Ob Mezzanine-Kapital tatsächlich ideal für den Mittelstand ist, ergo ob es als wirklich Mittelstandstauglich bezeichnet werden kann, ist Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Um den Bezug zur Praxis zu gewährleisten, wird weiterhin das neue Mezzanine-Kapital Produkt der Norddeutschen Landesbank hinsichtlich seiner Mittelstandstauglichkeit beurteilt, was zu einer praxisnäheren Beurteilung der Mittelstandstauglichkeit von Mezzanine-Kapital führen soll. Aufbauend hierauf wird der Versuch unternommen, Mezzanine-Kapital hinsichtlich seiner Stellung im zukünftigen mittelständischen Finanzierungsmix einzuordnen. Dabei wird als Grundlage eins veränderten Finanzierungsverhaltens eine neue mittelständische Finanzierungskultur entwickelt.
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung und Exposé
2 Die Bedingungen der mittelständischen Finanzplanung
2.1 Definition, Bedeutung und Lage des Mittelstands
2.2 Status Quo der Mittelstandsfinanzierung
2.3 Ursachen der vorherrschenden Finanzierungsstruktur
2.3.1 Attraktive Kreditkonditionen als Folge des Wettbewerbs im Bankensektor
2.3.2 Geringe Differenzierung nach Schuldnerbonität
2.3.3 Managementdefizite
2.3.4 Eingeschränkte Einsetzbarkeit von Finanzierungsalternativen
2.3.5 Psychologische und sonstige Ursachen
2.4 Zwischenfazit I: Bankkredite waren die attraktivste Finanzierungsform
2.5 Neue Anforderungen an die mittelständische Finanzplanung
2.5.1 Auslöser des Finanzmarktwandels
2.5.1.1 Basel II
2.5.1.2 Ertragsprobleme deutscher Banken
2.5.2 Herausforderungen der mittelständischen Finanzplanung
2.5.2.1 Der „Credit Crunch“
2.5.2.2 Veränderte Kreditvergabepolitik der Banken
2.5.2.3 Firmenfinanzierungen werden komplexer und anspruchsvoller
2.5.3 Zusammenfassung
2.6 Zwischenfazit II: Großer Bedarf nach Finanzierungsalternativen
3 Alternative Finanzierungsoptionen für den Mittelstand
3.1 Grundeigenschaften mittelstandstauglicher Finanzierungsalternativen
3.2 Potenzielle Finanzierungsbausteine neben Mezzanine-Kapital
3.2.1 Erhöhung der Einlagen / Senkung der Entnahmen
3.2.2 Operative Finanzierung
3.2.3 Beteiligungskapital durch Public Equity
3.2.4 Beteiligungskapital durch Private Equity
3.2.5 Pensionsrückstellungen
3.2.6 Lieferantenkredite
3.2.7 Anleihen / Commercial Paper
3.2.8 Asset Backed Securities
3.2.9 Leasing
3.2.10 Factoring
3.2.11 Projektfinanzierungen
3.3 Zwischenfazit III: Viele Alternativen erscheinen ungeeignet
4 Basiswissen zur Finanzierungsform Mezzanine-Kapital
4.1 Begriff, Definition und Potenzial
4.2 Unterscheidungsmerkmale, Grundeigenschaften und Stellschrauben
4.2.1 Strukturiertes Kapital
4.2.2 Covenants
4.2.3 Mitwirkung, Kontrolle und Information (§32a GmbHG-Problematik)
4.2.4 Equity vs. Debt Mezzanine
4.2.5 Steuerliche und bilanzielle Behandlung
4.2.6 Ökonomische Einordnung / Nachrangigkeit
4.2.7 Private vs. Public Mezzanine
4.2.8 Due Diligence / Rating
4.2.9 Rendite-Risikorelation
4.2.10 Verzinsungskomponenten und –optionen (§ 489 BGB-Problematik)
4.2.11 Laufzeit und Tilgungsmodalitäten
4.3 Mezzanine Einzelinstrumente
4.3.1 Nachrangdarlehen
4.3.2 Verkäuferdarlehen
4.3.3 Partiarisches Darlehen
4.3.4 Typische und Atypische stille Gesellschaften
4.3.5 Genussscheine
4.3.6 Wandel- und Optionsschuldverschreibungen
4.4 Anwendungsgebiete / Finanzierungsanlässe
4.4.1 Unternehmensübernahme / Buy-Outs
4.4.2 Gesellschafterwechsel
4.4.3 Wachstumsfinanzierung
4.4.4 Bridge Loan / Going Public
4.4.5 Going Private
4.4.6 Projektfinanzierung
4.4.7 Sanierung
4.5 Vor- und Nachteile mezzaniner Finanzierungslösungen
4.6 Zwischenfazit IV: Grundlagen erarbeitet
5 Mittelstandstauglichkeit von Mezzanine-Kapital
5.1 Grundsätzliche Eignung von Mezzanine-Kapital
5.2 Spezielle Eignung von Mezzanine-Kapital
5.3 Anforderungen an mittelstandskompatible Mezzanine-Produkte
5.4 Anbieter von mittelstandstauglichem Mezzanine Kapital
5.5 Zwischenfazit V: Eingeschränkte Mittelstandstauglichkeit
6 Das Mezzanine-Kapital Produkt der Norddeutschen Landesbank
6.1 Das Produkt aus der Perspektive der Nord/LB
6.2 Die Kooperation der Nord/LB mit den Sparkassen am Bsp. SK Hannover
6.3 Standardisierte Prozesse und geringe Transaktionskosten
6.4 Flexible Komponenten (Verzinsung / Laufzeit / Volumen)
6.5 Covenants / Mitsprache-, Kontroll- und Informationsrechte
6.6 Ökonomische Einordnung / steuerliche Behandlung
6.7 Anforderungen / Zielgruppen / Finanzierungsanlasse / regionale Begrenzung
6.8 Investitionsvolumen und eventuelle Verbriefung
6.9 Marktpotenzial und bisheriger Geschäftverlauf (Stand 03.08.2004)
6.10 Die Mittelstandstauglichkeit im Vergleich zur Konkurrenz
6.11 Zwischenfazit VI: Bisher unerreichte Mittelstandstauglichkeit
7 Finanzierungskultur und Finanzierungsmix angesichts neuer Anforderungen
8 Ergebnisse und Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anhang: Datenbasis des Scoring Modells
Erklärung zur Hausarbeit gemäß § 26 Abs. 6 DiplPrüfO
1 Problemstellung und Exposé
Ob Mezzanine-Kapital tatsächlich ideal für den Mittelstand ist, ergo ob es als wirklich Mittelstandstauglich bezeichnet werden kann, ist Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Um den Bezug zur Praxis zu gewährleisten, wird weiterhin das neue Mezzanine-Kapital Produkt der Norddeutschen Landesbank hinsichtlich seiner Mittelstandstauglichkeit beurteilt, was zu einer praxisnäheren Beurteilung der Mittelstandstauglichkeit von Mezzanine-Kapital führen soll. Aufbauend hierauf wird der Versuch unternommen, Mezzanine-Kapital hinsichtlich seiner Stellung im zukünftigen mittelständischen Finanzierungsmix einzuordnen. Dabei wird als Grundlage eins veränderten Finanzierungsverhaltens eine neue mittelständische Finanzierungskultur entwickelt.
