In einer Studie wurde der Einfluss der räumlichen Distanz zu einem angstauslösenden Ereignis auf das Zustandekommen von gemischten Gefühlen untersucht. Als angstauslösender Stimulus diente ein Ausschnitt aus einem Horrorfilm. Die Studienteilnehmenden wurden in einem Between-Subject-Design zufällig den drei Bedingungen „geringe Distanz“, „mittlere Distanz“ und „grosse Distanz“ zugeteilt. Die drei Distanz-Bedingungen unterschieden sich in den Umgebungsbedingungen, wobei die Projektionsgrösse des Filmausschnitts, die Beleuchtung des Raums und die Qualität sowie die Lautstärke des Tons verändert wurden.
Als Ergebnis wurde erwartet, dass bei einer mittleren Distanz intensivere gemischte Gefühle aufkommen als bei einer geringen und bei einer grossen Distanz, da bei einer geringen Distanz eher negative Gefühle zu erwarten sind, weil die Nähe zum aversiven Ereignis zu gross ist, um noch positive Gefühle zu empfinden. Bei einer grossen Distanz hingegen sind keine intensiven Gefühle mehr zu erwarten, da der Abstand zum aversiven Ereignis so gross ist, dass sich der Zuschauer kaum mehr involviert fühlt. Die Hypothese konnte jedoch nicht bestätigt werden, da zwischen den einzelnen Gruppen kein signifikanter Unterschied in der Intensität der gemischten Gefühle gefunden wurde.
Inhalt
1. Zusammenfassung
1.1. Theoretischer Hintergrund
1.2. Hypothesen
1.3. Methoden
1.4. Ergebnisse
1.5. Diskussion
2. Abstract
3. Gemischte Gefühle
3.1. Hinweise auf gemischte Gefühle in verschiedenen Situationen
3.2. Das Circumplex Modell
3.3. Simultan oder sequentiell?
3.4. Die Korrelation zwischen positivem und negativem Affekt
3.5. Interpretation der Antwortskalen
3.6. Das Evaluative Space Model
4. Meta-Emotionen
5. Distanz
6. Angst als Voraussetzung für Spannung
7. Fragestellung und Hypothesen
8. Methode
8.1. Design
8.2. Ablauf
8.3. Stichprobe
8.4. Rekrutierung
8.5. Stimuli
8.6. Manipulation
8.7. Messinstrumente
9. Resultate
9.1. Berechnung der gemischten Gefühle
9.2. Hypothese
9.3. Hypothese
9.4. Hypothese
9.5. Weitere Ergebnisse
10. Diskussion
10.1. Einschränkungen
10.2. Ausblick
10.3. Fazit
11. Anhang
1. Zusammenfassung
In dieser Studie geht es um den Zusammenhang zwischen der räumlichen Distanz zu einem angstauslösenden Ereignis und dem Zustandekommen von gemischten Gefühlen. Als angstauslösender Stimulus diente ein Ausschnitt aus einem Horrorfilm. In einem Between-Subject-Design wurde die räumliche Distanz variiert.
1.1. Theoretischer Hintergrund
Gemischte Gefühle lassen sich als das gleichzeitige Erleben von zwei Gefühlen gegensätzlicher Valenz definieren (Hemenover & Schimmack, 2007). Die Existenz von gemischten Gefühlen ist jedoch umstritten. Während einige Studienergebnisse für ein Vorkommen von gemischten Gefühlen sprechen (z. B. Larsen & McGraw, 2011), sind andere Autoren der Meinung, dass positiver und negativer Affekt die gegenüberliegenden Enden eines Kontinuums sind, was ein Vorkommen von gemischten Gefühlen ausschliessen würde (z. B. Russell & Carroll, 1999). Zwischen diesen Positionen läuft eine Debatte.
Zusätzlich spielt in dieser Studie ein Spezialfall von gemischten Gefühlen eine Rolle, der mithilfe von Meta-Emotionen zustande kommt. Eine Meta-Emotion bezeichnet eine Emotion, die sich auf eine bereits vorhandene, primäre Emotion bezieht (Bartsch et al., 2008). Bezieht sich eine Meta-Emotion auf eine primäre Emotion gegensätzlicher Valenz, lässt sich dies als gemischtes Gefühl bezeichnen, da zwei Gefühle gegensätzlicher Valenz gleichzeitig vorhanden sind.
Ein Faktor, der einen Einfluss auf das Zustandekommen von gemischten Gefühlen haben könnte, ist die Distanz zu dem Ereignis, das die Gefühle auslöst. Verschiedene Studien (Hemenover & Schimmack, 2007, sowie Andrade & Cohen, 2007) legen den Schluss nahe, dass ein aversives Ereignis bei einer mittleren oder grossen Distanz gemischte Gefühle auszulösen vermag, während es bei einer geringen Distanz vor allem negative Gefühle auslöst. Die Ergebnisse einer weiteren Studie (Madrigal & Bee, 2005) zeigen, dass bei spannenden Werbungen ein gewisses Ausmass an Angst vorhanden sein muss, um auch Vergnügen empfinden zu können. Daraus lässt sich schliessen, dass ein angstauslösendes Ereignis bei einer sehr grossen Distanz, bei der kaum mehr Angst aufkommt, keine gemischten Gefühle mehr auszulösen vermag, da die Distanz zu gross ist, um überhaupt irgendwelche Gefühle auszulösen.
