Die vorliegende Arbeit behandelt die Thematik eines Athletiktrainings im Zusammenhang mit der Problematik der geistigen Behinderung. Es wird die Frage geklärt, ob ein isoliertes Training der konditionellen und koordinativen Fähigkeiten mit dieser besonderen Zielgruppe grundsätzlich zielführend ist und inwiefern es nachweislich wirksam ist in Bezug auf tatsächliche Verbesserungen konditioneller Fähigkeiten und sporttechnischer Fertigkeiten. Es wird der aktuelle Wissensstand der Sportwissenschaft zu Trainingsmethoden und -inhalten eines Athletiktrainings dargestellt, der später die Grundlage für die Durchführung eines Trainingsprogramms mit einer Fußballmannschaft einer Behindertenwerkstatt mit geistig behinderten Spielern bietet. Zudem wird die geistige Behinderung im Zusammenhang mit sportlichem Training thematisiert, sodass der Leser einen Einblick erhält, welche konkreten Problematiken und Herausforderungen sich daraus ergeben. Während des praktischen Teils der Arbeit wird beschrieben wie Elemente eines Athletiktrainings sinnvoll in den Trainingsablauf integriert werden können und welche Trainingsmethoden und -inhalte dabei zielgruppengerecht vermittelt werden. Nach Konzeption, Durchführung und Evaluation des Trainingsprogramms wird erläutert, welche körperlichen, geistigen und sozialen Kompetenzen durch ein Athletiktraining geschult werden und inwiefern sich dieses auf die Mannschaft und die Spieler auswirkt. Übertragen auf den allgemeinen Kontext von Athletiktraining mit geistig behinderten Spielern wird schlussendlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein solches Training zielgruppengerecht und wirksam ist und welcher Ausblick für die Zukunft vorliegt.
Inhalt
Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Methodischer Aufbau und Zielgruppe
1.2. Inhaltlicher Aufbau
1.3. Ziel der Arbeit
1.4. Wissenschaftliche und praktische Relevanz
2. Aktueller Wissensstand zum Athletiktraining
2.1. Zum Begriff Athletiktraining
2.2. Die Leistungsstruktur der Sportart Fußball
2.2.1. Weitere Differenzierung
2.3. Bestandteile eines Athletiktrainings im Fußball
2.3.1. Aufwärmprogramm
2.3.2. Koordinations- und Schnelligkeitstraining
2.3.3. Schnelligkeitstraining
2.3.4. Schnellkrafttraining mit Zusatzgewicht
2.3.5. Plyometrisches Krafttraining
2.3.6. Maximalkrafttraining
2.3.7. Sensomotorisches Training
2.3.8. Rumpfstabilisationstraining
2.3.9. Beweglichkeit
2.4. Zusammenfassung der Inhalte eines Athletiktrainings
3. Fußball und geistige Behinderung
3.1. Zum Begriff „geistige Behinderung“
3.2. Einfluss geistiger Behinderung auf sportliches Training
3.2.1. Erlernen von Bewegungshandlungen
3.2.2. Notwendigkeit einer speziellen Trainingslehre
3.3. Geistige Behinderung der Zielgruppe
3.4. Special Olympics Deutschland
4. Zusammenfassung und Eingangshypothese
5. Methodik
6. Konzeption und Durchführung des Trainingsprogramms
6.1. Zeitliche Konzeption
6.2. Organisations- und Übungsformen der Bestandteile des Trainings
6.2.1. Funktionelle Erwärmung
6.2.2. Schnelligkeits- und Koordinationstraining
6.2.3. Plyometrische Übungen
6.2.4. Krafttraining ohne Großgeräte
6.2.5. Krafttraining mit Zusatzgewichten
6.3. Aufbau der Testbatterie
6.4. Vermittlungsmethode und Organisationsformen
6.5. Herausforderungen für Trainer und Spieler
7. Evaluation
7.1. Analyse und Interpretation der Ergebnisse der Tests 1-
7.2. Analyse und Interpretation der Ergebnisse der Einzeltests 4-
7.3. Diskussion der Ergebnisse
7.4. Zielgruppentauglichkeit des Athletiktrainings und Bezugnahme zur Eingangshypothese
8. Fazit und Ausblick
9. Danksagung
10. Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit behandelt die Thematik eines Athletiktrainings im Zusammenhang mit der Problematik der geistigen Behinderung. Es wird die Frage geklärt, ob ein isoliertes Training der konditionellen und koordinativen Fähigkeiten mit dieser besonderen Zielgruppe grundsätzlich zielführend ist und inwiefern es nachweislich wirksam ist in Bezug auf tatsächliche Verbesserungen konditioneller Fähigkeiten und sporttechnischer Fertigkeiten. Es wird der aktuelle Wissensstand der Sportwissenschaft zu Trainingsmethoden und -inhalten eines Athletiktrainings dargestellt, der später die Grundlage für die Durchführung eines Trainingsprogramms mit einer Fußballmannschaft einer Behindertenwerkstatt mit geistig behinderten Spielern bietet. Zudem wird die geistige Behinderung im Zusammenhang mit sportlichem Training thematisiert, sodass der Leser einen Einblick erhält, welche konkreten Problematiken und Herausforderungen sich daraus ergeben. Während des praktischen Teils der Arbeit wird beschrieben wie Elemente eines Athletiktrainings sinnvoll in den Trainingsablauf integriert werden können und welche Trainingsmethoden und -inhalte dabei zielgruppengerecht vermittelt werden. Nach Konzeption, Durchführung und Evaluation des Trainingsprogramms wird erläutert, welche körperlichen, geistigen und sozialen Kompetenzen durch ein Athletiktraining geschult werden und inwiefern sich dieses auf die Mannschaft und die Spieler auswirkt. Übertragen auf den allgemeinen Kontext von Athletiktraining mit geistig behinderten Spielern wird schlussendlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein solches Training zielgruppengerecht und wirksam ist und welcher Ausblick für die Zukunft vorliegt.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1. Faktoren der Leistungsfähigkeit des Fußballers
