[...] Ziel dieser Arbeit ist zu zeigen, wie der Stakeholder-Ansatz im Unternehmen umgesetzt werden kann. Zunächst werden die relevanten Stakeholder bestimmt. Im Anschluss an die Identifizierung der relevanten Stakeholder erfolgt die Analyse ihrer Erwartungen und Ziele. Nachdem die Beeinflussungsstrategien der Stakeholder
analysiert worden sind, werden mögliche Stakeholder-Strategien des Unternehmens diskutiert. Es wird aufgezeigt, welche Faktoren über die Wahl der Strategie des Unternehmens entscheiden. Wie Partnerschaften erfolgreich gestaltet werden können und welche Vorteile sich durch sie ergeben können wird ebenso erläutert. Sowohl für eine Zusammenarbeit mit den relevanten Anspruchsgruppen als auch für eine defensive Strategie werden passende Maßnahmen dargestellt.
Im Zuge der Implementierung und Kontrolle wird diskutiert, wie der Stakeholder-Ansatz im Unternehmen verankert werden kann. Neben der Schaffung spezieller
Stellen und Verantwortlichkeiten wird die Bedeutung der Integration des Stakeholder-Ansatzes in die Unternehmenskultur und –identität ausgeführt. Zur Kontrolle der getroffenen Maßnahmen, aber auch zu deren Anpassung und Fortentwicklung wird anschließend ein an den Stakeholdern ausgerichtetes Controlling
dargestellt. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Bestimmung der relevanten Stakeholder
2.1 Identifizierung
2.2 Analyse der Erwartungen und Ziele
2.3 Beeinflussungsstrategien
3 Auswahl der Stakeholder-Strategie
3.1 Zusammenarbeit und Einbindung
3.2 Verteidigung und Konfrontation
4 Implementierung und Kontrolle
4.1 Institutionelle Verankerung des Stakeholder-Managements
4.2 Integration in die Unternehmenskultur und –identität
4.3 Kontrolle und Anpassung
5. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„ To manage a business is to balance a variety of needs and goals“[1]
Bereits Peter Drucker hat die Balance verschiedener Bedürfnisse als zentrale Aufgabe der Unternehmensführung erkannt.[2] Wirtschaftliches Handeln hat sich zu einer öffentlichen Angelegenheit entwickelt, die sich intensiv mit den Ansprüchen sämtlicher gesellschaftlicher Gruppen auseinander zu setzen hat.[3] Angesichts eines enormen Erwartungsdrucks der verschiedenen Stakeholder gleicht ein Unternehmen heute mehr denn je einer „pluralistischen Wertschöpfungsveranstaltung“[4].
Mit dem Begriff Stakeholder sind Anspruchsgruppen gemeint, die mit mehr oder weniger konkreten Anliegen an die Unternehmung herantreten. Jede Person, Personengruppe oder Institution, die die Unternehmensziele bzw. die Bedingungen zur Erreichung dieser Ziele beeinflussen kann, oder von der Zielerreichung eines Unternehmens betroffen ist, kann als Stakeholder bezeichnet werden.[5]
Schon Barnard hat Unternehmen als Koalitionen verschiedener Organisationsteilnehmer zum Zweck der gemeinsamen Zielerreichung betrachtet.[6] Das Unternehmen als solches hat allerdings keine Ziele. Die Ziele, die existieren, sind vielmehr Ziele der Stakeholder im Hinblick auf die Befriedigung ihrer Ansprüche.[7] So betont das Davoser Manifest von 1973 in Leitsatz C, dass die „Dienstleistung der Unternehmensführung gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Geldgebern und der Gesellschaft (...) nur möglich (ist), wenn die Existenz des Unternehmens langfristig gesichert ist“[8]. Der Gewinn des Unternehmens sei dafür zwar notwendiges Mittel, nicht aber das Endziel der Unternehmensführung.[9] Das einzige und entscheidende Ziel der Handlungen eines Unternehmens ist folglich das Überleben.[10]
Damit es dieses Ziel erreichen kann, benötigt ein Unternehmen jedoch Ressourcen.[11] Es nicht nur darauf angewiesen, Material, Rohstoffe, Arbeitsleistung und Kapital zu erhalten. Auch politische Stabilität, ein verbindliches Rechtssystem, funktionierende Ausbildungs- und Schulsysteme sowie Vertrauen von Geschäftspartnern und Legitimität in den Augen der Öffentlichkeit werden zur Erfüllung der Aufgaben benötigt.[12] Ressourcen können alles sein, was eine Stärke oder Schwäche einer Unternehmung begründet.[13] Dazu gehören auch alle Güter, Fähigkeiten, Prozesse, Informationen etc., die dem Unternehmen ermöglichen, Strategien zur Verbesserung von Effizienz und Effektivität zu entwerfen und umzusetzen.[14]