1.2. Hypothesen
Aus den theoretischen Grundlagen lassen sich folgende Hypothesen ableiten:
I) Die wahrgenommene Distanz zu einem angstauslösenden Ereignis hat einen Einfluss darauf, ob gemischte Gefühle bezüglich dieses Ereignisses erlebt werden oder nicht. Das heisst, bei einer mittleren Distanz werden eher gemischte Gefühle wahrgenommen als bei einer kleinen oder grossen Distanz.
II) Die wahrgenommene Distanz zu einem angstauslösenden Ereignis hat einen Einfluss darauf, ob positive Meta-Emotionen vorhanden sind, die sich auf durch das Ereignis ausgelöste negative primäre Emotionen beziehen. Das heisst, bei einer mittleren Distanz werden eher positive Meta-Emotionen (bezogen auf eine negative primäre Emotion) wahrgenommen als bei einer kleinen oder grossen Distanz.
III) Zwischen dem Erleben von gemischten Gefühlen und von positiven Meta-Emotionen, die sich auf negative, primäre Emotionen beziehen, besteht ein Zusammenhang: sind positive Meta-Emotionen gegenüber einer negativen, primären Emotion vorhanden, sind ebenfalls gemischte Gefühle vorhanden.
1.3. Methoden
In einem Between-Subject-Design wurde die unabhängige Variable „Distanz“ in eine kleine, mittlere und grosse Bedingung aufgeteilt. 101 Studienteilnehmende (hauptsächlich Psychologie-Studierende der Universität Zürich) wurden zufällig diesen drei Bedingungen zugeteilt. Als angstauslösender Stimulus diente ein Ausschnitt aus einem Horrorfilm. Als Kontrast dazu wurden zusätzlich Filmclips mit zufällig gefilmten Pannen gezeigt, mit der Absicht, Schadenfreude auszulösen. Die Distanz-Manipulation erfolgte durch eine Veränderung der Umgebungsbedingungen, indem die Grösse des Bildschirms, die Qualität und Lautstärke des Tons sowie die Beleuchtung im Raum verändert wurden. Die Studienteilnehmenden befanden sich während des Schauens der Filmausschnitte jeweils alleine im Zimmer, um nicht von anderen Personen beeinflusst werden zu können. Die allgemeine Stimmung (MDBF, Steyer, Schwenkmezger, Notz & Eid, 1997) sowie die Angst im Speziellen (STAI, Laux et al., 1981) wurden jeweils vor und nach den Filmausschnitten gemessen. Ausserdem wurden soziodemografische Daten, Meta-Emotionen (Bartsch, 2012) bezüglich der Filmausschnitte, Affektregulationsstrategien (Riediger, Schmiedek, Wagner und Lindenberger, 2009) und der Sensation Seeking-Wert (Beauducel, Strobel & Brocke, 2003) erhoben.
1.4. Ergebnisse
Keine der drei Hypothesen konnte bestätigt werden. In den gemischten Gefühlen sowie in den Meta-Emotionen liessen sich keine Unterschiede zwischen den drei Distanz-Bedingungen finden. Ein Zusammenhang zwischen gemischten Gefühlen und positiven Meta-Emotionen wurde ebenfalls nicht gefunden.
Bezüglich Affektregulation wurden auch keine Unterschiede zwischen den drei Distanz-Bedingungen gefunden. Allerdings weist die Verteilung der Antworten auf einen Deckeneffekt hin, da die meisten Studienteilnehmenden ihre Stimmung abdämpfen wollten.
1.5. Diskussion
Das Ergebnis dieser Studie widerspricht den Ergebnissen früherer Studie, die einen Einfluss der Distanz auf das Empfinden von gemischten Gefühlen gefunden haben (Hemenover & Schimmack, 2007, sowie Andrade & Cohen, 2007). Ein Grund dafür könnte in einer anderen Art der Distanz-Manipulation liegen, da im Gegensatz zu den beiden früheren Studien lediglich die Umgebungsbedingungen verändert wurden. Die Manipulation wurde in einer Pilotstudie überprüft. Sie hat jedoch erst dann funktioniert, als ein Vergleich zwischen den drei Bedingungen gegeben war. Dieser Vergleich fehlte in der Hauptstudie, was möglicherweise zur Folge hatte, dass die Manipulation in der Hauptstudie missglückt ist. Der Deckeneffekt bezüglich der Affektregulationsstrategien deutet ebenfalls auf eine erfolglose Distanzmanipulation hin. Denn die Tatsache, dass die meisten Studienteilnehmenden ihre Stimmung abschwächen wollten, weist darauf hin, dass die Distanz in allen drei Bedingungen als gering empfunden wurde. In weiteren Studien könnte daher die Distanz-Manipulation verbessert werden.
2. Abstract
In dieser Studie wurde der Einfluss der räumlichen Distanz zu einem angstauslösenden Ereignis auf das Zustandekommen von gemischten Gefühlen untersucht. Als angstauslösender Stimulus diente ein Ausschnitt aus einem Horrorfilm. Die Studienteilnehmenden (N=101) wurden in einem Between-Subject-Design zufällig den drei Bedingungen „geringe Distanz“, „mittlere Distanz“ und „grosse Distanz“ zugeteilt. Die drei Distanz-Bedingungen unterschieden sich in den Umgebungsbedingungen, wobei die Projektionsgrösse des Filmausschnitts, die Beleuchtung des Raums und die Qualität sowie die Lautstärke des Tons verändert wurden.
