Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit den Verhaltenskodizes der Textilhandelsunternehmen Primark und Hennes & Mauritz. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwieweit die beiden Modeketten ihren Verhaltenskodex funktionalisieren, um vorliegende Problemstrukturen auflösen zu können und nachhaltige Erfolgspotentiale freizusetzen.
Der Verhaltenskodex entpuppt sich hierbei als Selbstbindungsinstrument, welches dazu beitragen kann, vorteilhafte Stakeholderbeziehungen zu etablieren. Durch zahlreiche Missstände in der Bekleidungs- und Textilindustrie stehen die beiden Unternehmen vor einer Konfliktsituation, in der sich ein Dualismus zwischen Eigen- und Fremdinteressen konstituiert hat. Eine methodische Analyse soll Aufschluss darüber geben, ob die moralischen Bindungen dafür ausgerichtet wurden, vorhandene Interaktionsprobleme aufzulösen, um eine Überwindung des Interessenkonfliktes möglich zu machen.
In einem Vergleich wird sich herausstellen, dass Hennes & Mauritz ein professionelles Integritätsmanagement betreibt, welches die Berücksichtigung von gemeinsamen Interessen anstrebt, während sich Primark in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als integrer Akteur durchsetzen kann.
Ein abschließendes Fazit rundet das Thema ab und gibt Auskunft über einen möglichen Ausblick in die Zukunft.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
1. Die Verhaltenskodizes in der theoretischen Anwendung
1.1 Der Code Of Conduct von Primark
1.2 Der Code Of Conduct von Hennes & Mauritz
2. Eine methodische Analyse der Verhaltenskodizes
2.1 Arbeitsbedingungen
2.2 Korruptionsprävention
2.3 Umweltschutz
3. Die Kodizes von Primark und Hennes & Mauritz im Vergleich…..
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung Titel
Abb. 1: Eigeninteresse versus Fremdinteresse? - Die Überwindung eines Interessenkonfliktes durch eine orthogonale Positionierung
Abb. 2: Das einseitige Gefangenendilemma - Vom Problem (a) zur Lösung (b) am Beispiel der Arbeitsbedingungen
Abb. 3: Das einseitige Gefangenendilemma - Vom Problem (a) zur Lösung (b) am Beispiel der Korruptionsprävention
Abb. 4: Das mehrseitige Gefangenendilemma - Vom Problem (a) zur Lösung (b) am Beispiel des Umweltschutzes
Kurzfassung
Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit den Verhaltenskodizes der
Textilhandelsunternehmen Primark und Hennes & Mauritz. Dabei wird der Frage
nachgegangen, inwieweit die beiden Modeketten ihren Verhaltenskodex funktionalisieren, um vorliegende Problemstrukturen auflösen zu können und nachhaltige Erfolgspotentiale freizusetzen. Der Verhaltenskodex entpuppt sich hierbei als Selbstbindungsinstrument, welches dazu beitragen kann, vorteilhafte Stakeholderbeziehungen zu etablieren. Durch zahlreiche Missstände in der Bekleidungs- und Textilindustrie stehen die beiden Unternehmen vor einer Konfliktsituation, in der sich ein Dualismus zwischen Eigen- und Fremdinteressen konstituiert hat. Eine methodische Analyse soll Aufschluss darüber geben, ob die moralischen Bindungen dafür ausgerichtet wurden, vorhandene Interaktionsprobleme aufzulösen, um eine Überwindung des Interessenkonfliktes möglich zu machen. In einem Vergleich wird sich herausstellen, dass Hennes & Mauritz ein professionelles Integritätsmanagement betreibt, welches die Berücksichtigung von gemeinsamen Interessen anstrebt, während sich Primark in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als integrer Akteur durchsetzen kann. Ein abschließendes Fazit rundet das Thema ab und gibt Auskunft über einen möglichen Ausblick in die Zukunft.
