Diese Arbeit bietet einen Überblick über den Ruanda-Konflikt und die Rolle der UNO. Sie klärt zunächst die Frage, was der Ruanda-Konflikt ist, wie er ablief und welche Folgen er hatte.
Desweiteren wird die Aufgabe der UNO genauer analyisiert. Welche Rolle hatte sie vor dem Konflikt inne und wie veränderte sich diese im Laufe des Völkermords?
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Ruanda-Konflikt?
Der Ruanda-Konflikt wird oft mit dem 100-Tage-Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 gleichgesetzt. Er hat jedoch eine 100-jährige Vorgeschichte, die bis zur Kolonialisierung Ruandas im Jahr 1894 zurückreicht.
Was war die Hamitentheorie?
Deutsche suchten nach wissenschaftlichen Bestätigungen der Hamitentheorie, die besagte, dass die Tutsi von Norden eingewanderte Viehhirten seien, die die Ackerbau treibenden Hutu vorfanden und zu Herrschern über diese wurden.
Waren Hutu und Tutsi ursprünglich ethnische Kategorien?
Nein, ursprünglich waren Hutu und Tutsi soziale und keine ethnischen Kategorien.
Wie wurde die Hamitentheorie instrumentalisiert?
Die Hamitentheorie wurde zum kolonialen Herrschaftsinstrument. Die Bevölkerung wurde in eine Elite der Tutsi und eine Masse der Hutu geteilt.
Wer übernahm die Herrschaft über Ruanda nach den Deutschen?
Die Belgier vertrieben die Deutschen im Laufe des Ersten Weltkrieges und erhielten 1918 ein Völkerbundmandat für Ruanda.
Was taten die Belgier in Bezug auf die Bevölkerungsgruppen?
Sie führten eine Volkszählung durch und verankerten die Teilung der Bevölkerung. Das Kriterium für die Einteilung in Hutu und Tutsi war der Besitz an Vieh.
Was geschah 1961?
Der Tutsi-König Kigeri V wurde 1961 abgesetzt.
Was folgte der Absetzung des Königs?
Die von der PARMEHUTU angeführte neue Regierung rief die Republik Ruanda aus.
Wann wurde Ruanda unabhängig?
Am 1. Juli 1962 wurde Ruanda offiziell unabhängig.
Was geschah nach der Unabhängigkeit?
In einem Bürgerkrieg wurden unzählige Tutsi umgebracht. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Massakern an den im Lande verbliebenen Tutsi. Zehntausende Tutsi flohen in die Nachbarländer, vor allem nach Uganda.
Wer putschte 1973?
Am 5. Juli 1973 putschte das Militär unter General Juvénal Habyarimana, der 1978 Wahlen durchführen ließ.
Was geschah 1988 im Nachbarland Burundi?
Im August 1988 kam es im Nachbarland Burundi zu systematischen Massakern an der Hutu-Bevölkerung von Seiten der von Tutsi dominierten Armee. Dies führte zu massiven Flüchtlingsströmen nach Ruanda.
Was forderte eine Tutsi-Rebellenarmee ab 1990?
Ab 1990 forderte eine Tutsi-Rebellenarmee die Rückkehr der Tutsi-Flüchtlinge nach Ruanda. Es kam zum Bürgerkrieg.
Was geschah am 6. April 1994?
Ein Flugzeug wurde abgeschossen, wobei der ruandische Präsident Juvenal Habyarimana und sein burundischer Amtskollege Cyprien Ntaryamira ums Leben kamen. Staatliche Medien beschuldigten die Tutsi-Opposition, hinter dem Attentat zu stecken. Noch in der Nacht kam es zu ersten Gewalttaten gegen Tutsi.
Was geschah am 7. April?
Tutsi-Führer und gemäßigte Hutu-Politiker wurden systematisch gejagt und getötet. Roméo Dallaire, Kommandant der 5000 Mann starken UN-Friedenstruppen in Ruanda, erhielt die Anordnung, bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden und sich nicht in den Konflikt einzumischen. Zehn belgische UN-Blauhelme wurden von einem Mob getötet.
Was schätzte das Internationale Rote Kreuz am 11. April?