Abb. 2. Durchführung des „Handlaufs“ als Beispielübung für eine funktionelle Erwärmung
Abb. 3. Übungen der kleinen Plyometrie
Abb. 4. Aufbau der Torschuss-Messanlage
Abb. 5. Der Slalomtest
Abb. 6. Test zum Passspiel
Abb. 7. Test zum Torschuss
Abb. 8. Vergleich der Messwerte der Geschwindigkeitsmessung nach Torschuss
Abb. 9. Vergleich der Messwerte des 25-Meter-Sprints
Abb. 10. Vergleich der Messwerte des Slalomsprints
Abb. 11. Vergleich der Punktzahl im Einzeltest Dribbling
Abb. 12. Vergleich der Punktzahl im Einzeltest Passspiel
Abb. 13. Vergleich der Punktzahl im Einzeltest Torschuss
1. Einleitung
Die Sportart Fußball hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine rasante Entwicklung genommen, woraus sich ein verändertes Anforderungsprofil für Spieler und Trainer ergibt. Besonders gestiegen ist der konditionelle Anspruch, da die Dynamik des Spiels (Geese, 2009) über die volle Spielzeit deutlich zunahm und es dadurch häufiger zu intensiven Zweikämpfen, Sprints und Situationen, in denen höchste Handlungsschnelligkeit abgefragt wird, kommt. Eine Konsequenz dessen ist, dass in der öffentlichen Wahrnehmung nicht nur die „spielentscheidenden“ Aktionen der Spieler im Fokus stehen, sondern immer mehr Statistiken zur Laufleistung, Zweikampfbilanz und Maximalgeschwindigkeit in der medialen Berichterstattung in den Vordergrund gerückt werden. Neben der Ausdauerfähigkeit ist ebenfalls der Anspruch an Kraft und der damit zusammenhängenden Stabilität, Schnelligkeit und Beweglichkeit gestiegen. Ein Umdenken, welches vor allem im Profifußball viel früher nötig gewesen wäre, ging mit dieser Entwicklung des immer dynamischer werdenden Spiels nur schleppend einher. Im Jahre 2006, als sich Begriffe wie „Functional Training“, „Stabilisationstraining“ oder „Athletiktraining“ längst in der Trainingswissenschaft etabliert hatten, fand auch im deutschen Profifußball ein Umdenken statt und man profitierte in Hinblick auf die WM 2006 vom Trainingsprogramm der Mitarbeiter der US-amerikanischen Sportfirma „Athlets‘ Performance“. Die Fitnesstrainer etablierten Trainingsinhalte und -methoden aus anderen Sportarten, welche allerdings genau auf die Erfordernisse der Sportart und der Spieler zugeschnitten wurden und stets die Bewegungsstrukturen der Sportart Fußball berücksichtigten. Wurden die Methoden anfangs kritisiert, setzte nach der erfolgreichen Weltmeisterschaft 2006 weitestgehend Akzeptanz ein in Bezug auf das isolierte und individualisierte Komponententraining der Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer sowie der allgemeinen Koordination (Steinhöfer, 2008). Nun ist der Einsatz solch gezielter Trainingsinhalte ein Bestandteil eines ganzjährigen Athletiktrainings in vielen Spielsportarten.
Die Problematik mangelnder Athletik findet man wie allgemein im Amateurfußball auch im wettkampforientierten Behindertensport vor. Es finden Turniere auf nationaler und internationaler Ebene statt, welche beispielsweise im Rahmen der Special Olympics Deutschland für verschiedene Leistungsklassen durchgeführt werden. Auf diese Wettbewerbe bereiten sich die Mannschaften mit ihren Trainern vor. Jedoch ist die Problematik dort dieselbe: Grundtechnische Fertigkeiten sind nicht ausreichend, um langfristig erfolgreich zu spielen. Hinsichtlich der komplexen konditionellen und koordinativen Leistungsvoraussetzungen des Fußballs ergeben sich große Leistungsressourcen, die durch ein entsprechendes Training aktiviert werden könnten.
Allerdings mangelt es zum einen überwiegend an zeitlichen und personellen Ressourcen, um ein professionelles und modernes Athletiktraining umzusetzen. Zum anderen ist hinsichtlich der besonderen Eigenschaften der Trainingsgruppen im Behindertensport nicht ausreichend gesichert, ob und inwiefern ein in den Trainingsablauf integriertes Athletiktraining zur Ausbildung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten überhaupt wirksam ist. Die Beeinträchtigungen der Spieler mit Behinderung könnten sowohl Einfluss auf die Wirksamkeit verschiedener Trainingsmethoden und -inhalte haben als auch auf die Möglichkeit, solch ein Training überhaupt durchführen zu können. Trainer, die mit Spielern mit geistiger Behinderung zusammenarbeiten, wollen möglichst vermeiden, ihr Training umzustrukturieren und unbekannte Elemente einzubauen, um die Spieler nicht mit unbekannten Inhalten und kognitiv anspruchsvollen Übungen zu konfrontieren, die die Spieler gegebenenfalls überfordern könnten. Gelingt es, ein Athletiktraining erfolgreich mit einer wettkampforientierten Mannschaft des Behindertensports durchzuführen, welches nachweislich zu Verbesserungen von konditionellen Fähigkeiten und sporttechnischen Fertigkeiten führt, wäre die Durchführung eines Athletiktrainings mit Spielern mit ähnlichem Behinderungsgrad als grundsätzlich wirksam und sinnvoll anzusehen.
