Theodor Fontane (1819-1898) begann erst zu Beginn der siebziger Jahre, als er als Balladendichter bereits gewissen Ruhm erlangt hatte, Romane zu schreiben. Etwa Mitte der achtziger Jahre finden sich die ersten skizzenhaften Entwürfe zu einem Roman über eine Berliner Kommerzienrätin. Doch erst im Jahre 1891/92 wird der Roman unter dem Namen „Frau Jenny Treibel oder `Wo sich Herz zum Herzen findt´“ veröffentlicht.
Die Handlung des Romans ließe sich rasch erzählen: Die Professorentochter Corinna Schmidt versucht in die Industriellenfamilie Treibel einzuheiraten, doch ihre Pläne werden von der Schwiegermutter in spe – der Jugendfreundin ihres Vaters - verhindert, da diese auf eine finanzkräftigere oder adlige Schwiegertochter hofft.
Wäre es mit dieser schon fast trivial anmutenden Geschichte getan, hätte sich Fontane für die endgültigen Fertigstellung wohl kaum über 5 Jahre Zeit gelassen und sein Roman würde heute wohl kaum zu den Klassikern der deutschen Literatur zählen und immer noch mit so viel Freude gelesen werden.
Es ist das humoristische, fein gezeichnete Bild der Gesellschaft um 1900, das diesem Roman so viel Tiefe verleiht. Pointiert und unterhaltsam stellt Fontane eine Gesellschaft mit ihren typenhaften Mitgliedern dar, in welcher er selbst gelebt hat.
So schreibt Fontane 1888 in einem Brief an seinen Sohn, die Intention seines Romans sei, „das Hohle, das Phrasenhafte, Lügnerische, Hochmütige, Hartherzige des Bourgeoisstandpunkts zu zeigen“. Wie man aus seinen zahlreich überlieferten Briefen weiß, sind Charaktere in Fontanes Romanen nur sehr selten rein individuell zu sehen, sie repräsentieren eigentlich immer auch einen Typus Mensch - mal mehr, mal weniger. Und man könnte sicherlich behaupten, dass diese Typenhaftigkeit im Roman ´Frau Jenny Treibel´ am stärksten ausgeprägt ist.
Schonungslos und durch den Humor doch auch versöhnlich, wird in diesem Roman dem Bürgertum der wilhelminischen Ära der Spiegel vorgehalten.
Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der Profilierung des Besitzbürgertums. Neben einer kurzen Erläuterung des gesellschaftshistorischen Kontextes des Romans und einer Erörterung von Fontanes Einstellung zur Bourgeoisie aufgrund einiger Zitate aus seinen brieflichen Korrespondenzen, wird untersucht, wie das Besitzbürgertum im Roman dargestellt wird und inwieweit eine darin enthaltene Gesellschaftskritik Fontanes deutlich wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gesellschaftshistorischer Kontext
- Fontanes Einstellung zur Bourgeoisie
- Anspruch und Wirklichkeit der Bourgeoisie im Roman
- Aristokratische Lebensart – Einrichtung, Kunst und Diners
- Bildung und Sprache
- Sentimentalität und Opportunismus
- Abschließende Betrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Darstellung der Bourgeoisie im Roman „Frau Jenny Treibel oder 'Wo sich Herz zum Herzen findt'“ von Theodor Fontane. Sie analysiert die unterschiedlichen Lebensformen und Ideale der wilhelminischen Gesellschaft anhand der beiden Familien Treibel und Schmidt, wobei der Fokus auf dem Besitzbürgertum liegt.
- Das Spannungsverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Bourgeoisie im späten 19. Jahrhundert
- Fontanes Kritik an den Idealen und Verhaltensweisen des Bürgertums, insbesondere des Besitzbürgertums
- Die Rolle von Bildung und Sprache als Mittel der sozialen Distinktion und des gesellschaftlichen Aufstiegs
- Die Bedeutung von Familie, Heiratsstrategien und Geld in der wilhelminischen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den gesellschaftshistorischen Kontext des Romans dar und beleuchtet Fontanes kritische Haltung zur Bourgeoisie. Es wird auf den Wandel vom feudalen zum kapitalistischen System und die daraus resultierende Entwicklung des Bürgertums eingegangen.
Das zweite Kapitel untersucht die Lebensweise des Besitzbürgertums im Roman. Es werden die aristokratischen Lebensformen, die Bedeutung von Bildung und Sprache sowie die sentimentalen und opportunistischen Verhaltensweisen der Figuren beleuchtet.
Schlüsselwörter
Theodor Fontane, Frau Jenny Treibel, Bourgeoisie, Besitzbürgertum, Bildungsbürgertum, wilhelminische Gesellschaft, Gesellschaftskritik, Humor, Ironie, Lebensart, Bildung, Sprache, Sentimentalität, Opportunismus
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- Lucia Esther Momo Rita Müller (Author), 2004, Theodor Fontanes "Frau Jenny Treibel". Eine Analyse des Bildes der Bourgeoisie im Roman, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31057