Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit den Phänomenen der Integration und Desintegration in der Stadt. Zu einer Zeit des wirtschaftlichen Wachstums erfüllte die Stadt die Funktion einer Integrationsmaschine, da sie der Ort war, in dem sich der Stadtbewohner durch die funktionale Einbindung vor allem in den Arbeitsmarkt als Teilhaber einer aufwärtsgerichteten Bewegung verstand. Ungleichheiten in den sozialen Lagen führten, was die Schwächsten angeht, nicht zu einem Ausschluß aus der Gesellschaft, sondern waren „Differenzen in der Einheit“ (Häußermann 1998, S. 158), die nicht als endgültig und unabänderlich wahrgenommen wurden. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat sich das Bild verändert. Ein v.a. ökonomischer Wandel hat Konflikte evoziert, die in den Städten überdeutlich werden. Die Stadt ist vom Ort des persönlichen Aufstiegs und des sozialen Miteinander zum Ort des Kampfes um die materielle Existenz, der politischen Ohnmacht und der mangelhaften sozialen Einbindung geworden. Diese Arbeit versucht zum einen darzustellen, welche Formen der Integration eine Stadt leisten kann, zum anderen und vor allem aber befaßt sie sich mit den Gründen und den Folgen von desintegrativen Vorgängen, die eine Entwicklung forcieren, die aus der Stadt als Integrationsmaschine einen Ort der Bedrohung, Unfreiheit und Ausgrenzung werden läßt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Formen der Integration
2.1 politisch-rechtliche Integration
2.2 ökonomische Integration
2.3 kulturell-normative Integration
3. Was verhindert Integration ?
3.1 kommunalpolitisch
3.2 ökonomisch
4. Konsequenzen von Desintegration
4.1 Segregation
4.2 Degeneration des öffentlichen Raumes
4.3 politischer Partikularismus
5. Als Fazit: Ist die Stadt (noch) eine Integrationsmaschine ?
6. Literaturliste
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit den Phänomenen der Integration und Desintegration in der Stadt. Zu einer Zeit des wirtschaftlichen Wachstums erfüllte die Stadt die Funktion einer Integrationsmaschine, da sie der Ort war, in dem sich der Stadtbewohner durch die funktionale Einbindung vor allem in den Arbeitsmarkt als Teilhaber einer aufwärtsgerichteten Bewegung verstand. Ungleichheiten in den sozialen Lagen führten, was die Schwächsten angeht, nicht zu einem Ausschluß aus der Gesellschaft, sondern waren „Differenzen in der Einheit“ (Häußermann 1998, S. 158), die nicht als endgültig und unabänderlich wahrgenommen wurden. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat sich das Bild verändert. Ein v.a. ökonomischer Wandel hat Konflikte evoziert, die in den Städten überdeutlich werden. Die Stadt ist vom Ort des persönlichen Aufstiegs und des sozialen Miteinander zum Ort des Kampfes um die materielle Existenz, der politischen Ohnmacht und der mangelhaften sozialen Einbindung geworden.
Diese Arbeit versucht zum einen darzustellen, welche Formen der Integration eine Stadt leisten kann, zum anderen und vor allem aber befaßt sie sich mit den Gründen und den Folgen von desintegrativen Vorgängen, die eine Entwicklung forcieren, die aus der Stadt als Integrationsmaschine einen Ort der Bedrohung, Unfreiheit und Ausgrenzung werden läßt.
2. Formen der Integration
2.1 politisch-rechtliche Integration
Die Stadt als politische Einheit, ist der Ort, der das Lebensumfeld des Stadtbürgers darstellt. Eine Mitgestaltung in von der städtischen Politik bestimmten Bereichen sollte also in Staaten, die auf einer demokratischen Grundordnung basieren, jedem Stadtbürger gewährleistet sein.
Die Möglichkeit zur Partizipation an politisch-rechtlichen Vorgängen ist so die Voraussetzung zur Integration in die Stadt und in ihre Gemeinschaft.
Die politische Partizipation findet ihren Ausdruck zum einen in formalisierten, zum anderen in informellen Rechten, die beide als Integrationsmechanismen wirken. Das aktive und passive Wahlrecht besteht formal und analog zum staatsbürgerlichen Recht auch in der Kommune. Informelle Mitgestaltungsmöglichkeiten bieten sich im Vereinswesen, in Bürgerinitiativen o.ä. Diese Formen kommunalpolitischer Teilhabe erzeugen beim Bürger das Gefühl direkter Teilnahme an der Mitgestaltung seines Lebensumfeldes, da sie in der Regel auf kürzeren Wegen zu greifbaren Ergebnissen führen. Einflußmöglichkeiten werden sichtbar und die Sinnhaftigkeit von demokratischen Mechanismen höher eingeschätzt. Kommunalpolitik kann so ein positives Gefühl für den Rechtsstaat und dessen Legitimation erwecken.
Auch zur „Realisierung von Grundnormen, durch die das Zusammenleben auf der Basis von Fairneß, Gerechtigkeit und Solidarität geregelt werden soll“ (Endrikat u.a. 2002, S. 39) bedarf es einer institutionellen Integration, da sie ein legitimes Mittel zum Ausgleich konfligierender Interessen (ebd.) und somit zur Gestaltung von moralisch-normativen Spielräumen darstellt.
