Die Sprache in ihrer Bedeutung, ihrem Wandel und ihrer ‚Undienlichkeit‘ für den Protagonisten Leopold Auberg in Herta Müllers Roman "Atemschaukel" bilden den Kernpunkt dieser Abhandlung. Herta Müllers Roman präsentiert einen Einblick in das Leben Leopold Aubergs. Dieser wurde mit 17 Jahren im Januar 1945 aus seinem Heimatort Hermannstadt in das russische Straflager Nowo-Gorlowka deportiert und musste dort fünf Jahre Zwangsarbeit für den „Wiederaufbau“ der Sowjetunion leisten. Sechs Jahrzehnte nach seiner Rückkehr aus dem Lager offenbart er im Alter von 82 seine individuellen Erlebnisse und die daraus resultierenden Einschnitte in sein Menschsein, die in ihm bis in das erzählte ‚Jetzt‘ immer wieder aufreißende Wunden und Narben hinterlassen haben.
Sein Versuch, die traumatischen Ereignisse in Worte zu fassen, für sich selbst so erfahrbar und erträglicher zu machen, lenkt den Fokus auf die subjektive Essenz von Sprache für Leo. Diese scheint in und nach einer Situation derartiger Grenzerfahrung für menschliches Dasein das einzig bleibende Moment im Kampf gegen seinen physischen, vor allem aber psychischen Verfall zu bergen. Es ist die Macht der Worte, die Leo die Möglichkeit zur Erkenntnis aus seinem Schicksal und somit etwas Autonomie im Umgang mit körperlichen und seelischen Qualen während und nach seiner Lagerzeit verleiht. Allerdings wächst in ihm auch das peinigende Bewusstsein heran, dass diese Kraft in Konfrontation mit seinem Trauma auch an Grenzen stößt.
Es werden einige ausgewählte Textbeispiele herangezogen, da der begrenzte Rahmen der Hausarbeit eine detailliertere Untersuchung nicht ermöglicht. Aufgrund des fragmentarischen Charakters Leopolds Schilderungen und der Komplexität der einzelnen Ausdrucksformen wird eine nach den verschiedenen sprachlichen Besonderheiten differenzierte Gliederung der Arbeit für ungünstig erachtet.
Um die vielschichtigen, mit einander verknüpften Elemente der Sprache in Leos Bericht nicht mehr als nötig auseinanderzureißen, ist die Arbeit lediglich in die drei Kapitel über Sprache vor, in und nach dem Lager aufgeteilt. Auf diese Weise wird der Bedeutungswandel Leos Sprachverständnisses und somit auch der seines Welt- und Selbstbildes, bedingt durch seine sich nahezu jeglicher Vorstellungsdimension entziehenden Erlebnisse, aufgezeigt und analysiert. Dabei wird deutlich, dass sein Leben regelrecht am ‚seidenen Wort' hängt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil: Die Bedeutung der Sprache für Leopold Auberg
- Leos Sprachverständnis vor dem Lager
- Der Wandel der Sprache für den Lagerinsassen Leo Auberg
- Eine Sprache für Leo nach dem Lager?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Bedeutung von Sprache für den Protagonisten Leopold Auberg in Herta Müllers Roman "Atemschaukel". Sie analysiert, wie sich Leos Sprachverständnis vor, während und nach seiner Zeit im russischen Straflager verändert und wie Sprache für ihn zum Überlebensinstrument und zur Möglichkeit der Selbstfindung wird. Die Arbeit konzentriert sich auf den Wandel der Sprache als Spiegelbild seiner Erfahrungen und seines psychischen Zustands.
- Der Einfluss des Lagererlebens auf Leos Sprachverständnis
- Die Rolle der Sprache als Überlebensmechanismus im Lager
- Der Zusammenhang zwischen Sprache, Identität und Selbstfindung
- Die Grenzen der Sprache im Ausdruck von Trauma
- Die Entwicklung von Leos Welt- und Selbstbild im Kontext seiner sprachlichen Erfahrung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt den Roman "Atemschaukel" und seinen Protagonisten Leopold Auberg vor, der als Rumäniendeutscher im russischen Straflager Nowo-Gorlowka Zwangsarbeit leisten musste. Sie beschreibt Leos Versuch, seine traumatischen Erlebnisse durch Sprache zu verarbeiten und die zentrale Rolle der Sprache in seinem Kampf gegen den physischen und psychischen Verfall. Die Arbeit konzentriert sich auf den Bedeutungswandel von Sprache für Leo vor, während und nach seiner Lagerhaft und untersucht diese in drei Kapiteln.