Das Internationale Rote Kreuz schätzte, dass bereits mehrere zehntausend Menschen getötet wurden. UN-Soldaten, die in einer Schule in Kigali 2000 Tutsi beschützt hatten, wurden zum Flughafen beordert. Nach ihrem Abzug wurden die meisten der Tutsi getötet.
Was tat Belgien am 14. April?
Belgien zog seine Soldaten aus der UN-Truppe ab.
Was geschah am 15. April?
Mehrere tausend Tutsi wurden Opfer eines Massakers. In den Folgewochen wurden Kirchen und Klöster zu Schauplätzen des Massenmords.
Was berichtete Human Rights Watch am 19. April?
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach von 100.000 Toten in Ruanda und appellierte an den UN-Sicherheitsrat, die Ereignisse in Ruanda als Völkermord zu bezeichnen. Der UN-Sicherheitsrat entschied zwei Tage später, 90 Prozent der Friedenstruppen in Ruanda abzuziehen.
Was verurteilte eine UN-Resolution am 30. April?
In einer UN-Resolution wurde das Töten in Ruanda verurteilt, der Begriff Völkermord wurde jedoch vermieden.
Was beschlossen die UN am 17. Mai?
Die UN stimmten sechs Wochen nach Beginn des Völkermords der Bitte General Dallaires zu, die Friedenstruppen in Ruanda auf 5.000 Mann aufzustocken. In einer Resolution des UN-Sicherheitsrates war erstmals davon die Rede, dass es "zu Fällen von Völkermord gekommen sein kann." Mehr als 300.000 Menschen wurden in Ruanda getötet. Währenddessen wurde in der UN-Verwaltung noch zwei Wochen lang über die Finanzierung der UN-Truppen diskutiert.
Was kontrollierte die Ruandische Patriotische Front am 22. Mai?
Truppen der Ruandischen Patriotischen Front, die von Uganda aus nach Ruanda eingedrungen waren, brachten den Flughafen Kigali unter ihre Kontrolle.
Welches Mandat erhielt Frankreich am 22. Juni?
Frankreich erhielt vom UN-Sicherheitsrat das Mandat zur Intervention. In Südwestruanda sollten die Franzosen einen "sicheren Korridor" einrichten. Das Morden ging auch dort weiter. Eine ruandische Untersuchungskommission warf Frankreich später Komplizenschaft mit den Mördern vor.
Was erreichten die Truppen der Ruandischen Patriotischen Front am 17. Juli?
Die Truppen der Ruandischen Patriotischen Front erreichten Kigali. Genau 100 Tage ging das Massenmorden. Die Hutu-Regierung flieht ins benachbarte Zaire, gefolgt von zehntausenden Hutus, die die Rache der Tutsi fürchten.
Welche Konfliktfolgen gab es?
Der 100-Tage-Völkermord in Ruanda vom 6. April 1994 - Mitte Juli 1994 forderte 860.000 ermordete Tutsi und 30.000 ermordete Hutu. Nach dem Völkermord flohen rund zwei Millionen Hutus ins Nachbarland Kongo. Dort formierten sich Teile der geflohenen Hutus als Miliz neu unter dem Namen Demokratische Kräfte für die Befreiung Ruandas (FDLR) und verbreiten bis heute Angst und Schrecken. Mit bisher über 6 Millionen Toten sind die bis heute andauernden Kongo-Kriege die opferreichste Auseinandersetzung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Wie wurde das Justizsystem angepasst?
Das Justizsystem Ruandas war nicht in der Lage, Verfahren gegen hunderttausende Täter zu führen. Es wurden Dorfgerichte (GACCA) eingesetzt. Das UN-Sondertribunal im tansanischen Arusha ist überfordert. Die meisten Täter sind bis heute nicht gefasst.
Wie leben die Überlebenden und Täter heute?
Die rund 300.000 überlebenden Opfer des Genozids müssen heute wieder Seite an Seite mit den Tätern leben. Viele der Opfer und Täter leiden bis heute an den psychischen Folgen. Heute ist es verboten, die Worte Hutu und Tutsi in den Mund zu nehmen. Ein Gesetz verbietet ,,Genozid-Ideologie" und das Leugnen des Genozids. Der 7. April ist in Ruanda Gedenktag.
Welche Aufgaben hatte die UNO vor dem Konflikt?
