Gerade zu Zeiten der Französischen Revolution gab es viele zeitgenössische Schriftwerke, die sich mit der Rolle der Frau und dem Versuch ihrer Beschränkung auf den privaten Raum beschäftigten und in Folge dessen oftmals Gegenstand dieses Forschungsfeldes geworden sind. Ein solches Werk ist "Das Erdbeben in Chili" von Heinrich von Kleist, der sich darin mit den Bedrohungen der bestehenden sozialen Ordnung durch eine aufbegehrende weibliche Figur auseinandersetzt. Die vorliegende Arbeit versucht nun, Heinrich von Kleists Erzählung im Rahmen des Forschungsfeldes der „Weiblichkeit in der Literatur“ näher zu untersuchen.
Die Erzählung "Das Erdbeben in Chili", ursprünglich unter dem Titel „Jeronimo und Josephe“ 1807 in Cottas Morgenblatt für gebildete Stände erschienen, eignet sich nicht zuletzt aufgrund der Thematik dieses ursprünglichen Titels besonders für eine solche Untersuchung. Handelt die Novelle doch von einer männlichen und einer weiblichen Hauptfigur, die sich im schwierigen Umfeld der Ständegesellschaft gegen die Verurteilung ihrer unehelichen Liebschaft zur Wehr setzen müssen und somit dasselbe Problem aus der Sicht des jeweils anderen Geschlechts bekämpfen müssen.
Neben einer Betrachtung der weiblichen Figuren im Allgemeinen soll deshalb vor allem die Hauptfigur der Josephe im Speziellen untersucht und mit dem Bild der üblichen weiblichen Figur in dem Werk verglichen werden. Für diesen Vergleich werden auch die männlichen Figuren wie die des Jeronimo herangezogen und als Kontrastpunkte eingesetzt. Kern der Arbeit ist deshalb die Beantwortung der Frage „Inwieweit entspricht die Figur der Josephe dem typisch weiblichen Rollenbild im Erdbeben von Chili?“ und den sich daraus ergebenden Bedeutungen für diese Figur und die Erzählhandlung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Weiblichkeit und Josephe in Das Erdbeben in Chili 3
2.1 Eigene Interpretation
2.2 Rolle der Frauen und der Donna Josephe nach Marjorie Gelus
2.3 Schlussfolgerungen
3. Fazit
1. Einleitung
Das Thema der „Weiblichkeit in der Literatur“ weist auch in der heutigen Forschung noch eine große Aktualität auf. Der Schwerpunkt der Forschung entwickelte sich dabei zwar von der Frauenforschung hin zu Gender Studien, das übergeordnete Forschungsfeld blieb aber in diesem Prozess erhalten.[1]
Gerade zu Zeiten der Französischen Revolution gab es viele zeitgenössische Schriftwerke, die sich mit der Rolle der Frau und dem Versuch ihrer Beschränkung auf den privaten Raum beschäftigten und in Folge dessen oftmals Gegenstand dieses Forschungsfeldes geworden sind.[2] Ein solches Werk ist Das Erdbeben in Chili von Heinrich von Kleist, der sich darin mit den Bedrohungen der bestehenden sozialen Ordnung durch eine aufbegehrende weibliche Figur auseinandersetzt.[3]
Die vorliegende Arbeit versucht nun, Heinrich von Kleists Erzählung Das Erdbeben in Chili im Rahmen des Forschungsfeldes der „Weiblichkeit in der Literatur“ näher zu untersuchen. Die Erzählung, ursprünglich unter dem Titel „Jeronimo und Josephe“ 1807 in Cottas Morgenblatt für gebildete Stände erschienen, eignet sich nicht zuletzt aufgrund der Thematik dieses ursprünglichen Titels besonders für eine solche Untersuchung. Handelt die Novelle doch von einer männlichen und einer weiblichen Hauptfigur, die sich im schwierigen Umfeld der Ständegesellschaft gegen die Verurteilung ihrer unehelichen Liebschaft zur Wehr setzen müssen und somit dasselbe Problem aus der Sicht des jeweils anderen Geschlechts bekämpfen müssen.