Um diese Aufgabenstellungen zu lösen, müssen ex ante eine Reihe von Grundlagen geschaffen und Vorarbeiten geleistet werden, was im Wesentlichen in den Kapiteln 2, 3 und 4 geleistet wird.
In einem ersten Schritt müssen die Bedingungen analysiert werden unter denen mittelständische Finanzabteilungen ihre Aufgaben der Finanzierungskostenminimierung bei gleichzeitiger Liquiditätssicherung wahrnehmen. Dazu wird, nachdem kurz Definition, Bedeutung und Lage des Mittelstands geklärt wurden, der aktuelle Stand der Mittelstandsfinanzierung dargelegt. Um den Mittelstand mit seiner Finanzierungsstruktur zu verstehen, werden daraufhin die Ursachen der vorherrschenden Merkmale, namentlich die schwache Eigenkapitalausstattung und die Bankkreditabhängigkeit, ergründet. Dies ist notwendig, um im Folgenden die neuen Anforderungen an die mittelständische Finanzplanung zu erkennen, ergo um die Herausforderungen abzuleiten, die sich aufgrund des Finanzmarktwandels ergeben.
Nachdem in Kapitel 2 das notwendige Basiswissen bezüglich der Bedingungen der mittelständischen Finanzplanung geliefert hat, können hiervon ausgehend in Kapitel 3 alternative Finanzierungsoptionen, nachdem sie kurz vorgestellt wurden, bewertet werden. Diese Optionen hinsichtlich ihrer Mittelstandstauglichkeit zu untersuchen hat dabei den Zweck, zu einem späteren Zeitpunkt Mezzanine-Kapital in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. Kapitel 3 dient somit als Grundlage zur Entwicklung eines neuen Finanzierungsmix in Kapitel 7, in dessen Kontext auch Mezzanine-Kapital zu finden sein wird.
Bevor Mezzanine-Kapital in einem ersten Anlauf in Kapitel 5 hinsichtlich seiner Mittelstandstauglichkeit untersucht werden kann und es in einem übergeordneten Zusammenhang hinsichtlich seiner zukünftigen Rolle im mittelständischen Finanzierungsmix betrachtet werden kann, muss in Kapitel 4 das nötige Basiswissen hinsichtlich der Finanzierungsform Mezzanine-Kapital geschaffen werden. Weiterhin dient dies Kapitel insbesondere dazu, den theoretischen Hintergrund zur Bewertung des in Kapitel 6 vorgestellten Mezzanine-Kapital Produkts der Nord/LB zu liefern. Nachdem Begriff, Definition und Potenzial von Mezzanine-Kapital erläutert wurden, erfolgt eine ausführlichere Darstellung der Unterscheidungsmerkmale und Grundeigenschaften von Mezzanine-Kapital. Parallel dazu werden entscheidende Stellschrauben im Rahmen eines Financial Engineerings von Mezzanine-Produkten aufgezeigt, die im späteren Kapitel 5 dazu genutzt werden, um Eigenschaften mittelstandstauglicher Mezzanine-Produkte zu begründen.
Daraufhin werden typische Mezzanine-Instrumente bezüglich ihrer Eigenschaften, Restriktionen und Möglichkeiten untersucht. Mezzanine-Instumente bilden die Grundlage eines jeden Mezzanine-Produkts und sind deshalb, wie das gesamte Kapitel 4 insbesondere auch im Zusammenhang mit den in Abschnitt 5.4 und Kapitel 6 vorgestellten Mezzanine-Produkten wichtig. Weiterhin werden in Kapitel 4 die typischen Anwendungsgebiete und Finanzierungsanlässe von Mezzanine-Kapital vorgestellt, während zum Ende von Kapitel 4 die Vor- und Nachteile von Mezzanine-Kapital extrahiert werden.
Nachdem die Grundlagen zur Untersuchung der oben aufgezeigten Problemstellungen in den Kapitel 2, 3 und 4 geschaffen wurden, wird in Kapitel 5 in einem ersten Anlauf Mezzanine-Kapital hinsichtlich seiner Mittelstandstauglichkeit untersucht. Es wird insbesondere überprüft, ob sich mezzanine Finanzierungen zur Bewältigung der in Kapitel 2 aufgezeigten Herausforderungen eignen. Weiterhin wird untersucht, ob Mezzanine-Kapital für den einzelnen Mittelständler als Finanzierungsalternative in Betracht kommt, woraufhin Anforderungen an mittelstandskompatible Mezzanine-Produkte abgeleitet werden. Schließlich wird im letzen Abschnitt dieses Kapitels eine komprimierte Darstellung bekannter Mezzanine-Produkte geliefert, was der späteren vergleichenden Darstellung der Mittelstandstauglichkeit des Nord/LB Produkts dienen soll.
