Schauplatz des Romans ist die südfranzösische Stadt Marseille. Sie ist nicht nur für politisch Verfolgte, aus Konzentrationslagern geflohene oder ehemals inhaftierte Zwangsarbeiter aus Deutschland zum Fluchtort geworden, sondern auch für Tausende von Franzosen und Belgiern und für Spanier, die nach der Niederlage der spanischen Republik gegen General Franco über die Pyrenäen nach Frankreich geflohen waren.
Aufgrund des zwischen Deutschland und dem besiegten Frankreich am fünfundzwanzigsten Juni 1940 in Kraft getretenen Waffenstillstandsvertrages, musste Frankreich verdächtige Personen deutscher Abstammung nach Deutschland ausliefern. Damit war das Asylrecht aufgehoben. Deutsche Exilierte und Emigranten wurden praktisch zu Vogelfreien erklärt. Um Frankreich verlassen zu können, mussten die Flüchtlinge in Marseille bei den ausländischen Konsulaten Visa besorgen und Schiffspassagen buchen. Sie konnten sich nur mit besonderen Reiseerlaubnissen (sog. "sauf-conduits") bewegen, die meist - wie im Roman mehrfach beschrieben - zeitlich befristet waren. Um ausreisen zu können, brauchte man nicht nur Ausreise- bzw. Einreisevisen der betroffenen Länder (also z. B. der USA oder Mexikos), sondern auch Transitvisen derjenigen Länder (wie z. B. Spanien oder Portugal), die auf dem Wege dorthin zu durchfahren waren.
Das Verwirrende daran ist - wie der Erzähler vom kleinen Kapellmeister in Kapitel 2/4 belehrt wird -, dass mancher so lange auf das Transitvisum warten muss, bis das bereits gewährte Ausreisevisum ("visa de sortie") erloschen ist. Dann beginnt die Prozedur wieder von vorn. Nach der Logik der betroffenen Konsulate wird ein "Transit" überhaupt erst ausgestellt, "wenn feststeht, daß man nicht bleiben will". Auch die materielle Situation der Flüchtlinge war äußerst prekär. Viele waren nach ihrer Internierung und tage- oder wochenlanger Flucht völlig mittellos und auf Wohlfahrtseinrichtungen oder Hilfen aus dem Ausland angewiesen.
Im Roman ist wiederholt die Rede von Lebensmittelknappheit (z. B. Obst und Gemüse betreffend) von "Schlangestehen", "Ersatzkaffee mit Sacharin", "alkoholfreien Tagen" und Brotkarten. Infolge der geschilderten Umstände wurde Marseille für Tausende von Flüchtlingen zu einem Ort, wo das "Organisieren, Erbetteln, Ergaunern der essentiell gewordenen Papiere und Stempel ... [und] das alltägliche Anstehen und Gerangel auf Konsulaten, Agenturen und bei diversen Hilfskomitees" an der Tagesordnung war.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
Therapeutische Funktion des Erzählens
Wirklichkeitsbewältigung durch Schreiben
Autoren auf der Flucht und im Exil
Zur Publikationsgeschichte von "Transit" (Vgl. Schlenstedt: Kommentar, 338 - 354)
Problematische Heldenfigur und "bürokratischer Terror"
Sehnsucht nach dem "gewöhnlichen Leben"
2. Orte des Geschehens
Schauplatz Marseille
Durchgangs- oder Endstation
Heterotopien: ortlose Zwischenräume
Cafés als heruntergekommene "Wartesäle"
Orte der Hoffnungslosigkeit und der vertrödelten Zeit
3. Brennpunkte der Romanhandlung und Deutungsansätze
Ich-Erzählung eines Namenlosen mit geborgter Identität
Aufbauende Funktion des Lesens
Marseille als Nadelöhr für die Weiterreise nach Übersee
Marie als Komplementärfigur zum Erzähler
Gerüchte oder Wahrheit?
Leben in Gemeinschaft als Zielperspektive
Marie als Andromache-Figur
Zueinanderhalten als lebensgeschichtliche Erfahrung bei Anna Seghers
Thematik des Im-Stich-Lassens im Roman
Tragi-komische Episodenfiguren
Menschliche Grunderfahrungen oder "archetypische Urbilder"
Rückgriff auf Mythologie und Geschichte: das Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
4. Exildasein als lebens- und zeitgeschichtliche Erfahrung und ihre literarische Verarbeitung in "Transit"
Literatur als Zeitdokument
Krisen und Umbrüche im Leben Anna Seghers'
Romanfiguren und ihre realen Vorbilder
Exil als Zwischenstadium auf dem Weg zurück in die Heimat
Engagement als antifaschistische Schriftstellerin
Bedeutung der Begriffe "Heimat", "Vaterland" und "Muttersprache"
Rückkehr nach Deutschland
Linientreue Staatsschriftstellerin?
"Bürokratischer Terror": "immanentes Schicksal" oder Symptom einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung?
"Imstichlassen" auf der politischen Ebene
Negativ konnotiertes Mexiko-Bild
Literaturverzeichnis
- Arbeit zitieren
- Hans-Georg Wendland (Autor:in), 2016, Der Roman "Transit" von Anna Seghers. Aufbruch ins Ungewisse, Emigranten im Exil (Teil I), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319673
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