Dieser kurze theoretische Exkurs stellt die geschichtlichen und aktuellen Voraussetzungen, Entwicklungen und Herausforderungen beim Einsatz von neuen Technologien in Lernprozessen dar und ist in erster Linie als kurze Einführung in das Thema zu verstehen.
Eine Kernidee, die immer wieder im Bezug zum Lernen mit Technologie auftaucht ist die Förderung des selbstbestimmten Lernens durch Übertragung einer höheren Lernautonomie auf die Schüler (z.B. Lesgold, 1993; Li, Pow, Wong, & Fung, 2010). Lesgold (1993) formuliert in einem Aufsatz über Perspektiven der Informationstechnologie zukunftsweisende Überlegungen, wie das Lernen durch den Einsatz von Technologie dahingehend verbessert werden kann. Demnach könne ein Schüler oder Student mit Self-Assesment-Tools, seine ganz individuellen Lernziele formulieren und diese auch überprüfen. Gleichzeitig müssen diese Self-Assesment-Tools mit entsprechenden Lerntools verbunden sein, die den Lerner beim Erreichen dieser Ziele auch unterstützen.
Die Entwicklung von neuen Technologien in Bildungsprozessen
Seit im Jahr 1922 die ersten bewegten Bilder und 1970 die ersten massentauglichen Computer aufkamen, machten sich Pädagogen über den sinnvollen Einsatz dieser technischen Möglichkeiten und das Potential in unterschiedlichen Lernprozessen Gedanken. Hierzu zählen Aspekte wie Erhöhung des Lerneffekts oder das Generieren von standardisierten Testverfahren unter Zuhilfenahme von neuen Technologien (Hew & Brush, 2007). Seit den 1980er Jahren werden Computer als Symbol für technologischen Fortschritt angesehen und halten aufgrund ihrer immer höher werdenden Leistungsfähigkeit in immer mehr Lebensbereiche Einzug indem sie menschliche Aktivitäten in einem immer größer werdenden Umfang unterstützen (z.B. Arbeit, Pausen weitere soziale Interkationen) wodurch sich hier auch Forschungsinteressen für Sozialwissenschaftler ergeben (Crook, 1994).
Mit dem immer stärker werdenden Aufkommen von Touchscreen-Geräten, wie Smartphones und Tabletops im Privatleben ist auch die Spannweite an technologischen Möglichkeiten, die Lernprozesse sinnvoll unterstützen können angewachsen und geht über Ideen, die sich lediglich auf die Nutzung von Desktop Computern beziehen hinaus. Daher wird mittlerweile von einer „Post-PC Ära“(z.B. Pressman, 2015), deren aufkommen durch die Verkaufszahlen begründet werden kann.
Lag noch die Anzahl an verkauften Desktop PCs und Notebooks (Portable PCs) im Jahr 2010 leicht über der Anzahl verkaufter Touchscreen-Geräte (Smartphones und Tablets), so stieg deren Anzahl in den darauffolgenden Jahren rasant an. Da aber auch die Anzahl an verkauften Desktop PCs und Notebooks weiterhin ansteigt, bedeutet der Begriff „Post-PC-Ära“ in diesem Zusammenhing nicht ein Ersetzen dieser Geräte, sondern ist als Ergänzungsmöglichkeit anzusehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 –Weltweite Tablets, Smartphones und PC Verkäufe zwischen 2010 und 2016 - (Richter, 2012)
Der Glaube an die Möglichkeit der Verbesserung des Lernens durch neue Technologie veranlasste die Politik dazu, viel Geld zu investieren. Im April 1997 brachte Singapur einen „Masterplan for Informational Technology in Education“ auf den Weg und investierte ca. 1,2 Milliarden US$ für dieses Programm. Im Schuljahr 2003/2004 investierten die US Schulbezirke ca. 7,87 Milliarden US$ in die technische Ausstattung ihrer Schulen. Gleichzeitig waren diese wiederum gehalten, Technologien in ihrer Curricula zu integrieren und neue Fähigkeiten wie eine „culture of thinking“, das „Lebenslange Lernen“ oder die „Soziale Verantwortung“ zu entwickeln bzw. fördern (Hew & Brush, 2007).