Im folgenden Kapitel 6 wird das neue Mezzanine-Kapital Produkt der Nord/LB so detailliert wie möglich dargestellt. Dabei wird auf die erarbeiteten Grundlagen der vorigen Kapitel zurückgegriffen, welche die Grundlagen zur Beurteilung der Mittelstandstauglichkeit dieses Produkts liefern. Nachdem aufbauend auf Kapitel 5 eine praxisnähere Beurteilung der Mittelstandstauglichkeit von Mezzanine-Kapital geleistet wurde, kann in Kapitel 7 die Einordnung von Mezzanine-Kapital im Hinblick auf weitere Finanzierungsalternativen erfolgen. Dabei wird insbesondere der potenzielle Beitrag von Mezzanine-Kapital zu einem zukunftsweisenden, alternativer Finanzierungsmix ergründet, der jedoch nur Realität werden kann, sollte sich die Finanzierungskultur des Mittelstands stark wandeln. Schlussendlich erfolgt daraufhin in Kapitel 8 eine kurze Darstellung der erarbeiteten Ergebnisse, während weiterhin ein Blick in die Zukunft der Mittelstandsfinanzierung mit Mezzanine-Kapital gewagt wird.
2 Die Bedingungen der mittelständischen Finanzplanung
Indem in diesem Kapitel die Bedingungen unter denen Mittelständler ihre Finanzierung zu optimieren haben dargestellt werden, soll erforderliches Basiswissen zum Verständnis der folgenden Kapitel sichergestellt werden. Diese Grundlagen sollen insbesondere dazu dienen, die Frage nach der Mittelstandstauglichkeit von Mezzanine-Kapital zu beantworten. Es ist zwingend notwendig einen eventuell vorherrschenden Bedarf nach Finanzierungsalternativen zu ermitteln, denn sollte kaum Bedarf bestehen, so würde dem Einsatz von Mezzanine-Kapital die wirtschaftliche Grundlage fehlen, sodass diese Finanzierungsmöglichkeit nicht als Mittelstandstauglich bezeichnet werden könnte.
2.1 Definition, Bedeutung und Lage des Mittelstands
Diese Arbeit orientiert sich hinsichtlich der Abgrenzung und Unterteilung des Mittelstands in Gruppen, an der ab 01.01.2005 geltenden neuen EU-Regelung.[1] Die derzeit noch gültige Definition wird aufgrund der anstehenden Änderung nicht mehr verwendet.[2] Nach der neuen Definition gelten die in Abb. 1 dargestellten Größenklassen. Folglich sind alle Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen Großunternehmen im Sinne der neuen EU-Definition. Als Mittelstand werden in dieser Arbeit alle Unternehmen verstanden, die keine Großunternehmen sind.
Abb. 1: Die neue EU-Mittelstandsdefinition
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Europäische Union (2003)
Die große gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Mittelstands ist unbestritten und leicht nachzuweisen, weshalb an dieser Stelle auf eine ausführliche Argumentation verzichtet wird.[3] Das im Jahr 2002 fast 70% aller Arbeitnehmer vom Mittelstand beschäftigt wurden, soll hier ausreichen um die obige Aussage zu verifizieren.[4]
Die Rezessionsphase der letzten Jahre war für viele Mittelständler insbesondere aufgrund der starken Konzentration auf die seit langer Zeit schwache Binnennachfrage problematisch.[5] Nach einer aktuellen Umfrage unter Mittelständlern bezeichnen zwei von drei Mittelständlern ihre wirtschaftliche Lage als sehr schlecht oder eher schlecht.[6] Neben der Politik, der schlechten ökonomischen Verfassung der Kunden, schlechter Zahlungsmoral, einem überregulierten Arbeitsmarkt sowie steigendem Preis- und Konkurrenzdruck werden auch die Banken für die schlechte Situation verantwortlich gemacht.
Die schlechte Lage des Mittelstands wird auch bei der Betrachtung der in den letzten Jahren stark angestiegene Zahl der Unternehmensinsolvenzen deutlich. Es ist davon auszugehen, dass die Insolvenzen fast vollständig auf das Konto des Mittelstands gehen. Von 1999 bis 2003 stieg deren Anzahl um 52% auf 19.940, wobei im Jahr 2004 nach Hochrechnungen von Creditreform ca. 19.300 Unternehmensinsolvenzen zu erwarten sind.[7] Die zuletzt positiven Konjunkturmeldungen, die Deutschland bereits am Anfang einer konjunkturellen Aufwärtsentwicklung sehen,[8] lassen jedoch Raum für Hoffnung, dass der leichte Rückgang der Unternehmensinsolvenzen den Anfang eines Trendwechsels bilden könnte.
Neben weiteren Problemen, wie z.B. die vielfach offenen Nachfolgeregelungen, werden aktuell insbesondere Finanzierungsprobleme des Mittelstands konstatiert. In den Nachfolgenden Abschnitten werden die Ursachen dieser Probleme untersucht, welche zum einen beim Mittelstand selber, zum anderen in der Veränderung des Finanzierungsumfelds zu suchen sind.
2.2 Status Quo der Mittelstandsfinanzierung
Nachfolgend wird die aktuelle Situation bezüglich der Finanzierung des deutschen Mittelstands genauer analysiert. Dies geschieht hier insbesondere mit dem Ziel Schwachstellen und Risiken zu erkennen die, wie nachfolgend gezeigt wird, bei sehr vielen Mittelständlern nach wie vor vorhanden sind. Weiterhin soll diese Analyse dazu dienen, im Abschnitt 2.4 die aktuellen Herausforderungen der mittelständischen Finanzplanung zu begründen.
Die Deutsche Bundesbank untersucht in regelmäßigen Abständen eine große Anzahl von Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen. Dabei werden u.a. auch die hochgerechneten, kumulierten Bilanzen aller deutschen Mittelständler veröffentlicht. Hierdurch lassen sich durchschnittliche Finanzierungsstrukturen berechnen, die in der Folgenden Abb. 2 dargestellt sind.
Abb. 2: Durchschnittliche Finanzierungsstruktur des deutschen Mittelstands im Vergleich zu Großunternehmen (im Jahr 2001)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: Deutsche Bundesbank (2003c)
Auf Basis der Daten aus Abb. 2 lassen sich eindeutige Rückschlüsse auf die Finanzierungssituation des Mittelstands ziehen[9] Durch den Vergleich mit der Situation der Großunternehmen, lassen sich folgende wesentliche Merkmale einer typischen mittelständischen Finanzierungssituation bestimmen:
- Schwache Eigenkapitalausstattung
- Hoher Fremdkapitalanteil
- Hohe Bankkreditabhängigkeit
Die in Abb. 2 errechnete Eigenkapitalquote von 7,3% erscheint dramatisch niedrig. Es sind jedoch folgende Faktoren zu berücksichtigen, die eine in Wirklichkeit höhere Eigenkapitalquote und insbesondere eine höhere Haftungsbasis begründen.
