Der französisch-preußische Krieg von 1870/71 stellte die militärische Rahmenhandlung für einen massiven Einschnitt und für eine umfassende Veränderung in der politischen Landschaft Europas dar. Preußens Sieg bedeutete den Zusammenbruch Frankreichs und das Ende des napoleonischen Regimes, er legte den Grundstein für die Gründung des Deutschen Reiches, „ein die europäische Ordnung berührendes Ereignis ersten Ranges“, und für dessen Aufstieg zur führenden militärischen und wirtschaftlichen Macht in Europa. Für Österreich-Ungarn aber bedeutete die Reichsgründung, anders als für die anderen europäischen Mächte, weit mehr: „Eine außerhalb seiner Wirkungsmöglichkeiten gefallene Entscheidung nicht nur über seine außenpolitische, sondern auch über seine sozial- und verfassungspolitische“ und – genau betrachtet – auch über seine wirtschaftliche Zukunft. „Deshalb war Österreich-Ungarn der einzige Staat, für den die deutsche Reichsgründung an sich das zentrale Ereignis der Jahre 1870/71 war“. Diese Arbeit zeichnet die Ereignisse der Jahre 1870/71 nach und analysiert die in der Habsburger Monarchie getroffenen Entscheidungen. Man wird sehen, dass die Situation Österreich- Ungarns eine sehr komplexe war, die nicht nur von außenpolitischen, sondern auch von innenpolitischen Faktoren und Problemen beeinflusst wurde, und, dass der Nichteintritt der Monarchie in den Krieg nicht – wie wir häufig in kurz gehaltenen Darstellungen über den Krieg von 1870/71 lesen – nur mit der Konzentration russischer Truppen entlang der österreichischen Grenze begründet werden kann. Außerdem wird man sehen, dass die österreichisch-ungarische Politik der Jahre 1870/71 besonders von zwei Personen geprägt wurde: Dem österreichischen Reichkanzler und Außenminister Friedrich Ferdinand Graf von Beust und dem ungarischen Ministerpräsidenten Julius Graf Andrássy. Die Ablösung Beusts durch Andrássy im November 1871 bedeutete zugleich den Abschluss der unmittelbar mit dem Krieg zusammenhängenden Politik Österreich-Ungarns sowie den Beginn eines neuen Zeitabschnitts in der Politik der Habsburger Monarchie. Deshalb behandelt das abschließende Kapitel dieser Arbeit, das anstelle eines Schlusswortes steht, in resümierender und ausblickender Weise den Übergang von Beust zu Andrássy.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Innen-, Außen- und Bündnispolitik Österreich-Ungarns von 1866 bis 1870
- An der Schwelle des Krieges
- Der gemeinsame Ministerrat vom 18. Juli 1870
- Kriegsvorbereitungen und Warten auf die französischen Siege
- Nach den preußischen Siegen – Schrittweise Entscheidung für den Sieger
- Frankreichs Niederlage und die Folgen für Österreich-Ungarn
- Der gemeinsame Ministerrat vom 22. August 1870
- Die österreichische Außenpolitik gegen die deutsche Einigung
- Die Wende im November 1970: Innere Krise, deutsche Einigung und die ,,russische Bombe"
- Die Niederlage der österreichisch-ungarischen Interessen auf der Londoner Konferenz
- Der österreichisch-ungarische Kurs nach der Gründung des Deutschen Reiches
- Dreikaiserpolitik und Konsolidierung des deutsch-österreichischen Mitteleuropablocks
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Rolle Österreich-Ungarns im deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Sie analysiert die Entscheidungen der Habsburger Monarchie in dieser Zeit und zeigt, wie die Situation Österreich-Ungarns von innen- und außenpolitischen Faktoren beeinflusst wurde.
- Die innen- und außenpolitische Situation Österreich-Ungarns in den Jahren vor dem Krieg.
- Die Bündnispolitik Österreich-Ungarns und die Verhandlungen mit Frankreich.
- Die Reaktion Österreich-Ungarns auf den Ausbruch des Krieges und die Entscheidung gegen den Kriegseintritt.
- Die Folgen der deutschen Reichsgründung für Österreich-Ungarn.
- Die Rolle der wichtigsten politischen Akteure wie Beust und Andrássy.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext des französisch-preußischen Krieges von 1870/71 dar und erläutert die Bedeutung der Reichsgründung für Österreich-Ungarn. Das erste Kapitel beleuchtet die innen- und außenpolitische Situation Österreich-Ungarns in den Jahren zwischen Königgrätz und dem Kriegsausbruch. Es behandelt die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Preußen sowie die Verhandlungen über ein Bündnis mit Frankreich.
Das zweite Kapitel untersucht die Ereignisse, die zum Krieg führten, und die Position Österreich-Ungarns in der Krise. Es beschreibt den gemeinsamen Ministerrat vom 18. Juli 1870 und die Kriegsvorbereitungen der Monarchie.
Das dritte Kapitel analysiert die Folgen der preußischen Siege für Österreich-Ungarn und die Entscheidung der Monarchie gegen den Kriegseintritt. Es beleuchtet die österreichische Außenpolitik gegen die deutsche Einigung und die innenpolitische Krise, die zum Rücktritt von Beust führte.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der österreichisch-ungarischen Politik nach der Reichsgründung und dem Übergang von Beust zu Andrássy.
Schlüsselwörter
Österreich-Ungarn, deutsch-französischer Krieg von 1870/71, deutsche Reichsgründung, Bündnispolitik, Außenpolitik, Innenpolitik, Beust, Andrássy, Dreikaiserpolitik.
- Quote paper
- Jan Hendrik Schmidt (Author), 2002, Österreich und der Krieg von 1870/71, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31373