Durch das Protokoll von Kyoto wurde ein Vorgang eingeleitet der erstmals in der
Geschichte der Menschheit aktive Klimaschutzmaßnahmen auf globaler Ebene bewirken
kann. Primäres Ziel ist die Reduzierung des Treibhauseffektes auf ein für den
Menschen akzeptables Niveau. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union leisten
ihren Beitrag zum Klimaschutz durch die Verpflichtung zur Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen.
Die Umsetzung dieser Verpflichtung findet gegenwärtig statt.
Mit der Richtlinie 2003/87/EG der Kommission wird ab dem Jahr 2005 ein System
für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft eingeführt.
Es handelt sich dabei um eine Instrument mit dem umweltpolitische Ziele
möglichst kostengünstig und ohne Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung
erreicht werden sollen Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind zur
Zeit mit der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht befasst. Dies gibt Anlass
zu der Frage nach den tatsächlichen Erfolgsaussichten des Instruments und den Problemen,
die bei der Umsetzung der Richtlinie entstehen können. Die vorliegende Arbeit
beschäftigt sich mit der Analyse des Steuerungsinstrumentes unter verschiedenen
Gesichtspunkten. Im Verlauf der Arbeit wird zunächst der umweltpolitische Hintergrund
beleuchtet, um das Verständnis für die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen
zu wecken. Anschließend wird das Grundmodell handelbarer Umweltzertifikate
erläutert, auf das der EU-weite Emissionshandel zurückgeht. Das Verständnis
des Modells ist für die Nachvollziehbarkeit der Regelungen der Richtlinie
unverzichtbar. Die im Grundlagenkapitel angeführten Bewertungsmaßstäbe bilden
den argumentativen Rahmen für die Beurteilung der Richtlinie. Im zweiten Kapitel
werden die Regelungen der Richtlinie vorgestellt und diskutiert. Die Darstellung der
Umsetzung in nationales Recht findet im dritten Kapitel statt. Schwerpunkt sind hier
die Bestimmungen für die Zuteilung der Berechtigungen an die Anlagenbetreiber.
Sie werden bei den Untersuchungen in Kapitel vier ebenfalls von Bedeutung sein.
Das vierte Kapitel setzt sich mit der rechtlichen Bewertung der Bestimmungen des
Emissionshandelssystems auseinander. Hier werden insbesondere verschiedener materiell-
rechtliche Probleme behandelt, die sich aus der Einführung des Handelssystems
ergeben können.
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
EINLEITUNG
KAPITEL 1: GRUNDLAGEN
1.1 Treibhausgasemissionen und Klimawandel
1.1.1 Der Treibhauseffekt - Naturwissenschaftliche Grundlagen
1.1.2 Der Klimawandel und die Folgen
1.1.3 Klimapolitische Herausforderungen
1.2 Das Kyoto-Protokoll
1.2.1 Hintergründe und wesentliche Bestimmungen
1.2.2 Ratifikation und Geltungsbereich
1.2.3 Flexible Mechanismen
1.2.4 Senken
1.3 Umweltpolitische Instrumente
1.3.1 Arten und Grundprinzipien
1.3.2 Das Modell handelbarer Umweltverschmutzungsrechte
KAPITEL 2: DIE EMISSIONSHANDELSRICHTLINIE
2.1 Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll
2.2 Europarechtliche Legitimation
2.3 Wesentliche Bestimmungen
2.3.1 Inhalt und Ziele
2.3.2 Geltungsbereich
2.3.3 Zuteilung von Zertifikaten (Primärallokation)
2.3.4 Überwachung und Berichterstattung (Monitoring)
2.3.5 Eigenschaften der Zertifikate
2.3.6 Der Emissionshandel (Sekundärallokation)
2.3.7 Berücksichtigung von flexiblen Mechanismen
KAPITEL 3: UMSETZUNG IN NATIONALES RECHT
3.1 Stand der Umsetzung
3.2 Gesetzliche Umsetzung
3.2.1 Allgemeines
3.2.2 Genehmigung
3.2.3 Berechtigungen (Zertifikate)
3.2.4 Primärallokation
3.2.5 Monitoring
3.2.6 Sanktionen
3.2.7 Pooling
3.3 Institutionelle Umsetzung
3.4 Der Nationale Allokationsplan
3.4.1 Allgemeines
3.4.2 Makroplan
3.4.3 Mikroplan
3.4.4 Allgemeine Allokationsregeln
3.4.5 Spezielle Allokationsregeln
KAPITEL 4: RECHTLICHE BEWERTUNG
4.1 Überblick
4.2 Vereinbarkeit mit bestehendem Ordnungsrecht
4.2.1 Allgemeines
4.2.2 Grenzwertproblematik
4.2.3 Energieeffizienzgebot
4.2.4 Vorsorgeprinzip
4.2.5 Genehmigung
4.3 Vereinbarkeit mit nicht-ordnungsrechtliche n Instrumenten des Klimaschutzes
4.3.1 Freiwillige Selbstverpflichtung
4.3.2 Ökosteuer
4.4 Verfassungsrechtliche Aspekte
4.5 Rechtsschutz
4.5.1 Streitgegenstände
4.5.2 Gesetze
4.5.3 Rechtsverordnungen
4.5.4 Verwaltungsakte
4.5.5 Realakte
4.5.6 Allokationspläne
KAPITEL 5: ZUSAMMENFASSUNG UND
LITERATURVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Globale Mittelwerte der bodennahen Lufttemperatur
Abb. 2: Übersicht der weltweiten Naturkatastrophen (1950-2003)
Abb. 3: System der flexiblen Mechanismen
Abb. 4: Dreistufiges System zur Überwachung und Berichterstattung
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Übersicht über einige Treibhausgase
Tabelle 2: Die wichtigsten internationalen Abkommen zum Klimaschutz
Tabelle 3: Phasen des Emissionshandels
Tabelle 4: Die wichtigsten Regelungsgegenstände der Richtlinie und nationaler Umsetzungsspielraum
Einleitung
Durch das Protokoll von Kyoto wurde ein Vorgang eingeleitet der erstmals in der Geschichte der Menschheit aktive Klimaschutzmaßnahmen auf globaler Ebene be- wirken kann. Primäres Ziel ist die Reduzierung des Treibhauseffektes auf ein für den Menschen akzeptables Niveau. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union leisten ihren Beitrag zum Klimaschutz durch die Verpflichtung zur Begrenzung ihrer Treib- hausgasemissionen. Die Umsetzung dieser Verpflichtung findet gegenwärtig statt. Mit der Richtlinie 2003/87/EG der Kommission wird ab dem Jahr 2005 ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft ein- geführt. Es handelt sich dabei um eine Instrument mit dem umweltpolitische Ziele möglichst kostengünstig und ohne Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwick- lung erreicht werden sollen Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind zur Zeit mit der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht befasst. Dies gibt Anlass zu der Frage nach den tatsächlichen Erfolgsaussichten des Instruments und den Prob- lemen, die bei der Umsetzung der Richtlinie entstehen können. Die vorliegende Ar- beit beschäftigt sich mit der Analyse des Steuerungsinstrumentes unter verschiede- nen Gesichtspunkten. Im Verlauf der Arbeit wird zunächst der umweltpolitische Hin- tergrund beleuchtet, um das Verständnis für die Notwendigkeit von Klimaschutz- maßnahmen zu wecken. Anschließend wird das Grundmodell handelbarer Umwelt- zertifikate erläutert, auf das der EU-weite Emissionshandel zurückgeht. Das Ver- ständnis des Modells ist für die Nachvollziehbarkeit der Regelungen der Richtlinie unverzichtbar. Die im Grundlagenkapitel angeführten Bewertungsmaßstäbe bilden den argumentativen Rahmen für die Beurteilung der Richtlinie. Im zweiten Kapitel werden die Regelungen der Richtlinie vorgestellt und diskutiert. Die Darstellung der Umsetzung in nationales Recht findet im dritten Kapitel statt. Schwerpunkt sind hier die Bestimmungen für die Zuteilung der Berechtigungen an die Anlagenbetreiber. Sie werden bei den Untersuchungen in Kapitel vier ebenfalls von Bedeutung sein. Das vierte Kapitel setzt sich mit der rechtlichen Bewertung der Bestimmungen des Emissionshandelssystems auseinander. Hier werden insbesondere verschiedener ma- teriell-rechtliche Probleme behandelt, die sich aus der Einführung des Handelssys- tems ergeben können.