Als Ergebnis wurde erwartet, dass bei einer mittleren Distanz intensivere gemischte Gefühle aufkommen als bei einer geringen und bei einer grossen Distanz, da bei einer geringen Distanz eher negative Gefühle zu erwarten sind, weil die Nähe zum aversiven Ereignis zu gross ist, um noch positive Gefühle zu empfinden. Bei einer grossen Distanz hingegen sind keine intensiven Gefühle mehr zu erwarten, da der Abstand zum aversiven Ereignis so gross ist, dass sich der Zuschauer kaum mehr involviert fühlt. Die Hypothese konnte jedoch nicht bestätigt werden, da zwischen den einzelnen Gruppen kein signifikanter Unterschied in der Intensität der gemischten Gefühle gefunden wurde.
3. Gemischte Gefühle
Beobachtet man in einem Freizeitpark Leute auf Achterbahnen, fällt oft auf, dass diese zwar vor Angst kreischen, jedoch trotzdem Spass an der Fahrt haben. Dabei drängt sich die Frage auf, wieso sich viele Menschen freiwillig einer angstauslösenden Situation aussetzen und daran sogar noch Spass haben. Es scheint ein Widerspruch zu sein, gleichzeitig Angst und Freude zu empfinden, da es sich bei der Angst um eine negative und bei der Freude um eine positive Emotion handelt (Tracy & Randles, 2011), und trotzdem lässt sich manchmal ein gleichzeitiges Vorkommen von negativen und positiven Gefühlen beobachten.
Auf einer Achterbahn lassen sich jedoch nicht nur Menschen finden, die Angst und Freude gleichzeitig ausdrücken. Bei einigen könnte die wilde Fahrt lediglich sehr starke Angstgefühle erwecken, die in keiner Weise als positiv erlebt werden. Umgekehrt lassen sich auch Menschen finden, die sich von einer solchen Fahrt nicht beeindrucken lassen und überhaupt keine Angst verspüren. Dabei könnte man annehmen, dass eine solche Person umso mehr Freude an der Fahrt empfinden müsste, da keine negativen Gefühle vorhanden sind, doch das Gegenteil ist der Fall: eine Achterbahnfahrt, bei der keine Angst aufkommt, wird eher als langweilig empfunden. Wie kommt es, dass bei einigen Personen ein Ereignis gemischte Emotionen hervorruft, bei anderen jedoch nicht? Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach.
Um den Begriff der gemischten Gefühle definieren zu können, muss zuerst klargestellt werden, wie sich Emotionen – die Bestandteile der gemischten Gefühle – definieren lassen. Mulligan und Scherer (2012) beschreiben eine Emotion als eine affektive Episode, die sich auf ein bestimmtes Objekt bezieht. Dabei wird dieses Objekt bewertet (zum Beispiel könnte eine Person eine Handlung einer anderen Person nicht gutheissen, wobei diese Handlung als Objekt dient, das negativ bewertet wird, weshalb dann zum Beispiel die Emotion Wut aufkommt). Die Bewertung kann hierbei auf verschiedenen Stufen – von einer unbewussten automatischen Verarbeitung bis zu einer kognitiv anstrengenden Schlussfolgerung – vollzogen werden. Scherer (2001) nennt ausserdem verschiedene Komponenten, die eine Emotion ausmachen: eine kognitive Komponente (Bewertung), eine neurophysiologische Komponente (körperliche Symptome), eine motivationale Komponente (Handlungsabsichten), eine motorische Komponente (Gesichtsausdruck und sprachlicher Ausdruck) und das subjektive Gefühl (emotionale Erfahrung). In dieser Arbeit wird nicht auf alle Komponenten eingegangen, die Scherer (2001) nennt, sondern lediglich auf die kognitive Komponente sowie auf das subjektive Gefühl. Ausserdem wird einfachheitshalber oft von „gemischten Gefühlen“ gesprochen, obwohl der korrekte Ausdruck „gemischte Emotionen“ lauten würde (der Begriff „Gefühl“ ist weiter gefasst, da auch zum Beispiel ein Schmerz im Knie als Gefühl bezeichnet werden kann).
Gemischte Gefühle lassen sich als ein gleichzeitiges Erleben von zwei Gefühlen gegensätzlicher Valenz definieren, zum Beispiel das gleichzeitige Auftreten von Freude und Traurigkeit (Hunter, Schellenberg & Schimmack, 2008). Auch andere Gefühle gegensätzlicher Valenz können zu gemischten Gefühlen führen, zum Beispiel das gleichzeitige Auftreten von Ekel und Vergnügen (Hemenover & Schimmack, 2007) oder von Hoffnung und Angst (Madrigal & Bee, 2005).
Von einigen Autoren wird angenommen, dass Emotionen auf den Dimensionen Lust und Unlust sowie Aktivierung und Deaktivierung basieren (z. B. Russell, 2003). Diese Dimensionen sind primitiv, universell und werden als Kern-Affekt bezeichnet. Kern-Affekt zeigt sich in Emotionen (bezogen auf ein Objekt) sowie in Stimmungen (nicht auf ein bestimmtes Objekt bezogen) und kann bewusst als auch unbewusst (vor allem in einer neutralen Stimmung) sein (Russell, 2003). In dieser Arbeit ist vor allem die Dimension Lust – Unlust relevant, wobei Lust positivem Affekt und Unlust negativem Affekt entspricht.