1.1. Methodischer Aufbau und Zielgruppe
In dieser Arbeit wird ein Athletiktrainingsprogramm für eine Fußballmannschaft einer Behindertenwerkstatt konzipiert und entsprechend durchgeführt und evaluiert. Die Spieler der Mannschaft arbeiten in den Behindertenwerkstätten Berlin (BWB) in einem Arbeitsbereich, der zum jeweiligen Fähigkeitsprofil passt (BWB GmbH, 2011). Es handelt sich um die erste von drei Fußballmannschaften, wo die leistungsstärksten Spieler ihren Platz finden. Diese nimmt regelmäßig erfolgreich am Ligabetrieb der „Berliner Meisterschaften der Werkstätten für Behinderte Menschen“ teil, konnte dort allerdings bis dato nie die nationale Meisterschaft gewinnen. Die Mannschaft trainiert innerhalb ihrer Arbeitszeit nur einmal pro Woche. Die Spieler sind zwar technisch und taktisch gut ausgebildet und verfügen dementsprechend über eine hohe individuelle und spielerische Klasse, haben im athletischen Bereich allerdings Defizite, was laut Trainer vor allem in körperbetonten Spielen zu Tage tritt. Konkret lassen sich fehlende Stabilität in den Zweikämpfen, eine hohe Anzahl schwacher Pässe und Schüsse sowie unvorteilhafte Fuß- und Beinachsenstellungen während des Sprintens vor allem bei den leistungsschwächeren Spielern beobachten. Bei den Sportlern handelt es sich um Menschen mit einer geistigen Behinderung, aus welcher jedoch keine offensichtlich gravierenden motorischen Benachteiligungen hervorgehen. Jegliche sportliche Betätigungen sind also uneingeschränkt möglich. Da die meisten Spieler neben dem regelmäßigen Fußballtraining bereits erste Erfahrungen mit Krafttraining in den Fitnesskursen der BWB sammeln konnten und im allgemeinen sehr diszipliniert auftreten, ist eine Integration eines zusätzlichen Trainingsprogramms in Kooperation mit Spielern und Trainer grundsätzlich möglich. Somit wurde ein Athletiktraining erstellt, um zu prüfen, ob und inwieweit sich fußballrelevante motorische Fähigkeiten sowie sporttechnische Fertigkeiten positiv entwickeln. Im positiven Fall wären die Spieler in einer günstigeren Ausgangsposition hinsichtlich späterer sportlicher Aufgaben. Das Trainingsprogramm besteht aus Elementen, die auch im (Profi-) Sport außerhalb des Behindertensports eingesetzt werden und richtet sich nach den Gegebenheiten im Sportbereich der BWB. Die BWB verfügen über eine große Halle, einige Kleingeräte und einen Kraftraum, was sowohl funktionelles Krafttraining und koordinative Übungen, als auch konservatives Krafttraining an Geräten grundsätzlich möglich macht. So wurde ein Trainingsprogramm konzipiert, bei welchem zu prüfen gilt, ob es mit der Zielgruppe durchführbar ist, ob es sportartrelevante sportmotorische Fähigkeiten verbessert und gleichzeitig positiven Einfluss auf sporttechnische Fertigkeiten hat. Mithilfe von Ein- und Ausgangstest wird der Nutzen der Durchführung und somit die Wirksamkeit des durchgeführten zehnwöchigen Trainingsprogramms überprüft und die Tauglichkeit für diese besondere Zielgruppe erforscht.
1.2. Inhaltlicher Aufbau
Nach den einleitenden Abschnitten, in welchen der Leser in die Problematik eingeführt wird, soll eine theoretische Fundierung der Hauptthematiken erfolgen. Zum einen werden in Vorbereitung auf die spätere Vorstellung der Konzeption und Durchführung des Trainingsprogramms theoretische Ansätze zur Thematik des Athletiktrainings vorgestellt, um einen Überblick über den Kenntnisstand zu geben. Der Leser erhält einen Überblick über die durch die Leistungsstruktur des Fußballs geforderten Schwerpunkte eines solchen Trainings, wobei die Vielfalt der möglichen Trainingsmethoden deutlich wird. Im Sinne des besseren Verständnisses wird auf die Leistungsstruktur Bezug genommen. Zum anderen wird der Leser in dem theoretischen Teil mit der Thematik der geistigen Behinderung in Verbindung mit sportlichem Training und dem wettkampforientierten Fußball konfrontiert. Aus diesen beiden Thematiken ergibt sich die Forschungshypothese dieser Arbeit mit dem Ziel, die Thematik eines Athletiktrainings in den Kontext des Behindertensports zu bringen.
Der nächste Teil besteht aus der Methode, also der praktischen Durchführung des zehnwöchigen Trainingsprogramms sowie der Ein- und Ausgangstests als Evaluationsmethode. In diesem Teil der Arbeit werden Organisations- und Übungsformen erläutert. Die Beschreibung der Durchführung geht sowohl auf die Integration der Übungsformen in den Trainingsablauf ein als auch auf die verschiedenen Herausforderungen, mit denen sich Spieler und Trainer konfrontiert sahen. Während der Beschreibung der Durchführung soll Bezug auf das Trainingsverhalten der Teilnehmer während des Trainings und der Tests genommen werden. Zudem wird die Testbatterie der Ein- und Ausgangstests vorgestellt, in welchem sowohl konditionelle Fähigkeiten als auch sporttechnische Fertigkeiten abgefragt werden.
Im letzten Teil der Arbeit wird das Trainingsprogramm evaluiert. Es soll herausgearbeitet werden, welche Leistungskomponenten der Sportart Fußball schlussendlich verbessert wurden. Neben eventuellen Verbesserungen von Schnellkraft und Schnelligkeit soll erfasst werden, ob es ebenfalls gelang, technische, sportartbezogene Fertigkeiten wie Dribbeln, Torschuss und Passspiel unter Druckbedingungen ebenfalls zu verbessern. Mittels der Daten der Tests und einer zusätzlich subjektiven Einschätzung der Umsetzbarkeit des Trainingsprogramms wird nun dessen Qualität und Zielgruppentauglichkeit ermittelt. Nach Präsentation der Ergebnisse von Ein- und Ausgangstest werden die Ergebnisse kritisch beleuchtet und diskutiert, um abschließend Bezug auf die formulierte Eingangshypothese zu nehmen.
1.3. Ziel der Arbeit
Ziel der Arbeit ist es, eine Möglichkeit darzustellen, wie ein Athletiktrainingsprogramm mit konditionell, koordinativ und psychisch anspruchsvollen Trainingsmethoden in den Trainingsbetrieb einer wettkampforientierten Fußballmannschaft des Behindertensports integriert werden kann. Indem ein solches Trainingsprogramm konzipiert, durchgeführt und evaluiert wird, soll festgestellt werden, inwiefern es sich hinsichtlich der geistigen Behinderung der Spieler der Mannschaft als wirksam und zielgruppengerecht darstellt. Dazu soll es sinnvoll unter Beachtung der zeitlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen durchgeführt werden. Auf Basis des bisherigen Wissensstandes sollen Trainingsmethoden, die spezifische Wirkungen versprechen, miteinander kombiniert werden. Schlussendlich wird diskutiert, ob und inwiefern eine zielgruppengerechte Anpassung der Pädagogik und der Trainingsmethoden nötig ist. Die Besonderheit der Zielgruppe ist in diesem Fall die geistige Behinderung der Spieler, die eventuell Auswirkungen auf den Effekt des konzipierten Trainingsprogramms hat. Mittels der Methode eines solchen Trainings ist es möglich, die Frage zu klären, ob ein gesondertes Athletiktraining in diesem Kontext überhaupt sinnvoll ist.