Schlagworte: Unternehmensethik; Verhaltenskodizes; Textilindustrie; Primark; Hennes & Mauritz; Ordonomik; Selbstbindung; Ethik; Moral
Einleitung
In Zeiten der Globalisierung steht unter anderem die internationale Textil- und Bekleidungsbranche vor einem umfassenden Internationalisierungsprozess. Arbeitsintensive Produktionen wurden in die Entwicklungs- und Schwellenländer ausgelagert, wodurch sich neue Herausforderungen und Probleme entwickelten. Durch zahlreiche Missstände in der Wertschöpfungskette, darunter Kinderarbeit, mangelnde Sicherheitsstandards, Umweltverschmutzung und Hungerlöhne, rückte ein kritischer Diskurs über die moralische Verantwortung der Textilunternehmen weiter in den Fokus der Öffentlichkeit. Nichtregierungsorganisationen, Konsumenten und staatliche Akteure übten somit einen enormen Druck auf die großen Modemarken der Industriestaaten aus. Um sich langfristig am Markt behaupten zu können, wurde ein konstruktives Stakeholdermanagement unerlässlich.
Dies erkannten ebenfalls der irische Bekleidungs-Discounter Primark und das schwedische Textilhandelsunternehmen Hennes & Mauritz. Durch ein starkes Unternehmenswachstum und der einhergehenden Zunahme des ökonomischen Einflussbereiches, sehen sich die beiden Modeketten in der Verantwortung, gegen diese sozialen und ökologischen Missstände vorzugehen. Aber ist dieses moralische Verantwortungsbewusstsein mit den ökonomischen Prinzipien des Gewinnstrebens überhaupt kompatibel, oder nehmen die genannten Unternehmen ihr Eigeninteresse und die sozial- gesellschaftlichen Anliegen als scharfen Interessenkonflikt wahr? Ein Verhaltenskodex kann dabei hilfreich sein, solche Problemstrukturen aufzulösen. Als Selbstbindungsinstrument dient er zur Überwindung sozialer Dilemmata und ermöglicht es, vorteilhafte Stakeholderbeziehungen zu arrangieren.
In der vorliegenden Bachelorarbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich die Textilunternehmen Primark und H&M ihre konzipierten Verhaltenskodizes zu Nutze machen, um vorliegende Konfliktsituationen aufzulösen. Darauf aufbauend wird untersucht, ob es ihnen gelingt, einen glaubwürdigen Selbstbindungsakt zu etablieren, der ihre Integrität stabilisiert und nachhaltige Erfolgspotentiale freisetzen kann. Um die Fragestellung lösen zu können, sollen die Wirkungsmechanismen der Verhaltenskodizes durch ordonomische Analyse-Tools untersucht werden. Mit Hilfe von spieltheoretischen Modellen wird eine Rekonstruktion konkreter Anreizsituationen möglich, die ein Verständnis über die vorliegende Problemstruktur näher bringt. Somit lässt sich klären, ob die beiden Unternehmen ihre Verhaltenskodizes als Instrument zur Überwindung sozialer Dilemmata erkannt haben und aus dem vermeintlichen Interessenkonflikt ausbrechen können.
Die Vorgehensweise lässt sich in drei Schritte gliedern. Im ersten Schritt soll versucht werden, ein allgemeines Verständnis für den Anwendungsbereich der Verhaltenskodizes zu schaffen. Um die Probleme und Herausforderungen beider Textilunternehmen zu verdeutlichen, werden die Inhalte der Kodizes einer deskriptiven Darstellung unterzogen. Im zweiten Schritt erfolgt eine Einführung in die methodischen Grundlagen der Wirtschafts- und Unternehmensethik. Nachdem das Rationalkalkül beider Modeketten auf die Kompatibilität zwischen Eigen- und Fremdinteressen untersucht wurde, soll an drei ausgewählten Beispielen eine konkrete Dilemmastruktur rekonstruiert werden. Das Wirkungspotential der Verhaltenskodizes liegt dabei im Fokus der Untersuchung. In dem dritten und letzten Schritt wird ein Vergleich der zugrundeliegenden Erkenntnisse vorgenommen. Es soll aufgezeigt werden, inwieweit sich die Unternehmen Primark und H&M durch ihre Verhaltenskodizes und Selbstbindungsmaßnahmen unterscheiden. Die Ergebnisse der Analyse sollten in diesem Vergleich die zielführende Frage lösen können. In einem abschließenden Fazit werden die Problemlösungsansätze beider Unternehmen bewertet und mit einem Ausblick zukünftiger Entwicklungen abgeschlossen.