Positiver und negativer Affekt werden von einigen Autoren als die gegenüberliegenden Enden eines Kontinuums angesehen (z. B. Russell & Carroll, 1999). Diese Ansicht schliesst ein Vorkommen von gemischten Gefühlen aus, da eine Zunahme von positivem Affekt zwangsläufig eine gleichzeitige Reduktion von negativem Affekt bedeuten würde. Andere Wissenschaftler hingegen sind der Meinung, dass positiver und negativer Affekt unabhängig voneinander sind und daher gleichzeitig auftreten können (z. B. Cacioppo & Berntson, 1994). Zwischen diesen beiden Positionen läuft eine Debatte über die Existenz von gemischten Gefühlen. Auf beide Postionen wird im Folgenden genauer eingegangen.
3.1. Hinweise auf gemischte Gefühle in verschiedenen Situationen
Verschiedene Studien unterstützen die Annahme, dass gemischte Gefühle existieren (z. B. Larsen & McGraw, 2011). Sie zeigen auf, dass gemischte Gefühle in unterschiedlichen Situationen aufkommen können. So fanden Diener und Iran-Nejad (1986) sowie Larsen, McGraw und Cacioppo (2001) das Vorhandensein von gemischten Gefühlen im Alltag. Diener und Iran-Nejad (1986) gaben ihren Studienteilnehmenden den Auftrag, während einer Periode von 6 Wochen immer dann einen Fragebogen über ihre Stimmung auszufüllen, wenn sie eine ihrem Empfinden nach starke Emotion wahrnahmen. Die Ergebnisse zeigen, dass Gefühle derselben Valenz zwar dazu neigen, zusammen aufzutreten. Es finden sich aber auch gemischte Gefühle, wobei jedoch die Intensität der jeweiligen positiven und negativen Emotion nicht sehr hoch ist (Diener & Iran-Nejad, 1986).
Larsen et al. (2001) befragten Studienteilnehmende an dem Tag zu ihren Gefühlen, als diese aus dem Studentenwohnheim auszogen. Diese Studienteilnehmenden berichteten signifikant mehr gemischte Gefühle als Studienteilnehmende, die an einem beliebigen Tag befragt wurden. Weiter fanden Larsen et al. (2001), dass Studienteilnehmende, die am Tag des College-Abschlusses befragt wurden, signifikant mehr gemischte Gefühle berichteten als Studienteilnehmende, die ihren Abschluss noch nicht gemacht hatten.
Gemischte Gefühle können nicht nur in alltäglichen Situationen, sondern auch im Labor ausgelöst werden. Hunter et al. (2008) haben gezeigt, dass sich durch bestimmte Musik gemischte Gefühle erzeugen lassen. Dabei wurden die verwendeten Musikauszüge in Geschwindigkeit und Tonalität variiert. Schnelle Musik sowie Musik in Dur gelten als fröhlich, während langsame Musik sowie Musik in Moll als traurig gelten. Verbindet man in einem Stück fröhliche und traurige Komponenten, werden Emotionen gegenteiliger Valenz aktiviert, was zu einem Konflikt zwischen positiven und negativen Emotionen führen könnte. Durch die konfliktreiche Kombination schnell/Moll beziehungsweise langsam/Dur liessen sich bei den Studienteilnehmenden demzufolge gemischte Gefühle auslösen, wobei sie angaben, dass sie sich durch die Musik fröhlich und traurig zugleich fühlten.
Durch Filme können ebenfalls gemischte Gefühle ausgelöst werden. Larsen und McGraw (2011) zeigten ihren Studienteilnehmenden einen bittersüssen Filmausschnitt. Der Begriff bittersüss bezeichnet bereits einen Zustand, in dem gemischte Gefühle erlebt werden (schmerzlich und schön zugleich). Die Ergebnisse zeigen, dass Studienteilnehmende, die einen bittersüssen Filmausschnitt gesehen hatten, mehr gemischte Gefühle berichteten als Studienteilnehmende, die einen Kontroll-Filmausschnitt gesehen hatten.
Mit einem gänzlich anderen Ansatz ist es Larsen, McGraw, Mellers und Cacioppo (2004) gelungen, gemischte Gefühle zu erzeugen. Larsen et al. (2004) haben ihre Studienteilnehmenden Glücksspiele spielen lassen, wobei die Ergebnisse der einzelnen Partien neben klaren Gewinnen und Verlusten auch enttäuschende Gewinne (Gewinne, die noch besser hätten sein können) sowie erleichternde Verluste (Verluste, die noch schlimmer hätten sein können) enthielten. Die Ergebnisse zeigen, dass auf enttäuschende Gewinne und erleichternde Verluste signifikant mehr gemischte Gefühle folgten als bei klaren Gewinnen und Verlusten.
3.2. Das Circumplex Modell
Wie bereits beschrieben wurde, scheinen mehrere Studien die Existenz von gemischten Gefühlen zu bestätigen. Doch einige Autoren (z. B. Russell & Carroll, 1999) sind der Meinung, dass diese Schlussfolgerung auf falschen Interpretationen der jeweiligen Studienergebnisse basiert. Ihrer Theorie nach sind positiver und negativer Affekt die zwei Enden eines Kontinuums. Dies würde bedeuten, dass positiver und negativer Affekt nicht gleichzeitig auftreten können, was das Vorhandensein von gemischten Gefühlen ausschliessen würde. Das entsprechende Modell lieferte Russel (1980) in Form des Circumplex Modells. Das Modell besteht im Wesentlichen aus zwei Achsen: die eine Achse beschreibt die Dimension der Valenz mit den Polen Lust und Unlust, die andere Achse beschreibt die Dimension der Erregung mit den Polen Aktivierung und Deaktivierung. Die beiden Achsen stehen in einem rechten Winkel zueinander und sind daher unabhängig. Das heisst, bestimmte Ausprägungen der Valenz können kombiniert mit allen Ausprägungen der Erregung vorkommen. Diese Kombinationen finden sich zwischen den Achsen. Die folgende Abbildung soll das Modell verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Modell nach Posner et al. (2005), in Deutsche übersetzt von der Autorin.