Über die Ressourcen verfügen bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Institutionen, mit denen die Unternehmung in Beziehung treten muss, wenn sie deren Beiträge benötigt. Insofern ist das Unternehmen abhängig von seiner Umwelt.[15] Im Gegenzug für fortlaufende Unterstützungsleistungen werden vom Unternehmen bestimmte Handlungen erwartet.[16] Grundsätzlich werden die Stakeholder solange die benötigten Ressourcen liefern, wie Leistung und Gegenleistung aus ihrer Sicht in einem vorteilhaften Verhältnis stehen.[17] Ist dies nicht mehr der Fall, können Stakeholder auf eine Reihe von Sanktionsmöglichkeiten zum Schutz ihrer Ansprüche zurückgreifen. Somit können sie den Unternehmenserfolg empfindlich beeinträchtigen oder im Extremfall die Existenz des Unternehmens gefährden.[18]
Der Stakeholder-Ansatz schlägt dem Management vor, Prozesse zu formulieren und zu implementieren, die alle Anspruchsgruppen eines Unternehmens zufrieden stellen. Die zentralen Aufgaben heißen Integration unterschiedlicher Interessen sowie Aufbau und Pflege von Beziehungen mit verschiedenen Stakeholdern in einer Weise, die den langfristigen Erfolg des Unternehmens sichert.[19]
Ziel dieser Arbeit ist zu zeigen, wie der Stakeholder-Ansatz im Unternehmen umgesetzt werden kann. Zunächst werden die relevanten Stakeholder bestimmt. Im Anschluss an die Identifizierung der relevanten Stakeholder erfolgt die Analyse ihrer Erwartungen und Ziele. Nachdem die Beeinflussungsstrategien der Stakeholder analysiert worden sind, werden mögliche Stakeholder-Strategien des Unternehmens diskutiert. Es wird aufgezeigt, welche Faktoren über die Wahl der Strategie des Unternehmens entscheiden. Wie Partnerschaften erfolgreich gestaltet werden können und welche Vorteile sich durch sie ergeben können wird ebenso erläutert. Sowohl für eine Zusammenarbeit mit den relevanten Anspruchsgruppen als auch für eine defensive Strategie werden passende Maßnahmen dargestellt.
Im Zuge der Implementierung und Kontrolle wird diskutiert, wie der Stakeholder-Ansatz im Unternehmen verankert werden kann. Neben der Schaffung spezieller Stellen und Verantwortlichkeiten wird die Bedeutung der Integration des Stakeholder-Ansatzes in die Unternehmenskultur und –identität ausgeführt. Zur Kontrolle der getroffenen Maßnahmen, aber auch zu deren Anpassung und Fortentwicklung wird anschließend ein an den Stakeholdern ausgerichtetes Controlling dargestellt. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
2 Bestimmung der relevanten Stakeholder
2.1 Identifizierung
Nach R. Edward Freeman ist ein „Stakeholder“ definiert als eine Gruppe oder Einzelperson, die die Erreichung der Unternehmensziele beeinflussen kann, oder durch diese Zielerreichung betroffen ist oder sein kann.[20] Gemäß dieser Definition wäre die Liste der möglichen Stakeholder eines Unternehmens nahezu endlos. Nicht zuletzt aufgrund begrenzter Ressourcen dürfte es für ein Unternehmen jedoch unmöglich sein, den Interessen aller potentiellen Stakeholder gerecht zu werden.[21] Es ist deshalb notwendig, dieses breite Spektrum einzuschränken und die Betrachtung auf die relevanten Stakeholder zu konzentrieren.[22] Das Stanford Research Institute sieht Stakeholder als diejenigen Gruppen, ohne deren Unterstützung das Unternehmen aufhören würde zu existieren.[23] Diese Definition erfasst zwar sicherlich nicht alle potentiellen Anspruchsgruppen des Unternehmens, scheint als Ausgangspunkt zur Identifizierung der relevanten Stakeholder jedoch sehr geeignet. Es ist folglich notwendig, die Ressourcen und Aktivitäten, die für das Überleben des Unternehmens entscheidend sind, herauszustellen und zu klären, welche Personen oder Gruppen diese Ressourcen aktuell bereitstellen oder dies in Zukunft könnten.[24] Als Ausgangspunkt bietet sich die Erstellung einer Stakeholder-Map an. Dies kann anhand einer historischen Analyse der Umwelt des Unternehmens erfolgen[25], oder alternativ ausgehend von einer generischen Stakeholder-Map (Vgl. Abb. 1), die an die spezifische Situation des Unternehmens angepasst wird.[26]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Stakeholder-Map des Unternehmens
Quelle: Eigene Bearbeitung nach FREEMAN, R./Gilbert (1987), S. 399.