1. Die Verhaltenskodizes in der theoretischen Anwendung
„ A business code is a distinct and formal document containing a set of prescriptions developed by and for a company to guide present and future behavior on multiple issues of at least its managers and employees toward one another, the company, external stakeholders and/or society in general. “1
Ein Verhaltenskodex lässt sich i.n.S. als Instrument für Selbstbindungsmaßnahmen zur Lösung unternehmensinterner und -externer Interaktionsprobleme definieren. Der Anwendung von diversifizierten Verhaltenskodizes kommt eine immer größer werdende Bedeutung zu. Zum einen stellt das Reputationskapital einen relevanten Teil des Unternehmenswertes dar, der durch die Kodizes beeinflusst werden kann. Zum anderen können organisatorische Strukturen, die sich auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auswirken, optimiert werden. Im folgenden Abschnitt soll verdeutlicht werden, wie die Verhaltenskodizes im betrieblichen Anwendungsbereich genutzt werden können und welche Herausforderungen damit einhergehen. Besonders die Problemlage der Textil- und Bekleidungsindustrie soll hierbei ersichtlich werden.
Aufgrund von sozialen und ökologischen Missständen in der Lieferantenkette standen die Textilunternehmen Primark und H&M wiederholt in der öffentlichen Kritik. Durch zahlreiche Interessengruppen, die sich gegen diese Probleme engagieren, und eine verstärkte Polarisierung in den Medien, wurde der Druck auf die Textilhandelsunternehmen weiter intensiviert. Ein wichtiger Schritt der Unternehmen war die moralische Positionierung durch einen Verhaltenskodex, der das Verantwortungsbewusstsein für die bestehenden Schwierigkeiten zu betonen versucht. Ein Verhaltenskodex besteht aus formalen Richtlinien, die als Grundlage des unternehmerischen Handelns dienen sollen.2 Dieses Verhalten kann in Form von spezifizierten Reglementierungen und Werten kodifiziert werden. Zwischen den Unternehmen oder Branchen können dabei ersichtliche Unterschiede der inhaltlichen Auslegung bestehen. Die Implementierung der Kodizes und deren Unterstützungsmaßnahmen ist zwar mit laufenden Kosten verbunden, jedoch kann eine zweckmäßige Umsetzung weitere Erfolgspotentiale freisetzen und sich somit zu einer sinnvollen Investition entwickeln. Die Potentiale der Verhaltenskodizes entfalten sich dabei nicht nur durch das Bekenntnis einer moralischen Verantwortung und altruistischer Handlungsziele. Viel mehr soll eine Situation geschaffen werden, in der die suggerierten Selbstbindungsmaßnahmen dazu führen, ein vorhandenes Koordinationsproblem zu lösen und die Entfaltung verdeckter Win-Win- Chancen zu ermöglichen.3 Somit können die Kodizes betriebliche Strukturen herstellen, die organisatorische Abläufe optimieren, das Arbeitsklima verbessern oder das Vertrauen der Stakeholder stabilisieren.4
Die Bedeutung der Verhaltenskodizes für das strategische Management entwickelte sich dabei von einem sehr einseitig ausgerichteten Instrument zur Risikominimierung möglicher Imageschäden, hin zu einem multifunktionalen Werkzeug für interne und externe Optimierungsprozesse.5 Jedoch bleibt das Potential der Verhaltenskodizes durch defizitäre Umsetzungsmaßnahmen oftmals unter seinen Möglichkeiten.6 Die Problembereiche sind vielseitig und können bei der praktischen Ausrichtung der Kodizes eine zentrale Rolle einnehmen. In der vorligenden Arbeit sollen diese Bereiche ebenfalls als formale Bewertungskriterien herangezogen werden, um eine vergleichbare Basis zur Beurteilung der Verhaltenskodizes zu schaffen. Hinsichtlich der Herausforderungen, die den Unternehmen Primark und H&M gegenüberstehen, könnte man die Kriterien wie folgt gliedern:
a) Transparenz - Werden entsprechende Informationen offengelegt?
b) Zugänglichkeit - Sind die Verhaltenskodizes für die betroffenen Akteure zugänglich?
c) Spezifikation - Wie konkret werden die Kodizes formuliert?
d) Reichweite - Für welchen Geltungsbereich wurden die Kodizes verfasst?
e) Adressierung der Probleme - Werden die richtigen Probleme adressiert?
f) Umsetzungsmaßnahmen - Werden Lösungsansätze für die Probleme aufgezeigt?
g) Lösungspotential - Führen die Kodizes zu einer Verbesserung der Konfliktsituation?