Nach diesem Modell liesse sich also der Gefühlszustand einer Person als Punkt im Modell beschreiben. Dabei kann, wie bereits erwähnt wurde, eine Kombination von beispielsweise Lust und Deaktivierung zustande kommen (zum Beispiel, wenn eine Person entspannt ist). Hingegen ist eine Kombination von Lust und Unlust nach diesem Modell nicht möglich, da dies gegenüberliegende Pole eines Kontinuums innerhalb des Modells sind. Demzufolge sind gemischte Gefühle (bezogen auf die Valenz der Affekte) nicht möglich.
Neben theoretischen Überlegungen gibt es auch Studien, die das Circumplex Modell unterstützen. So gelangten Barrett und Russell (1998) mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse von verschiedenen Adjektiven zu dem Ergebnis, dass die Valenz und die Erregung zwei voneinander unabhängige Dimensionen sind und dass die Pole innerhalb dieser Dimensionen stark negativ korrelieren. Diese negativen Korrelationen sprechen für die These, dass Lust und Unlust sowie Aktivierung und Deaktivierung die Enden eines bipolaren Kontinuums sind (Barrett & Russell, 1998). Insgesamt entspricht dies dem Circumplex Modell von Russell (1980). Das Circumplex Modell (Russell, 1980) wird ebenfalls unterstützt von Carroll, Yik, Russell und Barrett (1999). In ihrer Reanalyse von Daten aus der Studie von Green, Goldman und Salovey (1993) kamen sie zum Schluss, dass die Korrelation zweier Emotionen einer Funktion des Winkels dieser Emotionen im Circumplex-Modell entspricht.
Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, ist die Existenz von gemischten Gefühlen umstritten. Es gibt sowohl Studien, die für das Vorkommen von gemischten Gefühlen sprechen, als auch solche, die das Circumplex Modell unterstützen und somit gemischte Gefühle ausschliessen. Im Folgenden soll genauer auf die einzelnen Streitpunkte dieser Debatte eingegangen werden.
3.3. Simultan oder sequentiell?
Laut Definition bezeichnen gemischte Gefühle das gleichzeitige Auftreten von zwei Gefühlen gegensätzlicher Valenz. Die Gleichzeitigkeit dieser Gefühle ist dabei von Wichtigkeit, da ein Abwechseln von Gefühlen gegensätzlicher Valenz nicht als gemischtes Gefühl bezeichnet werden kann. Werden in einer Studie von den Studienteilnehmenden Gefühle gegensätzlicher Valenz angegeben, ist nicht immer klar, ob diese Gefühle tatsächlich gleichzeitig oder lediglich abwechselnd auftreten.
Schimmack und Colombe (2007) zeigten ihren Studienteilnehmenden Bildpaare. Es gab als positiv und als negativ empfundene Bilder sowie neutrale Bilder. Die zwei Bilder eines Paares wurden entweder nebeneinander gezeigt oder sie alternierten in schneller Abfolge. Die Ergebnisse zeigen, dass konfliktreiche Bildpaare (solche mit einem positiven und einem negativen Bild) zu gemischten Gefühlen führen können. Doch hat es sich in der Studie von Schimmack und Colombe (2007) wirklich um gemischte Gefühle gehandelt? In diesem Fall müssten positive und negative Gefühle gleichzeitig, also simultan, vorhanden sein. Bei Schimmack und Colombe (2007) wäre es aber möglich, dass Studienteilnehmende, die ein konfliktreiches Bildpaar sahen, nur dann positiven Affekt empfanden, wenn sie das positive Bild anschauten, und negativen Affekt, wenn sie das negative Bild anschauten (also kein simultanes Vorkommen von positivem und negativem Affekt). Da die beiden Bilder zusammen gezeigt wurden und die Studienteilnehmenden daher schnell zwischen dem positiven und dem negativen Bild hin und her wechselten, könnte die daraus resultierende schnelle Abfolge zwischen positivem und negativem Affekt als gemischtes Gefühl interpretiert worden sein, obwohl eigentlich eine sequentielle Abfolge von positivem und negativem Affekt vorgelegen ist. Die Studie von Schimmack und Colombe (2007) spricht daher nicht eindeutig für die Existenz von gemischten Gefühlen, da sich positiver und negativer Affekt auch abwechseln könnten. Um festzustellen, ob positive und negative Gefühle simultan auftreten können, müssen daher weitere Studien betrachtet werden.
Die Simultanität von positivem und negativem Affekt untersuchten beispielsweise Carrera und Oceja (2007). Um die Simultanität zu messen, entwickelten Carrera und Oceja (2007) die „Analogical Emotional Scale“ (AES). Diese besteht aus einem Koordinatensystem mit den Dimensionen Intensität (Ordinate) und Dauer (Abszisse). Darin können die Studienteilnehmenden je eine Linie für die empfundene Freude und eine Linie für die empfundene Traurigkeit zeichnen, wodurch sich die Entwicklung der beiden Gefühle über einen bestimmten Zeitraum beobachten lässt. Verlaufen die Linien der Freude und der Traurigkeit auf einer relativ hohen Intensitätsstufe parallel, spricht dies für ein simultanes Vorkommen gegensätzlicher Affekte. Carrera und Oceja (2007) haben mehrere Experimente mit Hilfe der AES durchgeführt. In einem Experiment schauten die Studienteilnehmenden entweder einen Filmausschnitt, der simultan positive und negative Gefühle auslösen sollte, oder einen Kontroll-Filmausschnitt, bei dem positiver und negativer Affekt nicht gleichzeitig, sondern nacheinander auftreten sollten. Nach dem Filmausschnitt füllten die Studienteilnehmenden unter anderem die AES aus. Die Ergebnisse zeigen, dass die Studienteilnehmenden der simultanen Bedingung signifikant mehr ein simultanes Vorkommen von Freude und Traurigkeit berichteten als die Studienteilnehmenden der Kontrollgruppe. Dies spricht dafür, dass positiver und negativer Affekt simultan auftreten können.