- Der Anteil von Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die ihr Vermögen oft aus steuerlichen Gründen auf das Privatvermögen übertragen ist in Deutschland sehr hoch.[10] Ihr Anteil macht 65,6% des Mittelstands aus.[11] Häufig dient dieses private Vermögen dennoch der Besicherung von Unternehmenskrediten und ist deshalb dem Haftkapital zuzurechnen.[12] Dieser Effekt wird besonders deutlich wenn berücksichtigt wird, dass die Bundesbank für Einzelunternehmen eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von ca. -10% für das Jahr 2000 ermittelt hat.[13]
- Außerdem haben deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich sehr hohe Rückstellungen gebildet, welche ökonomisch oft Eigenkapitalcharakter aufweisen.[14] Dies gilt in abgeschwächter Form auch für den Mittelstand.
- Weiterhin ist die Bildung von stillen Reserven in Deutschland aufgrund steuerlicher und handelsrechtlicher Bestimmungen stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. Berechnungen des DIW ergaben für das Jahr 1995 eine durchschnittliche Eigenkapitalquote aller Unternehmen unter Einschluss der stillen Reserven von 40%, wobei die Deutsche Bundesbank zu diesem Zeitpunkt nur 18% auswies.[15]
Aus den genannten Gründen dürfte die tatsächliche Eigenmittelausstattung deutlich über 7,3% für 2003 liegen. Wie aus Abb. 3 erkennbar haben die Auswertungen der KfW denn auch deutlich höhere Eigenkapitalquoten für den Mittelstand ergeben. Aus der Abbildung wird weiterhin die trotzdem im internationalen Vergleich sehr geringe Eigenkapitalausstattung des deutschen Mittelstands deutlich.[16]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: KfW (2003) S. 3 und Kaserer (2004) S. 3
Wie aus Abb. 2 weiter ersichtlich, ist der Mittelstand, im Vergleich zu großen Unternehmen, weitaus abhängiger von Fremdkapital. Bei einer genaueren Analyse der Fremdkapitalstruktur fällt insbesondere die hohe Bankkreditabhängigkeit des Mittelstands auf. Große Unternehmen sind im Durchschnitt nur hinsichtlich ca. 9% ihrer Bilanzsumme abhängig von Bankkrediten, während der Mittelstand mit ca. 37% in einem weitaus stärkern Abhängigkeitsverhältnis gegenüber den Banken steht.
Die starke Bankkreditabhängigkeit spiegelt sich in den Antworten einer aktuellen repräsentativen Umfrage unter Mittelständlern wider, in der gefragt wurde, wie wichtig Bankkredite für die Finanzierung von Investitionen sind. Für ca. 70% des Mittelstands sind Bankkredite unverzichtbar oder sehr wichtig zur Finanzierung von Investitionen.[17]
Die nachfolgende Abb. 4 zeigt zusammenfassend, wie sich die Eigenkapitalsituation mit zunehmender Größe der Unternehmen verbessert, während die Bankkreditabhängigkeit parallel sinkt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: Kaserer (2004), Hommel/Schneider (2003)
Nach herrschender Meinung ist die Ausstattung des deutschen Mittelstands mit Eigenkapital, trotz der oben angesprochenen Einschränkungen hinsichtlich der Aussagekraft des Zahlenmaterials, mangelhaft. Der Zustand der hohen Bankkreditabhängigkeit wird weiterhin heute von einigen Fachleuten als rückständig und entwicklungshemmend kritisiert.[18] Als potenzielles Risiko für den Mittelstand müssen deshalb im Hinblick auf die Finanzierungsstruktur insbesondere diese beiden Zustände angesehen werden.
2.3 Ursachen der vorherrschenden Finanzierungsstruktur
Im Hinblick auf die im vorigen Abschnitt aufgezeigten Risikopotenziale der Mittelstandsfinanzierung, widmet sich dieser Abschnitt der Analyse in der Vergangenheit vorherrschender Bedingungen, die zu einer geringen Eigenkapitalausstattung und einer hohen Bankkreditabhängigkeit geführt haben.
2.3.1 Attraktive Kreditkonditionen als Folge des Wettbewerbs im Bankensektor
Der deutsche Markt für Bankkredite ist durch einen außergewöhnlich intensiven Wettbewerb gekennzeichnet. Eine Erklärung hierfür liefert die relativ geringe Konzentration der deutschen Bankenlandschaft, welche in Abb. 5 im internationalen Vergleich darstellt ist.
Das jede dritte Bank im Euroraum ein deutsches Institut ist und Deutschland weit mehr Banken hat als Frankreich und Italien zusammen[19], verdeutlicht weiterhin die extreme Wettbewerbssituation. Dieser intensive Wettbewerb hat eine im internationalen Vergleich sehr geringe Nettozinsspanne zur Folge, welche in Abb. 6 für das Jahr 2003 dargestellt ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: Bank for International Settlements (2004) S.145
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: Bank for International Settlements (2004) S.137
Die geringe Nettozinsspanne deutscher Banken ist nicht nur Ausdruck und Beleg des Starken Wettbewerbs zwischen den deutschen Banken, sondern deutet gleichzeitig auch auf, im internationalen Vergleich, relativ günstige Bankkreditkonditionen für deutsche Unternehmen hin. Diese Einschätzung wird dadurch untermauert, dass deutsche Unternehmen trotzt des hohen Fremdkapitalanteils im internationalen Vergleich relativ geringe Zinsaufwendungen verbuchen.[20] Insbesondere in der Vergangenheit führte weiterhin eine oftmals extensive Kreditvergabepolitik der Banken zu einer komfortablen Situation hinsichtlich der Verfügbarkeit von Krediten. Es ist daher anzunehmen, dass die Aufnahme von Bankkrediten für viele Unternehmen im Vergleich zu etwaigen Finanzierungsalternativen (z.B. dem Eigenkapital) relativ attraktiv erschien. Aufgrund der Ausrichtung auf möglichst minimale Kapitalkosten war die Präferenz von Bankkrediten somit ökonomisch gerechtfertigt und rational.[21] Diese Erkenntnis liefert somit einen Erklärungsansatz, sowohl für die im internationalen Vergleich geringen Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen (Vgl. Abb. 3), als auch für die große Bedeutung des Bankkredits in der Finanzierungspraxis des deutschen Mittelstands.
