„Das große Eis im Norden möchte wohl anders aussehen.“ Das waren die Worte des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., als er 1826 auf der Berliner Akademieausstellung Caspar David Friedrichs Gemälde “Das Eismeer“ betrachtete. Sicherlich trieb Friedrich die übliche Darstellung von Kälte und Schroffheit der Natur auf die Spitze: Ein arktisches Katastrophenszenario, das nichts mehr mit den verträumten, fast meditativen Landschaften gemeinsam hatte, die das Publikum vom Maler gewohnt war.
Auch heute noch nimmt das eigenwillige und extreme Werk, indem es grundverschiedene, sowohl religiöse, als auch philosophische und politische Deutungsansätze evoziert, im Gesamtwerk des Künstlers einen bedeutenden Platz ein.
Caspar David Friedrich widmete sich in seinen Gemälden vor allem „der Suche nach nördlicher Identität“ und der Erhabenheit in der Natur - bei seinem “Eismeer“ ist das Identitätsstiftende und Erhabene nicht mehr ohne Beunruhigung festzustellen. Eine Beobachtung, die auch auf ein anderes, vergleichbar ungewöhnliches Hauptwerk, den “Mönch am Meer“ , zutrifft. Nach einer ausführlichen Beschreibung des “Eismeeres“ mit all seinen Besonderheiten, soll eine Gegenüberstellung beider Werke den speziellen Charakter der befremdlichen Polarszene deutlich hervortreten lassen.
Inhalt
I. Einführung ... 2
II. Bildbetrachtung ... 3
III. Das “Eismeer“ im Vergleich zum “Mönch am Meer“ ... 5
IV. Schluss ... 7
I. Einführung
„Das große Eis im Norden möchte wohl anders aussehen.“ Das waren die Worte des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., als er 1826 auf der Berliner Akademieausstellung Caspar David Friedrichs Gemälde “Das Eismeer“1 (Abb. 1) betrachtete.2 Sicherlich trieb Friedrich die übliche Darstellung von Kälte und Schroffheit der Natur auf die Spitze: Ein arktisches Katastrophenszenario, das nichts mehr mit den verträumten, fast meditativen Landschaften gemeinsam hatte, die das Publikum vom Maler gewohnt war.
Einen ganz anderen, nachhaltigen Eindruck hat Friedrichs Werk bei dem französischen Bildhauer David d`Angers hinterlassen: „Aus der großen Zahl schöner Arbeiten, die bei ihm [C.D. Friedrich] stehen, hat mir noch ein Nordmeerbild starken Eindruck gemacht, ein Eisberg hat da ein Schiff verschlungen, von dem nur mehr die Reste zu sehen sind. Es ist eine große und schreckliche Tragödie, kein Mensch hat überlebt.“ 3
Auch wenn es sich bei der königlichen Bemerkung lediglich um eine Anekdote handeln sollte, so zeigt sie doch, zusammen mit d`Angers gänzlich konträrer Empfindung, wie kontrovers die Rezeption dieses Spätwerkes des bedeutendsten Vertreters der deutschen romantischen Landschaftsmalerei unter Zeitgenossen diskutiert wurde. Auch heute noch nimmt das eigenwillige und extreme Werk, indem es grundverschiedene, sowohl religiöse, als auch philosophische und politische Deutungsansätze evoziert, im Gesamtwerk des Künstlers einen bedeutenden Platz ein.
Caspar David Friedrich widmete sich in seinen Gemälden vor allem „der Suche nach nördlicher Identität“ 4 und der Erhabenheit in der Natur - bei seinem “Eismeer“ ist das Identitätsstiftende und Erhabene nicht mehr ohne Beunruhigung festzustellen. Eine Beobachtung, die auch auf ein anderes, vergleichbar ungewöhnliches Hauptwerk, den “Mönch am Meer“5, zutrifft. Nach einer ausführlichen Beschreibung des “Eismeeres“ mit all seinen Besonderheiten, soll eine Gegenüberstellung beider Werke den speziellen Charakter der befremdlichen Polarszene deutlich hervortreten lassen.
II. Bildbetrachtung
Caspar David Friedrichs querformatiges Gemälde “Das Eismeer“ offenbart in einem zweigeteilten Bildraum 6 eine unwirtliche arktische Landschaft im Vorder- und Mittelgrund, sowie einen in kaltes Blau getauchten Hintergrund, der die zerklüftete Oberfläche des Meeres mittels einer schwachen Horizontlinie mit dem Himmel verbindet. Die massive Eisdecke ist geborsten, die kantigen Schollen türmen sich zackenartig zum Himmel hin auf. Fast nebensächlich ist gerade noch das Heck eines havarierten Schiffes zu sehen, das im Begriff ist, von den Eismassen verschlungen zu werden.
Die im Vordergrund dargestellten Eisplatten, die in schmutzig-braunen und grünlich-grauen Tönen gehalten sind, haben sich, noch relativ geordnet, Schicht um Schicht, übereinandergeschoben. Vereinzelte Bruchstücke liegen auf den Platten auf. Die Farbgebung der Schollen und die abgeknickte Baumstämme in der linken Bildhälfte sprechen dafür, dass sich die Szene nicht auf dem offenen Meer, sondern noch in Küstennähe abspielt, wo sich die Erde und das gefrorene Wasser zu einer schmutzigen, gelbbraunen Masse verbunden haben. Wie eine Treppe führen die sich überlagernden Eisplatten den Blick des Betrachters zunächst auf die Vorstufe des Mittelgrundes. Hier wurden Schnee und Eis vermutlich in einem sich wiederholenden Prozess von Antauen und erneutem Überfrieren zu klumpenartigen Gebilden modelliert. Am rechten Bildrand durchbricht eine gelblich gefärbte Scholle den bisher parallel und nahezu waagerecht verlaufenden Aufbau der Eisschichten vertikal, und vermittelt einen ersten Eindruck von den unentrinnbaren Kräften der Natur, die im “Eismeer“ aktiv sind.