Kapitel 1: Grundlagen
1.1 Treibhausgasemissionen und Klimawandel
1.1.1 Der Treibhauseffekt - Naturwissenschaftliche Grundlagen
Großen Teilen der Menschheit ist heute bewusst, dass sich in der Erdatmosphäre1 Veränderungen vollziehen, die Auswirkungen auf das Klima haben werden. Es herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, wie genau diese Veränderungen aussehen wer- den und in welchem Umfang mit ihnen zu rechnen ist. Als eine dieser Veränderun- gen ist die allmähliche Erwärmung der Atmosphäre zu nennen. Dieses als Treibhaus- effekt2 bekannte Phänomen besitzt eine natürliche und eine vom Menschen verur- sachte Komponente. Die Erwärmung, wie sie in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurde, lässt sich auf bestimmte menschliche Aktivitäten zurückführen, welche meh- rere Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückreichen. Für die Diskussion um die klimaschutzpolitische Bedeutung des Treibhauseffektes ist es nicht nur wichtig die Ursachen desselben zu kennen, sondern auch, sich mit den klimatischen Folgen des Treibhauseffektes und den Konsequenzen, die sich aus verschiedenen Handlungsal- ternativen ergeben, auseinander zu setzen. Erst vor diesem Hintergrund lassen sich die Bedeutung des Klimawandels und die Maßnahmen zum Klimaschutz beurteilen. Dabei wird die Tatsache, dass Klimaveränderungen im Allgemeinen schwer vorher- zusagen sind, nicht unbeachtet bleiben. Sie ist für die Problematik allerdings nur von sekundärer Bedeutung. Allein das Risiko, dass durch ein Ausbleiben von geeigneten Maßnahmen die Folgen des Klimawandels in vollem Umfang eintreten können, soll- te Motivation genug zu einer präventiven Klimapolitik sein, welche die kontrollierte Stabilisierung des Treibhauseffektes auf ein für den Menschen akzeptables Niveau und die Vermeidung bzw. Verminderung schädlicher klimatischer Auswirkungen zum Ziel hat. Im Folgenden wird zunächst erläutert, wie der Treibhauseffekt entsteht und welche Rolle anthropogene Treibhausgase dabei spielen, um dann auf die Ursa- chen für den Klimawandel einzugehen.
Unter dem Treibhauseffekt versteht man die „Erwärmung der Oberflächentemperatur der Erde durch die Absorption der Wärmeabstrahlung der Erde durch klimawirksame Spurengase der erdnahen Atmosphäre und Rückstrahlung der dabei frei werdenden Wärmeenergie“3. Bestimmte Gase in der Atmosphäre lassen Sonnenstrahlen weitge- hend ungehindert zur Erdoberfläche hindurch, wodurch diese sich erwärmt. Dagegen wird die so entstehende Wärmestrahlung von diesen Gasen absorbiert, was eine Er- wärmung der Erdatmosphäre zur Folge hat. Die daraus resultierende globale Erwär- mung führt zu einer Veränderung des Klimas. Der natürliche Temperaturanstieg auf der Erdoberfläche durch die so zurückgehaltene Energie beträgt etwa 33°C, wodurch eine mittlere Erdoberflächentemperatur von etwa 15°C erreicht und Leben in der uns bekannten Form erst möglich wird.4
Als Ursache für den Klimawandel lässt sich vordergründig die Zunahme der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre durch menschlichen Einfluss identifizieren.5 Diese anthropogen verursachten Treibhausgase (THG) erhöhen die Energieabsorption und führen zu einem zusätzlichen Temperaturanstieg.6 Einige wichtige Treibhausgase7 sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten8 9 10
Tabelle 1: Übersicht über einige Treibhausgase. 11
Um die Hauptursachen für den anthropogen verursachten Treibhauseffekt sinnvoll eingrenzen zu können, müssen einerseits Aussagen über die verschiedenen Treib- hausgase und deren Bedeutung für den Klimawandel und andererseits Aussagen über die Quellen der Treibhausgase getroffen werden. Durch diese Vorgehensweise kön- nen ggf. effektive Ansatzpunkte für eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Re- duktion der Treibhausgase gefunden werden. Bezüglich der verschiedenen Treib- hausgase kann festgestellt werden, dass mit einem Anteil von etwa 60% am anthro- pogenen Treibhauseffekt der Ausstoß von Kohlendioxid12 die Hauptursache für den Klimawandel ist. Diese Feststellung ergibt sich daraus, dass Kohlendioxid zwar ein wenig klimawirksames Gas ist, es aber in vergleichsweise hoher Konzentration in der Atmosphäre vorkommt. Angesichts der Bedeutung von CO2 für den Treibhausef- fekt wird die Ausführung über Treibhausgase im weiteren Verlauf auf dieses Gas beschränkt.
CO2 kommt in der Atmosphäre in einer natürlichen Konzentration von ca. 0,03%13 vor. Die Klimawirksamkeit dieses Gases beträgt 1. Die Verweildauer in der Atmo- sphäre ist schwer festlegbar, dauert aber vermutlich mehrere hundert Jahre an. Der Abbau erfolgt z. B. durch die Umwandlung in Biomasse durch Photosynthese oder durch die CO2-Absorption der Ozeane. Die Trägheit dieses Systems führt dazu, dass sich heute abgegebene Emissionen auch noch in 100 oder mehr Jahren auswirken werden. Etwa 83% aller weltweiten THG-Emissionen sind CO2-Emissionen. Die jährliche Gesamtemission von CO2 beläuft sich auf 24 Gigatonnen.14 Sie ist zu einem großen Teil auf den Ausstoß erheblicher Mengen des Gases durch die Industrienatio- nen zurückzuführen. Den größten Anteil an diesen Emissionen haben die Industrie- staaten der nördlichen Hemisphäre, allein der Anteil der USA beträgt etwa ein Vier- tel der weltweiten Emissionen. Der Anteil der OECD-Staaten beläuft sich zusam- mengefasst auf über 50%. Die Europäische Union hat mit einer jährlichen Emission von etwa 4 Gigatonnen CO2-Äquivalenten einen erheblichen Anteil daran.15 Der langsame Abbau dieses Gases in der Atmosphäre und der gleichzeitig hohe Ausstoß hat eine Zunahme der Konzentration von CO2 zur Folge. Die Zunahme dieses Gases in der Atmosphäre gegenüber der natürlichen Konzentration um etwa 31% ist fast ausschließlich auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen. Sie wird fast vollständig durch die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdgas und Erdöl verur- sacht. Etwa 89% der Emissionen fallen auf die Sektoren Energieerzeugung, Industrie und Verkehr.16
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine effektive Klimapolitik primär auf die Reduzierung der CO2-Emissionen abzielen sollte. Für klimapolitische Maßnah- men, die auf eine Reduzierung der Emissionen gerichtet sind, ist die Identifizierung der Quellen dieses Treibhausgases bedeutsam, da sie Ansatzpunkte für Reduktions- strategien bieten. Als Hauptursache für CO2-Emissionen ist die Nutzung fossiler Energieträger zu nennen. Diese zu vermeiden oder so zu gestalten, dass dabei keine Emissionen anfallen, wird die zentrale Herausforderung einer Klimapolitik sein, welche die Verminderung des Treibhauseffektes zum Ziel hat. Mit welcher Intensität dieses Ziel verfolgt werden muss, hängt unter anderem davon ab, mit welchen Konsequenzen aufgrund des Klimawandels zu rechnen ist.
1.1.2 Der Klimawandel und die Folgen
Klimaänderungen sind im Einzelnen sehr vielfältig, weil sich nicht nur Langfrist- trends, Fluktuationen und relativ kurzfristige Anomalien sowie Extremereignisse überlagern, sondern auch ausgeprägte regional-jahreszeitliche Besonderheiten auftre- ten. Die Beurteilung der Auswirkungen des Treibhauseffektes unterliegt somit ge- wissen Unsicherheiten, die sich daraus ergeben, dass das Klima ein komplexes Sys- tem ist, dessen Berechenbarkeit eingeschränkt ist. Durch Temperaturmessungen, Wetterbeobachtungen und die Untersuchung von Eisbohrkernen lassen sich jedoch relativ genaue Aussagen über die Entwicklung des Klimas treffen.17 Es werden Trends und Korrelationen deutlich, welche die Annahme bekräftigen, dass der anthropogene Treibhauseffekt zur globalen Erwärmung beiträgt. Im weiteren Verlauf wird die Vorhersagbarkeit von Annahmen über zukünftige Entwicklungen durch Wahrscheinlichkeitsangaben18 ausgedrückt.