2.3.2 Geringe Differenzierung nach Schuldnerbonität
Die in Deutschland noch vergleichsweise geringe Differenzierung der Kreditkonditionen in Abhängigkeit von der Schuldnerbonität liefert einen weiteren Ansatz zum Verständnis der Bankkreditpräferenz des Mittelstands.[22] Viele deutsche Kreditinstitute beklagen, dass die Zinsmargen für Schuldner schlechter Bonität nicht ausreichen um sämtliche Anfallende Kosten zu decken. Die bedeutet, dass diese Gruppe von Kreditnehmern Subventioniert wird, während Schuldner guter Bonität benachteiligt werden. Nach Franke ist dies ein Ansatz um die geringen Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen zu erklären.[23] Gleichzeitig liefert diese Perspektive, insbesondere für den im Durchschnitt mit relativ schlechter Bonität ausgestatteten Mittelstand, einen weiteren Grund der Bankkreditpräferenz, da über diesen Weg subventionierte Kredite in Anspruch genommen werden konnten.
2.3.3 Managementdefizite
Einen weiteren, sicherlich trivialen Grund, für eine hohe Bankkreditpräferenz liegt vermutlich (leider) in der teilweise fehlenden Professionalität der für Finanzierungsfragen Verantwortlichen in mittelständischen Unternehmen. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht geringer Teil der aufgenommenen Bankkredite durch attraktivere Finanzierungsformen substituiert werden könnten, wenn die notwendige Transparenz, Qualifikation und Information in jedem mittelständischen Unternehmen ausreichend vorhanden wäre. Defizite in diesen Bereichen können dazu führen, dass kein Bewusstsein über den Bedarf nach alternativen Finanzierungslösungen vorherrscht. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich das Problem der mangelnden Professionalität zukünftig abmildert, da in Zukunft mit verschärften Anforderungen an die Finanzplanung aufgrund steigender finanzwirtschaftlicher Komplexität zu rechnen ist.[24]
2.3.4 Eingeschränkte Einsetzbarkeit von Finanzierungsalternativen
Abb. 7: Finanzierungsalternativen nach Unternehmensgröße
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Kaserer (2004), S. 9
Die im Vergleich zu großen Unternehmen eingeschränkte Einsetzbarkeit bestimmter Finanzierungsalternativen liefert einen weiteren Hinweis zum Verständnis der verschärften Konzentration des Mittelstands auf den Bankkredit. So wird bei der Betrachtung von Abb. 8 deutlich, dass insbesondere für kleine Unternehmen nur wenige der Dargestellten Finanzierungsalternativen prinzipiell einsetzbar sind.
2.3.5 Psychologische und sonstige Ursachen
Zur Erklärung der vorherrschenden Finanzierungssituation und des Finanzierungsverhaltens der Mittelständler können weiterhin folgende Aspekte herangezogen werden:[25]
- Spezifika des deutschen Steuersystems und Rechnungslegungsvorschriften führen zu höherer Attraktivität von Fremdkapital im Vergleich zu Eigenkapital.
- Das Hausbankenprinzip führt zu transaktionskostenminimierendem „Relationship Lending“.
- Eine dem Mittelstand attestierte „Herr im Haus“ Mentalität führt zu Vorbehalten hinsichtlich der Aufnahme von „fremdem“ Eigenkapital.
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Erklärung der Bankkreditabhängigkeit könnte in der psychologischen Analyse bestimmter Unternehmertypen liegen.[26] Nach Einschätzung des Autors könnten 21,7% bis 44,5% der Mittelständler aufgrund ihres psychologischen Profils vom Einsatz neuartiger alternativer Finanzierungsformen absehen, was sich wiederum ein einer verstärkten Bankkreditpräferenz widerspiegeln könnte. Gründe hierfür könnten z.B. in allgemeiner Neuerungsfeindlichkeit, fehlender langfristiger strategischer Ausrichtung, fehlendem Interesse für neue Entwicklungen, ausgeprägtem Vertrauen auf bewährte Vorgehensweisen oder fehlender Risikobereitschaft liegen.
2.4 Zwischenfazit I: Bankkredite waren die attraktivste Finanzierungsform
Der Status Quo der Mittelstandsfinanzierung ist ergo im Wesentlichen die Folge bestimmter finanzwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, wie einer hohen Wettbewerbsintensität im Bankensektor und einer unzureichenden Differenzierung der Kreditkonditionen nach Schuldnerbonität. Dies hat in der Vergangenheit zu einer besonders hohen Attraktivität der Finanzierungsform Bankkredit geführt. Es gab folglich handfeste ökonomische Gründe für die geringe Eigenkapitalausstattung und die hohe Bankkreditabhängigkeit des Mittelstands. Es liegt somit nahe, dass die Finanzierung mit Eigenmitteln, aber auch die Aufnahme von Krediten über den Kapitalmarkt sowie andere alternative Finanzierungsformen, wie z.B. das später ausführlich vorgestellte Mezzanine-Kapital, für viele Unternehmen aufgrund der attraktiven Bankkredite vergleichsweise uninteressant erschien. Weiterhin haben das Hausbankprinzip, steuerliche Gegebenheiten, die Mentalität und fehlende Professionalität vieler Mittelständler und die mangelnde Verfügbarkeit von innovativen Finanzierungsalternativen zu einer verstärkten Präferenz des Bankkredits und einer schwachen Eigenkapitalausstattung geführt.
Da in absehbarer Zeit nicht von einer sich schlagartig verändernden Wettbewerbssituation im Bankensektor auszugehen ist, und auch andere oben angesprochene Faktoren sich kaum grundlegend ändern werden, wird der Bankkredit wohl weiterhin eine attraktive Finanzierungsalternative darstellen. Inwieweit diese Attraktivität jedoch sinken wird, und die sich daraus ergebenden Folgen für die Mittelständische Finanzplanung sind Gegenstand der Untersuchung der folgen Abschnitte.
