Ist Südtirol ein multikulturelles Land? Nun, zweifelsfrei ist es zumindest ein multiethnisches Land. Doch die Tatsache, dass verschiedene Sprachgruppen und Menschen unterschiedlicher Herkunft, wie in Südtirol, ein gemeinsames Territorium bewohnen, lässt nach Ansicht des Südtiroler Politikwissenschaftlers Günther Pallaver noch keine Schlüsse auf die Multikulturalität einer Region zu.
Für Pallaver stellt der Ethnische Proporz in der Theorie einen guten Ansatz dar. Gleichzeitig erläutert er 2001 in einem Artikel die nachteiligen Folgen des Modells, die sich nicht zuletzt auch in einer Stabilisierung ethnopolitischer Denk- und Handlungsmuster und somit einem Re-Ethnisierungsprozess äußern. Demnach ziehen sich alle drei offiziellen Sprachgruppen Südtirols in ihr eigenes Reservat zurück, während sie lediglich in genau vorgegebenen institutionellen Kanälen kommunizieren. Mit der verstärkten Berücksichtigung des Minderheitenschutzes setzt sich zugleich die Logik der ethnischen Trennung umso rigoroser durch.
Misst man Multikulturalität daran, inwieweit kulturelle Partizipation 'der anderen' möglich ist, so ist Südtirol für Pallaver 2001 noch weit entfernt von einem auf Gleichheit beruhenden Austausch zwischen den jeweiligen Gruppen. So kommt er damals zu dem Schluss, dass bislang nur ein geringer Teil der Bevölkerung den Weg eines multikulturellen Zusammenlebens eingeschlagen hat. Dennoch zeigt er sich optimistisch in der Annahme, dass die Zivilgesellschaft sich auf dem besten Weg befände, wenn der Wunsch auch je nach Sprachgruppe unterschiedlich groß sei: »In Südtirol sind alle Voraussetzungen gegeben, dass Land und Leute nicht nur als europäisches Minderheitenschutzmodell herumgereicht werden, sondern auch als ein Modell des konstruktiven Zusammenlebens mehrerer Sprachgruppen, die sich auf dem Weg zu einer multikulturellen Gesellschaft befinden«.
Im Folgenden soll - 14 Jahre später - gewagt werden, eine ungefähre Bilanz zu ziehen: Wie sieht das Zusammenleben der Sprachgruppen im Jahre 2015 aus? War der gute Wille letzten Endes stark genug? Anhand von Beispielen aus Politik, Bildung und weiteren Institutionen und gesellschaftlichen Aktivitäten soll gefragt werden, inwieweit Südtirol heute seine multikulturelle Identität auslebt und reproduziert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sprachgruppenverteilung und -Erhebung
- Zahlen und Fakten
- Das Problem mit der Sprachgruppenerhebung
- Das politisch-administrative System Südtirols
- Ethnische Spaltung im Südtiroler Alltagsleben
- Schul- und Bildungssystem
- Mehrsprachige Medienberichterstattung
- Schritte nach vorne
- Schlussbemerkung
- Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die Multikulturalität Südtirols im Kontext der Sprachgruppenverteilung und -Erhebung, des politischen und administrativen Systems sowie der ethnischen Spaltung im Alltagsleben. Er untersucht, inwieweit Südtirol seine multikulturelle Identität auslebt und reproduziert.
- Sprachgruppenverteilung und -Erhebung in Südtirol
- Das politisch-administrative System Südtirols im Kontext der Sprachgruppen
- Ethnische Spaltung in Bildung, Medien und anderen Lebensbereichen
- Herausforderungen und Chancen für ein multikulturelles Zusammenleben
- Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Gestaltung der Multikulturalität
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Frage, ob Südtirol ein multikulturelles Land ist und beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf die Multikulturalität in Südtirol. Sie bezieht sich auf die Ansichten von Günther Pallaver, der die Herausforderungen und Potenziale eines multikulturellen Zusammenlebens in Südtirol diskutiert.
Sprachgruppenverteilung und -Erhebung
Dieses Kapitel präsentiert Zahlen und Fakten zur Sprachgruppenverteilung in Südtirol und beleuchtet die Problematik der Sprachgruppenerhebung. Es diskutiert die Kritik von Claus Gatterer und Günther Pallaver an der Praxis der Volkszählung und den damit verbundenen Herausforderungen für die Identitätsfindung und die Integration von Minderheiten.
Das politisch-administrative System Südtirols
Dieses Kapitel analysiert das politische und administrative System Südtirols im Kontext der Sprachgruppen. Es untersucht, wie das System die verschiedenen Sprachgruppen berücksichtigt und welche Auswirkungen es auf das Zusammenleben der verschiedenen Gruppen hat.
Ethnische Spaltung im Südtiroler Alltagsleben
Dieses Kapitel beleuchtet die ethnische Spaltung im Südtiroler Alltagsleben anhand von Beispielen aus Bildung, Medien und anderen Lebensbereichen. Es untersucht die Herausforderungen und Chancen für ein multikulturelles Zusammenleben in den verschiedenen Bereichen.
Schlüsselwörter
Südtirol, Multikulturalität, Sprachgruppen, Ethnische Spaltung, Mehrsprachigkeit, Bildung, Medien, Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Minderheitenschutz, Integration, Identität.
- Quote paper
- Lisa Fink (Author), 2015, Wie multikulturell ist Südtirol? Mehrsprachigkeit in Institutionen und Gesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310408
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