Durch den bereits erwähnten atmosphärischen Konzentrationsanstieg von CO2 um 31%, von 280 ppm auf 368 ppm, erreicht die CO2-Konzentration in der Atmosphäre den höchsten Wert der letzten 400000 Jahre, wahrscheinlich sogar der letzten 20 Mio. Jahre. Die durchschnittliche globale Temperatur an der Erdoberfläche ist seit Beginn der Instrumentenmessung in dem Jahr 1861 angestiegen. Temperaturmessun- gen haben ergeben, dass im 20. Jahrhundert die globale Mitteltemperatur um 0,6°C zugenommen hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Globale Mittelwerte der bodennahen Lufttemperatur19.
Es handelt sich hierbei um einen Anstieg, wie er wahrscheinlich in den letzten 1000 Jahren einmalig ist. Gleichzeitig wurden in den vergangenen 15 Jahren Spitzentem- peraturen für einzelne Jahre gemessen, wie sie seit Beginn der Instrumentenmessung nicht verzeichnet worden sind. Sieben der zehn weltweit wärmsten Jahre des letzten Jahrhunderts traten nach 1989 auf. In dieser Entwicklung war 1998 das bislang wärmste und 2002 das zweitwärmste Jahr. Es ist unbestritten, dass die Ursachen die- ser beobachteten Klimaänderungen kompliziert sind und dass die Rolle der natürli- chen Klimaänderungen noch keinesfalls ausreichend geklärt ist. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass die globale Erwärmung der letzten 100 Jahre auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist, insbesondere auf den ständig gestiegenen Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimawirksamen Spurengasen, in Zusammenhang mit der Nutzung fossiler Energieträger und mit Waldrodungen.20 Für den Fall, dass Kli- maschutzmaßnahmen ausbleiben, wird seitens der Klimaforschung erwartet, dass die globale Oberflächentemperatur bis zum Jahr 2100 um 1,4° bis 5,8°C zunehmen wird. Die große Bandbreite dieser Abschätzungen erklärt sich überwiegend aus den Unsicherheiten der verschiedenen Zukunftsszenarien21, aber auch aus den noch immer bestehenden Schwächen der Klimamodellierung.22
Die Temperaturveränderung hat vielfältige Auswirkungen auf das Klimasystem und es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Klimaveränderungen die menschliche Le- benswelt erheblich beeinträchtigen werden. Zu den Auswirkungen zählen Verände- rungen der Niederschlagsmengen, die Abnahme der Schneebedeckung der Erdober- fläche, der Anstieg des Meeresspiegels und das häufigere Auftreten extremer Wetter- ereignisse. Teilweise sind diese Auswirkungen miteinander verflochten, so bedeutet die globale Abnahme der Schneebedeckung gleichzeitig einen Anstieg des Meeresspiegels. Die Schneebedeckung ist seit den 1960er Jahren sehr wahrscheinlich um ca. 10-15% zurückgegangen. Der resultierende Anstieg des Meeresspiegels im 20. Jahrhundert beläuft sich auf 0,1 bis 0,2 m und wird bis zum Jahr 2100 mit fast 0,9 m prognostiziert. Dies hätte die Überflutung zahlreicher Inselstaaten und Küstenregionen zur Folge. Weiterhin ist mit einer Veränderung der Niederschlags- und Verdunstungsverhältnisse zu rechnen. Der Niederschlag hat im weltweiten Mittel zugenommen, jedoch zeigen sich bei diesem Klimaelement ausgeprägtere jahreszeitliche und regionale Besonderheiten. Signifikant für Europa ist vor allem ein drastischer Niederschlagsrückgang in den letzten 30 Jahren um bis zu ca. 50% im östlichen Mittelmeerraum. Im Gegensatz dazu ist eine Zunahme der Niederschläge in Südskandinavien verzeichnet worden. In Deutschland wirken sich Veränderungen der Niederschlagsmenge hauptsächlich im Winter aus, wo eine kräftige Zunahme um etwa 25% zu beobachtet worden ist. Im Sommer tritt dagegen eine leichte Abnahme, insbesondere im Osten Deutschlands, in Erscheinung. Im Allgemeinen ist in äquatorialen Klimazonen mit zunehmender Austrocknung zu rechnen. Schließlich ist es wahrscheinlich, dass das Auftreten von extremen Wetterereignissen häufiger wird. Zukünftig ist vermehrt mit einem Wechsel von Dürreperioden und extrem starken Niederschlägen zu rechnen.23
Das wohl extremste, in Folge des Klimawandels vorstellbare Ereignis, wird in einem Pentagon-Bericht des Jahres 2003 beschrieben. Die Verfasser machen deutlich, dass die prognostizierten Folgen des Klimawandels für die meisten Nationen beherrschbar seien, dass allerdings die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines absolut unbe- herrschbaren Ereignisses gestiegen sei. Sie gehen davon aus, dass aufgrund der Tem- peraturerhöhung der Ozeane, die auf den Klimawandel zurückzuführen ist, die Mög- lichkeit besteht, dass der Nordatlantikstrom, ein Ausläufer des Golfstromes, welcher wesentlich für das gemäßigte Klima in Europa und Nordamerika verantwortlich ist, im Laufe des 21. Jahrhunderts zum erliegen kommt. Dies hätte katastrophale Konse- quenzen und würde vermutlich mit einem Temperatursturz innerhalb weniger Jahr- zehnte einhergehen. Allerdings lassen sich weder die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Vorgang, noch auch die Auswirkungen nicht definitiv bestimmen.24 Zu Be- werten sind solche Prognosen allerdings nicht nur vor dem Hintergrund der Wahr- scheinlichkeit des Eintretens der Ereignisse, sondern auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Konsequenzen. Die Irreversibilität und die negativen Folgen eines solchen Ereignisses, wie das Abreißen des Nordatlantikstromes, erhöhen das Risiko, welches mit der Missachtung des Klimawandels verbunden ist. Daher liegt es nahe, auch wenig wahrscheinliche, aber besonders bedrohliche Folgen des Klima- wandels bei den Überlegungen zu einer sinnvollen Klimapolitik ins Kalkül zu zie- hen.
1.1.3 Klimapolitische Herausforderungen
Bisher wurde darauf eingegangen, wie der Klimawandel sich voraussichtlich vollzie- hen wird und welche Ursachen es dafür gibt. Es soll nun näher betrachtet werden, welche Herausforderungen sich daraus ergeben und wie diese angegangen werden können. Dazu werden zunächst an einigen Beispielen humanitäre und volkswirt- schaftliche Schäden betrachtet, die aus dem veränderten Klimabedingungen resultie- ren können.
· Der Anstieg des Meeresspiegels erfordert intensive Küstenschutzmaßnahmen in nahezu allen Ländern der Welt. Die weltweiten Kosten dafür werden auf 488 Mrd. US$ geschätzt. Die Kosten für ein Nichteingreifen werden langfristig als höher eingestuft, als die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen.