Eine Untersuchung der folgenden Stakeholder drängt sich auf: Eigentümer, Management und Mitarbeiter sowie Kunden, Lieferanten, Fremdkapitalgeber, Staat und Gesellschaft.[27] Diese Aufzählung ist keineswegs vollständig und muss entsprechend der Situation des Unternehmens abgewandelt werden. Dazu kann es nötig sein, bestimmte Gruppen zu untergliedern, falls sie von besonderer Bedeutung sind[28] oder auch andere Gruppen von der Betrachtung auszuschließen, falls sie, bzw. die von ihnen bereit gestellten Ressourcen, substituierbar sind.
Clarkson nimmt eine Zweiteilung vor: Aktionäre, Investoren, Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten gelten als primäre Stakeholder.[29] Sekundäre Stakeholder hingegen sind Gruppen, die das Unternehmen beeinflussen oder von ihm beeinflusst werden können, jedoch nicht in Transaktionen mit dem Unternehmen verwickelt sind. Damit seien sie auch nicht unverzichtbar für das Überleben.[30]
Diese Einteilung könnte dazu verleiten, lediglich primäre Stakeholder als für das Unternehmen relevant anzusehen. Vorteilhafter erscheint der Vorschlag von Mitchell et al., Stakeholder anhand von drei Attributen zu identifizieren: Macht, Legitimität und Dringlichkeit (Vgl. Abb. 2).[31]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Stakeholder-Typologie nach Mitchell et al.
Quelle: Eigene Bearbeitung nach Mitchell et al. (1997), S. 874.
Anhand dieser Kriterien können sowohl Gruppen der anfangs bestimmten Stakeholder-Map beurteilt werden, als auch neue Stakeholder identifiziert und kategorisiert werden. Es ergeben sich acht Kategorien, angefangen von Nicht -Stakeholdern, die keines der Attribute besitzen, bis hin zu echten Stakeholdern, die sowohl über Macht, als auch über Legitimität und Dringlichkeit verfügen.[32]
Max Weber definiert Macht als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstand durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“.[33] Für einen Stakeholder bedeutet Macht die Fähigkeit, von ihm erwünschte Ergebnisse herbeizuführen.[34] Ob sein Verhalten auch legitim ist, spielt dabei zunächst keine Rolle. Die Macht eines Stakeholders beruht auf Ressourcen, die er zur Ausübung einsetzt. Hierzu zählen neben materiellen oder finanziellen Ressourcen auch physische Gewalt oder symbolische Ressourcen wie Ansehen oder Reputation.[35] Diese Liste kann beliebig erweitert werden, denn beinahe alles, was von einer Unternehmung als wertvoll erachtet wird, kann als Ressource gelten[36]. Ein Stakeholder verfügt demnach über Macht, wenn er Zugang zu einer oder mehrerer dieser Ressourcen hat oder erlangen kann.[37]
Legitimität [38] kann ein Stakeholder auf verschiedene Arten erlangen: durch eine vertragliche Beziehung[39], durch Risikoexposition[40], durch gesetzliches[41] oder auch durch moralisches Recht[42]. Die Vertragsbeziehung des legitimierten Stakeholder mit dem Unternehmen kann ausdrücklich festgelegt sein, oder stillschweigend gelten.[43] Neben Gruppen, die direkte Beiträge liefern, verfügen auch andere Stakeholder, wie etwa Gemeinden und Kommunen, zumindest über lose Quasi-Verträge mit Unternehmen.[44] Ein legitimierter Stakeholder muss allerdings nicht zwangsläufig für die Unternehmung relevant sein. Viel wichtiger erscheint die Möglichkeit, dass ein Stakeholder seine Macht und sein Einflusspotential gegenüber der Unternehmung ausspielt.[45]
Der Dynamik in der Beziehung zwischen Unternehmen und Stakeholder trägt ein weiteres Attribut Rechnung: die Dringlichkeit der Ansprüche.[46] Dringend ist ein Anspruch, wenn eine zeitliche Verzögerung der Befriedigung eines Anspruchs für den Stakeholder nicht akzeptabel ist und der Anspruch von großer Bedeutung für die Beziehung ist.[47]
