Der biografische Aufsatz über den Schriftsteller Klaus Mann widmet sich in erster Linie der Exilzeit, befasst sich aber auch mit der Zerrissenheit des "naseweisen Sohnes" von Thomas Mann. Aufsässigkeit, Homosexualität, Todessehnsucht, Heimatlosigkeit, Drogensucht, Narzissmus und Flucht markierten das Leben Klaus Manns und prägten zugleich sein vielseitiges Werk. In seinen Ausführungen zitiert der Germanist und Historiker Doktor Bernd Weil auch aus bisher unveröffentlichten Interviews, die er persönlich mit dem Neffen Thomas Manns, Professor Klaus Hubert Pringsheim, und dem Privatsekretär des "Zauberers", Konrad Kellen, geführt hat.
Klaus Heinrich Thomas Mann kam am 18. November 1906 in München als zweites Kind des Schriftstellers Thomas Mann und dessen Ehefrau Katia, geborene Pringsheim, zur Welt. Als zweiten Vornamen trug er den seines Onkels, des Schriftstellers Heinrich Mann, als dritten den seines Vaters Thomas. Die Namengebung des Säuglings täuscht eine familiäre Harmonie vor, die – wie Sie hören werden – so nur selten gegeben war.
Schon früh galt Klaus Mann als der " naseweise Sohn eines berühmten Vaters", wie er sich selbst einmal bezeichnete. An der "Odenwaldschule" in Oberhambach bei Heppenheim an der Bergstraße lehnte er sich gegen den Gründer und Leiter der Freien Schulgemeinde Paul Geheeb ("Paulus") auf (1922/1923). In München trieb er sich des Öfteren mit seiner älteren Schwester Erika herum, hielt bereits als Kind in seinem Tagebuch dezidierte Selbstmordabsichten fest, verfasste schon als Jugendlicher zahlreiche Liebes- und Mordgeschichten, Theaterkritiken und Essays und schrieb mit nicht einmal 26 Jahren seine erste Autobiografie "Kind dieser Zeit" (1932).
Seit 1925 war Klaus Mann als Theaterkritiker und Journalist in Berlin für verschiedene Blätter tätig, während seine eigenen Theaterstücke "Anja und Esther" (1925) und "Revue zu Vieren" (1926) vom Kabarett "Die Pfeffermühle" seiner Schwester Erika aufgeführt wurden, wobei die beiden Geschwister neben Gustaf Gründgens und Pamela Wedekind als Schauspieler auftraten.
Während der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942) in einem persönlichen Brief aus dem Jahr 1925 Klaus Mann zu weiteren literarischen Arbeiten ermutigte, verhielt sich der berühmte Vater als Autor der "Buddenbrooks" (1901), der gerade den "Zauberberg" (1924) veröffentlicht hatte, recht distanziert. Der kleine Vater-Sohn-Konflikt war aber nur eine kaum ernst zu nehmende flüchtige Episode.
Klaus Manns literarischer Start war ihm – wie wir gesehen haben – sehr leicht gemacht worden. In seiner zweiten Autobiografie "Der Wendepunkt" (1942) schrieb er darüber: "Was immer ich zu bieten haben mochte, man nahm es mir ab, man fand es interessant." – So wurde Klaus Mann als Schriftsteller neben seinem Vater Thomas und seinem Onkel Heinrich zum "dritten Mann", wie ihn 1934 sein Freund Hermann Kesten bezeichnete. Aus der Rolle des "Sohns" wollte der Individualist Klaus Mann jedoch von Anfang an entschlüpfen.
Klaus Mann beherrschte – wie kaum ein anderer Autor – die Kunst der Selbstanalyse. Mit aller Offenheit bekannte er sich schon früh zu seiner Homosexualität und seiner ausgeprägten Todessehnsucht (Nekrophilie). Wie mir der vor einigen Jahren verstorbene größte private Klaus-Mann-Sammler Klaus Blahak (†) aus Wiesbaden mitteilte, hatte Klaus Mann in seinem Leben mindestens acht oder neun Suizidversuche unternommen, welche die Familie natürlich peinlich verschwieg. Bereits mit elf Jahren verfasste er das Theaterstück "Tragödie eines Knaben" (1917), das einen Schülerselbstmord behandelt. In seiner ersten Autobiografie "Kind dieser Zeit" aus dem Jahr 1932 zitierte er Schockierendes aus seinem eigenen Tagebuch, das er als Siebzehnjähriger führte: "Zu allen Formen der Selbstvernichtung war man schon fest entschlossen: der Strick hing schon an einem festen Haken im Speicher; dieses Gift könnte man sich so oder so verschaffen; nachts in den Schnee könnte man sich legen tüchtig Schnaps vorher trinken und dann schlafen --; oder einfach vom Turm der Frauenkirche springen, das Hirn aufs Pflaster verspritzen." – Auch später noch nannte er seine Todessehnsucht eine absurde, aber schöne Begierde.
