In seinem Aufsatz "Leyden sey all mein Gewinnst. Zur Aufnahme und Kritik christlicher Leidenstheologie bei Georg Büchner“ stellt Heinrich Anz die „paradoxe Zusammenfügung von Leid und Gewinn“ und deren Einbettung in eine pietistische Lebensweise anhand einer Liedtextstelle in Georg Büchners Erzählung Lenz dar. Auch wird kurz der Anschluss an eine „Christusnegation“ erläutert, wobei aber der oben erwähnte Argumentationszusammenhang um den Leidensbegriff in den Vordergrund gestellt wird. Dabei fällt auch der Begriff „Chris-tusimitation“, der im Folgenden als Imitatio Christi zusammengefasst wird. Auffällig dabei ist, dass dieses Glaubenskonzept in der Lenz-Erzählung gegenläufig dargestellt ist, so die These von Anz. Jedoch lässt sich diese Interpretation nicht nur auf den Leidensbegriff des Textes anwenden, sondern kann für die Krankheit von Lenz umfassend gebraucht werden.
Ich möchte mit dieser Analyse zeigen, dass dieses Lebensideal an der Generierung des Wahnsinns von Lenz nicht nur beteiligt ist, sondern darüber hinaus ein derart paradoxes Machtgefüge produziert, welches den geistig Kranken immer mehr umschließt und zu Grunde richtet. Freilich wird dies keine Gesamtanalyse des Textes auf diesen Aspekt hin – was sicherlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde – vielmehr gehe ich nur auf die Textstellen ein, die für mich erkennbar die Imitatio Christi beinhalten und behandeln.
Um das Entstehen eines solchen Machtgefüges beschreiben zu können, muss ich zunächst zeigen, wie ein entworfenes Lebensideal, sich in das Begriffssystem der Disziplinarmacht von Foucault einordnen lässt. Ich stelle dabei die Begriffe Norm beziehungsweise Normalisierung auf eine Ebene mit der Wirkung von Idealen, wodurch dieses als Instrument und somit Teil der Disziplin hervorgeht. Dar-aus ergeben sich dann spezifische Eigenschaften in Bezug auf die Disziplin, die als zu zeigende Machtwirkungen und -verhältnisse hervorgehen. Als nächstes werde ich das Glaubenskonzept Imitatio Christi näher erläutern und diskutieren. Ich gehe dabei vor allem auf dessen Inhalte, wie auch auf die problematische Zusammensetzung dieses Ideals ein. Danach werde ich zeigen, an welchen Stellen die Imitatio Christi in der Lenz-Erzählung hervortritt und welche Machtverhältnisse dadurch sichtbar werden. Dieses Glaubenskonzept wird so im Ganzen als Disziplin nach Foucault aufgefasst.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Ausführung
- 1. Lebensideale als Instrument der Disziplinarmacht
- 2. Die Imitatio Christi in der Lenz-Erzählung
- 2.1. Das Wandermotiv als Symptom und Strafe
- 2.2. Religiöse Medien und pietistisches Umfeld
- 3. Religionskritische Ausarbeitung der Imitatio Christi
- III. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung des Lebensideals Imitatio Christi in Georg Büchners Lenz-Erzählung und dessen Zusammenhang mit dem Wahnsinn der Hauptfigur. Im Fokus steht die Frage, inwieweit dieses Ideal als Instrument der Disziplinarmacht fungiert und zur Entstehung von Lenz' Krankheit beiträgt.
- Die Imitatio Christi als Lebensideal
- Die Disziplinarmacht nach Foucault und deren Wirkungsweise
- Die Rolle religiöser Medien und des pietistischen Umfelds
- Das Wandermotiv als Symptom und Strafe
- Die religionskritische Ausarbeitung der Imitatio Christi in der Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt den Ausgangspunkt der Arbeit: Heinrich Anzs Analyse des Leidensbegriffs und der „Christusimitation“ in Büchners Lenz. Sie skizziert die These, dass das Lebensideal der Imitatio Christi nicht nur an der Entstehung von Lenz' Wahnsinn beteiligt ist, sondern ein paradoxes Machtgefüge erzeugt, welches ihn zerstört. Die Arbeit konzentriert sich auf Textstellen, die die Imitatio Christi explizit behandeln, und untersucht deren Einordnung in Foucaults Konzept der Disziplinarmacht.