1.4. Wissenschaftliche und praktische Relevanz
Da die Bedeutung eines gesondert beachteten Trainings konditioneller und koordinativer Fähigkeiten in den letzten Jahrzehnten stetig zunahm, ist auch die Zahl der Beiträge zur Ausbildung der Leistungsvoraussetzungen des Fußballs gestiegen. Den zahlreichen Werken über „Konditionstraining im Fußball“ (u.a. Bisanz & Vieht, 2000), beziehungsweise „Krafttraining“ (u.a. Weineck, 2004a) stehen neue Auffassungen des Trainings, die mit Begriffen wie „Core-Training“ (u.a. Verstegen, 2006) oder „Functional Training“ (u.a. Boyle, 2010) beschrieben werden, gegenüber. Einigkeit herrscht darüber, dass das konditionelle Leistungsniveau einen erheblichen Einfluss auf Technik und Taktik der Spieler hat (Bisanz & Vieht, 2000). Die jeweils positive Wirkung von funktionellen Trainingszirkeln, dem Krafttraining an Geräten sowie eines rumpfstabilisierenden Core-Trainings sind bereits bekannt. Diese Arbeit grenzt sich insofern von anderen Beiträgen ab, dass ein Athletiktraining im Zusammenhang mit wettkampforientiertem Behindertensport behandelt wird, aufgrund dessen die Besonderheiten der Zielgruppe miteinbezogen werden müssen und die Zielgruppentauglichkeit eines Athletiktrainings im Allgemeinen sowie etwaige Wirkungseinschränkungen im Besonderen diskutiert werden. In diesem Zusammenhang wird nicht nur die Wirkung eines Athletiktrainingsprogramms auf konditionelle Fähigkeiten untersucht, sondern ebenfalls getestet, ob es positiven Einfluss auf sporttechnische Grundfertigkeiten der geistig behinderten Spieler nehmen kann. Hintergrund ist die Annahme, dass mit der Kräftigung des Rumpfes und der unteren Extremitäten, vor allem unter Einsatz koordinativ anspruchsvoller Übungen mit Schulung der Schnelligkeit, auch eine Stabilisierung der Techniken der Sportart unter Zeitdruck einhergeht. So können beispielsweise durch ein Athletiktraining konditionelle Mängel und muskuläre Dysbalancen ausgeglichen werden, die Ursachen für sporttechnische Fehler sind, bzw. die Stabilisierung des sporttechnischen Niveaus be- oder gar verhindern (Schnabel, Harre & Krug, 2011, S. 271).
Diese Aussage bezieht sich aber nicht auf Spieler geistiger Behinderung, die im Bereich des kognitiven Lernens Defizite und eng damit verbunden eine eingeschränkte Bewegungsprogrammierung und -ausführung aufweisen (Schliermann, Anneken, Abel, Scheuer & Froböse, 2014). Bislang wurden die Auswirkungen eines Athletiktrainings aus dem Bereich der nicht behinderten Sportler auf Spieler mit geistiger Behinderung hinsichtlich des konditionellen und sporttechnischen Niveaus noch nicht hinreichend untersucht.
2. Aktueller Wissensstand zum Athletiktraining
Dieser Teil der Arbeit soll dem Leser einen Überblick über verschiedene Inhalte und Methoden eines Athletiktrainings geben. Die speziellen Übungen ergeben sich aus der spezifischen Leistungs- und Bewegungsstruktur der Sportart Fußball. Die Zusammenfassung sportwissenschaftlicher Erkenntnisse eines Athletiktrainings im Fußball stellt die Grundlage für die spätere Darstellung der Konzeption und Durchführung des Trainingsprogramms dar. In den letzten Jahren wurden dabei das Konditionstraining und dessen klassische Elemente zur Schulung von konditionellen Leistungsfaktoren um Begriffe wie „Core-Training“ (Verstegen& Williams, 2006) oder „funktionelles Training“ (Boyle, 2010) erweitert. Zudem rückte das Koordinationstraining in den Vordergrund, was zur Folge hatte, dass der Begriff „Konditionstraining“ in vielen neueren Beiträgen abgelöst wurde. Zu Anfang werden deshalb zunächst einmal die Begriffe „Konditionstraining“ und „Athletiktraining“ erklärt. Nach der Zusammenfassung von Trainingsinhalten und -methoden wird die Behinderung der Spieler in Bezug zum Fußball thematisiert.
2.1. Zum Begriff Athletiktraining
Das Athletiktraining baut auf dem Begriff des „Konditionstrainings“ auf, der nach wie vor in der Mehrzahl der Literatur verwendet wird. In einer engeren Begriffsfassung werden laut Weineck (2004a, S. 15) „die Eigenschaften von konditionellen Eigenschaften auf die motorischen Beanspruchungsformen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit beschränkt“. Geese (2009, S. 11) sieht die Kondition als Bedingung zur Realisierung motorischer Fähigkeiten und nennt dabei dieselben physischen Faktoren wie Weineck. Neben diesen Faktoren spielen dabei allerdings auch die koordinativen Fähigkeiten eine entscheidende Rolle, da diese bereits Voraussetzung für die Entwicklung konditioneller Fähigkeiten sind (Grosser, Starischka & Zimmermann, 2004). So verwenden auch Bisanz und Vieht (2000) nach wie vor den Begriff „Kondition“, meinen damit aber die Elemente Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und eben die Koordination, bestehend aus einem speziellen Training von verschiedenen Lauf- und Sprungformen. Ein Training koordinativer Fähigkeiten beziehungsweise Übungen mit koordinativ anspruchsvollen Bewegungsabläufen finden im Trainingsprogramm „Core Performance“ (2011) von Mark Verstegen Anwendung.
