Vor dem Hintergrund der Diskussion rund um so aktuelle Begriffe wie „politische Theologie“ oder „Theologie der Befreiung“ zieht die Frage nach der Stellung des Urchristentums zur Sklaverei mehr Aufmerksamkeit auf sich, als ihr in den Schriften des Neuen Testaments selbst geschenkt wird. Sie erscheint dort als Randthema1. Die Unterschiedlichkeit des Interesses signalisiert in sich schon die Verschiedenheit der Standpunkte, mit der Autoren des Neuen Testaments sich zur Sklaverei äußern. Jedenfalls wendet man sich mit dem anstehenden Thema einem Problembereich zu, der in der Gegenwart die Menschen in und am Rande der Kirche umtreibt, der Problembereich des sozialethischen Handelns der Christen und der Kirchen in der heutigen Welt und der modernen Gesellschaft - die Frage nach der theologischen Legitimation der Sklaverei im Neuen Testament. Dieses Thema gibt zu dem umschriebenen Problemfeld so etwas wie einen Testfall aus der Kirchengeschichte ab, nicht aus einem beliebigen, sondern aus jenem für das christliche Glaubensverständnis bevorzugt relevante Stück Kirchen- und Theologiegeschichte, das in den Schriften des Neuen Testaments seinen literarischen Niederschlag gefunden hat. Sicher ist hier nicht gemeint, es könnten durch einfache exegetische Ableitung verbindliche Auskünfte auf Gegenwartsfragen (wie zum Beispiel „politische und gesellschaftliche Verantwortung der Christen“) erteilt werden. Vielmehr geht es bei dem gestellten Thema zunächst um die Frage, wie und mit welchen Konsequenzen in der urchristlichen Verkündung der eschatologischen Christusbotschaft soziale und gesellschaftliche Implikationen zutage treten. Am Einzelbeispiel des Verhältnisses des Urchristentums zur Sklaverei kann konkret die Problematik einer neutestamentlichen Begründung der gesellschaftlichen Relevanz des Evangeliums in einer bestimmten kirchengeschichtlichen Situation sichtbar gemacht werden. Erst dann wäre ein kritischer Dialog zwischen dem Neuen Testament und einer für die Theorie und für die Praxis des Glaubens bedrängenden Gegenwartsfrage möglich. Im Aktualitätsbezug der Thematik liegt die Gefahr, den methodischen Fehler zu begehen, die antike Sklaverei und entsprechende Äußerungen des Neuen Testament von vornherein mit den Maßstäben modernen Menschenrechtsverständnisses zu messen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Protest gegen die Sklaverei in der vorchristlichen antiken Welt
- Die Sklaverei im Neuen Testament
- Die Stellung Jesu zur Sklavenfrage
- Das Sklavenproblem im 1. Korintherbrief 7,20-24
- Die Hausgemeinde des Philemon und der entlaufene Sklave Onesimus
- Das Sklavenproblem in der Sicht der paulinischen Haustafeln
- Der Kolosserbrief (3,11; 3,22-4,1)
- Der Epheserbrief (6,5-8)
- Die Sklavenproblematik im Ersten Brief des Petrus (2,18-21)
- Die Lage der Sklaven in den Pastoralbriefen - in Brief an Titus (2,9-13) und in 1. Brief an Timotheus (6,1-2)
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Stellung des Urchristentums zur Sklaverei im Neuen Testament. Sie untersucht die verschiedenen Ansichten und Positionen zum Sklavenproblem im Kontext der frühen christlichen Verkündigung. Die Arbeit analysiert die ethischen und gesellschaftlichen Implikationen der eschatologischen Christusbotschaft im Hinblick auf die Institution der Sklaverei.
- Die Relevanz des Sklavenproblems im frühen Christentum
- Jesu Stellungnahme zur Sklavenfrage
- Die paulinischen Haustafeln und ihre Haltung zur Sklaverei
- Die Sklavenproblematik im 1. Korintherbrief und im Brief an Philemon
- Der Protest gegen die Sklaverei in der vorchristlichen antiken Welt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Sklaverei im Neuen Testament ein und beleuchtet die Relevanz dieser Frage im Kontext der heutigen Zeit. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit, die Positionen des Neuen Testaments zur Sklaverei im historischen Kontext zu betrachten und nicht mit modernen Menschenrechtsstandards zu verwechseln.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Protest gegen die Sklaverei in der vorchristlichen antiken Welt. Es analysiert die Stoische Philosophie und ihre Bedeutung für die Frage der Sklaverei. Die Stoa kritisierte die Sklaverei als Verstoß gegen die Menschenrechte und forderte eine humane Behandlung der Sklaven. Allerdings blieb der Protest der Stoa größtenteils ein theoretischer, der sich nur begrenzt in praktischer Hinsicht manifestierte.
Kapitel 3 widmet sich der Sklaverei im Neuen Testament. Hier wird zunächst die Stellung Jesu zur Sklavenfrage untersucht. Die Analyse zeigt, dass Jesus in seinen Gleichnissen und Parabeln zwar die reale Lage der Sklaven in seiner Zeit berücksichtigte, jedoch keine explizite soziale Stellungnahme zur Sklaverei abgab. Die Thematik des Sklavenproblems verschob sich bei Jesus in die religiöse Ebene.
Der dritte Abschnitt dieses Kapitels analysiert das Sklavenproblem im 1. Korintherbrief (7,20-24) und im Brief an Philemon. Dabei geht es um die Frage, ob Paulus in diesen Briefen die Sklaverei als gottgewollte Ordnung betrachtet oder ob er eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Sklaven und Herren anstrebte.
Das Kapitel setzt sich mit dem Sklavenproblem in der Sicht der paulinischen Haustafeln (Kolosserbrief 3,11; 3,22-4,1 und Epheserbrief 6,5-8) auseinander. Hier wird untersucht, welche ethischen Vorgaben Paulus für das Verhältnis zwischen Sklaven und Herren formulierte und inwiefern diese Vorgaben als Fortschritt in der Sichtweise auf die Sklaverei interpretiert werden können.
Der letzte Abschnitt des dritten Kapitels befasst sich mit der Sklavenproblematik im Ersten Brief des Petrus (2,18-21) und in den Pastoralbriefen (Titus 2,9-13 und 1. Timotheus 6,1-2). Diese Texte bieten Einblicke in die Lebenswelt der Sklaven im frühen Christentum und in die Erwartungen, die an sie gestellt wurden.
Schlüsselwörter
Urchristentum, Sklaverei, Neues Testament, Jesus, Paulus, Stoa, Menschenrechte, ethische Implikationen, soziale Relevanz, Haustafeln, 1. Korintherbrief, Brief an Philemon, soziale Gerechtigkeit.
- Quote paper
- Vassil Loukarsky (Author), 2003, Sklaverei in der Spätantike, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31604