Primark und H&M stehen bei der Ausrichtung ihrer Verhaltenskodizes gleich mehreren Herausforderungen gegenüber. Einerseits haben die beiden Modehändler einen enormen Einfluss auf die Lieferantenkette. Somit adressiert sich die öffentliche Kritik über die gegebenen Missstände überwiegend an die Unternehmen Primark und H&M selbst. Zu den zentralen Vorwürfen zählen mangelhafte Sicherheits-, Umwelt-, und Sozialstandards, die sich im gesamten Herstellungsprozess beobachten lassen.7 Somit kommt der Konzeption eines Verhaltenskodex in der Textilbranche eine besondere Bedeutung zu, da relevante Stakeholder mit hoher Sensibilität auf die moralischen Interaktionen der betroffenen Unternehmen reagieren. So könnten Nichtregierungsorganisationen (NROs) in Form von Kampagnen defektives Verhalten sanktionieren und positive Anpassungsprozesse durch kooperative Beziehungen belohnen.8 Zu den einflussreichen Stakeholdern zählen sich NROs wie Greenpeace, die International Labour Organization (ILO), die Ethical Trade Initiative (ETI), aber auch Konsumenten und staatliche Interessengruppen. Somit wird der Verhaltenskodex für Primark und H&M zu einem wichtigen Selbstbindungsinstrument, um moralische Anliegen zu kommunizieren und damit vorteilhafte Stakeholderbeziehungen herzustellen.
Die aufgeführte Lage verdeutlicht die Notwendigkeit des Einsatzes von funktionalen Verhaltenskodizes im betrieblichen Anwendungsbereich. Dem Unternehmen Primark sowie H&M wird dadurch ein wichtiges Instrument zur Ausrichtung des Integritätsmanagements zuteil. Zudem ermöglichen selbst auferlegte Bindungsmaßnahmen Handlungsblockaden zwischen internen und/oder externen Stakeholdern aufzulösen.9 Die Bewertung zur effektiven Umsetzung eines Verhaltenskodex kann durch verschiedene formale und methodische Kriterien evaluiert werden. Dabei kommt der moralischen Positionierung durch ethische Kodizes in der Textilbranche eine besondere Bedeutung zu. Im folgenden Abschnitt soll eine deskriptive Darstellung der unternehmenseigenen Verhaltenskodizes vollzogen werden. Vor Beginn dieser inhaltlichen Auseinandersetzung dient ein kurzes Unternehmensportrait zur Einleitung in die Materie.
1.1 Der Code Of Conduct von Primark
Der irische Textildiscounter Primark wurde 1969 gegründet und hat seinen Sitz in Dublin.10 Das Unternehmen beschäftigt 61.000 Mitarbeiter in 293 Filialen auf 10 verschiedenen Märkten.11 Besonders auffällig sind die hohen Wachstumsraten, die Primark jährlich zu verzeichnen hat. So unterliegt der Umsatz aus dem Geschäftsjahr 2014 im Vergleich zu 2013 einem Wachstum von 17%.12 Primark gehört dem britischen Konzern Associated British Foods Plc (ABF) an.13 Die Unternehmensstrategie zielt auf eine Niedrigpreispolitik ab, die das Angebot von qualitativen Produkten im Sortiment nicht zwangsläufig ausschließen soll. Die günstigen Preise ergeben sich laut Wolfgang Krogmann, dem Nordeuropa-Chef von Primark, aus kosteneffizienten Strukturen, die sehr unterschiedlich ausgerichtet sind.14 Zum einen sind die Gewinnmargen der Produkte sehr gering angesetzt. Es werden große Mengen bestellt, wodurch sich die Stückkosten dezimieren und es fallen minimale Kosten im Bereich des Marketing an, da auf teure Werbung oder Models verzichtet wird. Zum anderen versucht man ein Lean Management zu etablieren, indem bspw. keine Zwischenhändler beauftragt werden oder die Verwaltungskosten sehr gering ausfallen. Primark definiert sich selbst als Anbieter für „ topaktuelle Mode, die Ihr Konto verwöhnt “.15 Die Zielgruppe besteht dabei weitgehend aus einem jüngeren Kundenkreis, der durch die günstigen Preise hohe Absatzmengen generiert.
