Erpenbecks Roman reiht sich in eine jahrhundertelange Tradition der literarischen Darstellung von Kriegs- und Fluchterlebnissen ein. Als pensionierter Altphilologe hat Richard, die zentrale Figur, ein besonderes Interesse daran, in Vergangenem und Gegenwärtigem Gemeinsamkeiten zu entdecken. Außerdem sucht er neue Betätigungsfelder. Die Suche führt ihn schließlich zu den afrikanischen Flüchtlingen, die sich auf dem Alexanderplatz in Berlin versammelt haben, um anonym gegen ihre Abschiebung zu protestieren. In Homers "Odyssee" glaubt er einen Schlüssel für das Verhalten dieser Männer gefunden zu haben.
Man kann Richard als literarische Doppelfigur auffassen: halb sinnsuchendes Individuum, halb Symbolfigur, die versucht, zwischen verschiedenen Welten eine Brücke zu schlagen. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Flüchtlingen aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Richard nimmt Kontakt zu ihnen auf und befragt sie nach ihren Erlebnissen. Stellvertretend für viele andere werden in diesem Teil "Apoll" aus Niger, "Tristan" aus Ghana und der "Blitzeschleuderer" aus Nigeria vorgestellt. Richard unterstützt seine Schützlinge tatkräftig, kann aber nicht verhindern, dass eine ganze Reihe von ihnen abgeschoben werden.
Der Text enthält sich gegenseitig durchdringende auktoriale und personale Erzählanteile. Durchgehend wird das Präsens (Präsens historicum) verwendet. Viele Passagen werden aus der Sicht Richards erzählt. Sie stehen zumTeil in der erlebten Rede und erinnern an die Erzähltechnik eines "Bewusstseinsromans". Der Roman bietet keine geschlossene, kontinuierliche Gesamthandlung, sondern besteht aus miteinander verflochtenen Einzelhandlungen oder Handlungssträngen, die in Richard gespiegelt und durch collage- oder montageartig eingeschobene Zwischenteile angereichert werden. Die jungen Afrikaner berichten als Ich-Erzähler ihre bisherigen Lebens- und Fluchtgeschichten, wobei Richard versucht, gedankliche Verbindungslinien zwischen ihrer einstigen und der neuen Umgebung bzw. ihrer und seiner eigenen Gegenwart und Vergangenheit zu ziehen. Im Unterschied zum rein fiktionalen Erzählen wird das Faktische und Dokumentarische besonders hervorgehoben. Außerdem enthält der Text eine große Bandbreite von Gebrauchstexten wie Namenlisten, Einkaufslisten, Preisangaben, Notizen, Internettexte, Lexikoneintragungen usw., die den dokumentarischen Charakter unterstreichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Krieg, Flucht, Vertreibung und Fremdheit als menschliche Grunderfahrungen
2. Das Interesse am Vergangenen im Verhältnis zum Gegenwärtigen
3. Inhaltlicher Überblick
"Apoll" aus Niger
"Tristan" (Awad) aus Ghana
Der "Blitzeschleuderer" (Raschid) aus Nigeria
4. Aufbau und Erzählstruktur
Die Erzählsituation: auktoriale und personale Erzählweise
Beispiel einer auktorialen Erzählsituation: Protestaktion vor dem Roten Rathaus
Personale Erzählsituation: die zentrale Romanfigur wird in erlebter Rede vorgestellt
Schlüsselbegriffe "Zeit", "Denken" und "Warten"
Hinwendung zum zielgerichteten Denken und Handeln
Statt geschlossener Gesamthandlung Geflecht von Einzelhandlungen
Binnentexte: die afrikanischen Flüchtlinge als Ich-Erzähler
Verknüpfung von Mythologie und erlebter Gegenwart
Faktuales und fiktionales Erzählen
Reportagestil und literarisches Erzählen
Unterschiedliche Textsorten: Beispiel Gebrauchstexte
Akribische Auflistungen
Die Überwindung von Vorurteilen
Zitate und intertextuelle Bezüge
Sprache als Zeichensystem
Denken in dialektischen Gegensatzpaaren
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.