· Als Folge des Temperaturanstiegs und des geringeren Niederschlags wird es in einigen Regionen zur eingeschränkten landwirtschaftlichen Flächennutzung durch Desertifikation kommen. Es wird geschätzt, dass die Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen jährlichen Rückgang der Weltagrar- produktion von 10% nach sich ziehen wird. Ohne Kompensationsmaßnahmen hätte dies bis zum Jahr 2030 zusätzlich 900 Mio. Hungertote zur Folge.25 · Die Zahl der klimabedingten Ereignisse hat seit 1950 stark zugenommen. Die im Jahr 2003 weltweit durch Naturkatastrophen verursachten volkswirtschaftlichen Schäden betrugen 64,6 Mrd. US$. Der Anteil der durch Stürme, Überschwemmungen und Hitzeperioden verursachten Kosten beträgt 60%. Über 70% der registrierten Naturkatastrophen waren Stürme oder Überschwemmungen.26
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Übersicht der weltweiten Naturkatastrophen (1950-2003).27
Obwohl in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts verhältnismäßig wenige Naturka- tastrophen aufgetreten sind, zeichnet sich ein deutlicher Trend zur Zunahme dieser Ereignisse ab. Die o.g. Zahlen belegen, dass der Klimawandel nicht nur eine uner- freuliche Begebenheit ist, sondern konkrete ökonomische und humanitäre Schäden mit sich bringt. Die Herausforderungen der Umweltpolitik liegen unter anderem in der Handhabung dieser Folgeschäden des Klimawandels.28 Grundsätzlich stehen für klimapolitische Maßnahmen zwei Strategien zur Verfügung. Einerseits können Maß- nahmen zur Gefahrenabwehr getroffen werden, um die Folgen des Klimawandels einzugrenzen (Anpassungsstrategien). Beispielsweise können Deichbaumaßnahmen das Risiko von Überschwemmungen vermindern oder Bewässerungsanlagen die Auswirkungen von Hitzeperioden eingrenzen. Diese Maßnahmen verursachen ihrer- seits Kosten. Andererseits können umweltpolitische Aktivitäten eine Eindämmung bzw. Reduzierung des Klimawandels selbst zum Ziel haben (Vermeidungsstrate- gien). Strategischer Ansatzpunkt dieser präventiven Klimapolitik wäre dabei die Verminderung der Treibhausgasemissionen, da diese als wahrscheinliche Ursache für den Klimawandel identifiziert wurden. Als volkswirtschaftliche Größe sind hier die Vermeidungskosten zu berücksichtigen. Aber auch eine sofortige und massive Reduzierung der Treibhausgasemissionen könnte die Auswirkungen des Klimawandels nicht völlig verhindern.29 Daher sollte eine nachhaltige Klimapolitik sowohl Elemente der Anpassung an den Klimawandel, als auch der Vermeidung weiterer Klimaveränderungen beinhalten. Neben Maßnahmen zur Emissionsreduzierung sollten auch zur Gefahrenabwehr notwendige Schritte eingeleitet werden, um Folgeschäden durch Anpassungsmaßnahmen möglichst gering zu halten.
Die Beurteilung der richtigen Strategie und die damit verbundenen Kosten werden an dieser Stelle nicht weiter diskutiert. Beide Strategien sind mit hohen Unsicherheiten bezüglich der Kosten und der Wirkung verbunden. Vor einem längeren zeitlichen Horizont scheint es aber sinnvoll zu sein, den Schwerpunkt der Bemühungen auf die Reduzierung des Klimawandels zu legen. Viele der Schäden, die durch Stürme oder Überschwemmungen hervorgerufen werden, lassen sich langfristig nur mit volks- wirtschaftlich inakzeptablen Aufwendungen begegnen. Ungeachtet der Kosten stellt der Klimawandel ein Risiko dar, das nicht nur Menschenleben fordert, sondern in der Lage ist, die menschliche Existenz auf der Erde, in der uns heute bekannten Form, zu bedrohen. Neben der Strategiefrage bereitet auch die Frage Schwierigkeiten, welches konkrete Reduktionsziel erforderlich ist, um die Risiken des Klimawandels zu mini- mieren. Vor dem Hintergrund eines anthropozentrischen Umweltschutzverständnis- ses30 müssen auch wirtschaftliche Erfordernisse in Betracht gezogen werden. So sol- len die Reduktionsmaßnahmen möglichst ohne Beeinträchtigung des globalen Wirt- schaftswachstums erfolgen. Man geht davon aus, dass zu einer Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre allein beim CO2 mindestens eine Halbierung der anthropogenen Emissionen notwendig ist. Soll die Stabilisierung der Konzentration auf einem Niveau unterhalb der Verdoppelung des vorindustriellen CO2-Gehalts erreicht werden, muss die genannte Reduktion der CO2-Emission bis spätestens zur Mitte dieses Jahrhunderts erfolgt sein.31
Um die notwendigen umweltpolitischen Ziele zu definieren und der Bedrohung des Klimawandels in einem geeigneten Rahmen zu begegnen, versammelten sich die Staaten der Vereinten Nationen 1992 zu einem Umweltgipfel. In Form einer Klima- rahmenkonvention (UNFCCC) beschlossen zunächst 36 Staaten eine Stabilisierung der CO2-Konzentration der Atmosphäre und verpflichteten sich zu einer langfristigen Senkung ihrer Treibhausgasemissionen.32 Spezifizierungen zu einzelnen Reduktions- verpflichtungen und Vorgehensweisen erfolgten erst später in Klimakonferenzen (COP). Auf diesem Weg wurde 1997 das Kyoto-Protokoll als Ergebnis der COP3 verabschiedet. Um die Reduktionsziele möglichst ohne eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Prosperität zu erreichen, wurden darin verschiedene Instrumente, sog. flexible Mechanismen, eingeführt, die unter anderem darauf abzielen, umwelt- politische Ziele zu geringen Kosten zu erreichen. Auf diese Weise wurde versucht, ökologischen und ökonomischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
1.2 Das Kyoto-Protokoll
1.2.1 Hintergründe und wesentliche Bestimmungen
Im Jahr 1992 wurde in Rio de Janeiro die UN-Klimarahmenkonvention (KRK) ver- abschiedet. Ziel war es, „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird“.33 Mit der Verabschiedung der Konven- tion wurde der organisatorische Rahmen des internationalen Verhandlungsprozesses für den Klimaschutz festgelegt. Für die Umsetzung der Konvention entscheidend sind die Konferenzen der Vertragstaaten (COP). Nach der Unterzeichnung der Kli- marahmenkonvention, an der sich hauptsächlich Industrienationen beteiligten, wurde 1995 auf der COP1 festgestellt, dass die vereinbarten freiwilligen Selbstverpflich- tungen der Konvention ohne einen festen zeitlichen Rahmen nicht ausreichen. Es sollte genauer festgelegt werden, in welcher Höhe und bis wann die einzelnen Teil- nehmer ihre Reduktionsmaßnahmen vornehmen würden. Des Weiteren wurde in der folgenden Konferenz (COP2) die rechtliche Verbindlichkeit der Verpflichtungen gefordert. Auf der Konferenz von Kyoto 1997 (COP3) haben die mittlerweile 188 Vertragstaaten ein Protokoll verabschiedet, dass diesen Anforderungen gerecht wird. Mit ihm wurden erstmals in der internationalen Klimapolitik völkerrechtlich verbind- liche Ziele festgelegt. Dazu zählt die Reduktion der sechs wichtigsten Treibhausga- se34 der Staaten bis zum Zeitraum 2008 bis 2012. Die Reduktion soll in einer Höhe von 5% im Vergleich zum Basisjahr 1990 durchgeführt werden, dabei steht es ein- zelnen Staaten frei, weitergehende Reduktionsverpflichtungen einzugehen.35 Allerdings wurden in dem Protokoll noch viele der Umsetzungsfragen offengelassen, die auf folgenden Konferenzen erörtert wurden. Mit der Umsetzung des „Bonner Be- schlusses“ auf der COP 6 wurden die wichtigsten Fragen zur Ausgestaltung des Pro- tokolls festgelegt. Zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen waren Art und Um- fang der verschiedenen Möglichkeiten Treibhausgase zu mindern, insbesondere, in- wieweit die Vertragsstaaten ihre Verpflichtungen durch Emissionsminderungsprojek- te im Ausland und durch die Ausweitung natürlicher Kohlenstoffspeicher („Sen- ken“), wie z.B. Aufforstungsmaßnahmen, erfüllen dürfen. Diese wurden dann auf der COP7 in 15 Entscheidungen zur Ausgestaltung und Umsetzung des Kyoto-Protokolls in das „Übereinkommen von Marrakesch“ übertragen. Es beschreibt alle für die Durchführung des Kyoto-Protokolls wichtigen Regeln. Dazu zählen auch die in Kap.1.2.3 näher beschriebenen flexiblen Mechanismen, wie z.B. der internationale Emissionshandel.36
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Die wichtigsten internationalen Abkommen zum Klimaschutz.37
1.2.2 Ratifikation und Geltungsbereich
Um die Voraussetzungen für das Inkrafttreten und die Funktionsweise der in Kap.