Die United Nations Assistance Mission for Rwanda (UNAMIR) (Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Ruanda) war eine Mission zur Durchsetzung des Arusha-Abkommens. Das am 4. August 1993 unterzeichnete Arusha-Abkommen bezeichnet ein Friedensabkommen zwischen den ruandischen Bürgerkriegsparteien: der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) unter Generalmajor Paul Kagame und ihrem politischem Arm, der CND (Conseil National pour le Développement) und den Hutu-dominierten Regierungstruppen des damaligen Präsidenten Juvénal Habyarimana und seiner Regierungspartei der MRND (Mouvement Républicain National pour la Démocratie et le Développement). Die UNAMIR Mission dauerte von Oktober 1993 bis März 1996. Zur Erfüllung der Mission standen den Leitern von UNAMIR ursprünglich (bis April 1994) 2.217 Soldaten, 331 unbewaffnete Militärbeobachter (MILOB MILITARY OBSERVER) sowie etwa 60 Polizisten und zivile Mitarbeiter zur Verfügung. Dieses Kontingent wurde hauptsächlich in der demilitarisierten Zone und in der ruandischen Hauptstadt Kigali zur Überwachung der Waffenruhe eingesetzt.
Was war das Ziel der UNAMIR-Mission?
UNAMIR war eine friedenserhaltende Mission. Im Gegensatz zu einer friedenserzwingenden Mission handelte es sich um eine rein defensive Operation. Die Regeln sahen für den Kampfeinsatz vor, dass bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit Waffengewalt durch die UN-Truppen ausgeübt werden könnte, um diese zu unterbinden.
Welche Aufgaben hatte die UNO im Verlauf des Konfliktes?
Anzeichen für Planungen zum Völkermord gibt es seit Sommer 1993. Am 11. Januar 1994 wird die UN-Zentrale in New York vor einer bevorstehenden ,,Vernichtung" der Tutsi-Minderheit gemahnt. Dort ist Kofi Annan für Friedenseinsätze verantwortlich. Annan verbietet Dallaire, Partei zu ergreifen. Zu Beginn des Völkermords werden zehn belgische Blauhelme brutal ermordet. Belgien zieht seine Blauhelm-Soldaten ab. Die Blauhelme konzentrieren sich darauf, Ausländer zu retten.
Wie reagierte der UN-Sicherheitsrat?
Am 21. April beschließt der UN-Sicherheitsrat, die Blauhelme abzuziehen. Nur ein Zehntel bleibt zurück, 270 Mann. Am 17. Mai fasst der UN-Sicherheitsrat den Beschluss, die Blauhelm-Mission in Ruanda wieder auf 5 500 Soldaten aufzustocken. Nicht ein einziges Ratsmitglied ist bereit, Truppen zu entsenden. Die 5500-Mann-Mission existiert nur auf dem Papier. Erst am 22. Juni entsendet Frankreich 2500 Soldaten (,,Operation Türkis") - um eine ,,Schutzzone" für Hutus zu errichten. Sie entkommen über Goma in den Ost-Kongo.
Wie fällt die Bilanz über die Rolle der UNO aus?
Am 16. Dezember 2000 wurde in New York der Bericht einer UN internen Kommission vorgestellt. Das Gremium kam zu einem vernichtenden Urteil: Hinweise auf den geplanten Völkermord seien ignoriert und Eingreifen absichtlich verweigert worden. Die Mitglieder des Sicherheitsrates seien nicht bereit gewesen, eine schlagkräftige Friedenstruppe aufzustellen. UN-Generalsekretär Annan erklärte, er gebe das Versagen der UNO zu und bereue es zutiefst.
Unter welchen Bedingungen kann die UNO etwas erreichen?
Die UN kann immer nur so gut oder so schlecht sein wie die Summe der Politik ihrer Mitglieder. Dazu braucht es eine einheitliche Linie der Mitglieder. Die Interessen der einzelnen Länder überlagern oft aber humanitäre Fragen und Menschenrechte. An den Konflikten in Afrika besteht zum Beispiel kaum Interesse.
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- Sebastian Dien (Author), 2015, Der Ruanda-Konflikt und die Rolle der UNO. Ein kurzer Überblick über Ursachen und Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307223