Neben einer Betrachtung der weiblichen Figuren im Allgemeinen soll deshalb vor allem die Hauptfigur der Josephe im Speziellen untersucht und mit dem Bild der üblichen weiblichen Figur in dem Werk verglichen werden. Für diesen Vergleich werden auch die männlichen Figuren wie die des Jeronimo herangezogen und als Kontrastpunkte eingesetzt. Kern der Arbeit ist deshalb die Beantwortung der Frage „Inwieweit entspricht die Figur der Josephe dem typisch weiblichen Rollenbild im Erdbeben von Chili ?“ und den sich daraus ergebenden Bedeutungen für diese Figur und die Erzählhandlung.
Die eigenen Ergebnisse und Erkenntnisse werden in einem zweiten Schritt mit dem Aufsatz Josephe und die Männer. Klassen- und Geschlechteridentität in Kleists „Erdbeben in Chili“ von Marjorie Gelus verglichen und diskutiert, die sich darin mit der Rolle der weiblichen Figuren im Ständemachtkampf der Männer beschäftigt.
2. Weiblichkeit und Josephe in Das Erdbeben in Chili
2.1 Eigene Interpretation
Bei der Betrachtung der weiblichen Figuren im Erdbeben in Chili fällt als erstes auf, dass sie alle ausschließlich dem Stand des Adels oder des Klerus zugeordnet werden können. Eine Frau aus dem Bürgertum sucht man in der Erzählung vergebens. Genannt werden vielmehr nur Nonnen und Matronen auf der einen Seite und Jungfrauen und Töchter auf der anderen. Und deren Funktion geht dabei über die von Statisten nicht hinaus: Die Äbtissin beispielsweise bleibt nach dem Erdbeben untätig neben dem brennenden Kloster stehen, in dem sich noch Menschen befinden, und schreit um Hilfe. Die jungen Frauen der Stadt kämpfen nicht etwa für das Recht der adeligen Josephe, die aufgrund ihres unehelichen Verhältnisses zum bürgerlichen Jeronimo zum Galgen geführt wird. Vielmehr scheint die Erhängung von Josephe eine willkommenen Abwechslung in deren eintönigen Leben zu sein:
Man vermietete die Straßen, durch welche der Hinrichtungszug gehen sollte, die Fenster, man trug die Dächer der Häuser ab, und die frommen Töchter der Stadt luden ihre Freundinnen ein, um dem Schauspiele, das der göttlichen Rache gegeben wurde, an ihrer schwesterlichen Seite beizuwohnen.[4]
Insgesamt macht die Beschreibung der Frauen in Chili deshalb den Eindruck einer unmündigen Gesellschaftsschicht, die sich mit ihrer Rolle bereits abgefunden hat. Dass es sich dabei um Frauen der höchsten Stände handelt und Frauen des Proletariats überhaupt nicht erwähnt werden, verstärkt den Eindruck der machtlosen Weiblichkeit zur Zeit des Erdbebens in Chili.
[...]
[1] Stephan, Inge (2004): Codierung der Geschlechter in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Köln: Böhlau 2004, S. 7.
[2] Gelus, Marjorie: Josephe und die Männer. Klassen-und Geschlechteridentität in Kleists 'Erdbeben von Chili'. In: Kleist-Jahrbuch 1994. Hg. v. Hans Joachim Kreutzer. Stuttagrt: Metzler 1994, S. 119.
[3] Ebd. S. 120.
[4] Kleist, Heinrich von: Sämtliche Werke. Brandenburger Ausgabe. Hg. v. Roland Reuß und Peter Staengle. Bd. II/3: Das Erdbeben in Chili. Basel/Frankfurt a. M.: Stroemfeld 1993, S.145.
- Arbeit zitieren
- Max Gerstenhuber (Autor:in), 2013, Das Rollenbild der Frau in Heinrich von Kleists "Das Erdbeben in Chili", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318976
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