1.2.3 beschriebenen flexiblen Mechanismen besser verstehen zu können, müssen
einige grundlegende Erläuterungen zu der Unterscheidung verschiedener Gruppen der Kyoto-Vertragsparteien vorangestellt werden. Der Grund für die Unterscheidung liegt darin, dass sowohl in der KRK als auch im KP Regelungen enthalten sind, die nur bestimmte Gruppen von Staaten betreffen. Beispielsweise können die flexiblen Mechanismen teilweise nur in oder zwischen bestimmten Staaten dieser Gruppen angewendet werden. Grundsätzlich sind zwei Gruppen von Staaten zu unterscheiden:
(1) Staaten, die an eine Emissionsobergrenze gebunden sind;
(2) Staaten ohne Emissionsobergrenze.
Zu der ersten Gruppe zählen die Staaten des Anhang I der KRK von 1992. Diese Staaten haben sich eine Reduktion ihrer Emissionen in Form einer unbestimmten Selbstverpflichtung auferlegt. Sie werden als „Annex-I-Staaten“ bezeichnet. Parallel dazu enthält das KP eine Liste von Staaten, die ihre Emissionsziele bezüglich eines bestimmten Zeitraumes und in der Höhe spezifiziert haben. Sie sind im Anhang B des KP aufgelistet („Annex-B-Staaten“). Zu den Staaten mit Verpflichtung zählen die meisten Industrienationen wie alle OECD Staaten und viele osteuropäische Län- der.
Die zweite Gruppe bilden alle übrigen Vertragstaaten der KRK, sie werden als „Nicht-Annex-I-Staaten“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um alle Staaten, welche die KRK unterzeichnet und ratifiziert haben und die nicht in Anhang I aufgelistet sind. In dieser Gruppe sind hauptsächlich Entwicklungs- und Schwellenländer vertre- ten. Ihnen sind im Gegensatz zu den Industrieländern keine Emissionsobergrenzen auferlegt worden.38
Für den Geltungsbereich des KP spielt die Unterscheidung nur eine untergeordnete Rolle. So erstreckt sich der Geltungsbereich auf alle ratifizierenden Nationen, diese werden aber mit unterschiedlichen Verpflichtungen belegt. Von Bedeutung ist die Unterscheidung aber für das Inkrafttreten des KP.
Damit das Kyoto-Protokoll in Kraft treten kann, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
- Es muss durch mind. 55 Staaten ratifiziert worden sein;
- es müssen mind. 55% Kohlendioxidemissionen, der in Annex I aufgeführten Industrienationen, erfasst sein.
Nach dem Erfüllen dieser Bedingungen verbleibt noch ein Zeitraum von 90 Tagen bis zum offiziellen Inkrafttreten des Protokolls.39 Bisher haben bereits 122 Staaten das Protokoll ratifiziert, darunter alle Mitgliedstaaten der EU, die mittel- und osteu- ropäischen Staaten, Japan, Kanada, Neuseeland und viele Entwicklungs- und Schwellenländer wie Südafrika, Indien, China, Brasilien, Mexiko und Südkorea. Al- lerdings fallen nur 44,2% der Emissionen auf die Annex-I-Staaten.40 Damit ist nur eine der zwei Bedingungen erfüllt. Erst mit dem noch ausstehenden Inkrafttreten werden das Protokoll und die darin enthaltenen Verpflichtungen und Regelungen völkerrechtlich verbindlich. Nachdem die USA sich entschlossen haben ihren Reduk- tionsverpflichtungen nicht nachzukommen, ist daher die Ratifizierung durch Russ- land, welches einen Anteil von 17,4% an den Annex-I-Emissionen hat, besonders wichtig, da ansonsten die zweite Bedingung des KP vermutlich nicht erfüllt werden kann.
1.2.3 Flexible Mechanismen
Die für die Erschließung von Emissionsreduktionspotentialen anfallenden Kosten sind von Staat zu Staat sehr unterschiedlich. Sie hängen von der naturräumlichen Ausstattung mit Ressourcen, dem Vorhandensein erneuerbarer Energiequellen, der Wirtschaftsstruktur und dem technologischen Potential eines Landes ab. Außerdem führen bereits vollzogene Reduktionsmaßnahmen dazu, dass Minderungsoptionen eingeschränkt werden, wodurch das zukünftige Reduktionspotential geschmälert wird.41 Um diesem Problem gerecht zu werden, zählen neben der Bildung von Ziel- gemeinschaften und der Berücksichtigung von Senken, drei sog. flexible Mechanis- men zu den Ausgestaltungsregeln des KP.42 Man unterscheidet zwischen den Me- chanismen Joint Implementation (JI43 ), Clean Development Mechanism (CDM44 ), und International Emission Trading (IET45 ).
Die Mechanismen ermöglichen die Zusammenarbeit verschiedener Nationen bei der Erreichung ihrer Reduktionsziele. Damit wird den Staaten die Flexibilität gewährt, sich auch außerhalb des Staatsgebietes im Klimaschutz zu betätigen und dies auf die eigenen Emissionsziele anrechnen zu lassen. Unternehmen können diese Flexibilität unter strategischen Gesichtspunkten zum Erreichen ihrer Reduktionsziele einsetzen.
Für welche der Mechanismen sich ein Unternehmen entscheidet, hängt in hohem Maße von der Branchenzugehörigkeit, den Vermeidungsoptionen und -kosten sowie der Klimaschutzstrategie des Unternehmens ab. Die nachstehende Abbildung fasst die flexiblen Mechanismen und die sich ergebenden Handlungsoptionen zusammen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: System der flexiblen Mechanismen.46
Den Mechanismen ist gemeinsam, dass sie auf eine Reduktion des CO2-Ausstoßes auf möglichst kostengünstige Weise abzielen. Die genaue Umsetzung in nationales Recht und die Durchführung von Projekten durch einzelne Unternehmen sowie Kri- tikpunkte an diesem Mechanismus werden nicht weiter vertieft, da sie für die Be- trachtungen bezüglich der EU-Emissionshandelsrichtlinie von geringer Bedeutung sind. In den folgenden Abschnitten sind die wesentlichen Aspekte der Mechanismen zusammengefasst.
Joint Implementation (JI)
Joint Implementation ist ein Mechanismus der die Anrechnung von Emissionsreduk- tionen aus Projekten zwischen zwei Industrienationen (Annex-I-Staaten) gestattet. Die Ökonomische Grundidee bei diesem Instrument basiert auf dem Kompensations- gedanken. Damit ist gemeint, Unterschiede in den Grenzvermeidungskosten zwi- schen verschiedenen Ländern nutzbar zu machen, indem es den Nationen ermöglicht wird, Projekte bevorzugt in Ländern durchzuführen, in denen sie kostengünstig zu realisieren sind. Die Anrechenbarkeit erfolgt in ERUs (Emission Reduction Units). Die ERUs werden demjenigen Land in Höhe der Emissionsreduktion gutgeschrieben, welches das Projekt durchführt. Diese sind äquivalent zu den Emissionsreduktions- einheiten, die aus anderen flexiblen Mechanismen erworben werden können. Sie können also auch als Emissionszertifikate für den internationalen Emissionshandel genutzt werden. Die Höhe der Reduktionen bezieht sich auf eine Referenzentwick- lung47 ohne JI. Aber auch das am JI-Projekt passiv beteiligte Land kann Vorteile aus der Zusammenarbeit ziehen. So profitiert das Empfängerland ggf. dadurch, dass es finanzielle Mittel, fortschrittliche Technologie und fachliches Know-how erhält. Für die Implementierung von JI-Projekten müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Projekte müssen von den beteiligten Vertragsparteien gebilligt werden;
- sie müssen zu zusätzlichen Emissionsreduktionen oder zu einer Verstärkung des Kohlendioxidabbaus führen;
- das Land der investierenden Vertragspartei muss ein nationales System zur Schätzung der anthropogenen Emissionen einführen und seinen Informati- onspflichten durch ein Verzeichnis der jährlichen Emissionen nachkommen;48 · die Projekte werden ergänzend zu Reduktionsmaßnahmen (gem. Art. 3 KP) im Land der investierenden Partei durchgeführt.49
Sind diese Voraussetzungen erfüllt lassen sich verschiedene Projektarten umsetzen. Die Projekte, die zu anrechenbaren Verringerung von Treibhausgasen führen, können dabei verschieden Ziele verfolgen, wie z.B.:
- Die Effizienzsteigerung bei der Energieerzeugung auf Basis fossiler Energie- träger. Sie zielt auf die Erhöhung des Wirkungsgrades von Kraftwerken ab, wodurch bei gleichem Brennstoffeinsatz mehr Energie erzeugt wird. · Die Umstellung der Energieerzeugung auf Verfahren bzw. Energieträger, die weniger bzw. keine Treibhausgase emittieren. Sie basiert im Wesentlichen auf der Nutzung regenerativer Energiequellen wie Sonne, Wind, Wasser und Biomasse.