Hauptteil: Die Bedeutung der Sprache für Leopold Auberg: Dieser Abschnitt legt den Grundstein für die Analyse, indem er die allgemeine Bedeutung von Sprache und das Konzept von Denotation und Konnotation einführt. Er betont, wie individuelle Erfahrungen das Sprachverständnis prägen und zu einem veränderten Denken und Handeln führen können. Der Abschnitt verbindet diese theoretischen Grundlagen mit dem Kontext von Diktatur und Unterdrückung, in dem die vertraute Bedeutung von Sprache und Objekten sich verändern kann und ein "fremder Blick" entsteht. Dies bildet die Grundlage für die anschließende Analyse von Leos Sprachverständnis in den verschiedenen Lebensphasen.
1. Leos Sprachverständnis vor dem Lager: Dieses Kapitel beschreibt Leos Leben vor seiner Deportation. Trotz der ihm drohenden Deportation und des Wissens seiner Mitmenschen in Hermannstadt über die bevorstehenden Schrecken des Lagers, bleibt Leo in einer Art Unwissenheit oder Verdrängung seines Schicksals. Seine "verheimlichte Ungeduld" wird mit seiner verheimlichten Homosexualität in Verbindung gebracht, welche ihn schon vor dem Lager zum Außenseiter macht und ihn dazu zwingt, seine wahre Identität zu verbergen. Sein Anderssein prägt bereits seine Sichtweise und sein Verhältnis zur Sprache vor dem Beginn seines Leidens.
Schlüsselwörter
Herta Müller, Atemschaukel, Leopold Auberg, Sprache, Trauma, Lagererfahrung, Denotation, Konnotation, Identität, Selbstfindung, Homosexualität, Unterdrückung, Diktatur, Sprachwandel.
Häufig gestellte Fragen zu "Atemschaukel" - Sprachliche Analyse
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Bedeutung von Sprache für den Protagonisten Leopold Auberg in Herta Müllers Roman "Atemschaukel". Der Fokus liegt auf dem Wandel seines Sprachverständnisses vor, während und nach seiner Zeit im russischen Straflager und wie Sprache für ihn zum Überlebensinstrument und zur Selbstfindung wird.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht den Einfluss des Lagererlebens auf Leos Sprachverständnis, die Rolle der Sprache als Überlebensmechanismus, den Zusammenhang zwischen Sprache, Identität und Selbstfindung, die Grenzen der Sprache im Ausdruck von Trauma und die Entwicklung von Leos Welt- und Selbstbild im Kontext seiner sprachlichen Erfahrung. Dabei werden auch Aspekte wie Denotation und Konnotation, sowie Leos Homosexualität und deren Einfluss auf seine sprachliche Situation vor dem Lager berücksichtigt.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, einen Hauptteil mit Unterkapiteln zu Leos Sprachverständnis vor, während und nach dem Lager, und ein Fazit. Der Hauptteil analysiert die Bedeutung von Sprache für Leopold Auberg im Kontext der Diktatur und Unterdrückung, wobei die theoretischen Grundlagen zu Denotation und Konnotation eingeführt werden.
Wie wird Leos Sprachverständnis vor dem Lager beschrieben?
Das Kapitel zu Leos Sprachverständnis vor dem Lager beschreibt sein Leben vor der Deportation. Trotz der drohenden Deportation und des Wissens um die Schrecken des Lagers, bleibt Leo in einer Art Unwissenheit oder Verdrängung. Seine "verheimlichte Ungeduld" wird mit seiner verheimlichten Homosexualität in Verbindung gebracht, was ihn bereits vor dem Lager zum Außenseiter macht und ihn dazu zwingt, seine wahre Identität zu verbergen. Sein Anderssein prägt bereits seine Sichtweise und sein Verhältnis zur Sprache.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Herta Müller, Atemschaukel, Leopold Auberg, Sprache, Trauma, Lagererfahrung, Denotation, Konnotation, Identität, Selbstfindung, Homosexualität, Unterdrückung, Diktatur, Sprachwandel.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit untersucht, wie sich Leos Sprachverständnis vor, während und nach seiner Zeit im russischen Straflager verändert hat und wie Sprache für ihn zum Überlebensinstrument und zur Möglichkeit der Selbstfindung wird. Die Arbeit konzentriert sich auf den Wandel der Sprache als Spiegelbild seiner Erfahrungen und seines psychischen Zustands.
Wie ist der Aufbau der Arbeit?
Die Arbeit beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Einleitung mit Vorstellung des Romans und des Protagonisten, einen Hauptteil mit Kapiteln zur Analyse des Sprachverständnisses in den verschiedenen Lebensphasen Aubergs, ein Fazit und eine Liste der Schlüsselwörter.
- Quote paper
- Johanna M. (Author), 2016, Wenn das Leben am ‚seidenen Wort‘ hängt. Die Bedeutung von Sprache für den Protagonisten Leopold Auberg in Herta Müllers Roman "Atemschaukel", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320092