Ich begann diese Arbeit zum Ende des Jahres 2003 – zu einem guten Zeitpunkt, um sich einen Überblick über dieses fast abgelaufene Jahr zu verschaffen.
Neben vielen anderen Dingen, die 2003 geprägt haben, interessierte mich an dieser Stelle insbesondere ein Schlagwort, das die Innenpolitik in besonderem Maße gekennzeichnet hat – nämlich das der „Reform“, und zwar in mannigfaltigsten Ausführungen wie Reformstau, Gesundheitsreform, Reformdruck ……...
Es war das Jahr, in dem die Bundesregierung die Reformen, von denen schon seit langem (nicht nur von ihr) gesprochen wurde, auch tatsächlich anpacken wollte – und dies auch getan hat, indem sie in einer der letzten Wochen des Jahres einige Vorhaben wie z.B. die Gesundheitsreform durch den Bundestag gebracht hat. Es war dies der Beginn einer umfassenden Änderung der Strukturen des Staates, es geht um nicht weniger als den Umbau des Sozialstaats – mit zu erwartenden tief greifenden gesellschaftlichen Folgen.
Angesichts der großen, für alle Teile der Gesellschaft bedeutungsvollen Vorhaben ist es dabei nicht wirklich verwunderlich, dass ein Reformvorhaben in der öffentlichen Wahrnehmung völlig untergegangen ist – die Reform des Betreuungsrechts.
Dies mag daran liegen, dass es sich hierbei um ein vermeintlich nur eine Minderheit betreffendes Thema von geringerer Bedeutung handelt. Infolgedessen wird es fast ausschließlich von denen, die bereits in irgendeiner Weise Berührung damit haben oder sich professionell mit der Materie beschäftigen, wahrgenommen.
Die tatsächliche Bedeutung des Betreuungsgesetzes steht jedoch im krassen Gegensatz zu seiner geringen Bekanntheit.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom 1.7.1980 festgestellt, dass „Rechtliche Betreuung Rechtsanspruch des schutzbedürftigen Einzelnen ist und zu den obersten Aufgaben der staatlichen Wohlfahrtspflege gehört“.
Hiermit ist eine klare Aussage getroffen, dass die Gesellschaft eine wohlfahrtsstaatlichgesellschaftliche Verpflichtung zur Fürsorge für den schutzbedürftigen Schwachen hat. Diese wird in eben jenem Betreuungsgesetz umgesetzt, in dem sich die Vorgaben dafür finden, welche rechtlichen Kompetenzen der Staat seinem Bürger, der „….auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann….“ zubilligt. Gemäß diesem Gesetz stellt er ihm einen Betreuer zur Seite, der die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gesetzliche Vertretung behinderter Menschen - damals, heute und morgen
- Vormundschaft und Pflegschaft für Erwachsene - die Situation bis 1991
- Übersicht: 2000 Jahre Vormundschaft
- Das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht für Volljährige im Bürgerlichen Gesetzbuch
- Das Betreuungsrecht – die „Jahrhundertreform“ und ihre Auswirkungen (1992 - wahrscheinlich Ende 2004)
- Voraussetzungen der Betreuerbestellung
- Person des Betreuers
- Umfang der Betreuung, Pflichten des Betreuers
- Verschiedene Rechtsfolgen der Betreuung: Gesetzliche Vertretung und Einwilligungsvorbehalt
- Besondere Regelungen der Personensorge
- Weitere Vorschriften im BGB und im FGG (Verfahrensrecht)
- Das 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetz von 1999 – erste Schritte zurück
- Die „Rolle rückwärts“ – die geplante Reform des Betreuungsrechts (beabsichtigtes Inkrafttreten zum 1.1.2005)
- Kritikpunkte im Einzelnen
- Falsche Angaben zur Ausgangslage
- Gesetzliche Vertretungsmacht für Angehörige/Stärkung der Vorsorgevollmacht
- Pauschalierung der Betreuervergütung
- Kostenersparnis durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz ?
- Kritikpunkte im Einzelnen
- Vormundschaft und Pflegschaft für Erwachsene - die Situation bis 1991
- Gesetzliche Vertretung behinderter Menschen - eine diakonische Aufgabe ?
- Historischer Abriss - Betreuungsarbeit bis heute
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die Reform des Betreuungsrechts und ihre Auswirkungen auf die rechtliche Vertretung behinderter Menschen sowie die Arbeit diakonischer Betreuungsvereine. Sie analysiert die historischen Entwicklungen des Betreuungsrechts und hinterfragt die geplante Reform kritisch.
- Die Entwicklung des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts für Erwachsene bis zur Einführung des Betreuungsrechts.
- Die Veränderungen des Betreuungsrechts seit seiner Einführung und die Auswirkungen der geplanten Reform.
- Die Rolle diakonischer Betreuungsvereine in der rechtlichen Vertretung behinderter Menschen.
- Die ethischen und rechtlichen Herausforderungen, die sich aus der Reform des Betreuungsrechts für die diakonische Arbeit ergeben.
- Die Bedeutung des Betreuungsrechts für die gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die aktuelle Situation im Betreuungsrecht und die Notwendigkeit der Reform beleuchtet. Anschließend wird in Kapitel 2 das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht für Erwachsene bis zur Einführung des Betreuungsrechts im Jahr 1992 dargestellt. Es werden die historischen Entwicklungen, die Rechtsgrundlagen und die Kritikpunkte des alten Systems erörtert. Kapitel 2.2 widmet sich dem Betreuungsrecht als Reform des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts, seiner Einführung und den Auswirkungen auf die rechtliche Vertretung behinderter Menschen. In Kapitel 2.3 wird das erste Betreuungsrechtsänderungsgesetz von 1999 analysiert, das erste Schritte in Richtung einer „Rolle rückwärts“ einleitete. Kapitel 2.4 beschreibt die geplante Reform des Betreuungsrechts und beleuchtet die Kritikpunkte an dieser Entwicklung. In Kapitel 3 wird die Frage behandelt, ob die gesetzliche Vertretung behinderter Menschen eine diakonische Aufgabe ist. Es werden die Grundlagen der Diakonie und deren Bezug zur Betreuungsthematik beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Diplomarbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen und Konzepten des Betreuungsrechts, der rechtlichen Vertretung behinderter Menschen, der diakonischen Arbeit, der Reform des Betreuungsrechts und den ethischen und rechtlichen Herausforderungen für diakonische Betreuungsvereine.
- Quote paper
- Ralph Sattler (Author), 2004, Die Reform des Betreuungsrechts - Rolle rückwärts in der rechtlichen Vertretung behinderter Menschen und ihre Konsequenz für die Arbeit diakonischer Betreuungsvereine, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31065