In der Zeit der Weimarer Republik wurde Klaus Mann, der sich stets als engagierter Weltbürger und Verfechter der paneuropäischen Einigung verstand, von linker und von rechter Seite beschimpft. Der marxistische Kritiker Siegfried Kracauer nannte ihn 1932 "ein verschmiertes Talent" und fand seinen Roman "Treffpunkt im Unendlichen" (1932) "einfach zum Kotzen", während die Nationalsozialisten ihn wegen seiner Schilderungen von Homosexualität, Inzest und Nekrophilie (Todessehnsucht) hassten.
Klaus Mann verstand sich in erster Linie als Repräsentant der Jugend und machte auch vor nicht "gesellschaftsfähigen" Themen keinen Halt. Die frühe Selbstenthüllung, in der er sich offen zu seiner Homosexualität bekannte, brachte ihm enorme Anfeindungen, wie er selbst in seiner letzten Autobiografie "Der Wendepunkt" (englisch: "The Turning Point" [1942]) feststellte: "Man huldigt nicht diesem Eros, ohne zum Fremden zu werden in unserer Gesellschaft, wie sie nun einmal ist; man verschreibt sich nicht dieser Liebe, ohne eine tödliche Wunde davonzutragen."
Über die Flüchtigkeit seiner Liebesbeziehungen schreibt er in seinem Roman "Symphonie Pathétique" (1935), indem er den russischen Komponisten Peter Tschaikowsky sagen lässt: "Wie flüchtig waren alle diese Abenteuer des Herzens – flüchtig durch meine Schuld [...]. Denn mein Gefühl war nie stark genug, immer hat es versagt. Es entzündete sich schnell an den Fremden, doch es blieb ihnen niemals treu." – Der führende Vertreter der deutschen Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, schrieb 1976 in der von ihm mit herausgegebenen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass sich Klaus Mann durch "sein offenes Bekenntnis zur Päderastie (Knabenliebe; B. W.) vom Zwang zum Doppelleben befreit" hat.
Bereits 1930, als die NSDAP bei den Reichstagswahlen 18,3 % der Stimmen (gegenüber nur 2,6 % im Jahr 1928) erhielt, warnte Klaus Mann vor Adolf Hitler und seiner diabolischen Barbarei. So früh erkannten nur wenige die Gefahren, die von den Nazis ausgingen. Schon im Mai 1931 diskutierte man in seinem Elternhaus die Möglichkeit des Exils im Falle einer nationalsozialistischen Diktatur.
Im August 1932 veröffentlichten die Nationalsozialisten im "Völkischen Beobachter" eine Liste der "Repräsentanten einer dekadenten Niedergangsperiode", deren Werke verboten werden sollten und die die Grundlage der Bücherverbrennungslisten ("Schwarze Listen") von Mai 1933 darstellte. Auch die Namen Klaus und Heinrich Mann fanden sich auf diesen Listen.
Nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg aufgrund des Artikels 48 der Weimarer Reichsverfassung zum Reichskanzler ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt worden war, sah Klaus Mann für sich keine andere Möglichkeit als die des Exils. Erika und Klaus warnten ihre Eltern telefonisch vor einer Rückkehr aus dem schweizerischen Arosa nach München, weil Bayern am 9. März 1933 "gleichgeschaltet" und General Ritter von Epp als Reichsstatthalter eingesetzt worden war. Klaus Mann verließ er als einer der jüngsten Schriftsteller einen Tag nach seiner Schwester Erika am 13. März 1933 die Heimat und ging nach Frankreich (zunächst nach Paris). – Schätzungen zufolge beläuft sich die Gesamtemigration aus Deutschland auf rund 400.000 Menschen, von denen etwa 2.000 literarisch tätig waren.
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- Dr. phil. Bernd A. Weil (Author), 2015, Klaus Mann. Leben und Werk des Schriftstellers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315152
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