Wenn Stakeholder Macht, Legitimität und Dringlichkeit auf sich vereinen, muss das Management ihnen größtmögliche Beachtung schenken.[48] Sie bilden damit die relevanten Stakeholder des Unternehmens. Gleichzeitig erfordern aber auch die übrigen Stakeholder laufende Beachtung und Beobachtung, da sich ihre Macht und Legitimität sowie die Dringlichkeit ihrer Ansprüche im Zeitablauf und situationsabhängig verändern können.[49] Abgrenzungsprobleme resultieren aus der Mehrfachmitgliedschaft von Individuen in verschiedenen Anspruchsgruppen. So können Mitarbeiter eines Unternehmens gleichzeitig auch Konsumenten und Mitglieder in einer Gewerkschaft und einer Umweltorganisation sein.[50] Damit gehen auch unterschiedliche Erwartungen einher, die zu Konflikten in Bezug auf die vom Unternehmen zu erwartenden Handlungen führen können.[51]
Festzuhalten bleibt, dass eine Bestimmung der Stakeholder und deren Gewichtung nie vollkommen ist und ständig aktualisiert werden muss.[52]
2.2 Analyse der Erwartungen und Ziele
Überleben und zukünftiger Erfolg eines Unternehmens hängen von der Fähigkeit seines Managements ab, ausreichend Wohlstand, Wert oder Zufriedenheit für die relevanten Stakeholder zu schaffen.[53] Stimmen die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen überein oder sind sie komplementär, so kann sie das Unternehmen gemeinsam berücksichtigen.[54] Da dies jedoch in der Realität nicht immer der Fall ist und die Interessen der einzelnen Stakeholder teilweise sogar in Widerspruch zueinander stehen[55], obliegt der Unternehmensführung der „risikoreiche Balanceakt der gleichzeitigen Erfüllung vielfältiger Ansprüche“[56]. Die Mittel der Gegenleistung stehen nur in beschränktem Maße zur Verfügung. Daher müssen sie so verteilt werden, dass alle Stakeholder die vom Unternehmen benötigten Leistungen erbringen, das Unternehmen selbst dabei jedoch nicht überfordert wird.[57] Für ein wirkungsvolles Stakeholder-Management ist es daher unerlässlich, die Erwartungen und Ziele der Stakeholder zu analysieren, um damit Interessenkonflikten vorzubeugen oder Ursachen für bereits bestehende Konflikte zu beseitigen.[58] Die Erwartungen der Stakeholder sind ebenso vielfältig wie zahlreich und reichen von nützlichen Beiträgen an die Bedürfnisdeckung, hohen Sicherheitsstandards für Produkte und Produktionsprozesse über faires Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten und Konkurrenten bis hin zu Anstrengungen zur Schonung natürlicher Ressourcen und einer offenen Informationspolitik.[59]
Die Leitlinie sollte insbesondere unter Berücksichtigung der unfreiwilligen Stakeholder, die von Externalitäten wie Umweltverschmutzung oder Staus negativ betroffen sind, eine Reduzierung oder Vermeidung von Schäden und/oder die Schaffung von ausgleichendem Nutzen sein. Schließlich erwarten diese Stakeholder, dass sie durch die Existenz und das Überleben des Unternehmens nicht schlechter gestellt werden.[60]
Eine Gleichgewichtung aller Stakeholderinteressen ist allerdings weder möglich noch sinnvoll.[61] Eine Befriedigung von Interessen durch das Unternehmen ist dann angebracht, wenn die Kosten der Nichtbefriedigung von Stakeholderinteressen (finanzieller Verlust bis hin zur Existenzgefährdung des Unternehmens) höher sind als die Kosten der Befriedigung derselben.[62]
