Mangelnde Fürsorge, physische, psychische oder gar sexuelle Misshandlung sind nach allen einschlägigen Erfahrungen nicht einem wie auch immer gearteten Strukturwandel geschuldet, sondern gehören unbestritten in manchen Familien bedauerlicherweise zum Alltag. Außenstehende sehen sich in solchen Fällen regelmäßig nicht nur mit der Frage konfrontiert, wie “so etwas” geschehen konnte, sondern auch mit der Frage nach den Verantwortlichkeiten.
Schwierig wird es, wenn wir persönlich, sei es als Fachkraft oder Privatperson Kenntnis erlangen von Situationen, oder Handlungen beobachten, die dem Bereich der Kindeswohlgefährdung zuzuordnen sind. Zumeist handeln die Eltern nämlich nicht aus Überzeugung, sondern reagieren inadäquat auf Lebensumstände, die sie zu diesem Zeitpunkt überfordern. Diese Sicht der Dinge ist auch Ausfluss der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts, wonach, Eltern grundsätzlich am besten zur Pflege und Erziehung und damit auch zum Schutz ihrer Kinder geeignet sind.
Das neue Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (BKiSchG), das am 01.01.2012 in Kraft trat, soll nun die Rahmenbedingungen schaffen, dass Familien eine umfassende Unterstützung erfahren mit dem Ziel, eventuelle Grenzsituationen gar nicht erst entstehen zu lassen bzw. durch entsprechend genutzte Hilfsangebote abzumildern.
Während meiner Hospitation im Jugendamt Lindau hatte ich die Möglichkeit, die ersten Schritte zur Umsetzung des BKiSchG begleiten zu können. Die vielen damit verbundenen Unsicherheiten, die in Fragen münden wie die nach
- den geeigneten Wegen und Methoden wie die in Frage kommenden Akteure für eine Zusammenarbeit gewonnen werden können
- der richtigen und sinnvollen Ausgestaltung des Rechtsanspruchs auf Beratung durch eine insoweit erfahrenen Fachkräfte
- der Information wirklich aller Eltern
- dem Transport geeigneter Hilfen ohne tatsächliche oder vermeintliche Kontrollaspekte
- und nicht zuletzt der Frage, nach der Finanzierung, weckten mein Interesse, den Gesetzestext genauer anzuschauen.
Im Rahmen meiner Literarturarbeit werde ich mich bei der Beantwortung dieser Fragen auf den Kernbereich des BKiSchG, die “Frühen Hilfen”, konzentrieren.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Abkürzungsverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- Einleitung
- Kapitel 1 Vorgeschichte zum neuen Bundeskinderschutzgesetz
- 1.1 Kindeswohl in der UN-Kinderrechtskonvention
- 1.2 Kindeswohl aus verfassungsrechtlicher Sicht
- 1.3 Zur Herstellung eines politischen Handlungsbedarfes
- 1.4 Politische Reaktionen
- 1.5 Zur Finanzierung der Gesetzesumsetzung
- Kapitel 2 Wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage für "Frühe Hilfen"
- 2.1 Einfluss der Sozialisationssysteme auf die kindliche Entwicklung
- 2.2 Besonderheiten der frühen Kindheit
- 2.3 Annäherung an den Begriff der Kindeswohlgefährdung
- 2.3.1 Vernachlässigung
- 2.3.2 Körperliche Misshandlung
- 2.3.3 Seelische Misshandlung
- 2.3.4 Sexueller Missbrauch
- 2.4 Zur Bedeutung der Feinfühligkeit
- Kapitel 3 Anforderungen und Stolpersteine bei der Umsetzung
- 3.1 Eckpunkte des Gesetzes
- 3.2 Information der Eltern über Unterstützungsangebote in Fragen der Kindesentwicklung
- 3.3 Verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz
- 3.4 Kooperation einer Vielzahl von Akteuren
- 3.5 Erfassung von Misshandlungen
- 3.6 Befugnisnorm der Berufsgeheimnisträger
- 3.7 Der einseitige Fokus auf die "Frühen Hilfen"
- 3.8 Niederschwelligkeit der "Frühen Hilfen"
- Kapitel 4 Analyse von Chancen und Grenzen
- Die Bedeutung des Kindeswohls in der UN-Kinderrechtskonvention und im deutschen Recht
- Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Kindeswohlgefährdung auf die Entwicklung von Kindern
- Die Herausforderungen und Chancen der Umsetzung des neuen Bundeskinderschutzgesetzes
- Die Rolle der "Frühen Hilfen" in der Prävention von Kindeswohlgefährdung
- Die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit aller Akteure im Kinderschutz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit dem neuen Bundeskinderschutzgesetz und analysiert dessen Chancen und Grenzen im Bezug auf die "Frühen Hilfen". Die Arbeit verfolgt das Ziel, die rechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen des Gesetzes zu beleuchten, die Umsetzung des Gesetzes in der Praxis zu untersuchen und die Bedeutung der "Frühen Hilfen" für die Prävention von Kindeswohlgefährdung zu erörtern.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 befasst sich mit der Vorgeschichte des neuen Bundeskinderschutzgesetzes. Es werden die rechtlichen Grundlagen des Kindeswohls in der UN-Kinderrechtskonvention und im deutschen Recht beleuchtet. Zudem wird der politische Handlungsbedarf für die Reform des Kinderschutzes dargestellt und die politischen Reaktionen auf die Herausforderungen im Kinderschutz beleuchtet.
Kapitel 2 befasst sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die "Frühen Hilfen" als Grundlage für die Prävention von Kindeswohlgefährdung unterstreichen. Es wird der Einfluss der Sozialisationssysteme auf die kindliche Entwicklung sowie die Besonderheiten der frühen Kindheit beleuchtet. Des Weiteren wird der Begriff der Kindeswohlgefährdung näher betrachtet und die Bedeutung von Feinfühligkeit für die gesunde Entwicklung von Kindern herausgestellt.
Kapitel 3 analysiert die Anforderungen und Stolpersteine bei der Umsetzung des neuen Bundeskinderschutzgesetzes. Es werden die Eckpunkte des Gesetzes vorgestellt, die Notwendigkeit der Information der Eltern über Unterstützungsangebote in Fragen der Kindesentwicklung, die Bedeutung von Netzwerkstrukturen im Kinderschutz und die Herausforderungen bei der Kooperation verschiedener Akteure im Kinderschutz beleuchtet. Des Weiteren werden die Erfassung von Misshandlungen und die Befugnisnorm der Berufsgeheimnisträger diskutiert. Abschließend werden die Chancen und Grenzen des Gesetzes im Hinblick auf die "Frühen Hilfen" betrachtet.
Schlüsselwörter
Bundeskinderschutzgesetz, Kindeswohl, Frühe Hilfen, Kinderschutz, Prävention, Kindeswohlgefährdung, Entwicklung, Sozialisation, Vernachlässigung, Misshandlung, Netzwerkstrukturen, Kooperation, Berufsgeheimnis
- Arbeit zitieren
- Sylvia Schmid (Autor:in), 2012, Chancen und Grenzen des neuen Bundeskinderschutzgesetzes im Bezug auf die "Frühen Hilfen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312357
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