Die Geschichte künstlerischer Arbeit im Internet sei noch nicht erzählt - darin stimmen die meisten Autoren jüngst erschienener kunstwissenschaftlicher Aufsätze und Publikationen überein. Trotzdem gibt es einige wesentliche Etappen, die in den kunstwissenschaflichen Darlegungen zur künstlerischen Eroberung des Internets immer wieder auftauchen: In den frühen 1990er Jahren mehren sich die Versuche eines künstlerischen Umgangs mit dem Internet, es entstehen erste Arbeiten, die nur noch in Form von Daten existieren und die künstlerische Arbeit und ihren Schauplatz ineinssetzen. Ende des Jahrzehnts finden erste Ausstellungen statt, die Netzkunst zeigen und thematisieren, vereinzelt erscheinen Aufsätze und Besprechungen in Kunst- und Fachzeitschriften.
Die neuen Ansätze werden im Verlauf der 1990er Jahre zum Beispiel unter der Begriff der „Net.Art“ versammelt. Nach einer anfänglichen Euphorie über die mit dem neuen Medium entstehenden Möglichkeiten wird der Diskurs um die Netzkunst ab 1997 schon wieder von der diskursiven Figur des „Todes der Netzkunst“ (Weiß 2009: 96) bestimmt, nach der Jahrtausendwende weicht diese der Verhandlung von „Post Internet Art“, „Meme Art“ oder anderen Formen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Internet.
Es zeichnen sich in unterschiedlichen Teilgebieten des Kunstsystems gegenläufige Tendenzen ab: Während sich die künstlerischen Praktiken im und mit dem Internet und seiner technischen Weiterentwicklung weiter ausdifferenziert haben, es damit zugleich zu einem quantitativen Anstieg kam, tritt der Netzkunstdiskurs – noch immer – kaum aus dem Internet heraus.
Eine kunstwissenschaftliche Erfassung künstlerischer Tätigkeit im Internet findet nur in Ansätzen statt, als Bestandteil von musealen Schauen zeitgenössischer Kunst hat die Netzkunst sich nicht etabliert und in den Fachzeitschriften stagniert die Diskussion weitgehend. Diese Gemengelage ist in mehrfacher Hinsicht verwunderlich: Videokunst und andere mediale und konzeptuelle Praktiken sind längst selbstverständlicher Bestandteil des tradierten Kunstsystems und in fast jeder Schau zeitgenössischer Kunst vertreten. Zudem wurde innerhalb des Netzkunstdiskurses in den 1990er Jahren häufig die Erwartung laut, dass die Netzkunst sich in das Kunstsystem integrieren würde, das als der Innovation sehr aufgeschlossen gegenüberstehend oder mit Luhmann „um seine eigene Modernität besorgt“ (Luhmann 2008: 239) gilt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Kunst und Innovation im Digitalen Zeitalter
- 2.1 Die Bedeutung des Neuen im Kunstsystem
- (Luhmann, Groys)
- 2.2 Medium und Wandel: Baeckers „nächste Gesellschaft“
- (Luhmann, Baecker)
- 2.1 Die Bedeutung des Neuen im Kunstsystem
- 3. Netzkunst und das Internet als Ausstellungsort
- 3.1 Kunst im Netz und die Lage ihres Begriffes
- 3.2 Eine Bestandsaufnahme: Netzkunst innerhalb und außerhalb des Internets
- 3.3 Die Spezifik des Internets als Medium der Kunst
- 4. Wo steht die Kunst im Netz?
- 5. Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage, warum die Netzkunst bisher kaum Einzug in das tradierte Kunstsystem erhalten hat und inwieweit dies durch die Spezifik des Internets als Medium der Kunst bedingt ist. Außerdem wird untersucht, wie sich in einer zeitlichen Dimension Netzkunst und Netzkunstdiskurs zu Kunst und Kunstdiskurs stellen.
- Die Bedeutung des Neuen im Kunstsystem (Luhmann, Groys)
- Der Übergang in eine „nächste Gesellschaft“ (Baecker)
- Die Lage der Netzkunst innerhalb und außerhalb des Internets
- Die Spezifik des Internets als Medium der Kunst
- Die historische Dimension der Ausdifferenzierung des Kunstsystems
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Diese Einleitung stellt die These auf, dass die Geschichte künstlerischer Arbeit im Internet noch nicht erzählt ist, und führt die zentralen Etappen der künstlerischen Eroberung des Internets auf. Es werden verschiedene Begriffe der Netzkunst wie „Net.Art", „Todes der Netzkunst" und „Post Internet Art" erwähnt. Außerdem werden die gegenläufigen Tendenzen in der künstlerischen Praxis und im Diskurs um die Netzkunst aufgezeigt.
- Kapitel 2: Kunst und Innovation im Digitalen Zeitalter: In diesem Kapitel werden die Theorien von Luhmann und Groys zum Thema Innovation im Kunstsystem analysiert. Luhmann sieht das Kunstsystem als besonders „um seine eigene Modernität besorgt“, während Groys die Bedeutung des Strebens nach dem Neuen im postmodernen Denken betont. Beide Autoren liefern Erklärungsmodelle für die Erwartungshaltung, dass ein „Boom oder Hype von Netzkunst“ kurz bevorstehe.
- Kapitel 3: Netzkunst und das Internet als Ausstellungsort: Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition von Netzkunst und den terminologischen Schwierigkeiten, die im wissenschaftlichen Schreiben über Netzkunst bestehen. Die Lage der Netzkunst innerhalb und außerhalb des Internets wird analysiert, um herauszufinden, ob das Desinteresse an der Netzkunst außerhalb des Internets mit der Spezifik des Internets als Medium zusammenhängt.
- Kapitel 4: Wo steht die Kunst im Netz?: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Integration der Netzkunst in das traditionelle Kunstsystem und untersucht, ob sich ein Prozess der sukzessiven Eingliederung des als neu beobachteten in bestehende Strukturen abzeichnet, wie das etwa für die künstlerische Fotografie galt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Netzkunst, Kunst im Internet, Kunst und Innovation, das Neue im Kunstsystem, das Internet als Medium der Kunst, Ausdifferenzierung des Kunstsystems, Luhmann, Groys, Baecker, „nächste Gesellschaft“. Sie untersucht die Rezeption der Netzkunst im traditionellen Kunstsystem und analysiert die Rolle des Internets als Medium und Schauplatz von Kunst.
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- Anonym (Author), 2014, Das Internet als Medium und Schauplatz von Kunst. Netzkunst im Prozess soziokulturellen Wandels, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306997