Eine Kernidee, die immer wieder im Bezug zum Lernen mit Technologie auftaucht ist die Förderung des selbstbestimmten Lernens durch Übertragung einer höheren Lernautonomie auf die Schüler (z.B. Lesgold, 1993; Li, Pow, Wong, & Fung, 2010). Lesgold (1993) formuliert in einem Aufsatz über Perspektiven der Informationstechnologie zukunftsweisende Überlegungen, wie das Lernen durch den Einsatz von Technologie dahingehend verbessert werden kann. Demnach könne ein Schüler oder Student mit Self-Assesment-Tools, seine ganz individuellen Lernziele formulieren und diese auch überprüfen. Gleichzeitig müssen diese Self-Assesment-Tools mit entsprechenden Lerntools verbunden sein, die den Lerner beim Erreichen dieser Ziele auch unterstützen. Schließlich weißt er auch schon in diesem frühen Überlegungen darauf hin, dass Schülern im Allgemeinen eine sehr spärliche Anzahl an Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stehe, die meist über öffentliche und schulische Büchereien nicht hinausgehen und in denen ohnehin nur begrenzte Anzahl an Büchern verfügbar wären, die, nachdem sie ausgeliehen seien nicht jedem zugänglich sind. Auch dieses Problem könne mit Technologie gelöst werden, was den Prozess des selbstbestimmten Lernens ebenfalls positiv beeinflusse (Lesgold, 1993).
Diese theoretischen Überlegungen decken im Groben einen großen Teil der Spannweite des Einsatzes von Bildungstechnologie im schulischen Bereich ab, der hinsichtlich der Auswirkungen auf das Lernen in den verschiedensten wissenschaftlichen Überlegungen detailliert erforscht wird.
So beschäftigen sich manche Studien mit den Einsatz von entsprechenden Geräten und Programmen (z.B. Kaganer, Giordano, Brion, & Tortoriello, 2013; Li et al., 2010) , andere Studien beschäftigen sich mit der Fragestellung, wie selbstregulierte Lernprozesse durch Self-Assesment und Feedback angestoßen und weiterentwickelt werden können (z.B. PIVA & Self, 1995; Shute, 2008; VanLehn et al., 2005).
Ein Aspekt, der von Lesgold (1993) noch unerwähnt bleibt ist das gemeinsame Lernen (Lesgold, 1993), welches sich insbesondere unter Zuhilfenahme von Technologie als besonders effektiv herausgestellt hat (Appel & Schreiner, 2014) sowie das daraus folgende Entstehen von Gemeinsamkeiten (Konvergenzen) (z.B. Rick, Kopp, Schmitt, & Weinberger, 2015; Roschelle, 1992; Weinberger, Stegmann, & Fischer, 2007) auf verschiedenen Ebenen in einem gemeinsamen Lernprozess.
Obwohl der Einsatz von Technologie große Chancen bietet, regt sich von mancher Seite harsche Kritik an diesen Entwicklungen, deren wissenschaftlicher Gehalt doch eher fragwürdig ist (Appel & Schreiner, 2014). So schreibt zum Beispiel Prof. Dr. Manfred Spitzer: „Meiden Sie digitale Medien, Sie machen (...) tatsächlich dick, dumm, aggressiv, einsam, krank und unglücklich“ (Spitzer, 2014, p. 325).
Aus diesem Anlass führten Appel & Schreiner (2014) eine Metanalyse durch und unterzogen die in den unterschiedlichsten populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen aufgezeigten Thesen, die sie als „Mythen“ bezeichnen, einer wissenschaftlichen Überprüfung.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nicht zu jedem genannten Themenfeld überhaupt wissenschaftliche Befunde existieren, kam heraus, dass ein Großteil diese Aussagen, wie z.B. dass Internutzung die soziale Interaktionen reduziere oder gar das Interesse am gesellschaftlichen Engagement (z.B. zur Wahl gehen oder einem Verein betreiten) negativ beefeinflusse, nicht zutreffend sind. Andererseits konnten zwar geringe Zusammenhänge zwischen Übergewicht und der Nutzung von Bildschirmmedien, Verseinsamung bzw. Depressionen und Internetnutzung oder Aggression und der Nutzung gewalthaltigen Computerspielen gezeigt werden, deren Ausmaß ist jedoch längst nicht so dramatisch, wie in besagten Veröffentlichungen beschrieben (Appel & Schreiner, 2014). Bedauerlich an dieser Entwicklung ist vor allem, dass die Verbreitung derartiger „alarmistischer Thesen“ einer sachlichen Diskussion über wirkliche Herausforderungen und Probleme, wie Internetsucht oder Cyberbullying, eher im Wege stehe (Appel & Schreiner, 2014).