II. Ausführung: Dieses Kapitel untersucht im ersten Abschnitt die Einordnung von Lebensidealen in Foucaults Theorie der Disziplinarmacht, wobei Ideale als Instrumente der Normalisierung und Kontrolle betrachtet werden. Der zweite Abschnitt analysiert die Darstellung der Imitatio Christi in der Lenz-Erzählung, einschließlich des Wandermotivs als Symptom und Strafe, sowie des Einflusses des pietistischen Umfelds und der religiösen Melancholie. Der dritte Abschnitt widmet sich der religionskritischen Ausarbeitung der Imitatio Christi und der pathologischen Wirkung dieser Disziplin auf Lenz.
Schlüsselwörter
Imitatio Christi, Georg Büchner, Lenz, Disziplinarmacht, Foucault, Pietismus, religiöse Melancholie, Wahnsinn, Lebensideal, Normalisierung, Macht, Strafe.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Georg Büchner's "Lenz" - Imitatio Christi als Instrument der Disziplinarmacht
Was ist das zentrale Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Darstellung des Lebensideals „Imitatio Christi“ in Georg Büchners Erzählung „Lenz“ und dessen Zusammenhang mit dem Wahnsinn der Hauptfigur. Der Fokus liegt darauf, inwieweit dieses Ideal als Instrument der Disziplinarmacht wirkt und zur Entstehung von Lenz' Krankheit beiträgt.
Welche Aspekte werden im Detail analysiert?
Die Analyse umfasst die „Imitatio Christi“ als Lebensideal, Foucaults Konzept der Disziplinarmacht und deren Wirkungsweise, die Rolle religiöser Medien und des pietistischen Umfelds, das Wandermotiv als Symptom und Strafe sowie die religionskritische Ausarbeitung der „Imitatio Christi“ in der Erzählung.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, eine Ausführung mit drei Unterkapiteln (Lebensideale als Instrument der Disziplinarmacht; Die Imitatio Christi in der Lenz-Erzählung mit den Unterpunkten Wandermotiv und religiöses Umfeld; Religionskritische Ausarbeitung der Imitatio Christi) und eine Zusammenfassung. Das Inhaltsverzeichnis bietet einen detaillierten Überblick.
Welche These vertritt die Arbeit?
Die Arbeit vertritt die These, dass das Lebensideal der „Imitatio Christi“ nicht nur an der Entstehung von Lenz' Wahnsinn beteiligt ist, sondern ein paradoxes Machtgefüge erzeugt, welches ihn zerstört. Heinrich Anz' Analyse des Leidensbegriffs und der „Christusimitation“ bildet den Ausgangspunkt.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit analysiert Textstellen, die die „Imitatio Christi“ explizit behandeln, und ordnet diese in Foucaults Konzept der Disziplinarmacht ein. Sie untersucht die Darstellung des Lebensideals im Kontext der religiösen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Imitatio Christi, Georg Büchner, Lenz, Disziplinarmacht, Foucault, Pietismus, religiöse Melancholie, Wahnsinn, Lebensideal, Normalisierung, Macht, Strafe.
Welche Kapitelzusammenfassungen werden geboten?
Die Zusammenfassung der Kapitel beschreibt die Einleitung als Einführung in die Thematik und die These der Arbeit. Die Ausführung analysiert Lebensideale im Kontext von Foucaults Theorie, die Darstellung der „Imitatio Christi“ in „Lenz“ (inkl. Wandermotiv und pietistischem Umfeld) und die religionskritische Ausarbeitung des Themas.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für akademische Zwecke bestimmt und richtet sich an Leser, die sich mit Georg Büchner, der Erzählung "Lenz", dem Konzept der Disziplinarmacht und der "Imitatio Christi" auseinandersetzen möchten.
- Quote paper
- Jonas Schreiber (Author), 2013, Das Ideal der Imitatio Christi in Georg Büchners Erzählung "Lenz". Ein Instrument der Dsziplinarmacht?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314235