Das eindeutige Zentrum des Bildgeschehens bildet eine Pyramide aus Eisplatten, die sich, bis auf die Spitze, die leicht nach links versetzt ist, exakt auf der Mittelachse des Gemäldes befindet und deren Anblick an die Verwerfungen an der Erdkruste durch tektonische Vorgänge erinnert. Das gewaltige Eisgebilde türmt sich, ausgelöst durch den massiven Druck von allen Seiten, gegen den Uhrzeigersinn in Richtung Himmel, der zwar wolkenverhangen ist und eine diesige Atmosphäre beschwört, aber genau in der Bildmitte über der Spitze der Eispyramide aufzureißen beginnt, so dass diese fast feierlich erleuchtet wirkt.
Die auffallende Dynamik der Szene wird vor allem durch die „spitzkantig gebrochene[n] Volumina“ 7 erzeugt, deren weitergedachte Linien eine chaotisch anmutende Bildstruktur nahelegen und der zunächst empfundenen Stabilität, die durch das Betonen der Mittelachse entstanden ist, widersprechen. Die „symmetrische Mittelachse (…) reicht von den Eisbrocken am unteren Bildrand über die pfeilförmige Eisscholle und die in den Himmel ragenden Spitzen bis zu den blassen Wolken.“ 8 Caspar David Friedrich nimmt die sich im zentralen Bildgeschehen befindliche Form der bedrohlich zu einer Pyramide aufgetürmten Eismassen im linken Hintergrund in einem offensichtlich korrespondierenden Gebilde erneut auf. In ein tiefblaues Licht getaucht wirkt diese Formation wie ein Eiskristall und lässt an „eine transparente Kathedrale denken, (…) einen Tempel, den die Naturkräfte aus sich heraus geformt haben.“9 Die gefrorene Fläche erstreckt sich bis zum Horizont, nur hin und wieder ist die vereiste See von einzelnen größeren und kleineren Eisbergen durchsetzt, die im kalten Nebellicht schon fast unwirklichen Charakter annehmen. Mit seiner eingefrorenen, aber dennoch meditativ wirkenden Stille und Unberührtheit bietet der Hintergrund dem Auge einen deutlichen Kontrast zur expressiven Darstellung im Vorder- und vor allem im Mittelgrund des Gemäldes.
Inmitten dieser ambivalenten Dramatik geht das gekenterte Schiff im wahrsten Sinne des Wortes fast unter. Am rechten Bildrand befindlich, ist es nur auf den zweiten Blick auszumachen. Erst die aufgerichtete gelbliche Platte lenkt die Aufmerksamkeit auf das Schiffswrack, vom dem gerade noch das Heck, der Mast, sowie ein Stück des Segels zu erkennen sind. Die menschliche Tragödie scheint nur eine Randnotiz zu sein im Angesicht des bedrohlichen, aber auch beeindruckenden Naturschauspiels. Die Frage ist nicht, ob es Überlebende in dieser unwirtlichen Situation gibt, sondern nur, wie lange es noch dauert, bis die Eismassen das nunmehr wie eine Miniatur wirkende Schiff komplett unter sich begraben haben werden. Nicht von ungefähr kommt daher auch der Eindruck, bei den aufgetürmten Eisschollen handle es sich um überdimensionale Grabplatten.10 Wie es zu dieser Katastrophe kam, ist für den Betrachter des Gemäldes nicht mehr direkt nachvollziehbar. Vermutlich zu nah an die vereiste Spitze einer Landzunge gekommen, scheint das Schiff von den es umgebenden Eisbergen umschlossen und unter Wasser gedrückt worden zu sein, so dass es nun bis auf weiteres im ewigen Eis eingeschlossen liegt.
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1 1823/24, Öl auf Leinwand, 96,7 x 126,9 cm, Hamburger Kunsthalle.
2 Wieland Schmied: Caspar David Friedrich, Köln 1992, S. 109.
3 Ebd., S. 109.
4 Yuko Nakama: Caspar David Friedrich und die Romantische Tradition. Moderne des Sehens und Denkens, Berlin 2011, S. 133.
5 1808-10, Öl auf Leinwand, 110 x 171,5 cm, Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloss Charlottenburg.
6 Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Neue Deutungen. Vortrag zum 200. Geburtstag von C. D. Friedrich. gehalten am 20. November 1974 in der Stiftung Pommern, Kiel 1974.
7 Werner Hofmann: Caspar David Friedrich. Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit, München 2000 S. 228
8 W. Hofmann: S. 236.
9 W. Schmied: S. 110.
10 Peter Rautmann: C. D. Friedrich. Das Eismeer. Durch Tod zu neuem Leben , Frankfurt am Main 1991, S. 11-12.
- Quote paper
- Anonymous,, 2013, Caspar David Friedrichs "Das Eismeer". Bildbetrachtung und Vergleich zum "Mönch am Meer", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310167
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