Die Studienarbeit wurde im Rahmen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung angefertigt. Im ersten Teil der Arbeit stellt der Autor die so genannte Gehilfenrechtsprechung der deutschen Strafgerichte dar. Diese verurteilten die meisten NS-Verbrecher nicht als Täter sondern lediglich als Gehilfen. Die milden Urteile werden bis heute kritisiert. Der zweite Teil widmet sich der Verjährung der NS-Mordbeihilfe durch § 50 II StGB.
Im Zuge der nach 1945 einsetzenden Vergangenheitsbewältigung stellte sich bald die sog. „Schuldfrage“. Unter diesem von Karl Jaspers geprägten Begriff versteht man den Diskurs darüber, wer in welchem Umfang Verantwortung für die NS-Verbrechen zu tragen hat. In Strafprozessen mussten auch Gerichte dieser Frage nachgehen.
Die Führungsspitze des NS-Staates hatten die Alliierten bereits in Nürnberg verurteilt, was in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung zu einer „Schlussstrichmentalität“ führte: Die hauptverantwortlichen Täter hatte man dem Anschein nach gefunden, während die Schuld ihrer „Helfer“ vermeintlich zu vernachlässigen war.
Die Abgrenzung von Tätern und Gehilfen wurde zum zentralen Problem der strafrechtlichen Aufarbeitung durch bundesdeutsche Gerichte. Kurz gesagt, ist Täter, wer eine eigene Tat verwirklicht, wohingegen der Gehilfe lediglich eine fremde Tat fördert. Der Täter übernimmt demnach die volle, der Gehilfe nur einen Teil der Verantwortung.
Die meisten Angeklagten waren mittlerweile in das soziale und berufliche Leben der BRD integriert, sodass sie einen Ausschnitt der Gesamtbevölkerung repräsentierten. Fritz Bauer sprach daher anlässlich des Auschwitz-Prozesses davon, dass die 22 Angeklagten stellvertretend für 22 Millionen stünden. Entsprechend stark polarisierten die Prozesse. Immerhin stellten sie das deutsche Volk vor die Frage: War man ein Volk von Helfern oder ein Volk von Tätern? Hatten die Deutschen aktiv mitgewirkt oder nur passiv Unterstützung geleistet? So schwebte die Schuldfrage über jedem NSG-Verfahren. Aufgabe der Gerichte war es nun, eine angemessene Antwort zu geben. Das geringe Interesse an der Aufklärung gefährdete dieses Ziel jedoch von Anfang an. Schließlich verzögerte sich die Strafverfolgung sogar solange, dass die Taten zu verjähren drohten.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Taten ohne Täter - die Gehilfenrechtsprechung des BGH
I. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
II. Die Gehilfenrechtsprechung an den Landgerichten
III. Die Haltung des BGH und der Fall Staschynskij
IV. Reaktionen auf das Urteil
V. Die „Erfolgsgeschichte“ der Gehilfenrechtsprechung
VI. Alternative Ansätze in Theorie und Praxis
1. Claus Roxin: Organisationsherrschaft in Machtapparaten
2. Baumann: Tatherrschaftswille als Abgrenzungskriterium
3. Die Strategie der Staatsanwaltschaft im Auschwitzprozess
4. Die „Königsteiner Entschließung“
VII. Folgen der Rechtsprechung
1. Täter und Gehilfen - Gegenüberstellung der Persönlichkeiten
2. Milde Strafen
VIII. Mögliche Beweggründe der Richter
IX. Resümee
C. „Ungewollte“ Verjährung durch § 50 II StGB
I. Die Verjährungsproblematik
II. Vorgeschichte und Anlass der Gesetzesänderung
III. Auswirkungen des Gesetzes
1. Von der fakultativen zur obligatorischen Strafmilderung
2. Entdeckung der „Panne“
3. Grundsatzurteil des BGH vom 20. Mai 1969
a) Die Vorgeschichte - „Rettungsbemühungen“
b) Die Entscheidung
c) Auswirkungen auf das RSHA-Verfahren
4. Vermeidbarkeit der Einstellungen - die Rolle der Justiz
a) Gehilfen mit niedrigen Beweggründen - Fehlanzeige
b) Gehilfen ohne Kenntnis vom Grauen
IV. Der Zweck später Strafen
V. Resümee
D. Schlussbetrachtung
- Quote paper
- Lino Munaretto (Author), 2015, Taten ohne Täter? Die Gehilfenrechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zuge der strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320777
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