- Die Verringerung des Energieverbrauches durch effizientere Produktionspro- zesse. Sie kann durch Verbesserung der Energieeffizienz aufgrund von Pro- zessinnovationen erreicht werden.
- Die Steigerung des CO2-Abbaus in der Atmosphäre durch Veränderung der Landnutzung oder forstwirtschaftliche Maßnahmen, sog. Senken (vgl. Kap. 1.2.4).50
Clean Development Mechanism (CDM)
Mit dem CDM wird ein weiterer projektorientierter Mechanismus, der dem JI sehr ähnlich ist, eingeführt. Er unterscheidet sich im Wesentlichen im räumlichen An- wendungsbereich und hinsichtlich zusätzlicher Zielsetzungen. Die Zulassungsvor- aussetzungen sowie die verschiedenen Projektarten sind dieselben wie bei JI. Im Ge- gensatz zu JI aber dürfen CDM-Projekte nur zwischen Annex-I-Staaten und Nicht- Annex-I-Staaten - also Staaten ohne eigene Reduktionsverpflichtung - durchgeführt werden. Ziel ist es, ökonomisch sinnvolle Emissionsreduktionen in Ländern durchzu- führen, deren technologischer Stand nicht weit entwickelt ist, so dass die Vermei- dungskosten gering sind. Der CDM ist besonders vor dem Hintergrund entwick- lungspolitischer Ziele zu betrachten. Durch Technologie- und Wissenstransfer sollen die Annex-I-Staaten die Entwicklungs- und Schwellenländer bei ihren Bemühungen zum Klimaschutz unterstützen.51 Besonders gefördert werden soll die Durchführung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien und der Steigerung der Ener- gieeffizienz. Die durch CDM eingesparten Emissionen werden in Form von CERs (Certified Emission Reductions) gutgeschrieben.52
International Emission Trading (IET)
Im Gegensatz zu den beiden projektorientierten Mechanismen JI und CDM, handelt es sich beim IET53 um einen emissionsbezogenen Mechanismus. Er basiert auf der Einführung nationaler Emissionsrechtehandelssysteme. Die Vertragsparteien des KP können den Handel mit Emissionsrechten nutzen, um ihren Reduktionsverpflichtun- gen nachzukommen, indem sie Emissionsrechte erwerben oder verkaufen. Zweck dieses Instrumentes ist es nicht in erster Linie Emissionen zu vermeiden, sondern im Zusammenhang mit den Emissionsbeschränkungen der Staaten die Emissionsminde- rungsmaßnahmen dort zu ermöglichen, wo sie am kostengünstigsten sind. Die Ge- samtmenge der Emissionsrechte wird durch das Handelssystem nicht beeinflusst. Wenn sie das KP ratifiziert haben, wird es diesen Annex-B-Staaten lediglich ermög- licht, Emissionsrechte, die sie nicht benötigen, untereinander zu handeln.
Richtet sich der Emissionshandel in erster Linie an die Vertragsparteien, so sind die- se doch berechtigt, auch andere Rechtspersonen auf ihrem Hoheitsgebiet für die Teil- nahme zu autorisieren. Dieser Mechanismus stellt die Basis für den EU-weiten Emissionshandel dar, der in Form der Emissionshandelsrichtlinie von der Europäi- schen Kommission umgesetzt worden ist.54 Diese sieht im Gegensatz zum KP auch einen Handel von Emissionsrechte auf Unternehmensebene vor. Auf diese Weise wird eine Verknüpfung nationaler Emissionshandelssysteme, bei denen hauptsäch- lich Unternehmen als Käufer und Verkäufer auftreten, mit dem IET erreicht werden. Es entsteht somit ein Markt auf dem der Preis für Emissionsrechte international an- geglichen wird. Dadurch können Unternehmen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ökonomisch sinnvolle Reduzierungsmaßnahmen durchführen. Wichtige Voraussetzung ist allerdings, dass die durch das KP vorgegebenen Emissi- onsobergrenzen eingehalten werden.55
1.2.4 Senken
Senken zählen nicht zu den flexiblen Mechanismen, sie spielen aber bei der Durch- führung von JI- und CDM-Projekten eine wichtige Rolle. Unter dem Begriff versteht man die Speicherung großer Mengen Kohlendioxid durch natürliche Ökosysteme. Beispielsweise entzieht lebende pflanzliche Biomasse der Atmosphäre Kohlendioxid und wandelt es durch Photosynthesereaktionen um.56 Unter Senken i.S. des KP ver- steht man unmittelbar vom Menschen verursachte Landnutzungsänderungen und forstwirtschaftliche Maßnahmen, wie Aufforstung und Wiederaufforstung.57 Sie sind ein Beispiel dafür, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre durch menschliche Aktivitäten auch gesenkt werden kann. Die sich aus Senkenaktivitäten ergebenden Nettoänderungen der Emissionen eines Landes können zur Erreichung der Emissionsverpflichtungen verwendet werden. Das bedeutet konkret, dass Emissionen auch oberhalb der Emissionsobergrenze ausgestoßen werden können, wenn durch Senken die Nettoemissionen entsprechend verringert werden.
1.3 Umweltpolitische Instrumente
1.3.1 Arten und Grundprinzipien
Bei der Umsetzung seiner Klimaschutzziele steht dem Staat ein Portfolio verschiede- ner umweltpolitischer Instrumente zur Verfügung. Allen Instrumenten gemein ist, dass sie das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage des Menschen ver- folgen.58 Ansonsten unterscheiden sie sich grundlegend in der Art und Weise, wie sie dieses Ziel verfolgen. Daher ist bei deren Einsatz auf eine sinnvolle Abstimmung der Instrumente zu achten. Bei der Bewertung der Emissionshandelsrichtlinie (EHRL) ist besonders zu berücksichtigen, inwiefern es einerseits zu Überschneidungen oder Kollisionen und andererseits zu zweckmäßigen Ergänzungen zwischen bereits exis- tierenden Instrumenten des Umweltschutzes kommt. Das Steuerungsinstrumentarium lässt sich grundsätzlich kategorisieren in:
- Planungsinstrumente:
Dies sind Instrumente, die der vorausschauenden Bewältigung von Umweltproblemen dienen. Durch sie werden vielfältige Ursachen- und Wirkungszusammenhänge erfasst und zukünftige Entwicklungen prognostiziert. Auf der Basis eines Ist-Zustandes sollen Konzepte für eine Koordination gegenläufiger Interessen zur Erreichung eines Soll-Zustandes formuliert werden. Ausprägungsformen sind beispielsweise politisch-strategische Umweltplanung, Umweltzielplanung und Fachplanung.59
- Direkte Verhaltenssteuerung:
Darunter versteht man die direkte Beeinflussung des umweltrelevanten Ver- haltens bestimmter Gruppen oder Individuen. Unter die Instrumente direkter Verhaltenssteuerung fallen unter anderem Anzeigepflichten, gesetzliche Ge und Verbote und Umweltpflichten.60 Eine der wichtigsten Formen der direk- ten Verhaltenssteuerung sind Genehmigungsvorbehalte. Sie sind grundsätz- lich in zwei Ausprägungsformen vertreten - einerseits als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und andererseits als repressives Verbot mit Befrei- ungsvorbehalt. Beide räumen dem Staat eine Kontrollerlaubnis ein, welche den Zweck einer behördlichen Vorausprüfung eines umweltrelevanten Ver- haltens verfolgt.61
- Indirekte Verhaltenssteuerung:
Sie basiert auf einer mittelbare Einwirkung staatlichen Handelns. Auf eine strikte Bestimmung des Verhaltens der Adressaten wird verzichtet. Zu den Ausprägungsformen zählen informationelle Instrumente, Umweltabsprachen, Selbstverpflichtungserklärungen und verschiedene ökonomische Instrumente, wie Umweltabgaben, Subventionen oder Zertifikatlösungen.62
Die Wahl des Einsatzes eines der verschiedenen Instrumente wird im Wesentlichen durch das zu steuernde umweltrelevante Verhalten determiniert. Insofern lässt sich nicht im Vorhinein sagen, welches der o.g. Instrumente zu bevorzugen ist. Man kann zwar Aussagen über Vor- und Nachteile einzelner Instrumente und deren Ausprä- gungsformen treffen, eine grundsätzliche Vorzugswürdigkeit eines bestimmten In- strumentes lässt sich daraus aber nicht ableiten. An die verschiedenen Instrumente lassen sich jedoch einheitliche Anforderungen in Form von Bewertungskriterien stel- len, vor deren Hintergrund eine strukturierte Bewertung stattfinden kann.
