Dieser Aufsatz vergleicht zwei deutsche Übersetzungen von Denis Diderots „Jacques le Fataliste“.
Genauer: Zwei Übersetzungen eines Auszugs aus diesem Werk werden einander gegenübergestellt; denn bei der ersten handelt es sich um einen Text von Friedrich von Schiller, der daraus nur eine einzelne Erzählung – die über die „Mme de La Pommeraye“ – übertragen hat. Diese Arbeit von Schiller stellt die erste Verdeutschung aus „Jacques le Fataliste“ dar, sie erschien 1785. Die erste vollständige Übersetzung wurde von W. Ch. S. Mylius angefertigt und erstmals 1792 veröffentlicht. Somit erschien die Endfassung dieses Werks in deutscher Version noch vor der französischen Originalfassung, die 1796 verlegt wurde (- eine erster Entwurf wurde in Feuilletonform in der „Correspondance littéraire“ von 1778 bis 1780 publiziert).
Der dem Schillerschen Text gegenübergestellte Übersetzungsauszug stammt von Jens Ihwe, dessen „Jacques der Fatalist und sein Herr“ zum ersten Mal 1967 gedruckt wurde (m.E.), also beinahe zwei Jahrhunderte jünger ist als das Original und Schillers Übertragung.
Da der enge Rahmen dieses Aufsatzes das Einkreisen auf bestimmte Aspekte der jeweiligen Übersetzungstendenzen erzwingt, wird es hauptsächlich um die Frage gehen, was geschieht, wenn man, wie Schiller es tat, eine einzelne Binnenerzählung aus ihrem Romanrahmen heraustrennt, oder wenn diese, wie bei Ihwe, im Gesamttext eingebettet bleibt.
Inhalt
Einleitung
1. Jacques le Fataliste
1.1. Diderot in Deutschland
1.2. Zum Gesamt(anti)roman
1.3. Die Mme de La Pommeraye -Episode
2. Schillers Übertragung in der Rezeption
3. Detailanalyse
Zusammenfassung
Quellen
Einleitung
Dieser Aufsatz vergleicht zwei deutsche Übersetzungen von Denis Diderots Jacques le Fataliste.
Genauer: Zwei Übersetzungen eines Auszugs aus diesem Buch werden einander gegenübergestellt; denn bei der ersten handelt es sich um einen Text von Friedrich von Schiller, der daraus nur eine einzelne Erzählung – die über die Mme de La Pommeraye – übertragen hat. Diese Arbeit von Schiller ist die erste Verdeutschung aus Jacques le Fataliste, sie erschien 1785. Die erste vollständige Übersetzung wurde von W. Ch. S. Mylius ange-fertigt und erstmals 1792 veröffentlicht. Somit erschien die Endfassung dieses Werks in deutscher Version noch vor der französischen Originalfas-sung, die 1796 verlegt wurde (- eine erster Entwurf wurde in Feuilletonform in der Correspondance littéraire von 1778 bis 1780 publiziert).
Der dem Schillerschen Text gegenübergestellte Übersetzungsauszug stammt von Jens Ihwe, dessen Jacques der Fatalist und sein Herr zum ersten Mal 1967 gedruckt wurde (m.E.), also beinahe zwei Jahrhunderte jünger ist als das Original und Schillers Übertragung.
Da der enge Rahmen dieses Aufsatzes das Einkreisen auf bestimmte Aspekte der jeweiligen Übersetzungstendenzen erzwingt, wird es haupt-sächlich um die Frage gehen, was geschieht, wenn man, wie Schiller es tat, eine einzelne Binnenerzählung aus ihrem Romanrahmen heraustrennt, oder wenn diese, wie bei Ihwe, im Gesamttext eingebettet bleibt.
1. Jacques le Fataliste
1.1. Diderot in Deutschland
Diderots Jacques le Fataliste wurde, wie eingangs erwähnt, in einer ersten Version erstmals in der Correspondance littéraire zwischen 1778 und 1780 veröffentlicht.
Bei dieser Correspondance littéraire handelt es sich um eine von Melchior Grimm heraus-gegebene Zeitschrift, deren Abnehmerschaft sich auf einen kleinen Freundeskreis in Sachsen-Gotha beschränkte; die berühmteren Mitglieder dieser Leserschaft waren die in Weimar ansässigen Wieland, Goethe und Herder.
Wie eingangs auch schon erwähnt, folgten auf diese Erstveröffentlichung einer vorläufigen französischen Version die Teilübersetzung von Schiller (1785) und die vollständige von Mylius (1792). Daß vor der erstmaligen Herausgabe der Originalendfassung in Frankreich im Jahre 1796 dreimal ein Jacques le Fataliste in Deutschland erschien, ist bereits ein klarer Hinweis auf die Bedeutung, die der Aufnahme von Diderots Werk in Deutschland für seine gesamte Rezeption zukommt.[1]
Früher als in Frankreich wurde in Deutschland die Qualität von Diderots so unterschiedli-chem Schaffen erkannt; so interessierte zum Beispiel Lessing Diderots Theater, Hegel (und später Marx) sein philosophisches Denken[2], Goethe und Schiller sein erzählerisches Werk.[3] Berühmt ist auch der seit Goethe in Deutschland und hernach in Frankreich verbreitete Allgemeinplatz, Diderot sei der „deutscheste“ der französischen Schriftsteller gewesen.