Der Begriff „Athletiktraining“ umfasst neben den konditionellen Fähigkeiten genau diese Aspekte und wird von Steinhöfer (2008) auch so verwendet. Ziel ist also die optimale Ausprägung sportmotorischer Fähigkeiten, welche Kondition und Koordination gleichermaßen umfasst. Das Training sporttechnischer Fertigkeiten mit Ball fällt allerdings nicht mehr in das Aufgabenfeld eines Athletiktrainers, da sich dieses Ziel zu sehr mit dem des klassisch komplexen Fußballtrainings überschneidet. Schnabel und Thiess (1993, S. 72) definieren das Athletiktraining im Lexikon der Sportwissenschaft folgendermaßen: „Aus trainingsstruktureller Sicht bestimmter Trainingsbestandteil, wobei konditionelle und koordinative Leistungsvoraussetzungen mit allgemeinen und speziellen Trainingsmitteln trainiert werden.“
2.2. Die Leistungsstruktur der Sportart Fußball
In der Struktur der Leistungsfähigkeit eines Fußballers liegen verschiedene Fertigkeiten, Fähigkeiten und Eigenschaften vor, die sich gegenseitig beeinflussen und leistungslimitierend auswirken. In der folgenden Abbildung sind die mit einem Athletiktraining zu beeinflussenden Faktoren - die koordinativen Fähigkeiten sowie die Teilkomponenten der Kondition - farblich hervorgehoben. Die konditionellen Fähigkeiten „stellen eine Vorbedingung für stabile technische, taktische und psychische Leistungen im Wettkampf dar“ (Weineck, 2004, S.15). Nicht nur in Bezug auf die Leistung im Spiel, sondern auch für jene im Training, zeigt das Modell die Abhängigkeit der sportmotorischen Fähigkeiten von den anderen Einflussgrößen auf. Als besonders entscheidend für den Erfolg des Trainingsprogramms wird hierbei auf die psychischen und sozialen Fähigkeiten hingewiesen. Hinsichtlich der besonderen Zielgruppe sind die Behinderungen der Spieler den veranlagungsbedingten, konstitutionellen und gesundheitlichen Faktoren zuzuordnen und stehen damit ebenfalls besonders im Fokus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1. Faktoren der Leistungsfähigkeit des Fußballers (nach: Weineck, 2004a, S. 17 )
Aufgrund der hohen Komplexität der Sportart Fußball ist das Ziel des Trainings lediglich die optimale Ausprägung eines Faktors, nicht etwa die maximale. Grund dafür ist, dass die einzelnen Leistungsvoraussetzungen in Konkurrenz zu anderen stehen und eine maximale Ausprägung somit kontraproduktiv wäre. Dennoch ist ein isoliertes Training spezifischer Komponenten sinnvoll, da komplexe Übungs- und Spielformen nicht genau genug dosiert werden können und die Trainingsreize somit nur bedingt zu kontrollieren wären (Steinhöfer, 2008). Das Modell ist sehr allgemein gehalten und hat somit wenig Aussagekraft bezüglich konkreter Trainingsinhalte. Dafür ist eine Ausdifferenzierung der einzelnen konditionellen und koordinativen Fähigkeiten notwendig. Die koordinativen und konditionellen Leistungsvoraussetzungen treten meist als kombinierte Fähigkeiten auf. In der Trainingspraxis schulen die Übungen häufig sowohl ein oder mehrere konditionelle, als auch koordinative Fähigkeiten, jeweils zu unterschiedlichen Anteilen. Die dominantesten Fähigkeiten im Anforderungsprofil eines Fußballers werden im Folgenden erläutert.
2.2.1. Weitere Differenzierung
Im Fußball wechseln sich das Sprinten, Abstoppen und Beschleunigen über einen relativ langen Zeitraum von 2 mal 45 Minuten ab. Über die gesamte Distanz werden Lauf- und Spielaktivitäten gefordert. Fußball gehört zu den Schnellkraftdisziplinen, also muss die Ermüdung, die zu einer Intensitätsverringerung oder zum Abbruch einer Aktion führt, möglichst lange herausgeschoben werden (Bisanz &Vieht, 2004). Dafür ist zum einen eine solide Grundlagenausdauer, zum anderen aber vor allem „eine gut entwickelte fußballspezifische anaerobe (überwiegend alaktazide) Kapazität, die auch als spezielle Ausdauer oder Sprintausdauer bezeichnet wird“ (Weineck, 2004a, S. 29) bedeutsam. Der wichtigste Kraftfaktor im Fußball ist die Schnellkraft. Im Spiel kommt es zu zahlreichen abrupten und schnellkräftigen Bewegungen, darunter Richtungswechsel, Antritte, Sprünge und Schüsse. Bei den vielen kurzen Sprints, die ein Fußballer absolviert, sind besonders die Explosivkraft in Verbindung mit zyklischer und azyklischer Bewegungsschnelligkeit von Bedeutung. Neben der zyklischen spielt ebenfalls die azyklische Bewegungsschnelligkeit bei vielfältigen, abrupten Bewegungen sowie die Reaktionsschnelligkeit eine Rolle (Steinhöfer, 2004). Besonders letztere ist dabei im Zuge des immer temporeicher werdenden Spiels von zunehmender Bedeutung.
„Sprints spielen bei einer Laufdistanz von 0,5 bis 11% der Gesamtspiellaufdistanz eine scheinbar untergeordnete Rolle. Im Sinne des erfolgreichen Handelns im Spiel werden Sprints und Sprungkraftaktionen aber als dominierende Aktionen betrachtet, da sie wesentlich zur Ballgewinnung und Ballverteidigung sowie zur Torerzielung und Torvermeidung beitragen“ (vgl. Schlumberger 2006, S.125).
In Bezug auf Sprünge und Richtungswechsel ist auch die Reaktivkraft nicht zu vernachlässigen. Trotz der hohen Relevanz der differenzierten Formen der Schnellkraft ist deren Abhängigkeit von der Maximalkraft nicht zu vernachlässigen. Weineck (2004a) betont, dass zwischen dem allgemeinen Kraftniveau, besonders der Maximalkraft und der Schnellkraft, somit der Sprung-, Schusskraft und dem Antrittsvermögen der Spieler enge Korrelationen bestehen. Die Kraftausdauer als Mischform der konditionellen Fähigkeiten Kraft und Ausdauer ist besonders in Bezug auf die Rumpfmuskulatur wichtig, dadurch begründet, dass diese überwiegend langsam zuckende Muskelfasern aufweisen. Besonders neuere Beiträge zum Thema Athletiktraining schreiben der Rumpfkraft eine entscheidende Rolle zu. Verstegen und Williams (2011, S.46) betonen, dass die Core- Muskeln durch ihre zentrale Lage innerhalb der Muskelkette eine „Schlüsselfunktion bei sämtlichen Bewegungen“ einnehmen. Das heißt, dass ökonomische, effektive Bewegungsmuster nur mit einer aktiven Rumpfmuskulatur realisiert werden können. Darüber hinaus schützen sie den Körper vor Verletzungen und muskulären Dysbalancen (Verstegen & Williams, 2011; Weineck, 2004a). Nur Spieler, die in der Lage sind, die Rumpfmuskeln anzusteuern, werden in der Lage sein, das Potential der anderen konditionellen Leistungsvoraussetzungen optimal auszuschöpfen.