Häufige Kritik nimmt Primark nicht nur durch das Anbieten extrem günstiger Textilwaren entgegen, sondern auch durch die einhergehende Unverträglichkeit eines umweltfreundlichen und sozial kompatiblen Herstellungsprozesses, der durch die Massenproduktion erschwert wird. Somit wird ein enormer Ressourcenverbrauch potenziert, während der Textilabfall weiter zunimmt. Aber auch die Zustände in den Zulieferbetrieben stehen im ständigen Fokus öffentlicher Debatten. Geltende Gesetze werden nicht eingehalten, die Sicherheitsstandards sind auf geringstem Niveau und die Arbeitsbedingungen entsprechen menschenunwürdigen Verhältnissen. Um auf diese Problembereiche einzugehen, hat Primark einen Verhaltenskodex in 31 verschiedenen Sprachen zur Verfügung gestellt. Dieser lässt sich auf der Unternehmenswebsite einsehen und wurde zudem in sämtlichen Produktionsstätten als visualisiertes Poster konzipiert und zugänglich gemacht.16 Das 7-seitige Dokument trägt die Überschrift „ Verhaltenskodex für Lieferanten “ und adressiert sämtliche „ Vertragsunternehmen und Anbieter von Waren und Dienstleistungen “.17 Eine Einleitung gibt Aufschluss über den Umgang der vorangestellten Reglementierungen. So werden diese als eine verpflichtende und zu prüfende Anforderung proklamiert. Bei Missachten dieser Bedingungen bietet Primark eine Kollaboration an, die auf die Optimierung der mangelnden Standards abzielt. Bei größeren Verstößen behält sich das Unternehmen eine Kündigung der Lieferantenverträge vor. Durch diverse Kontrollmechanismen soll sichergestellt werden, dass die Einhaltung der verschiedenen Anforderungen gewährleistet wird. Aber auch Primark geht eine Selbstbindung ein, die sich im folgenden Satz verdeutlichen lässt. Dort heißt es: „ Primark verpflichtet sich zur Beschaffung dieser Produkte in strengerÜbereinstimmung mit dem Primark-Verhaltenskodex, der die Charta der Vereinten Nationen, Kapitel IX, Artikel 55, einschließt “.18
Nach der Einleitung folgt ein Zwölf-Punkte-Programm, welches verschiedene Forderungen, Grundsätze, Richtlinien und moralische Anliegen manifestiert. Diese thematisieren unterschiedliche Problembereiche, wie etwa die Umwelt-, Sozial-, und Sicherheitsstandards sowie Präventivmaßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Im nachfolgenden Abschnitt sollen diese zwölf Punkte kurz ausgeführt werden, um eine inhaltliche Auseinandersetzung zu vertiefen.19
a) Beschäftigungsverhältnis ist frei gewählt: Die Arbeitnehmer der Produktionsstätten sollen nicht unter Verwendung von Zwangsarbeit in ein Beschäftigungsverhältnis treten müssen. Dieses Verhältnis solle jederzeit, unter Berücksichtigung einer angemessenen Kündigungsfrist, kündbar sein.
b) Vereinigungsfreiheit und das Recht zu Lohnverhandlungen werden respektiert: Jedem Arbeitnehmer solle das Recht eingeräumt werden, sich in Gewerkschaften oder ähnlichen Kollektiven zu engagieren. Dabei müsse sich der Arbeitgeber offen gegenüber gewerkschaftlicher Organisationen positionieren und einer autonomen Ausübung aller Mitglieder nicht entgegen wirken.
c) Arbeitsbedingungen sind sicher und hygienisch: An dieser Stelle werden die Forderungen konkreter. So sollen die Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass ein sicheres und hygienisches Arbeitsumfeld gewährleistet wird. Dazu zählen regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter über Gesundheits- und Arbeitsschutzvorkehrungen, der Zugang zu sauberen sanitären Anlagen und hygienische Unterkünfte, die für die existenziellen Grundbedürfnisse ausreichend sind. Zudem müsse die Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen von der leitenden Unternehmensführung koordiniert werden.