Eine weitere Studie, die für eine Simultanität von positivem und negativem Affekt spricht, ist die von Larsen und McGraw (2011). In ihrer Studie mussten sich die Studienteilnehmenden einen bittersüssen Filmausschnitt anschauen, wobei die gemischten Gefühle in mehreren Experimenten mit unterschiedlichen Methoden ermittelt wurden. In einem Experiment mussten die Studienteilnehmenden einen Knopf drücken, wenn sie ein positives Gefühl verspürten, und einen anderen Knopf, wenn sie ein negatives Gefühl verspürten. Drückt eine Person beide Knöpfe gleichzeitig, spricht dies für die Simultanität von positiven und negativen Gefühlen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Studienteilnehmenden, die den bittersüssen Filmausschnitt schauten, öfter simultan positive und negative Gefühle empfanden als die Studienteilnehmenden der Kontrollgruppe, die einen anderen (nicht bittersüssen) Filmausschnitt schauten. In einem weiteren Experiment ermittelten Larsen und McGraw (2011) die gemischten Gefühle mit Hilfe der ESG-Methode (ESG steht für „Continuous Evaluative Space Grid“). Bei der ESG-Methode geht es darum, dass die Studienteilnehmenden in einem digitalen Koordinatensystem ihren positiven und negativen Affekt angeben. Die Intensität vom positiven Affekt wird gemessen, indem die Studienteilnehmenden den Mauszeiger auf der Abszisse nach links beziehungsweise nach rechts bewegen, und die Intensität vom negativen Affekt wird gemessen, indem der Mauszeiger auf der Ordinate nach oben beziehungsweise nach unten bewegt wird. Befindet sich der Mauszeiger auf einer Kante des Koordinatensystems, zeigt dies die Anwesenheit von nur einem Gefühl bzw. von mehreren Gefühlen derselben Valenz. Befindet sich der Mauszeiger jedoch „im Innern“ des Koordinatensystems, deutet dies auf ein gleichzeitiges Vorkommen von positivem und negativem Affekt hin. Die ESG-Methode ähnelt der AES von Carrera und Oceja (2007). Sie hat jedoch gegenüber der AES den Vorteil, dass sie die Gefühle in dem Moment, in dem sie auftreten, misst, während die Gefühle mit der AES retrospektiv erfasst werden, was zu Verzerrungen führen könnte. Gegenüber dem Drücken von Knöpfen für positiven und negativen Affekt (wie bereits oben beschrieben wurde) hat die ESG-Methode den Vorteil, dass nicht nur die Anwesenheit der Affekte bestimmt werden kann, sondern auch deren Intensität (Larsen und McGraw, 2011). Im Experiment von Larsen und McGraw (2011), in dem sie die gemischten Gefühle mit Hilfe der ESG-Methode ermittelten, mussten die Studienteilnehmenden wiederum einen bittersüssen Filmausschnitt schauen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Studienteilnehmenden, die den bittersüssen Filmausschnitt gesehen hatten, signifikant intensivere gemischte Gefühle berichteten als die Kontrollgruppe, die einen anderen Filmausschnitt aus demselben Film gesehen hatte, bei dem die Stimmung zuerst eindeutig positiv und danach eindeutig negativ war.
Die Simultanität von positivem und negativem Affekt ist nicht in allen Studien klar erkennbar (z. B. bei Schimmack & Colombe, 2007). Daher kommt ein Abwechseln der positiven und negativen Gefühle als alternative Erklärung für das scheinbare Auftreten von gemischten Gefühlen in Frage. Andere Studien, die geeignetere Methoden benutzen, um eine Simultanität festzustellen (Carrera & Oceja, 2007, sowie Larsen & McGraw, 2011), sprechen jedoch für ein simultanes Vorkommen von positiven und negativen Gefühlen.