2.5 Neue Anforderungen an die mittelständische Finanzplanung
Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen zeigt sich in zunehmendem Maße, dass die derzeitige Finanzierungsstruktur vieler Mittelständler den zukünftigen Anforderungen nicht gewachsen sein wird. Aufgrund des fortschreitenden Finanzmarktwandels ergibt sich ein drastisch veränderndes Umfeld, welches höhere Anforderungen, insbesondere an die Eigenkapitalausstattung von Mittelständlern stellt.
Um die Herausforderungen zu verstehen, mit denen sich der Mittelstand aktuell und zukünftig konfrontiert sieht[27], werden im folgenden Abschnitt zunächst die Ursachen des Finanzmarktwandels aufgezeigt. Der Wandel auf den Finanzmärkten begründet die grundlegenden Veränderungen der Rahmenbedingungen der Mittelständischen Finanzplanung, was den Mittelstand vor neue Herausforderungen stellt.
2.5.1 Auslöser des Finanzmarktwandels
Zusammengefasst unter dem Begriff Finanzmarktwandel, gibt es im Wesentlichen zwei Aspekte, die als Ursachen veränderter Rahmenbedingungen der Mittelstandsfinanzierung bezeichnet werden können. Zum einen sind hier die viel diskutierten Auswirkungen der neuen Eigenkapitalregeln im Rahmen von Basel II zu nennen. Zum anderen existieren erhebliche Ertragsprobleme im deutschen Bankensektor, deren Beseitigung ein verändertes Bankverhalten impliziert.
2.5.1.1 Basel II
Die vom Ausschuss für Bankenaufsicht entwickelte neue Eigenkapitalvereinbarung führt dazu, dass sich die Eigenkapitalanforderungen an Banken bei der Unterlegung von Krediten stärker an den realen Risikoverhältnissen der Kreditkunden orientieren. Um eine stärkere Ausrichtung der Kreditkonditionen an den tatsächlichen Kreditrisiken zu ermöglichen, sollen verstärkt Bankinterne und externe Ratings zur Beurteilung der Schuldnerbonität eingesetzt werden. Diese Ratings sollen jeden einzelnen Kreditnehmer hinsichtlich seines individuellen Ausfallrisikos beurteilen, wobei das Ergebnis die Eigenkapitalanforderungen an die kreditgebende Bank zur Unterlegung des Kredits bestimmen. Da Eigenkapital ein knappes Gut bei den Kreditinstituten darstellt, werden deshalb Kredite, die wegen eines schlechten Ratings mit viel Eigenkapital unterlegt werden müssen, tendenziell teurer sein, also solche für deren Unterlegung weniger Eigenkapital notwendig ist. Basel II führt somit zu einer erhöhten Konditionenspreizung zwischen Schuldnern guter und schlechter Bonität, wobei Kreditkonditionen für Schuldner schlechter Bonität unattraktiver werden und Schuldner guter Bonität sogar günstigere Konditionen erhalten können.[28]
2.5.1.2 Ertragsprobleme deutscher Banken
Die Trends der Globalisierung, Liberalisierung und Securization[29] haben einen tiefgehenden Wandel des internationalen Finanzsektors bewirkt, der auch zu einer grundlegenden Veränderung der Marktbedingungen deutscher Kreditinstitute geführt hat.[30] Neben zunehmender internationaler Konkurrenz, sehen sich die deutschen Kreditinstitute angesichts ihrer Ertragsprobleme unter zunehmendem Druck, ihre Rentabilität den Anforderungen des international mobilen Kapitals anzupassen (vgl. Abb. 8). Die außerordentliche Ertragsschwäche der deutschen Bankenbranche hat folgende wesentliche Ursachen:[31]
- Schwache Konjunktur
- Intensiver Wettbewerbsdruck[32]
- Kein solides Risikomanagement
- Ca. 9,5% der Gesamtausleihungen sind notleidend
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: Bank for International Settlements (2004) S.137
Auch wenn die schwache konjunkturelle Lage und die hohe Wettbewerbsintensität einen maßgeblichen Anteil an der aktuell sehr schlechten Ertragslage der Banken haben, muss ein verbessertes Risikocontrolling, nicht nur aufgrund der Anforderungen von Basel II[33], ein zentrales Anliegen deutscher Banken sein. Obwohl in der Vergangenheit auf diesem Gebiet schon viele Fortschritte gemacht wurden, wird weiterhin insbesondere eine unzureichende Marktorientierung bei der Beurteilung von Kreditrisiken bemängelt.[34] Das fast 1/10 der Gesamtausleihung notleidend sind, ist das Ergebnis einer in der Vergangenheit verfehlten Risikopolitik, welche das Ziel hatte durch hochriskante Ausleihungen Mehrerträge zu erzielen.[35]
Nachdem sich das Rating vieler deutscher Großbanken in den letzten Jahren bereits verschlechtert hat, drohen aufgrund dieser aktuellen Entwicklungen weitere Herabstufungen. Auch die öffentlichen Banken werden durch den anstehenden Wegfall der Staatsgarantien, mit Ratingherabstufungen konfrontiert sein. Aufgrund dieser zu erwartenden Entwicklung werden für viele deutsche Banken die Refinanzierungskosten, sofern noch nicht geschehen, in naher Zukunft weiter steigen. Diese Entwicklungen lassen vermuten, dass die ohnehin geringe Nettozinsspanne (Vgl. Abb. 6), von der Refinanzierungskostenseite ausgehend, weiter unter Druck geraten wird.
2.5.2 Herausforderungen der mittelständischen Finanzplanung
Angesichts des Bewusstseins, dass die Finanzplanung in der Vergangenheit durch die in Abschnitt 2.3 beschrieben Rahmenbedingungen wesentlich erleichtert wurde, sehen sich deutsche Mittelständler angesichts ihrer problematischen Finanzierungsstruktur mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Die Gründe hierfür liegen in den veränderten Rahmenbedingungen im Zuge des fortschreitenden Finanzmarktwandels, ergo insbesondere in den Veränderungen im Rahmen der Umsetzung von Basel II und den Ertragsproblemen der deutschen Banken. Die hohe Bankkreditabhängigkeit und geringe Eigenkapitalausstattung des Mittelstands führt dazu, dass sich der Mittelstand in akzelerierter Form mit den Auswirkungen des Finanzmarktwandels konfrontiert sehen wird.