d) Umweltschutzanforderungen: Mögliche Maßnahmen zur Umsetzung von adäquaten Umweltstandards nehmen in dem Verhaltenskodex eine untergeordnete Rolle ein. Mit nur einem Satz beschreibt Primark seine Ambitionen bezüglich der Umweltschutzanforderungen, indem die Relevanz von praktikablen Umweltschutzstandards hervorgehoben wird und eine Verpflichtung von kollaborativen Umsetzungsmaßnahmen bestehe.
e) Kinderarbeit darf nicht verwendet werden: Kinder und Jugendliche, die das 15. Lebensjahr noch nicht beendet haben, dürfen nicht in ein Beschäftigungsverhältnis aufgenommen werden. Arbeitnehmern unter 18 Jahren sei es untersagt, Nachtschichten einzulegen oder sich in Gefahrenbereichen zu betätigen. Zum einen verlangt Primark von seinen Lieferanten Möglichkeiten zu entwickeln, die dazu beitragen, dass Kindern hochwertige Bildungschancen eröffnet werden. Zum anderen wird die Forderung gestellt, alle relevanten ILO-Standards einzuhalten.
f) Zahlung existenzsichernder Löhne: Die dargelegte Prämisse, welche die Zahlung eines existenzsichernden Lohnes beinhaltet, ist sehr schwammig ausgelegt. Der auszuzahlende Lohn müsse gesetzlichen Standards und branchenüblichen Richtwerten mindestens entsprechen. Dabei seien dem Arbeitnehmer sämtliche Informationen über die Lohnauszahlungen vorzulegen. Lohnabzüge als Disziplinarmaßnahme werden von Primark nicht geduldet.
g) Keineübermässigen Arbeitsstunden: An dieser Stelle werden die Anforderungen deutlicher. Alle Arbeitnehmer dürfen in einer Woche maximal 48 Stunden arbeiten und müssen mindestens einen arbeitsfreien Tag erhalten. Überstunden sind auf höchstens 12 Stunden pro Woche zu begrenzen und auf freiwilliger Basis auszuüben. Für die Arbeitsstunden seien die rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten.
h) Es gibt keine Diskriminierung: Diskriminierungen jeglicher Art und in sämtlichen Bereichen seien strikt untersagt.
i) Bereitstellung regelmäßiger Beschäftigung: Wenn Arbeitskräfte in den jeweiligen Produktionsstätten eingesetzt werden, solle dies auf Basis eines anerkannten Beschäftigungsverhältnisses vollzogen werden. Jeder missbräuchliche Einsatz von Arbeitskräften, der den Verpflichtungen eines angemessenen Beschäftigungsverhältnisses widerspricht, solle in jedem Fall vermieden werden.
j) Harte oder unmenschliche Behandlung ist verboten: Physische und psychische
Misshandlungen, Beschimpfungen oder Einschüchterungsversuche jeglicher Art seien verboten.
k) Gesetzliche Anforderungen: Primark verpflichtet sich, sein unternehmerisches Handeln, in strenger Übereinstimmung mit den jeweiligen Gesetzen am Beschaffungsort, auszurichten. Dabei sei es auch zu vermeiden mit Lieferanten zu kooperieren, die gegen geltende Gesetze verstoßen.
l) Bestechung oder Korruption werden nicht toleriert: Maßnahmen und Richtlinien zur Korruptionsprävention sind ein zentraler Bestandteil des Verhaltenskodex. Jegliche Annahmen von Leistungen, die zum Missbrauch anvertrauter Befugnisse verleiten, um betriebliche oder private Vorteile zu erlangen, seien strengstens untersagt. An verschiedenen Beispielen verdeutlicht Primark zudem die universellen Vorgänge korrupten Handelns. Die Antikorruptionsgesetze- und maßnahmen sollen von sämtlichen Lieferanten, Repräsentanten und Mitarbeitern unbedingt eingehalten werden. Der Mindeststandard sei auf Basis des UK Bribery Act 2010 auszulegen. Die Lieferanten sollen sich nicht nur verpflichten, praktikable Präventionsmaßnahmen zu besitzen, sondern diese auch regelmäßig überprüfen, um eine funktionale Anwendung zu gewährleisten.