Anhaltspunkte für die Interessen, Bedürfnisse und Ansprüche sowie deren Grundlagen können im Rahmen von alltäglichen Transaktionen, Meetings oder mittels eigens durchgeführter Untersuchungen und Forschung gewonnen werden.[63] Die direkte Kommunikation mit den Stakeholdern bietet sehr gute Möglichkeiten, sich über konkurrierende Interessen zu verständigen und die Interessenlage besser einzuschätzen.[64] Häufig nehmen Stakeholder ihre Interessen und Ansprüche ganz anders wahr als das Unternehmen. Missverständnisse, die durch diese unterschiedliche Wahrnehmung entstehen können[65], werden durch die direkte Kommunikation minimiert. Indem sich die Unternehmensführung geistig in die Position ihrer Anspruchsgruppen versetzt, oder Vertreter dieser Gruppen selektiv befragt, kann sie Beurteilungskriterien und Werte, an denen die Handlungen des Unternehmens gemessen werden, nachvollziehen.[66] Die erhobenen Informationen sind nicht nur authentisch, sondern beinhalten auch Stimmungen oder tieferliegende Motive. Gleichzeitig kann das Unternehmen möglicherweise direkten Einfluss auf den weiteren Verlauf der Umweltentwicklung nehmen.[67]
Für die einzelnen Anspruchsgruppen lassen sich im Anschluss an die Informationsgewinnung Oberzielsysteme festlegen, die sich aus verschiedenen Unterzielen oder Teilnutzen zusammensetzen. Die folgende Abbildung zeigt einige Beispiele, die Janisch für ausgewählte Stakeholder definiert hat:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Oberzielsysteme und Teilnutzen ausgewählter Stakeholder.
Quelle: Eigene Bearbeitung nach Janisch (1992), S. 187-189.
Ausgehend von den Unterzielen der Stakeholder lassen sich Wertgeneratoren[68] präzisieren, die als lenkbare Größen der Unternehmensführung dienen und Leistungsanreize für die Anspruchsgruppen darstellen.[69] Wertgeneratoren verkörpern jene Größen, durch die das Unternehmen direkten Einfluss auf die Nutzensteigerung für die Anspruchsgruppen und damit auf die Erfüllung der Oberziele nehmen kann.[70] Gleichzeitig stellen sie für die Stakeholder Anreize zur Leistungserbringung dar.[71] Die von Janisch definierten Oberziele und Teilnutzen geben einen guten ersten Anhaltspunkt. Eine individuelle Festlegung der Zielsysteme der spezifischen Anspruchsgruppen eines einzelnen Unternehmens bleibt jedoch in jedem Fall notwendig. Es kommt bspw. nicht so sehr darauf an, wie Kunden im allgemeinen auf eine Preiserhöhung reagieren, sondern vielmehr wie die Kunden des betrachteten Unternehmens ihr Verhalten ändern.[72]
2.3 Beeinflussungsstrategien
Um das Verhalten der Stakeholder zu analysieren, muss sich das Management in deren Rolle hineinversetzen und die Lage aus dem Blickwinkel der einzelnen Anspruchsgruppen beurteilen.[73] Wichtig ist dabei die Betrachtung der Beeinflussungsstrategien der Stakeholder. Wird die Macht von Stakeholdern angesehen als „ihre Fähigkeit, der Unternehmungsleitung Ressourcen zu entziehen, die für den Leistungserstellungsprozess von zentraler Bedeutung sind“[74], so können Stakeholder auf zwei Arten Einfluss auf ein Unternehmen ausüben: einerseits, indem sie bestimmen, ob ein Unternehmen benötigte Ressourcen erhält und andererseits, indem sie entscheiden, ob das Unternehmen diese Ressourcen auf die gewünschte Weise nutzen kann.[75] Sowohl die Regulierung des Zuflusses als auch die Einschränkung der Verwendungsfreiheit basieren auf der Ressourcenkontrolle durch die Stakeholder. Ein Unterschied liegt jedoch in der Höhe der Kosten, die mit den Alternativen verbunden sind.[76] Schränkt der Stakeholder die Verwendungsfreiheit einer Ressource ein, teilt er die Kosten mit dem Unternehmen. Entzieht er dagegen die Ressource, so kann er den Großteil der Kosten auf das Unternehmen abwälzen. Der Grund hierfür liegt in der Machtbalance zwischen Unternehmen und Stakeholder.