„Ich bin ein Berliner!“ verkündete John F. Kennedy, 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, am 23. Juni 1963 vor dem Schöneberger Rathaus, und die West-Berliner Massen spendeten dem Mann aus Massachusetts tosenden Applaus – gerade so, als sei er durch diesen Ausspruch wahrhaftig ‘einer von ihnen‘ geworden. Mit dieser mittlerweile historischen verbalen Geste gelang es John F. Kennedy eine Brücke in die Herzen der Bürger West-Berlins zu schlagen, obwohl er diesen Satz sehr wahrscheinlich lediglich als geschickten rhetorischen Schachzug - zumal auf deutsch - in seine Rede eingebaut hatte; ohne Berücksichtigung der komplexen Identitätsdimension, die dieses klare Statement wörtlich genommen beinhaltet hätte. Das führt uns zu der Frage: Was macht eigentlich einen Berliner zum Berliner? Ist es seine Sprache? Sein spezifisches äußeres Erscheinungsbild? Genetische Reinrassigkeit? Oder sind es preußische Tugend und Tradition, über die sich die Berliner definieren? In abstrahierter Form erlangt diese Fragestellung durchaus wissenschaftliche Relevanz: Anhand welcher Kriterien erfolgt die Selbstpositionierung eines Individuums in seinem sozialen Umfeld? Welche Rolle spielt die Sprache bei der Entwicklung sowohl der persönlichen Identität des Einzelnen als auch der Identität einer Gruppe? Auf welche Weise kommen Kategorien wie ‘Gemeinschaft‘, ‘Ethnie‘, ‘Sprache‘ oder ‘Rasse‘ überhaupt zustande? Nach welchen Mustern werden diese Einteilungen vorgenommen?
Inhaltsverzeichnis
- Abstract
- Einleitung
- Identität und Identifizierung: Die sprachliche Herstellung von Identität
- Diskussionsgrundlage
- Definition des Begriffs 'identifizieren'
- Methodische Abgrenzung gegenüber anderen Soziolinguisten
- Positivismus als zugrunde liegende Weltsicht
- Begriffe zur Kategorienbildung
- Das Prinzip der 'predictability'
- Unmöglichkeit der Definition des Begriffs 'Ethnie'
- Unmöglichkeit der Definition des Begriffs 'Rasse'
- Die Beziehung zwischen 'Sprache' und 'Ethnizität'
- Schlussgedanke
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle Sprache bei der Herstellung von Identität spielt, sowohl auf individueller als auch auf Gruppenebene. Sie analysiert die Entstehung von Kategorien wie 'Gemeinschaft', 'Ethnie', 'Sprache' und 'Rasse' und untersucht die Mechanismen, die zur Bildung und Auflösung solcher Kategorien führen. Die Arbeit basiert auf dem Text 'Acts of Identity — Creole based approaches to language and ethnicity' von Robert B. LePage und Andrée Tabouret-Keller, der empirische Untersuchungen in verschiedenen karibischen Gemeinden in Belize analysiert.
- Die Rolle der Sprache bei der Identitätsbildung
- Die Entstehung und Auflösung von Kategorien wie 'Ethnie' und 'Rasse'
- Der Einfluss von subjektiver Wahrnehmung auf die Konstruktion von Identität
- Die Beziehung zwischen Sprache und Ethnizität
- Die Kritik an traditionellen Konzepten der Identitätsbildung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor und erläutert die Relevanz des Themas anhand eines historischen Beispiels: John F. Kennedys berühmter Ausspruch "Ich bin ein Berliner!".
Der erste Teil der Arbeit beleuchtet die theoretische Grundlage der Untersuchung von LePage und Tabouret-Keller. Die Autoren definieren den Begriff "identifizieren" und erläutern ihre methodische Abgrenzung gegenüber anderen Soziolinguisten. Sie vertreten einen radikal positivistischen Standpunkt und argumentieren, dass Kategorien wie 'Ethnie', 'Rasse' und 'Sprache' nicht objektiv existieren, sondern erst durch die subjektive Wahrnehmung des Einzelnen entstehen.
LePage und Tabouret-Keller führen die Begriffe 'focussing' und 'diffusion' ein, um die Entstehung und Auflösung von Kategorien zu erklären. Sie kritisieren das Konzept der 'predictability' und zeigen, dass die Gleichsetzung von "a race = a culture = a language" in der Realität nicht funktioniert. Die Autoren argumentieren, dass eine objektive Definition von Begriffen wie 'Ethnie' und 'Rasse' unmöglich ist, da die Kriterien für die Zugehörigkeit zu diesen Kategorien subjektiv und vielfältig sind.
Abschließend widmen sich LePage und Tabouret-Keller der Beziehung zwischen Sprache und Ethnizität. Sie kritisieren die Annahme einer direkten Kongruenz zwischen einer bestimmten Gruppe und einer dazugehörigen Sprache und erläutern die Mechanismen, die zur Herstellung solcher Beziehungen führen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Identität, Identifizierung, Sprache, Ethnizität, Rasse, Kategorienbildung, subjektive Wahrnehmung, Positivismus, 'focussing', 'diffusion', 'predictability', Belize, Caribbean communities, Acts of Identity.
- Arbeit zitieren
- Sabine Braun (Autor:in), 2000, Identität und Identifizierung - Die sprachliche Herstellung von Identität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3105
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