Zu den Kriterien gehören die Zielkonformität, Systemkonformität, ökonomische Ef- fizienz und die institutionelle Beherrschbarkeit. Unter der Zielkonformität versteht man die Geeignetheit eines Instruments das formulierte Ziel zu erreichen. Im Falle der EHRL ist dies in erster Linie eine ökologisches Ziel, nämlich die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Man kann daher auch von der ökologische Effizienz oder der Umweltwirksamkeit sprechen. Ein systemkonformes Instrument muss mit der Wirtschaftsverfassung eines Staates kompatibel sein.63 Es darf beispielsweise nicht zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen oder Beeinträchtigungen der Arbeitsmarkt- situation beitragen. Gleichzeitig muss es sich mit anderen Instrumenten des Umwelt- schutzes, wie z.B. Selbstverpflichtungen oder Steuern vereinbaren lassen. Das Krite- rium der ökonomischen Effizienz setzt sich aus einem statischen und einem dynami- schen Teilbereich zusammen. Statisch effizient (kostenwirksam) ist ein Instrument, wenn die Zielerreichung mit den geringst möglichen Kosten verbunden ist. Dyna- misch effizient (innovationseffizient) ist es, wenn Unternehmen Anreize zur selb- ständigen Weiterentwicklung ihres umwelttechnischen Vermeidungspotentials gege- ben werden. Die institutionellen Beherrschbarkeit bezieht sich auf Vorbehalte oder Widerstände, die sich aus der Gruppe der Betroffenen ergeben können. Das Kriteri- um zielt darauf ab festzustellen, ob sich ein Instrument nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch umsetzen lässt.64 Die Bewertungskriterien dienen für die weiteren Ausführungen über die EHRL als analytischer Rahmen. Sie erleichtern es, die ein- zelnen Regelungen der Richtlinie aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und so differenzierte Aussagen über deren Wirkung und Bedeutung zu treffen.
Unabhängig vom gewählten Instrumentarium können bei der Ausgestaltung der Umweltpolitik verschiedene Grundprinzipien des Umweltschutzes Berücksichtigung finden. Diese sind als allgemeine Handlungsmaximen zu betrachten, sie erhalten aber Rechtsverbindlichkeit, sobald sie gesetzlich fixiert werden. Für die Bewertung der Emissionshandelsrichtlinie als Steuerungsinstrument sind diese Prinzipien insofern von Bedeutung, als dass untersucht werden soll, inwieweit sie bei der Ausgestaltung des Emissionshandelssystems (EHS) sinnvoll angewendet werden. Zu den wichtigsten Prinzipien zählen das Verursacherprinzip, das Vorsorgeprinzip und das Kooperationsprinzip. Sie werden im Folgenden kurz erläutert.65
Das Verursacherprinzip zielt darauf ab, denjenigen für die Vermeidung von Umwelt- belastungen zur Verantwortung zu ziehen, der sie verursacht hat. Der Hintergrund des Prinzips ist es die Internalisierung externer Effekte zu erreichen. Das Prinzip findet häufig bei der Regelung öffentlicher Güter Anwendung. Es ist eines der wich- tigsten Prinzipien im Bereich der Umweltpolitik. Das Vorsorgeprinzip wird ebenfalls bei umweltpolitischen Entscheidungen häufig berücksichtigt. Es besagt, dass um- weltrelevantes Verhalten mögliche Umweltschäden bzw. -gefahren beachten muss. Demnach müssen geeignete Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, um eine scho- nende Beanspruchung der Umwelt zu gewährleisten. Das Prinzip setzt also noch vor der Gefahrenabwehr an, wodurch ein gewisser Schutzabstand zu einer gefährdenden Umweltbelastung geschaffen wird. Nach dem Kooperationsprinzip werden umwelt- politische Entscheidungen unter Mitwirkung und Mitverantwortlichkeit aller Betroffenen gefällt. Es handelt sich um ein Verfahrensprinzip. Es zielt auf eine möglichst einvernehmliche Verwirklichung umweltpolitischer Ziele ab.66
1.3.2 Das Modell handelbarer Umweltverschmutzungsrechte
Handelbare Emissionslizenzen sind ein marktanaloges und - je nach Vergabeverfah- ren - fiskalisches oder nicht-fiskalisches Instrument der Mengensteuerung von Emis- sionen, das zur Erfüllung eines politisch bestimmten regionalen oder globalen Um- weltqualitätsziels (cap) mittels der Ausgabe und des anschließenden Handels (trade) von Emissionsrechten sowohl ökonomisch effizient als auch ökologisch effektiv er- reichen will.67 Das Modell der handelbaren Umweltlizenzen68 geht auf den Ökono- men DALES zurück.69 Die Grundidee eines Lizenzsystems beruht auf der Annahme, dass die mangelhafte Spezifizierung von Verfügungsrechten, insbesondere bei öf- fentlichen Gütern wie Umweltmedien, zu einem unerwünschten Auftreten externer Effekte führt.70 Das System sieht daher eine Änderung der Rahmenbedingung für die Nutzung dieser Güter durch die Einführung privater, handelbarer Verfügungsrechte vor.71 Nachdem ein zu erreichendes Umweltschutzziel festgelegt worden ist, werden diese Verfügungsrechte werden vom Staat in Form von Lizenzen oder Zertifikaten an Unternehmen ausgeteilt. Die Gesamtmenge der Zertifikate richtet sich nach dem zu erreichenden Ziel, da von ihr der Grad der zulässigen Umweltverschmutzung ab- hängt. Sie unterliegt einer mengenmäßigen Beschränkung, die zu einer künstlichen Verknappung der Nutzungsmöglichkeiten eines Gutes führt. Die Verfügungsrechte unterliegen insofern einem staatlichen Bewirtschaftungskonzept, als dass durch die Festlegung der Gesamtmenge und die Zuteilungsmodi der Rechte verteilungspoliti- sche Ziele verfolgt werden können.72 Die Zertifikate berechtigen den Inhaber zur Nutzung einer bestimmten Umweltressource in einem genau definierten Umfang und Zeitraum, beispielsweise zur Emission einer bestimmten Menge von Treibhausgasen. Die Nutzung eines Gutes ohne die entsprechende Rechte ist verboten und wird un- terbunden. Das führt dazu, dass Unternehmen, deren Anzahl von Zertifikaten nicht ausreicht, um die Nutzung eines Gutes zu legitimieren, Vermeidungsmaßnahmen der Nutzung treffen müssen.
[...]
1 Zur Definition von „Erdatmosphäre“ vgl. Brauch, H. G. (Hrsg., 1996) S. 3
2 Engl.: greenhouse effect.
3 „Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften“, S. 393.
4 Vgl. Altmann (1997), S. 13f.
5 Andere Ursachen sind Variationen der Sonnenaktivität und natürliche Klimaschwankungen, diese lassen sich nur schwer vorhersagen.
6 Vgl. Brauch (Hrsg., 1996) S. 3-20.
7 Kohlendioxid (CO2); Methan (CH4); Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW); Distickstoffoxid (N2O); Ozon (O3).