Für Mittelständler ist es zunächst einmal wichtig, den fortlaufenden Finanzmarktwandel als Chance für ihr Unternehmen zu begreifen und nicht vor den steigenden Anforderungen zu kapitulieren. Neben den Risiken und Problemen, mit denen sich Mittelständler konfrontiert sehen, kann dieser Wandel auch durchaus positive Auswirkungen auf den einzelnen Mittelständler haben.
Dieser Abschnitt versucht einen Überblick über die zukünftigen Herausforderungen zu liefern, mit denen sich das Finanzmanagement mittelständischer Unternehmen konfrontiert sehen wird. Viele der hier angesprochenen Aspekte haben in jüngster Zeit bereits große Auswirkungen gehabt, wobei davon auszugehen ist, dass sich diese Trends weiter fortsetzen.
2.5.2.1 Der „Credit Crunch“
In der Literatur wird seit längerer Zeit gelegentlich der Begriff „Credit Crunch“ oder „Finanzierungsklemme“ verwendet um die Situation zu beschreiben, mit der sich der Mittelstand aktuell bezüglich seiner Kreditaufnahmemöglichkeiten konfrontiert sieht. Unter einem „Credit Crunch“ ist nach der Definition eines US-Amerikanischen Internetlexikons ein Zustand zu verstehen, indem zu wenige Finanzmittel den Unternehmen und Konsumenten in Form von Krediten angeboten werden, wobei hohe Zinsen vorherrschen.[36]
Fest steht, dass Kreditaufnahmen für sehr viele Mittelständler in letzter Zeit schwieriger geworden sind. Durch die Betrachtung von Abb. 9 wird deutlich, dass fast der halbe Mittelstand von dieser Entwicklung betroffen ist, wobei immerhin auch mehr als ein Drittel der Großunternehmen über einen verschlechterten Zugang zu Krediten klagt. Ob anhand dieser Umfragedaten von einem „Credit Crunch“ in Form der obigen Definition gesprochen werden kann ist jedoch fraglich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: KfW (2004a) S. 14, Institut für Mittelstandsforschung (2004a) S. 15
Aktuelle Daten zu der Entwicklung des Kreditvergabevolumens bestätigen die Einschätzung der befragten Unternehmer. Bei der Betrachtung von Abb. 10 ist jedoch zu beachten, dass in den letzten Jahren Konjunkturbedingt eine geringere Nachfrage nach Krediten bestand und das in den letzten zwei Jahren permanent gefallene Kreditvergabevolumen deshalb nur zum Teil Ausdruck einer erschwert möglichen Kreditaufnahme sein kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: Deutsche Bundesbank (2004a)
Eine aktuelle empirische Analyse auf Basis eines Ungleichgewichsmodells kommt denn auch zu dem Ergebnis, dass die Kreditentwicklung in Deutschland nicht allein durch die konjunkturelle Schwäche erklärt werden kann. Die Ursachen für diese Situation werden dabei weniger auf der Kreditnachfrageseite, als auf der Kreditangebotsseite gefunden. Es wurden ergo Kreditanträge abgelehnt, denen früher in vergleichbaren Konjunkturphasen stattgegeben worden wäre. Nach Einschätzung der Autoren der Studie hat somit, bezüglich eines eingeschränkten Angebots, eine „Kreditklemme“ vorgelegen.[37]
Die Frage nach der Existenz eines „Credit Crunch“ ist somit, was den Aspekt eines rationierten Kreditangebots anbelangt, zu bejahen. Das zweite charakteristische Merkmal eines „Credit Crunch“, hohe Zinsen, scheint jedoch kein Merkmal der gegenwärtigen Finanzierungssituation des Mittelstands zu sein. Angesichts historisch niedriger Zinsen, kann gesagt werden, dass es sich in dieser Hinsicht aktuell nicht um einen „Credit Crunch“ handelt. Diese Einschätzung wird durch die Betrachtung von Abb. 11 bestätigt. Die dargestellte Entwicklung der Zinsen für langfristige Bankkredite gibt für das letzte Jahr keinen Anlass von einer allgemeinen Entwicklung hin zu höheren Zinsen zu sprechen.[38]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Datenbasis: Bundesbank (2004b)
Angesichts der in Abschnitt 2.5.1.2 dargestellten Ertragsprobleme deutscher Banken ist jedoch zukünftig tendenziell von allgemein steigenden Zinsen für Mittelstandskredite auszugehen. Trotz des immensen Konkurrenzdrucks wird es zu einer allgemeinen Verteuerung von Krediten, über alle Risikoklassen hinweg kommen müssen, da die Banken ihre gegenwärtige Schwächesituation nicht akzeptieren werden und können. Eine erhöhte Zinsspanne wird angesichts der dramatischen Ertragsprobleme das Ziel vieler Institute sein, wobei hier zusätzlicher Druck durch eine vielfach verteuerte Refinanzierung vorliegen wird.[39]
2.5.2.2 Veränderte Kreditvergabepolitik der Banken
In einem engen Zusammenhang zu der im vorigen Abschnitt festgestellten Kreditangebotsrationierung, steht die sich in den letzten Jahren stark veränderte Kreditvergabepolitik vieler Banken. Insbesondere die großen Kreditinstitute passen sich den neuen Bedingungen zunehmend an und haben als Resultat ihre Kreditvergabebedingungen verschärft. Neben der im vorigen Abschnitt beschriebenen allgemeinen Zurückhaltung bei der Kreditvergabe, ist insbesondere eine zunehmende Bonitätsdifferenzierung bei der Bestimmung der Kreditkonditionen zu beobachten. Die Banken haben das von ihnen übernommene Kreditrisiko mit Hilfe aktiver Risikomanagementsysteme beschränkt, sodass es zu einer steigenden Marktorientierung[40] hinsichtlich der Kreditkonditionen gekommen ist (vgl. Abb. 12).