Ein weiterer wichtiger Leistungsfaktor ist die dynamische Beweglichkeit der Spieler.
„Die Bewegungsabläufe werden durch eine ausgeprägte Beweglichkeit ökonomischer und damit ‚energiesparender‘. […] Nur eine ausgeprägte Beweglichkeit ermöglicht die Anwendung perfekter fußballspezifischer Techniken“ (Bisanz & Vieht, 2000, S. 258). Die Koordinationsfähigkeit beeinflusst alle bisher genannten Teilkomponenten entscheidend. Sie ist somit nicht nur die Voraussetzung für das Erlernen schwieriger Techniken (Steinhöfer, 2004), sondern ist in Verbindung mit den konditionellen Fähigkeiten entscheidend für die Ausführung und Optimierung sportartspezifischer Bewegungsmuster. Koordinative Fähigkeiten werden durch Prozesse der Bewegungsregulation bedingt (Schnabel et al., 2008). In Bezug auf Athletiktraining im Fußball ist besonders das „Zusammenwirken von Zentralnervensystem und Skelettmuskulatur innerhalb einer willkürlichen Bewegung“ (Grosser et al., 2004, S.96) bedeutend. Bewegungen können schneller und ökonomischer realisiert werden. Gut ausgeprägte koordinative Fähigkeiten kommen vor allem den (Schnell-) Kraftfähigkeiten und der Schnelligkeit zugute.
Darüber hinaus existieren etliche Mischformen, deren explizite Erläuterung an dieser Stelle nicht zielführend wäre.
2.3. Bestandteile eines Athletiktrainings im Fußball
Aufbauend auf der vorliegenden Erläuterung der Leistungsstruktur wird in diesem Teil der Arbeit vorgestellt, welche Trainingsinhalte und -methoden empfohlen werden, um ein oder mehrere Leistungskomponenten zu verbessern. Die Inhalte beziehen sich auf Übungen mit und ohne Geräte beziehungsweise anderen Hilfsmitteln wie Kleingeräten. Allgemein geht der Trend dahin, dass funktionelle Übungen, die erstens gleichzeitig aufwendige Bewegungsabläufe schulen und zweitens die gesamte Muskelkette trainieren, bevorzugt eingesetzt werden. Es können Bewegungen gewählt werden, die sich stark an den in der Sportart geforderten Bewegungen orientieren und Kraft, Beweglichkeit und Koordination gleichermaßen schulen.
„Experten betonen, dass funktionelles Training in erster Linie Bewegungen, nicht Muskeln trainiert. Dabei soll keine einzelne Bewegung im Übermaß geschult werden (Boyle, 2010, S. 13).“ Dennoch ist das isolierte Training einzelner Muskelgruppen in Bezug auf ein Krafttraining sinnvoll. Manche Muskeln müssen isoliert trainiert werden, um ihre Funktion zu verbessern beziehungsweise wiederherzustellen und somit deren Funktion innerhalb der Muskelkette sicherzustellen (Verstegen & Williams 2011). Außerdem ist die Reizintensität auf die einzelnen Muskeln beim isolierten Training (beispielsweise an Geräten) wesentlich besser zu kontrollieren und höhere Kraftzuwächse der einzelnen Muskeln sind zu erwarten. Zusammenfassend empfiehlt Boyle (2010), unfunktionelle mit funktionellen Übungen zu kombinieren, also zunächst die allgemeine Kraft der einzelnen Muskelgruppen zu entwickeln und diese dann in funktionelle Kraft umzuwandeln. Nachfolgend werden Inhalte und Methoden eines Athletiktrainings dargestellt, welche Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Koordination schulen. Die theoretische Fundierung zur Herausbildung der Ausdauerfähigkeit wird außen vor gelassen, da die Ausdauerfähigkeiten bereits in Trainingsformen außerhalb des Trainingsprogramms vom Trainer der Fußballmannschaft der BWB behandelt wurden und diese aus zeitlichen Gründen nicht noch zusätzlich im Athletiktraining integriert werden konnten.
2.3.1. Aufwärmprogramm
Bereits die Erwärmung kann als Teil des Athletiktrainings gezählt werden. Nach einer allgemeinen Lauferwärmung sollte eine fußballspezifische spezielle Erwärmung folgen. Diese enthält sportartspezifische Übungen, aktives Streching, Dehnungs- und Kräftigungsübungen sowie eine koordinative Einstimmung. Hinsichtlich des Schnellkrafttrainings werden in der speziellen Erwärmung bereits spätere Bewegungsabläufe durch mehrere Wiederholungen geringerer Intensität geübt (Bischops & Gerrards, 1998). Boyle (2010) nennt es das funktionelle Aufwärmen und betont die Führung der Muskulatur über die gesamte Bewegungsamplitude sowie die Beachtung einer perfekten Körperhaltung und korrekter Fußstellung. Übungen, die diesen Kriterien gerecht werden, sind beispielsweise Standwaagen und Ausfallschritte in verschiedenen Variationen mit Zusatzelementen mit dem Ziel, besonders die Hüftmuskulatur, die Muskulatur des hinteren und vorderen Oberschenkels, des unteren Rückens sowie des Rumpfes zu erwärmen und zu dehnen. Komplettiert werden diese komplexen Übungen im Trainingsprogramm von Boyle durch variantenreiche Laufbewegungen, zum Beispiel Skippings, Anfersen und Kniehebeläufe in verschiedenen Variationen. Außerdem empfiehlt er bereits beim Aufwärmprogramm koordinativ anspruchsvolle Sprung- und Schrittfolgen zur Kraftentwicklung der Beine, der Entwicklung exzentrischer Kraft und der Entwicklung des propriozeptiven Systems. Die Vorteile, die er anspricht, geben auch in Bezug auf das Belastungsprofil des Fußballs Sinn, da es innerhalb des Spiels zu zahlreichen Richtungsänderungen kommt und diese auch im weiteren Verlauf einer Athletiktrainingseinheit gefordert werden können.