[77] Aus dem Kostennachteil für das Unternehmen lässt sich folgern, dass Stakeholder, die den Ressourcenzufluss kontrollieren, wichtiger für das Überleben sind als solche, die lediglich über deren Verwendung bestimmen können. Ist ein Unternehmen einseitig von einem Stakeholder abhängig, so kann dieser allein durch die glaubhafte Androhung eines Ressourcenentzugs mittels Streiks oder Boykotts eine Verhaltensänderung erzwingen.[78]
Da das Umfeld eines Unternehmens jedoch nicht allein aus zweiseitigen Beziehungen besteht, sondern aus einer Vielzahl multilateraler Verträge zwischen den Stakeholdern[79], müssen zusätzlich Pfadstrategien[80] berücksichtigt werden. Darunter ist zu verstehen, dass ein Stakeholder zur Beeinflussung des Unternehmens nicht nur den direkten Weg gehen kann, sondern auch indirekt mittels anderer Stakeholder Einfluss ausüben kann.[81] Insbesondere Stakeholder, die selbst keine für das Unternehmen kritischen Ressourcen verwalten, können durch Bildung einer Allianz das Machtverhältnis zu ihren Gunsten beeinflussen.[82] Schlagkräftige Koalitionen lassen sich mit Stakeholdern bilden, die über hoheitliche Macht verfügen, z.B. mit staatlichen Verwaltungseinheiten oder Parlamentariern. Alternativ mit Gruppen, die politische Macht besitzen und andere Stakeholder mobilisieren können oder in der Lage sind, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Stakeholder, die über Marktmacht verfügen, wie bspw. Lieferanten, Kunden oder Konkurrenten, bieten sich ebenfalls zur Koalitionsbildung an.[83] Zur Durchsetzung der eigenen Interessen setzen besonders kleinere Anspruchsgruppen auf den Kuhhandel (Log-Rolling), also den Tausch gegenseitiger Unterstützungsleistungen.[84]
Die Ansprüche und Ziele der Stakeholder sind jedoch oft rivalisierend. Dadurch schließen sich einige Koalitionen zwischen Stakeholdern von vornherein aus. Beispielsweise werden Aktionäre einen mehrwöchigen Arbeitskampf der Belegschaft ihres Unternehmens kaum unterstützen. Teilen Stakeholder allerdings Wertvorstellungen oder Ziele, ist die Grundlage für eine Koalition geschaffen. Dies ist nicht nur in Allianzen mit anderen Stakeholdern erforderlich, sondern auch um sich gruppenintern organisieren zu können.[85]
[...]
[1] DRUCKER (1954), S. 62.
[2] Vgl. DRUCKER (1954), S. 62.
[3] Vgl. ULRICH (1988), S. 96
[4] ULRICH (2001), S. 438.
[5] Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 46.
[6] Vgl. BARNARD (1938), S. 65.
[7] Vgl. NÄSI (1995), S. 100.
[8] STEINMANN (1973), S. 473.
[9] Vgl. STEINMANN (1973), S. 473.
[10] Vgl. NÄSI (1995), S. 100.
[11] Vgl. PFEFFER/SALANCIK (1978), S. 258.
[12] Vgl. DYLLICK (1984), S. 74.
[13] Vgl. WERNERFELT (1984), S. 172.
[14] Vgl. BARNEY (1991), S. 101.
[15] Vgl. DYLLICK (1984), S. 74 sowie ähnlich PFEFFER/SALANCIK (1978), S. 258.
[16] Vgl. PFEFFER/SALANCIK (1978), S. 43.
[17] Vgl. SCHALTEGGER (1999), S. 6-7.
[18] Vgl. GOMEZ/WUNDERLIN (2000), S. 432.
[19] Vgl. FREEMAN, R. E./McVEA (2001), S. 192.
[20] Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 46. FREEMAN, R. E. (1984), S. 53 nennt auch Terroristen als mögliche
Stakeholder.
[21] Vgl. GREENLEY/FOXALL (1997), S. 259.
[22] Vgl. FREEMAN, R. E. (1983), S. 32f. und FREEMAN, R. E./REED (1983), S. 89.
[23] Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 31.
[24] Vgl. PFEFFER/SALANCIK (1978), S. 84.
[25] Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 54.
[26] Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 54-55.
