundsätze für die Verteilung von Grundrechten und -pflichten zu entwickeln.
- Gerechtigkeitsintuitionen und der Kontraktualismus: Hier wird die grundlegende Intuition von Rawls erläutert, dass alle Bürger ihre Institutionen als gerecht ansehen, wenn diese bei der Verteilung von Grundrechten und -pflichten keine willkürlichen Unterschiede machen. Dieser Abschnitt erläutert auch die Methodik des Kontraktualismus, die Rawls verwendet, um seine Gerechtigkeitsgrundsätze zu entwickeln.
- Der Urzustand und der Schleier des Nichtwissens: Dieser Teil beschreibt Rawls' Gedankenexperiment des "Urzustands", in dem sich Bürger hinter dem "Schleier des Nichtwissens" befinden und keine Informationen über ihre individuellen Eigenschaften oder die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben. Dieser Zustand soll die Entwicklung von Gerechtigkeitsgrundsätzen ermöglichen, die von allen akzeptiert werden können.
- Die Zwei Prinzipien der Gerechtigkeit: Dieser Abschnitt präsentiert Rawls' zwei Prinzipien der Gerechtigkeit: das Prinzip der gleichen Grundrechte und -freiheiten und das Prinzip der sozialen und ökonomischen Ungleichheit, die an Positionen gebunden sein müssen, die allen zugänglich sind und Vorteile für alle, insbesondere die am schlechtesten gestellten, bringen.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe des Textes umfassen den politischen Liberalismus, den vernünftigen Pluralismus, den übergreifenden Konsens, Gerechtigkeit als Fairness, den Urzustand, den Schleier des Nichtwissens, die zwei Prinzipien der Gerechtigkeit, Gerechtigkeitsintuitionen und den Kontraktualismus.
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- Gino Krüger (Autor), 2013, Politischer Liberalismus und Gerechtigkeit bei John Rawls, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322194