Im Trainingsprogramm „Core-Performance“ von Verstegen und Williams (2004, S. 70) sind außerdem Mobilisationsübungen integriert zum „Aufbau von Flexibilität und Kraft im Rumpf durch die Isolierung von Hüften und Schultern“.
2.3.2. Koordinations- und Schnelligkeitstraining
Laut Schnabel, Harre und Krug (vgl. 2008, S. 301) sind „Technik- und Koordinationstraining […] zwei eng miteinander verflochtene, jedoch auch relativ eigenständige Aufgabenbereiche mit spezifischen Trainingszielen, Inhalten und Methoden“. Im Gegensatz zum Techniktraining ziele das Koordinationstraining jedoch „stärker auf die Verbesserung allgemeiner, technikübergreifender koordinativer Leistungsvoraussetzungen“ ab. Das generalisierte Koordinationstraining stellt den Gegenpol zum fertigkeitsspezifischen Techniktraining dar und ist für die fußballspezifischen Fertigkeiten leistungslimitierend. Die Entwicklung entsprechender Fähigkeiten fällt in den Aufgabenbereich des Athletiktrainings, während das spezifische Techniktraining außerhalb davon mit dem Ball erfolgt. Jedoch sind Übungen des Koordinationstrainings nicht immer eindeutig in das Generalitäts-Spezifitäts-Kontinuum einzuordnen und sind entweder eher fähigkeits- oder fertigkeitsorientiert. Innerhalb des koordinativen Fähigkeitstrainings gibt es das vielseitig allgemeine (fähigkeitsbezogene) oder das mit direktem Bezug zur Sportart (fertigkeitsbezogene) Training (Steinhöfer, 2008). Innerhalb eines Athletiktrainings werden dabei beide Bereiche miteinbezogen, wobei das fertigkeitsbezogene Fähigkeitstraining überwiegt. Bei den meisten funktionellen Trainingsübungen wird die Bewegungskoordination bereits mitgeschult. Nichtsdestotrotz können auch andere Elemente in das Athletiktraining integriert werden, welche die Koordination von Lauf- und Sprungbewegungen schulen. Die Druckbedingungen, die nach Neumaier (1999) zur Charakterisierung einer koordinativen Aufgabe herangezogen werden, können dabei je nach Schwerpunkt gewählt werden, besonders leicht sind dabei Zeit-, Präzisions- und Komplexitätsdruck zu verändern. Mit Durchführung der Übungsreihen mit einer Koordinationsleiter werden, bezogen auf die koordinativen Grundfähigkeiten, in besonderem Maße die Rhythmisierungsfähigkeit sowie je nach Aufgabenstellung die Umstellungs- und Differenzierungsfähigkeit geschult. Zu Sprungübungen empfiehlt Steinhöfer (2010) das Linienspringen unter Anwendung der Wiederholungsmethode. Diese sind in vielen Variationen, zum Beispiel einbeinig, beidbeinig, vorwärts, rückwärts, seitlich zu absolvieren. Der Präzisionsdruck ist hier durch die Linie gegeben. Grundsätzlich muss beachtet werden, dass ein Koordinationstraining immer im nicht ermüdeten Zustand und somit am Anfang einer Trainingseinheit zu erfolgen hat. Die saubere Umsetzung der Übungsvorgaben ist Voraussetzung zur Entwicklung der Bewegungskoordination. Ist dies gegeben, so ist die Ausführung in höchstmöglichem Tempo anzustreben.
2.3.3. Schnelligkeitstraining
Schnelligkeit ist eine Fähigkeit, die sich in mehrere Teileigenschaften unterteilt. Die Schnelligkeit eines Fußballers ergibt sich aus der Handlungsschnelligkeit, der Aktionsschnelligkeit mit Ball, der Bewegungsschnelligkeit ohne Ball, der Reaktionsschnelligkeit, der Entscheidungsschnelligkeit, der Antizipationsschnelligkeit und der Wahrnehmungsschnelligkeit. Innerhalb eines Fußballspiels entscheidet oft die Schnelligkeit der Spieler den Erfolg von spielentscheidenden Situationen. Dabei sind all die genannten Fähigkeiten von hoher Bedeutung (Weineck, 2004a). Innerhalb eines Athletiktrainings kann die Bewegungsschnelligkeit in Form von zyklischer und azyklischer Schnelligkeit ohne Ball am effektivsten ausgebildet werden. Die azyklische Schnelligkeit ist im Fußball vor allem aufgrund der zahlreichen willkürlichen Richtungswechsel und Stopps bedeutsam, die zyklische in Bezug auf Sprints und Antritte. Die Schnelligkeit ist abhängig von koordinativen Fähigkeiten und der (Schnell-) Kraftfähigkeit. Weineck (2004a, S. 432) hebt unter anderem eine „Allgemeine Koordinationsschulung durch Laufschulung“, „Verbesserung des Start- und Reaktionsvermögens“ sowie ein „Krafttraining“ hervor. Das im vorausgehenden Absatz ausgeführte Training mit Koordinationsleiter ist somit auch eine Möglichkeit des Schnelligkeitstrainings. Allerdings betont er dabei, dass die Reizintensität stets maximal sein müsse und ausreichend lange Pausen zwischen den Belastungen liegen sollten, da eine effektive Schnelligkeitsschulung nur im erholten Zustand gewährleistet sei (vgl. ebd., S.433). Dies impliziert, dass das Schnelligkeitstraining unmittelbar nach der Erwärmung und dem Koordinationstraining erfolgen muss. In Bezug auf das Schnell- beziehungsweise auf das Explosivkrafttraining zur Verbesserung der Bewegungsschnelligkeit heben Geese und Hillebrecht (2006, S. 121f) Trainingsformen zur Entwicklung der reaktiven Fähigkeiten hervor. In Bezug auf Übungen mit hohem koordinativen Anspruch ist zu vermerken, dass die Bewegung erst beherrscht sein muss, bevor sie schnelligkeitsbezogen trainiert wird. Dann muss die Konzentration während Laufübungen beispielsweise mit der Koordinationsleiter auf die Ausführungsgeschwindigkeit gerichtet sein (Steinhöfer, 2010). Als effektivste Trainingsmethode nennt Weineck (2004a) die Wiederholungsmethode. So wechseln sich Sprints mit entsprechend langen Pausen ab. Mit kurzen Sprints werde vor allem die Antrittsschnelligkeit trainiert, welche im Fußball aufgrund der vielen relativ kurzen Sprints besonders relevant sind. Mit Übungen zur Antrittsschnelligkeit lässt sich zudem die Reaktionsschnelligkeit verbessern. Dabei empfiehlt Weineck zum einen grundsätzlich die Variation der Bewegungsausführung, also beispielsweise in verschiedene Richtungen und aus verschiedenen Positionen heraus, zum anderen eine Variation der Startsignale.