3.4. Die Korrelation zwischen positivem und negativem Affekt
Russell und Carroll (1999) analysierten verschiedene frühere Studien und fanden dabei einige Punkte, die für die Bipolarität des Affektes sprechen. Beispielsweise gehen Russell und Carroll (1999) genauer auf die Korrelation zwischen positivem und negativem Affekt und deren Aussagekraft ein. Bei dem Versuch, die Bipolarität des Affektes zu zeigen, wird eine Korrelation von nahezu -1 zwischen positivem und den negativem Affekt erwartet. Russell und Carroll (1999) zeigen daher auf, wie eine solche Korrelation theoretisch aussehen müsste (frei von Fehlern jeglicher Art) und kommen zum Schluss, dass diese keineswegs -1 sein kann, es sei denn, die Korrelation beruht auf einem Fragebogen mit bipolarem Antwortformat. Ein bipolares Antwortformat macht jedoch zur Untersuchung von gemischten Gefühlen keinen grossen Sinn, da die Studienteilnehmenden hier gezwungen sind, sich für ein entweder positives oder negatives Gefühl zu entscheiden, weshalb keine gemischten Gefühle entdeckt werden können. Wird jedoch ein unipolares Antwortformat verwendet, ergibt dies im Falle einer Bipolarität des Affektes keine Korrelation von -1. Angenommen, eine Person fühlt sehr starken positiven Affekt, würde sie in einer unipolaren Antwortskala mit 5 Antwortmöglichkeiten auf die Frage nach ihrem positiven Affekt die Nummer 5 ankreuzen. Bei der Frage nach ihrem negativen Affekt müsste sie im Falle einer strikten Bipolarität des Affektes theoretisch die Nummer -5 ankreuzen, was dann eine Korrelation von -1 zwischen positivem und negativem Affekt ergeben würde. Das Problem dabei ist, dass es in dieser unipolaren Antwortskala nur die Antwortmöglichkeiten 1-5 gibt, weshalb die Person im Falle einer Bipolarität des Affektes die Nummer 1 ankreuzen würde. Daher würde die Korrelation trotz Bipolarität nicht mehr -1 ergeben. Russell und Carroll (1999) sehen diese Tatsache als einen Grund an, weshalb viele Studien eine Unabhängigkeit von positivem und negativem Affekt zeigen. Bei ihren Analysen von früheren Studien kamen sie zu dem Schluss, dass die Daten, wenn dieses Problem mit der Korrelation berücksichtigt wird, eher zu einem bipolaren Modell passen, und nicht zu einer Unabhängigkeit von Affekten gegensätzlicher Valenz.
Doch nicht alle Studien, welche die Unabhängigkeit von positivem und negativem Affekt untersuchten, benutzten einfache Korrelationen, um zu ihren Schlüssen zu gelangen. So benutzte beispielsweise Schimmack (2001; 2005) eine andere Methode, bei der sowohl ein Wert für positiven sowie ein Wert für negativen Affekt berechnet werden. Aus diesen beiden Werten wird der jeweils kleinere als Wert für die gemischten Gefühle genommen, da sich positiver und negativer Affekt bis zu diesem Wert überschneiden. Die Kritik von Russell und Carroll (1999), dass durch eine falsche Interpretation von Korrelationen fälschlicherweise auf eine Unabhängigkeit von positivem und negativem Affekt geschlossen wird, lässt sich daher nicht verallgemeinern.
3.5. Interpretation der Antwortskalen
Russell und Carroll (1999) finden bei ihren Analysen ein weiteres Problem: es könnte sein, dass Studienteilnehmende, denen unipolare Antwortskalen vorgelegt werden, diese als bipolare Skalen interpretieren. Wird beispielsweise mit einer unipolaren Antwortskala nach positivem Affekt gefragt und der/die Studienteilnehmende antwortet mit 0 („überhaupt nicht“), stellt sich die Frage, ob damit ein neutraler Zustand gemeint ist (was auf einer bipolaren Skala einer mittleren Position entsprechen würde) oder ob der/die Studienteilnehmende damit ausdrücken will, dass er/sie starken negativen Affekt empfindet (was auf einer bipolaren Skala der Position ganz links entsprechen würde, wenn links ein negatives und rechts ein positives Gefühl dargestellt wäre). Interpretieren also der/die Studienteilnehmende und der Testleiter die Antwortskala unterschiedlich, kann dies zu verfälschten Ergebnissen führen (Russell und Carroll, 1999).
Laut Schimmack (2005) kann eine solche Fehlinterpretation verhindert werden, indem den Studienteilnehmenden deutlich gemacht wird, welche Bedeutung die Antwortskalen haben. Bei Schimmack (2005) erfolgt dies durch eine zweistufige Beantwortung einer unipolaren Antwortskala. Das heisst, die Studienteilnehmenden werden dazu aufgefordert, sich zu überlegen, ob sie das gefragte Gefühl verspüren. Falls sie es nicht verspüren, sollen sie 0 ankreuzen, ansonsten sollen sie eine Zahl zwischen 1 und 6 ankreuzen, abhängig von der Intensität des Gefühls. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die unipolare Skala als bipolar interpretiert wird. Um zu überprüfen, ob durch eine zweistufige Beantwortung der Skala eine Fehlinterpretation verhindert werden kann, hat Schimmack (2005) die Reaktionszeiten gemessen, welche die Studienteilnehmenden benötigten, um eine Skala auszufüllen. Schimmack (2005) ging davon aus, dass, falls die Skala als unipolar verstanden wird, die Reaktionszeit beim Vorhandensein des entsprechenden Gefühls länger sein müsse als wenn das Gefühl nicht verspürt wird, da zusätzlich die Intensität ermittelt werden muss. Den Studienteilnehmenden wurden daher unipolare und bipolare Skalen vorgelegt und die Reaktionszeiten wurden gemessen. Die Ergebnisse stützen Schimmacks Annahme, dass bei einer unipolaren Skala die Reaktionszeiten beim Ausfüllen der untersten Kategorie (=Gefühl wird nicht verspürt) kürzer sind als für die anderen Kategorien, während die Reaktionszeiten bei einer bipolaren Skala zwischen den Kategorien nicht stark variierten. Ausserdem hat Schimmack (2005) seine Studienteilnehmenden nicht nur nach positivem bzw. negativem Affekt gefragt, sondern auch nach Hitze und Kälte. Schimmack (2005) ging davon aus, dass die Temperatur eindeutig als bipolar einzuordnen ist, mit den Polen „heiss“ und „kalt“. Würden die Studienteilnehmenden auf den unipolaren Skalen gleichzeitig die Wahrnehmung von Hitze und Kälte angeben, würde das darauf hinweisen, dass sie die unipolaren Skalen fälschlicherweise als bipolar interpretiert haben. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Studienteilnehmenden die Skalen in Bezug auf die Temperatur als unipolar interpretiert haben, was darauf hinweist, dass sie mit grosser Wahrscheinlichkeit auch die Skalen zu positivem bzw. negativem Affekten als unipolar interpretiert haben (Schimmack, 2005).