8 Der Anteil am anthropogenen Treibhauseffekt ergibt sich aus der Klimawirksamkeit eines Gases
(auch Treibhauspotential genannt) und dessen Konzentration in der Atmosphäre. Die Klimawirksamkeit von Kohlendioxid is t 1. Es dient als Referenzgröße, weshalb andere Treibhausgase auch als Kohlendioxidäquivalente bezeichnet werden. Eine Klimawirksamkeit von 21, wie bei Methan (CH4), bedeutet, dass 1 Methan Molekül den gleichen Treibhauseffekt wie 21 Kohlendioxid Moleküle verursacht. Kohlendioxid hat von den Treibhausgasen zwar die geringste Klimawirksamkeit ist aber das Gas mit der höchsten Konzentration in der Atmosphäre. Vgl. BAK (2001), S. 7f.
9 Einheiten: ppm = parts per million; ppb = parts per billion; ppt = parts per trillion.
10 Im Vergleich zur natürlichen Konzentration (im Zeitraum vor 1750). Die Angaben in Klammern drücken mögliche Abweichungen aus.
11 In Anlehnung an BAK (Hrsg., 2001), S. 7; vgl. IPCC Bericht (2001), S. ; UNEP (1999), S. 3ff.
12 Zur Vereinfachung wird nur das Gas Kohlendioxid betrachtet (Äquivalenz von Kohlendioxid und Kohlenmonoxid bezüglich der Quellen und der Klimawirksamkeit).
13 280 ppm.
14 1 Gigagtonne = 1 Milliarde Tonnen.
15 Vgl. Abb. „Treibhausgase von Industriestaaten 1990/1998; vgl. auch EEA (2003), S. 31.
16 OECD 1999, S. 25-34; vgl. OECD (2004), S. 12; vgl. UNEP (1999), S. 20-30; vgl. OECD (2001), S. 161.
17 ÖGM u.a. (2003), ohne Seitenangaben.
18 Wahrscheinlichkeitsangaben in Anlehnung an IPCC (2001), S.44; zu den Wahrscheinlichkeiten (die Prozentangaben geben die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses an): praktisch sicher (>99%); sehr wahrscheinlich (90-99%); wahrscheinlich (66-90%); mittlere Wahrscheinlichkeit (33- 66%); unwahrscheinlich (10-33%); sehr unwahrscheinlich (1-10%); ä u ß erst unwahrscheinlich (<1%); vgl. UBA (2004), S. 4ff.
19 Quelle: Hamburger Bildungsservers, nach: IPCC, 2001: Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of the Working Group I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Houghton, J.T. et al., eds), Cambridge and New York 2001, Figure 2.7c
20 Vgl. ÖGM u.a. (2003), ohne Seitenangaben.
21 Zu den verschiedenen Szenarien vgl. IPCC (2001), S. 55f.
22 Vgl. UBA (2004), S. 1-6; ÖGM u.a. (2003), ohne Seitenangaben.
23 Vgl. ÖGM u.a. (2003), ohne Seitenangaben; zu den Folgen des Klimawandels in Europa vgl. auch UBA (2004), S. 13.
24 Vgl. Pentagon (2003), S. 9-14.
25 Vgl. BAK (2001) S. 12-17.
26 Vgl. Münchner Rückversicherung (2003), S. 1-16.
27 Quelle: Münchner Rückversicherung (2003).
28 Zu den Herausforderungen von Klimapolitik vgl. Brauch, H.G. (1996), S. 315-332.
29 Vgl. UNEP (1999), S. 9.
30 Vgl. Kloepfer (1998) S. 19.
31 Vgl. ÖGM (2003), ohne Seitenangaben; grundsätzlich sind verschiedene Reduktionsziele vorstell- bar, die den Grad des Klimaschutzes bzw. des erwarteten Temperaturanstiegs beeinflussen, vgl. IPCC (2001), S. 26f.
32 Vgl. Art. 2 i.V.m. Art. 4 II a KRK.
33 Art. 2 KRK
34 Vgl. Anhang (mit den wichtigsten Treibhausgasen)
35 Vgl. Art. 3 I Kyoto-Protokoll.
36 Voss (2003), S. 9f.
37 In Anlehnung an NEA (2003), S. 10f; weitere Informationen zu den einzelnen Konferenzen finden sich auf der Homepage des UNFCCC, URL: unfccc.int.
38 Für die Verpflichtungen dieser Staaten siehe Art. 4 II KRK; vgl. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (2003), S. 10.
39 Art. 25 I KP.
40 Die aktuelle Liste der Staaten, die das KP ratifiziert haben ist auf der Homepage des UNFCCC zu finden, URL: unfccc.int/resource/kpstats.pdf.
41 Vgl. UBA (o.J.), S. 11.
42 Zu den flexiblen Mechanismen vgl. Brockmann u.a. (1999), S. 12-15; Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (Hrsg., 2003), S. 11f.
43 Vgl. Art. 6 KP.
44 Vgl. Art. 12 KP.
45 Vgl. Art. 17 KP.
46 Erläuterung: Unternehmen 1 führt ein JI-Projekt in einem Industrieland durch und kann mit den daraus erhaltenen ERUs und den zugewiesenen Zertifikaten (AAUs) sein Emissionskonto ausgleichen. Unternehmen 2 führt keine Projekte durch und emittiert mehr, als es durch Zertifikate decken kann. Es müsste entweder Strafen zahlen oder Zertifikate durch Emissionshandel erwerben. Unternehmen 3 investiert in ein CDM-Projekt in einem Entwicklungsland und erhält dafür Emissionsgutschriften (CERs). Da es nun mehr Emissionsrechte besitzt, als es benötigt kann es diese zum Verkauf anbieten; in Anlehnung an Brockmann u.a. (1999), S. 17.
47 Auch BAU (Business As Usual) oder baseline genannt.
48 Vgl. Art. 6 I c) i.V.m. Art. 5 und 7 KP.
49 Art. 6 I KP; vgl. Oberthür/ Ott (2000), S. 207f.
50 Vgl. Michaelowa u.a. (2001), S. 11f.
51 Art. 12 VIII KP; vgl. Brockmann u.a. (1999), S. 54f.
52 Vgl. UBA (2002), S. 19f; Oberthür./Ott (2000), S. 217-242; zu Kritikpunkten bezügl. CDM vgl. Germanwatch (2002), S. 6f; ein Vergleich der projektbezogenen Mechanismen findet sich bei BMU (Hrsg.,2003), S. 4f.
53 Vgl. Art. 17 KP.
54 Vgl. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (2003), S. 11
55 Vgl. UBA (2002), S. 13f und Oberthür, S./ Ott, H.E. (2000), S. 243-264.
56 BMU (2001), S. 6f
57 Vgl. KP Art. 3 III.
58 Vgl. Kloepfer (2000), S. 229ff.
59 Vgl. Sparwasser/Engel/Voßkuhle (2003), S. 92-100; siehe auch Kloepfer (1998), S. 203ff.
60 Vgl. Kloepfer (1998), S. 216ff.
61 Beispielsweise das Genehmigungsverfahren der §§4, 6 BImSchG; vgl. Sparwasser/Engel/Vosskuhle (2003), S. 85f.
62 Vgl. Kloepfer (1998), S. 263ff; Bender/Sparwasser (1990), S. 25ff; Schulte (1999), S. 13ff.
63 Insbesondere mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, vgl. Bohling (1981), S. 4-21.
64 Zu den Kriterien vgl. Gerhard (2000), S. 86-94; Altmann (1997), S. 142-150; Brockmann u.a. (1999), S. 32f.
65 Vgl. Kloepfer (1998), S. 165.
66 Zu den Prinzipien vgl. Bender/Sparwasser (1990), S. 15ff; Altmann (1997), S. 118ff; Kloepfer (1998), S. 165ff; Sparwasser/Engel/Vosskuhle (2003), S. 67ff; Sanden (1999), S. 62ff; Adamek (1997), S. 175-184.
67 Rahmeyer (2004), S. 7.
68 Auch Berechtigungen, Verschmutzungsrechte, Nutzungsrechte oder Zertifikate genannt.
69 Vgl. Dales (1968), S. 77-100.
70 Zu Strategien zur Internalisierung externer Effekte vgl. Endres (1994), S. 30ff; Böckem (2001), S. 26-31; zur staatlichen Intervention vgl. Ulrich, G. (1994), S. 22ff.
71 Vgl. Gerhard (2000), S. 72f.
72 Vgl. Cansier (1993), S. 192ff; Brockmann (1999), S. 56f.
- Arbeit zitieren
- Oliver Loritz (Autor:in), 2004, Neue Steuerungsformen - die Emissionshandelsrichtlinie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30543
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