Laut Joch und Ückert (1998, S.106-110) gehören Sprints und Antritte zu den Intensitätsmethoden, welche neben den Koordinations- und Kraftmethoden zum Methodenmix zur Verbesserung der Bewegungsschnelligkeit führen. Bisanz und Vieht (2000, S. 241) betonen zwar die hohe Bedeutung der Schnelligkeit, fordern aber gleichzeitig gerade bei begrenzter Trainingszeit, die Schnelligkeit mittels Spielformen zu trainieren beziehungsweise Antrittsübungen fußballbezogen zu gestalten und die Handlungsschnelligkeit möglichst miteinzubeziehen. Solche Trainingsformen würden allerdings nicht mehr in den Bereich des Athletiktrainings fallen.
2.3.4. Schnellkrafttraining mit Zusatzgewicht
Wie bereits erläutert, stellt die Schnellkraft die wichtigste Form der Kraft für einen Fußballer dar. Zum Beispiel hat sie direkten Einfluss auf die eben behandelte Antrittsschnelligkeit der Spieler (Bisanz & Vieht, 2000). Das konventionelle Schnellkrafttraining mit Zusatzgewicht findet in der Literatur unterschiedliche Beachtung. In einigen Trainingsprogrammen wird es aufgrund mangelnden Bezugs zu sportartspezifischen Bewegungsmustern vollständig durch plyometrische Übungen ersetzt. Schnabel, Harre und Krug (2008, S.330) führen die Wiederholungsmethode an und empfehlen ein Mehrsatztraining im Widerstandsbereich von 35 - 65 % und explosiver Ausführung. Steinhöfer (2008, S. 112) differenziert zwischen der Schnellkraftmethode 1 und 2, welche sich nur hinsichtlich des Widerstandsbereichs (35 - 50 %, beziehungsweise 50 - 60 % des Einer-Wiederholungs-Maximums) unterscheiden. Die Betonung liegt hierbei ebenfalls auf der maximal schnellen Ausführung, wobei der Satz bei Geschwindigkeitsabfall abgebrochen wird. Bei relativ untrainierten Sportlern ist dem Schnellkrafttraining ein Maximalkrafttraining vorzuschalten, um zunächst einmal das allgemeine Kraftniveau anzuheben. Das Maximalkrafttraining stellt in jedem Fall einen leistungslimitierenden Faktor für die Schnellkraft dar (Weineck 2004). Schnellkrafttraining kann in der Praxis am besten mit geführten Geräten durchgeführt werden, da hier der Schwerpunkt auf die Bewegungsgeschwindigkeit statt auf die Bewegungsausführung gesetzt werden kann.
2.3.5. Plyometrisches Krafttraining
Plyometrisches Training schult die Schnellkraft, im Besonderen die Reaktivkraft und wird auch reaktives Training, Niedersprungtraining oder Elastizitätstraining genannt. (Weineck, 2004; Dargatz, 2008).
„Bei plyometrischem Training handelt es sich um ein dynamisches Training, das negativ dynamische (nachgebende) Anteile (Niedersprünge) mit positiv dynamischem (sofortigem Wiederabsprung in die Höhe/ Weite) explosiv miteinander verbindet. […] Im Zentrum des plyometrischen Trainings des Fußballers stehen Sprünge bzw. Sprungfolgen und Sprungkombinationen aller Art“ (Weineck, 2004a, S.223).
Weineck unterscheidet zwischen drei Stufen der Plyometrie. Je nach Intensität, also Sprunghöhe und Zusatzgewicht spricht er von kleiner, mittlerer oder großer Plyometrie. Für Anfänger kämen vor allem Reifensprünge in Frage, für Fortgeschrittene bereits Kasten- und Langbanksprünge (vgl. S.224). Ein wesentlicher Vorteil des plyometrischen Trainings sei der rasche Kraftgewinn ohne Muskelmassen- bzw. Körpergewichtszunahme. Allerdings ginge auch eine hohe psychophysische Belastung mit einem solchen Training einher (vgl. S. 226). Letzteres ist vor allem hinsichtlich der Zielgruppe relevant. Neben der vorliegenden geistigen Behinderung ist relevant, dass die Spieler eine solche Art des Trainings nicht gewohnt sind.
Innerhalb eines Athletiktrainings ist plyometrisches Krafttraining allerdings nicht zu umgehen, da nicht nur die Reaktivkraft geschult wird, sondern ebenfalls relativ sportartspezifische Bewegungsmuster realisiert werden.
Um gerade im Anfängerbereich auch die Stabilität nach Sprüngen oder Richtungswechseln zu schulen, um so die Grundlage für die eigentlichen plyometrischen Übungen zu schaffen, in der die Athleten lernen, die Bodenkontaktzeiten zu verringern, sollten zunächst einmal die Sprung- und Landefähigkeit trainiert werden. Zuerst mit ein-, dann mit mehrfachen lateralen oder linearen Sprüngen wird die Fähigkeit, den Körper zu stabilisieren und dann in den nächsten Sprung überzugehen, trainiert. Neben beidbeinigen Sprüngen sind anspruchsvollere Einbeinsprünge möglich. Erst nach diesen beiden Phasen geht es um den Wechsel von exzentrischer zu konzentrischer Muskelkontraktion, weniger um den einfachen Aufbau exzentrischer Kraft. Somit beginnt hier das eigentliche plyometrische Training und es kommen beispielsweise Mehrfachsprünge mit sofortiger elastischer Reaktion zum Einsatz (Boyle, 2010). Verstegen (2011) verbindet mit plyometrischen Sprungübungen die Verbesserung der Elastizität und unterteilt die Übungen dabei in Sprünge mit kurzer Reaktionszeit wie Treppensprünge und Sprünge mit langer Reaktionszeit wie Hock- und Grätschsprünge.
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- Arbeit zitieren
- Johannes Boldt (Autor:in), 2014, Fußball und Athletiktraining im wettkampforientierten Behindertensport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310240
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