Die Studie von Schimmack (2005) zeigt also, dass sich die Existenz von gemischten Gefühlen nicht einfach widerlegen lässt, indem auf eine falsche Interpretation der Skalen geschlossen wird. Dabei ist eine eindeutige Erklärung über die Bedeutung der Skalen für die richtige Interpretation hilfreich.
3.6. Das Evaluative Space Model
Um den verschiedenen Kombinationen von positivem und negativem Affekt gerecht zu werden, haben Cacioppo und Berntson (1994) das Evaluative Space Model entwickelt. Graphisch lässt sich das Modell folgendermassen darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Modell nach Cacioppo und Berntson (1994), ins Deutsche übersetzt von der Autorin.
In diesem Modell sind alle möglichen Kombinationen von positivem und negativem Affekt möglich. So repräsentiert die horizontale Diagonale den wechselseitigen Modus, in dem positiver und negativer Affekt gegenüberliegende Pole sind. Die beiden Linien oberhalb des Rhombus zeigen stark ausgeprägten positiven beziehungsweise negativen Affekt, der abgekoppelt und daher unabhängig vom Affekt gegensätzlicher Valenz ist. Die vertikale Diagonale repräsentiert das gemeinsame Auftreten von positivem und negativem Affekt, also gemischte Gefühle, in verschiedenen Intensitäten. Cacioppo und Berntson (1994) machen bezüglich dieser Diagonale darauf aufmerksam, dass die mittlere Kategorie einer bipolaren Skala nicht eindeutig ist, da damit irgendein Punk auf dieser Diagonale gemeint sein kann. Kreuzt also ein/e Studienteilnehmende/r die mittlere Kategorie an, ist nicht klar, ob er/sie weder ein negatives, noch ein positives Gefühl empfindet oder ob er/sie beide Gefühle gleichzeitig in einem mittleren oder sogar starken Ausmass empfindet.
Das Modell von Cacioppo und Berntson (1994) erlaubt sowohl ein wechselseitiges Vorkommen als auch ein gemeinsames Auftreten von positivem und negativem Affekt. Somit können die beiden gegensätzlichen Ansichten der Debatte über gemischte Gefühle in einem Modell vereint werden.
4. Meta-Emotionen
Empfindet jemand gemischte Gefühle, wobei sich das eine Gefühl auf ein anderes Gefühl gegenteiliger Valenz bezieht (zum Beispiel wenn sich jemand schuldig fühlt, weil er sich über das Unglück eines anderen freut), könnte man diese Konstellation auch mithilfe von Meta-Emotionen beschreiben. Bevor genauer auf diesen Spezialfall der gemischten Gefühle eingegangen wird, soll der Begriff „Meta-Emotion“ genauer definiert werden.
Es gibt verschiedene Definitionen des Begriffs „Meta-Emotion“. Bartsch et al. (2008) betrachten die Meta-Emotion als eine spezielle Form der Emotion. Dabei sehen Bartsch et al. (2008) die Emotion bzw. Meta-Emotion im Kontext der Appraisal-Theorien (z. B. Lazarus, 1991), in denen davon ausgegangen wird, dass eine Emotion aufgrund einer persönlichen Bewertung eines Ereignisses oder Objekts zustande kommt, wobei die Bedürfnisse und Befürchtungen der betreffenden Person in die Bewertung einfliessen. Ist das Objekt, das bewertet wird, selber eine Emotion, wird die aus der Bewertung resultierende Emotion Meta-Emotion genannt (Bartsch et al., 2008). Die Meta-Emotion ist also eine Emotion, die sich auf eine bereits vorhandene, primäre Emotion bezieht.
Empfindet jemand eine negative, primäre Emotion (zum Beispiel Angst) sowie eine auf die primäre Emotion bezogene positive Meta-Emotion (zum Beispiel Freude), könnte man dies als ein gemischtes Gefühl bezeichnen, da gleichzeitig positiver und negativer Affekt wahrgenommen werden. Dazu kommt, dass nicht nur ein positives Gefühl und unabhängig davon ein negatives Gefühl wahrgenommen werden, sondern die Meta-Emotion ist von der primären Emotion abhängig und bezieht sich ausschliesslich auf sie.
Untersucht wurden die Meta-Emotionen beispielsweise von Oliver (1993). In einem Experiment schauten die Studienteilnehmenden einen traurigen Film. Dabei wurden unter anderem die Meta-Emotionen (welche die vom Film ausgelösten Emotionen betrafen) gemessen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass viele Studienteilnehmende Gefallen daran fanden, Traurigkeit zu empfinden, die durch den Film ausgelöst wurde. Könnten auch andere negative Emotionen, die durch einen Film ausgelöst wurden, von positiven Meta-Emotionen begleitet sein? Kann beispielsweise Angst, die durch einen Horrorfilm ausgelöst wurde, mit positiven Meta-Emotionen verbunden sein?
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- Andrea Schönbächler (Author), 2015, Distanz und das Empfinden gemischter Gefühle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306650
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