1.2. Zum Gesamt(anti)roman
Die Hauptthemen und –aspekte des Jacques le Fataliste seien knapp umrissen: Dieser Roman wird vom Erzähler als Antiroman bezeichnet. Viele hielten ihn gar für einen der ersten Romane der Moderne (wegen seiner Erzählhaltung und seines romantheoretischen Charakters in gewissem Sinne André Gides Les faux-monnayeurs verwandt); er ist aber auch ein Antiroman in der Tradition des Don Quijote, Lazarillo de Tormes, Gil Blais et cetera.
Neben den zwei im vollständigen Romantitel – Jacques le Fataliste et son maître - erwähnten Protagonisten muß als dritte Hauptperson der Erzähler benannt werden. Die Dauer des Romans ist der der Reise von Jacques und seinem Herrn und den Konversationen zwischen den beiden untergeordnet. Diese Struktur ermöglicht es, all die Zwischenstopps in den Herbergen, die Abenteuer und Begegnungen einzuschieben, bei denen sich wiederum die Gelegenheit ergibt, von weiteren Geschehnissen zu hören. Dies ergibt ein scheinbares Durcheinander von Personen und Ereignissen, denen das un-zertrennliche, von Jacques und seinem Herrn gebildete Paar begegnet. Als roter Faden zieht sich durch das ganze Buch der Dialog zwischen den beiden, unterbrochen oftmals von ironischen Kommentaren und erzähl-technischen Erwägungen des Erzählers, die sich immer an den Leser rich-ten. Doch ist dies Durcheinander nur ein scheinbares; drei Hauptstränge laufen nebeneinander her, verstricken sich oft auch ineinander: Es sind der Dialog zwischen Jacques und seinem Herrn, der die nie endenden Berichte aus Jacques' Liebesleben und seine „philosophischen“ Reflexionen beinhaltet, dann die Erzählung der Abenteuer und anderen Geschichten, schließlich der Dialog zwischen Erzähler und Leser. Durch diese Verstrik-kung spiegeln häufig die Nebengeschichten die Geschichte von Jacques‘ Leben wider oder ergänzen sie. (So begegnen einem bestimmte Figuren auf verschiedenen Ebenen, wie zum Beispiel der Marquis des Arcis – aus der Erzählung, die in dieser Arbeit besprochen wird – zum einen als Protago-nist eben dieser Erzählung und dann auch als Reisender und Erzählender.)
Durch die ganze Schrift zieht sich als philosophisches Grundthema das Problem der Willensfreiheit. Der vorwitzige, lebenskluge Jacques erweist sich dabei als überzeugter Anhänger des Fatalismus (c’était écrit là-haut), indessen paradoxerweise sein schläfriger und von seinem Knecht abhängiger Herr an die Freiheit des Willens glaubt. Dieses Grundthema erscheint auch, wenn man die Rolle des Erzählers betrachtet, der selbst sich in einer zwiespältigen Lage befindet: Gibt er einerseits zwar an, einen Antiroman zu schreiben und über die Freiheit zu verfügen, die Geschichte beliebig erzählen zu können, so fühlt er sich doch streng der Wahrheit verpflichtet (- dire la chose comme elle est).
Die Vielschichtigkeit dieses satirischen Romans bzw. Antiromans ließe sich noch in weit umfassenderem Maße beschreiben; so sind etwa neben den philosophischen und roman-theoretischen auch die sozialkritischen, sich im Verhältnis zwischen Diener und Herr äußernden Positionen zu beachten.
1.3. Die Mme de La Pommeraye -Episode
Der Auszug aus Jacques le Fataliste, der in dieser Arbeit im Mittelpunkt des Interesses steht, ist eine eigenständige Erzählung um die Madame de La Pommeraye und den Marquis des Arcis, die den beiden Reisenden, Jacques und seinem Herrn, in einer Herberge von ihrer Wirtin vorgetragen wird. Dieser Vortrag wird immer wieder von außen unterbrochen, von Personen, die die Wirtin sprechen wollen, hauptsächlich aber von Kommentaren des Jacques. Die Episode selbst nun ist ein wahres Intrigenspiel – möglicherweise auch ein Grund, warum sie gerade Schiller, den Autor von Kabale und Liebe, zu seiner Übersetzung bewogen hat.