Insbesondere bonitätsschwache Mittelständler werden zukünftig, als Resultat eines verbesserten Risikomanagements der Banken, stärker von Kreditrationierung und hohen Zinssätzen betroffen sein. Diese, sich im vollen Gange befindliche Entwicklung, ist die logische Konsequenz der unter Abschnitt 2.5.1 beschrieben Aspekte. Aus Sicht der Banken ist eine erhöhte Risikodifferenzierung auch dringend notwendig, da insbesondere auch zunehmende Kreditausfälle zu der aktuellen Ertragskrise im Bankensektor geführt haben. Beschleunigt wird dieser Trend weiterhin durch die hohen Anforderungen von Basel II an das interne Risikomanagement der Banken. Dies führt dazu, dass selbst die Banken, die sich selbst nicht in einer Ertragskrise sehen, dazu veranlasst werden stärker nach Bonität zu differenzieren und somit die Zinssätze für viele Mittelständler schwacher Bonität steigen werden, sofern sie überhaupt noch Kredite erhalten.
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Die zumeist mit Hilfe interner Ratings durch die Banken ermittelte Bonität mittelständischer Unternehmen, ist somit in Zukunft das entscheidende Merkmal, von dem die Entscheidung für oder gegen die Gewährung eines Kredits abhängt. Dabei ist als wesentliches Bonitätsmerkmal, das vorhanden sein einer ausreichenden Haftkapitalmasse im Form von Eigenkapital und entsprechenden Sicherheiten entscheidend. Angesichts der besonders schwachen Eigenkapitalausstattung des Mittelstands, begründet die steigende Bedeutung der Eigenkapitalausstattung eine der wesentlichen Herausforderungen, mit denen sich Mittelständische Unternehmen konfrontiert sehen müssen. Die Erhöhung des Haftkapitals durch echtes Eigenkapital oder Eigenkapitalsurogate muss ein wesentliches Anliegen der mittelständischen Finanzplanung sein um das Ziel eines verbesserten Ratings zu erreichen.
Die Ursachen für die auf breiter Front erschwerte Kreditaufnahme sind ergo im Wesentlichen in einer veränderten Kreditvergabepolitik einhergehend mit einem verbesserten Risikomanagement mit dem Ziel einer erhöhten Wertorientierung der Banken zu suchen. Die KfW hat in diesem Zusammenhang eine Umfrage unter deutschen Unternehmen durchgeführt um die Gründe für die schwerere Kreditaufnahme zu ermitteln (vgl. Abb. 13). Leider wurde in der Umfrage nicht die Frage nach erhöhten Eigenkapitalanforderungen explizit gestellt. Die Forderung nach mehr Sicherheiten ist jedoch gleichzusetzen mit erhöhten Eigenkapitalanforderungen.
Aus Sicht der Mittelständler äußert sich das veränderte Bankverhalten denn auch insbesondere in der verstärkten Notwendigkeit entsprechender Sicherheiten. Weiterhin werden seit kurzem höhere Anforderungen hinsichtlich Offenlegung und Dokumentation an die Unternehmen gestellt und fast 50% der Mittelständler haben sogar Probleme überhaupt weitere Kredite zu bekommen. Immerhin 30% sind der Ansicht, es sei in jüngster Zeit eine allgemeine Klimaverschlechterung hinsichtlich der Verfügbarkeit von Bankkrediten eingetreten, wobei etwa 25% eine längere Bearbeitungs- und Entscheidungsdauer, welche z.B. eine Folge der erhöhten Risikodifferenzierung sein könnte, beklagt. Weitere 30% beanstanden höhere Zinsen als Grund für eine erschwerte Kreditaufnahme.
[...]
[1] Vgl. Europäische Union (2003)
[2] Vgl. Europäische Union (1996)
[3] Vgl. hierzu z.B.: Institut für Mittelstandsforschung (2004b)
[4] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung (2004b)
[5] Vgl. KfW (2004b) S. 11
[6] Vgl. Manager Magazin (2003) S. 1
[7] Vgl. Creditreform (2004)
[8] Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (2004)
[9] Vgl. Deutsche Bundesbank (2001) S. 63
[10] Vgl. KfW (2003) S. 4
[11] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung (2004a) S. 15
[12] Vgl. KfW (2003) S. 4
[13] Vgl. Deutsche Bundesbank (2003a) S. 64
[14] Vgl. KfW (2003) S. 4
[15] Vgl. KfW (2003) S. 4
[16] Analysen der KfW zeigen, dass diese Situation nicht nur für das verarbeitende Gewerbe, sondern auch für den gesamten Mittelstand gilt
[17] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung (2004a) S. 19
[18] Vgl. Rajan/Zingales (2003)
[19] Vgl. BVB (2003) S. 11
[20] Vgl. KfW (2003) S. 3f
[21] Vgl. Franke (2004) S. 35
[22] Vgl. Abschnitt 2.5.2.2
[23] Vgl. Franke (2004) S. 35
[24] Vgl. Abschnitt 2.5.2.3
[25] Vgl. KfW (2003) S. 6
[26] Vgl. Institut für Mittelstandsforschung (2004a) S.44ff
[27] Vgl. Abschnitt 2.5.2
[28] Vgl. Buzziol (2001) S. 5
[29] Verbriefung von z.B. Eigentumsrechten oder Forderungen mit dem Ziel hoher Fungibilität
[30] Vgl. Buzziol (2001) S. 4
[31] Vgl. Bank for International Settlements (2004) S.137f
[32] Vgl. Abschnitt 2.3.1
[33] Vgl. Abschnitt 2.5.1.1
[34] Vgl. Bank for International Settlements (2004) S. 137f
[35] Vgl. ebenda S. 138
[36] Vgl. Freedictionary.com (2004); Originaltext: "a state in which there is a short supply of cash to lend to businesses and consumers and interest rates are high”
[37] Vgl. Nehls/Schmidt (2003) S. 39
[38] Es wird angenommen, dass Bankkredite unter 1 Mio. € vorwiegend von mittelständischen Kapitalgesellschaften aufgenommen werden (eingeschränkte Datenverfügbarkeit, ältere Daten liegen nicht vor).
[39] Vgl. Abschnitt 2.5.1.2
[40] Z.B. in Bezug auf die Verzinsung öffentlich gehandelter Anleihen
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- Thilo Soboll (Author), 2004, Die Mittelstandstauglichkeit von Mezzanine Kapital am Beispiel einer Produktinnovation der Norddeutschen Landesbank, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31283
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