1.2 Der Code Of Conduct von Hennes & Mauritz
Das schwedische Textilhandelsunternehmen Hennes & Mauritz wurde 1947 von Erling Persson gegründet und blieb bis dato (2016) unter familiärer Führung.20 H&M beschäftigt mehr als 132.000 Mitarbeiter in 3.511 Filialen, die in 55 verschiedenen Märkten aktiv betrieben werden.21 Mit einem Gesamtumsatz von rund 20 Mrd. Euro im Jahr 2014 gehört das Unternehmen zu den umsatzstärksten Modeketten weltweit.22 Laut unternehmenseigenen Angaben basiert dieser Erfolg auf einer Kombination von aktueller Mode, Qualität, fairen Preisen und der Konzentration auf verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte.23 Diese Attribute dominieren simultan das Unternehmenskonzept von H&M. So beschreibt sich die Modekette als „ werteorientiertes, kundenbezogenes, kreatives und verantwortungsvolles Modeunternehmen “.24 Das Sortiment lässt sich im Mittelsegment einordnen, welches durch flexible und modische Kollektionen eine junge bis mittelalte Konsumentengruppe ansprechen soll.25 Die angebotenen Produkte werden nicht von H&M selbst hergestellt, sondern durch ausgewählte Lieferanten überwiegend in Entwicklungs- und Schwellenländern produziert.26 Über 747 Produzenten in 1.652 verschiedenen Produktionsstätten fertigen Textilwaren für das Unternehmen an.27 Dabei definiert H&M 150 Lieferanten als sogenannte „long term strategic partners“, von denen 58% aller eingekauften Waren gedeckt werden. Durch die hohen Absatzmengen und der steigenden Produktionsauslastung in den Fabriken, überträgt sich systematisch eine immense Einflussnahme, die H&M zu verantworten hat. Um dieses Verantwortungsbewusstsein zu betonen, wurde 2007 die H&M Conscious Foundation ins Leben gerufen, die eine nachhaltige und sozial orientierte Ausrichtung des Unternehmens unterstützen soll.
[...]
1 Kaptein und Schwartz (2008; S. 113).
2 Vgl. Köhnen (2006; S. 5).
3 Vgl. Beckmann und Pies (2006; S. 22).
4 Vgl. Kaptein und Schwartz (2008; S. 111).
5 Vgl. Beckmann und Pies (2006; S. 4f.).
6 Vgl. Beckmann und Pies (2006; S. 1). Dort heißt es weiter: „Einerseits werden Kodizes oftmals für die falschen Probleme eingesetzt. Andererseits werden sie für die richtigen Probleme nicht richtig genutzt.“
7 Vgl. Lesch und Graupner (2013; S. 2).
8 Vgl. Spönemann (2006; S. 203).
9 Eine Ausführliche Thematisierung folgt im zweiten Kapitel.
10 Vgl. Associated British Foods (2014; S. 30).
11 Vgl. Associated British Foods (2015a; S. 37).
12 Associated British Foods (2014; S. 33): „Sales at Primark were 17% ahead of last year at constant currency. This excellent result was driven by an increase in retail selling space, like-for-like sales growth of 4%, and superior sales densities in the new stores.“
13 Vgl. Primark (2015a) Nach unternehmenseigenen Angaben heißt es dort: „Primark ist die wichtigste Komponente von ABFs Einzelhandelsportfolio.“
14 Vgl. Krogmann (2015; S. 70).
15 Vgl. Primark (2015b).
16 Vgl. Associated British Foods (2013; S. 54f.).
17 Primark (o.J.; S. 1).
18 Primark (o.J.; S. 1).
19 Vgl. Primark (o.J.; S. 2-6).
20 Vgl. Hennes & Mauritz (2014b; S. 4).
21 Vgl. Hennes & Mauritz (2014c; S. 1).
22 Vgl. die vorliegenden Zahlen in der Tabelle unter Hennes & Mauritz (2014c; S. 2).
23 Vgl. Hennes & Mauritz (2014c; S. 4).
24 Hennes & Mauritz (2014b; S. 3).
25 Vgl. Spönemann (2006; S. 207).
26 Vgl. Hennes & Mauritz (2014b; S. 9).
27 Vgl. Hennes & Mauritz (2011a; S 44).
- Quote paper
- Jan-Nicolai Pitz (Author), 2016, Unternehmensethik in der betrieblichen Praxis. Die Verhaltenskodizes der Textilunternehmen Primark und Hennes&Mauritz (H&M), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320453
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