Zum Inhalt: Mme de La Pommeraye – eine Witwe von hohem Stande – läßt sich nach anfänglichem Widerstand auf eine Beziehung zum Marquis des Arcis ein, der sie lange Zeit heftig umworben hatte. Nach ein paar Jahren erkühlt die Leidenschaft seitens des Marquis allmählich, er entfernt sich von ihr nach und nach. Mme de La Pommeraye tut so, um ihre Vorahnung darob zu bestätigen, als sei sie es, die zu lieben aufgehört habe. Davon läßt sich der Marquis täuschen und äußert ihr gegenüber ganz offen seine Freude darüber, daß sie so harmonisch und als Freunde auseinandergin-gen. Danach wendet sich die Stimmung der Erzählung: Mme de La Pommeraye, die die Aussprache mit dem Marquis noch so vernünftig geführt zu haben schien und ihren verletzten Stolz in Gegenwart des anderen nur verborgen hat, schwört Rache. Für ihren Racheplan läßt sie Mutter und Tochter Duquênoi, die standesmäßig tief gesunken sind und von einem Spielsalon und von Prostitution leben, zwei verarmte, aber ehrbare Betschwestern spielen und macht sie mit dem Marquis bekannt, der sogleich die Tochter heftig zu begehren beginnt. Schürt Mme de La Pommeraye zwar geschickt seine Leidenschaft, so läßt sie doch auch nicht zu, daß diese ohne eine Heirat zur Erfüllung gelangt. Als sich schließlich die Ehe zwischen Tochter Duquênoi und dem Marquis ergibt, klärt ihn Mme de La Pommeraye über das Vorleben der beiden Frommen auf. Nach anfänglicher Wut verzeiht er aber seiner reuigen Gemahlin, an der er so viel Gefallen gefunden hat, daß er feststellt, que cette Pommeraye, au lieu de se venger, m’aura rendu un grand service.[4]
Außer der Schillerschen Bearbeitung gibt es übrigens noch mindestens drei weitere: So haben zwei Autoren die Mme de la Pommeraye-Episode zu einem Bühnenstück umgeschrieben, Victorien Sardou mit seinem Schauspiel Fernande (Paris 1870) und Carl Sternheim mit Die Marquise von Arcis – Schauspiel in fünf Aufzügen nach Diderot (1918). Auch Bresson nahm sich 1945 in seinem Film Les dames du Bois de Boulogne, zu dem Jean Cocteau die Dialoge schrieb, des Stoffes an. Es existiert auch eine Rückübersetzung des Schiller-Textes, und zwar von J-P. Doray Longrais (1793) angefertigt.[5]
2. Schillers Übertragung in der Rezeption
Welche Folgen ergeben sich in literarisch-inhaltlicher Hinsicht, wenn man, wie Schiller es getan hat, diese Binnenerzählung aus dem Gesamttext und aus seinem Rahmen löst, der aus den Reflexionen und Kommentaren des Jacques und seines Herrn besteht? (Unweigerlich gilt unsere Aufmerksam-keit also zunächst ausschließlich Schiller; von der umfangreichen Literatur wurden hier nur ein Texte relativ jungen Datums berücksichtigt.)
Goethe, der das Original in der Gothaer Fassung begeistert gelesen hatte und es „ganz vortrefflich“ und „köstlich“ fand, schreibt:
„... Es [das Jacques le fataliste-Manuskript] ist nachhero von mehreren gelesen worden, diese haben aber leider alle [...] sich in das Mahl getheilt, hier und da genascht und jeder sein Lieblingsgericht davon geschleppt. Man hat ihn verglichen, einzelne Stellen beurtheilt, und so weiter.“[6]
[...]
[1] Eine, obwohl vor bald fünfzig Jahre erschienen, immer noch beachtenswerte Abhandlung zu diesem Thema schrieb Roland Mortier mit: Diderot en Allemagne (1750-1850), Paris 1954.
[2] Wobei oft Hegels Phänomenologie des Geistes zugesprochen wird, an Diderot und sein in Jacques le Fataliste behandeltes Thema von der Dialektik von Herr und Knecht anzuknüpfen. Vgl. Erich Köhler, „Est-ce que l’on sait où l’on va?“, in: Jochen Schlobach (Hrsg.), Denis Diderot, Darmstadt 1992, S. 247.
[3] Vgl. Schlobach, Einleitung.
[4] Hier und i.f. als „Diderot“ aus der Ausgabe zitiert: Denis Diderot, Jacques le Fataliste [+ Le neveu de Rameau ], Lausannne 1975. Hier S. 233
[5] Unter dem Titel Exemple singulier de la vengeance d’une femme, Paris 1793.
[6] Brief an Johann Heinrich Merck vom 7. April 1780; zitiert nach Frithjof Stock, Intrige und Mesalliance – Bemerkungen zur Rezeption der Mme de La Pommeraye-Episode aus Diderots Jacques le fataliste durch Schiller, Sternheim und Sardou, in: B. Allemann, E. Koppen (Hrsg.), Teilnahme und Spiegelung: Festschrift für Horst Rüdiger, Berlin/New York 1975, S. 248.
- Quote paper
- Frieder Stappenbeck (Author), 2001, Friedrich Schillers Übertragung der "Mme de la Pommeraye"-Episode aus Diderots "Jacques le Fataliste", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30537
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