[27] Vgl. DYLLICK (1984), S. 74-75
[28] Vgl. DYLLICK (1984), S. 76.
[29] Vgl. CLARKSON (1995), S. 106. Auch öffentliche Stakeholder in Form von Regierung und
Kommunen, die Märkte und Infrastrukturen bereitstellen und deren Gesetzen und Regelungen
Folge geleistet werden muss, zählen dazu.
[30] Vgl. CLARKSON (1995), S. 107. Zu dieser Gruppe zählen die Medien oder Interessengruppen,
welche die öffentliche Meinung für oder gegen das Unternehmen mobilisieren können.
[31] Vgl. MITCHELL et al. (1997), S. 853.
[32] Vgl. MITCHELL et al. (1997), S. 874.
[33] WEBER (2002), S. 28.
[34] Vgl. SALANCIK/PFEFFER (1977), S. 3.
[35] Vgl. ETZIONI (1964), S. 59.
[36] Vgl. PFEFFER (1992), S. 87.
[37] Vgl. MITCHELL et al. (1997), S. 865.
[38] Legitim sind Handlungen, die innerhalb eines sozialen Systems als wünschenswert,
richtig oder angemessen gelten. Vgl. SUCHMAN (1995), S. 574.
[39] Vgl. HILL/JONES (1992), S. 133.
[40] Vgl. CLARKSON (1994), S. 5.
[41] Vgl. CARROLL (1989), S. 57.
[42] Vgl. ebenda.
[43] Vgl. DONALDSON/PRESTON (1995), S. 85.
[44] Vgl. ebenda.
[45] Vgl. FROOMAN (1999), S. 193.
[46] Vgl. MITCHELL et al. (1997), S. 867.
[47] Vgl. ebenda.
[48] Vgl. MITCHELL et al. (1997), S. 878.
[49] Vgl. MITCHELL et al. (1997), S. 879.
[50] Vgl. SCHALTEGGER/STURM (1992) S. 10 und FREEMAN, R. E./GILBERT (1987), S. 401.
[51] Vgl. FREEMAN, R. E./GILBERT (1987), S. 401.
[52] Vgl. BRINK (2000), S. 111.
[53] Vgl. CLARKSON (1995), S. 107.
[54] Vgl. HUNGENBERG (2000), S. 25.
[55] Vgl. DYLLICK (1984), S. 75.
[56] DYLLICK (1984), S. 75.
[57] Vgl. DYLLICK (1984), S. 74.
[58] Vgl. FROOMAN (1999), S. 193.
[59] Vgl. HILL (1996), S. 418.
[60] Vgl. POST et al. (2002b), S. 22.
[61] Vgl. BRINK (2000), S. 107.
[62] Vgl. JANISCH (1992), S. 5.
[63] Vgl. HARRISON/ST. JOHN (1994), S. 19.
[64] Vgl. ZAJITSCHEK (1997), S. 202.
[65] Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 63f.
[66] Vgl. DYLLICK (1984), S. 77.
[67] Vgl. GÖBEL (1995), S. 68.
[68] Vgl. RAPPAPORT (1986), S. 76.
[69] Vgl. JANISCH (1992), S. 189.
[70] Vgl. JANISCH (1992), S. 190.
[71] Vgl. JANISCH (1992), S. 191.
[72] Vgl. FREEMAN, R. E./McVEA (2001), S. 195.
[73] Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 133.
[74] Vgl. SCHALTEGGER (1999), S. 12.
[75] Vgl. FROOMAN (1999), S. 196.
[76] Vgl. FROOMAN (1999), S. 197-198.
[77] Vgl. FROOMAN (1999), S. 198.
[78] Vgl. FROOMAN (1999), S. 197.
[79] Vgl. FREEMAN, R. E./EVAN (1990), S. 354.
[80] Darunter ist zu verstehen, dass ein Stakeholder zur Beeinflussung des Unternehmens nicht
nur den direkten Weg gehen kann, sondern auch indirekt mittels anderer Stakeholder Einfluss
ausüben kann. Vgl. FROOMAN (1999), S. 196.
[81] Vgl. FROOMAN (1999), S. 196.
[82] Vgl. FROOMAN (1999), S. 198.
[83] Vgl. SCHALTEGGER (1999), S. 12.
[84] Vgl. SCHALTEGGER (1999), S. 13.
[85] Vgl. im Folgenden SCHALTEGGER (1999), S. 11.
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