Appel & Schreiner (2014) führen in diesem Zusammenhang vor allem kritisch an, dass manche der verbreiteten Thesen oftmals auf neurowissenschaftlichen Theorien basieren, die zwar „einer sachgerechten Eröterung zuträglich“ (Appel & Schreiner, 2014, p. 22) seien, jedoch dann destruktiv werden, wenn irrelevante Thesen und Befunde als Beweis angeführt werden, die jedoch auf Außenstehende überzeugend wirken (Appel & Schreiner, 2014). Ein weiteres Problem liegt in der Interpretation mancher Studien. So tendieren Autoren, wie Manfred Spitzer (z.B. Spitzer, 2014), oder die Medienlandschaft außerhalb wissenschaftlicher Diskurse dazu, Ergebnisse komplexer Studien auf einfache Ursache-Wirkprinzipien herunterzubrechen (Appel & Schreiner, 2015). Ein aktuelles Beispiel ist eine im Mai 2015 erschienene Studie des Center for Economic Performance aus England, dereren Ergebnisse zunächst einmal darauf hindeuten, dass ein generelles Handyverbot in Schulen sinnvoll sei, weil sich anhand des Vergleichs von national gesammalten Schülerdaten aus England herausgestellt habe, dass die Leistungen der Schüler bei Schulen mit Handyverboten insgesamt besser seien als bei Schulen, die kein Handyverbot haben. Dies wäre vor allem bei leistungsschwachen Schülern sehr auffällig (Beland & Murphy, 2015). In Sekundärquellen sind dann Schlagzeilen zu lesen wie: „Die bessere Schule – Die Schule mit Handyverbot – Neue Studie belegt: Bessere Konzentraion der 16jährigen Schüler, wenn die Schule das Handyverbot ausübt“ (Wollenhöfer, 2015) oder „Studie: Handyverbot an Schulen verbessert Leistungen“ (online, 2015). Dass sich besagte Studie vor allem kritisch mit dem unstrukturierte Benutzen von Handys, nicht aber mit sinnvollem Einsatz in einem Lernprozess beschäftigt und die Autoren auch in der Nutzung neuer Technologien Potentiale im Bezug auf den Unterricht sehen, wird entweder nur beiläufig oder gar nicht erwähnt, was insofern einen nicht unbedeutenden Teil der Forschungsergebnisse ungenannt lässt und somit ein unvollständiges Bild generiert.
Manche Autoren weisen darauf hin, dass die teils horrenden Anschaffungskosten und damit verknüpften Erwartungen, auch wegen des Fehlens von adäquaten Verwendungsmöglichkeiten, nicht erfüllt werden (z.B. Cuban, 2001; Oppenheimer, 1997). Der Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer bemängelt in einem Gastbeitrag in der deutschen Zeitung „Wirtschaftswoche“, dass das Lernen durch den Einsatz von Technologie (Smartboards, Tablets, Computer usw.) nicht revolutioniert würde, weil das alleinige Anschaffen ohne eine notwendige Änderung des Unterrichtsstils zu nichts führen würden, und es nicht reiche, wenn neue Technologien lediglich ein Ersatz für traditionelle Medien seien, also: „Der Computer als Lexikonersatz, das Tablet als Arbeitsblattersatz und das Smartboard als Tafelersatz“ (Zierer, 2015). Tatsächlich ist der Einsatz von neuer Technologie kein Selbstzweck, der lediglich dafür genutzt werden sollte, um beispielsweise „Modernität zu demonstrieren“ (Niegemann, 2013, p. 94) .
Es muss bedacht werden, dass, wie in allen Bereichen, auch Misserfolge auftreten können und werden. So zeigt sich ein Lernerfolg nicht immer direkt, Team-Strukturen funktionieren nicht immer, oder Lernende weigern sich verschiedene Funktionen anzuwenden (Kaganer et al., 2013). Auch Dillenburg & Evans (2011) merken im Zusammenhang Tabletops an, dass diese Technologie große Chancen biete, aber auch kein „Allheilmittel“ zur Verbesserung von Lehren und Lernen sind (Dillenbourg & Evans, 2011). Diese grundlegende Vermutung bzw. Erkenntnis lässt sich auch auf das Anbieten eines Zugangs zu Tablet PCs übertragen, denn auch dies garantiert nicht das automatische Zustandekommen von kooperativem Lernen und ist daher ebenfalls kein Allheilmittel (Falloon, 2015)
Deshalb bedarf es einer Fülle an theoretisch fundierten Überlegungen, die auch das Setzen von Lernziele beinhalten und deren Effeke auf einen (in diesem Falle) schulischen Lernprozess anhand wissenschaftlicher Methoden überprüft werden können (Niegemann, 2013) . Generell erfordert der Einsatz von neuen Technologien sowohl auf Lehrer-, als auch auf Lernerseite die beidseitige Bereitschaft neue Lernmethoden zu benutzen (Roschelle et al., 2007).
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- Arbeit zitieren
- Daniel Kopp (Autor:in), 2015, Entwicklung von neuen Technologien in schulischen Lernprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315143
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