Mit dem Mandat ihrer Bürger hat die Kommunalpolitik eine Reihe von Entscheidungsmöglichkeiten, mit der sie Integration fördern und lenken kann. So zum Beispiel im Wohnungsbau, in der sozialen und technischen Infrastruktur, in der lokalen Arbeitspolitik oder bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes (Göschel 1998).
2.2 ökonomische Integration
Integration unter ökonomischen Gesichtspunkten setzt im optimalen Falle eine Phase des Wohlstands und eine annähernde Gleichverteilung dieses Wohlstandes im Land voraus. Dieser Zustand sorgt für ein hohes Maß an Stabilität, da Ungleichheiten minimiert sind und Konflikte durch Konkurrenzsituationen um materielle Güter seltener auftreten.
Eine Annäherung an diesen hier idealtypisch dargestellten Zustand kann nur in Phasen des Wirtschaftswachstum und des Wohlfahrtsstaates entstehen. Eine solche Phase erlebte die Bundesrepublik in der Zeit von Mitte der 60er Jahre bis zum Beginn der 90er Jahre (Göschel 1998).
Die Städte sind in diesen Phasen die Orte, wo Innovation und Wirtschaftskraft entstehen und sich offenbaren, wo, durch das Entstehen von Arbeitsplätzen, Wohlstand für den Bürger erfahrbar wird. Sie sind die Orte, wo ein sozialer Aufstieg leichter erreichbar ist als auf dem Land und wo Chancen und Optionen in diversifizierteren Formen eine Verbesserung der Lebensumstände versprechen.
Ein gesamtstaatliches Wirtschaftswachstum läßt sich also in diesem Zusammenhang auf die lokale Ebene projizieren und wird zum städtischen Wirtschaftswachstum, das für den Stadtbürger in dieser Form im Alltag erfahrbar wird. Er wird über die Teilhabe am Arbeitsmarkt (und am funktionierenden Bildungssystem) funktional in das System integriert und erfüllt so die Voraussetzung für sich, am Konsumwarenmarkt teilzunehmen (Endrikat u.a. 2002, S.38). Schon in der Zeit der Industrialisierung war die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ein „Prozeß partieller Integration in das (...) verstädterte Leben“ (Bahrdt 1961, S.144). Geschah dies damals noch mit Hilfe einer organisierten Arbeiterbewegung, so sind heute, nach dem weitgehenden Verschwinden eines proletarischen Klassenbewußtseins, deutliche Veränderungen in der sozialen Selbsteinschätzung und des politischen Bewußtseins der Arbeiterschaft festzustellen (ebd.), hat also die Teilnahme am Wohlstand durch Lohnarbeit in der Stadt zu einer „Verbürgerlichung“ (ebd.) des Proletariats geführt.
Zur Aufrechterhaltung der ökonomischen Integrationsleistung der Stadt bedarf es einer lokalen Ökonomie als Träger, d.h. eines lokalen Unternehmertums, das auf Arbeitskräfte aus der Stadt angewiesen ist. Reinvestieren die lokalen Betriebe wieder in der Stadt, entsteht ein sich selbst stützendes, stabiles ökonomisches System, das entscheidend ist für die Integrationsleistung der Stadt.
2.3 kulturell-normative Integrationsleistung
Neben den politisch-rechtlichen und ökonomischen formalen oder informellen Integrationsleistungen der Stadt soll hier eingegangen werden auf die kaum formalisierbare kulturell-normative Ebene, die für den Stadtbürger kaum greifbar ist, sondern vielmehr spürbar im alltäglichen Miteinander innerhalb der Stadtgesellschaft.
Aus historischer Perspektive war die Stadt der Ort des Marktes. Wer am Markt teilnahm, wurde als Stadtbürger akzeptiert, eine Verflechtung des Bürgers in die Stadtgemeinschaft definierte sich durch seine Teilnahme an den ökonomischen Prozessen und nicht durch persönliche, soziale oder moralische Eigenschaften oder Überzeugungen, die dem Einzelnen innewohnten. Diese Stadtkultur ermöglichte die Individualisierung der städtischen Gesellschaft (Häußermann 1998, S. 151). Diese Individualisierung kann einerseits für den Einzelnen als positiv empfunden werden, da, je individualisierter eine Gesellschaft ist, desto größer ist die Chance, Gleichgesinnte zu finden, und sich in deren Gruppe zu integrieren (Schiffauer 1997, S. 93f.). Andererseits kann die individualisierte (Stadt-) Gesellschaft auch als „Zumutung“ (zitiert nach Häußermann in Anhut/Heitmeyer 2000, S. 10) wahrgenommen werden, da sie stets Unbekanntes und Fremdes oder sogar Bedrohliches in sich trägt. Kommt es zu ökonomischen Krisen, die Teile dieser individualisierten Gesellschaft härter treffen als andere, so besteht die Gefahr einer gesellschaftlichen Separation von bestimmten Gruppen. Aufgrund der Individualisierung, die eher auf Selbstverwirklichung und Egoismen, denn auf ein Gemeinschaftsempfinden abzielt, kommt es nur zu einer „partialen“ oder „unvollständigen“ Integration, was als typisch städtische Form der normativen Integration beschrieben wird (zitiert nach Bahrdt und Keim in Göschel 1998). Nach Simmel sorgt eine akzeptierende Gleichgültigkeit gegenüber dem Anderen, ein Zusammenleben, das nur durch die Aufrechterhaltung von Distanzen funktioniert für eine Balance in der städtischen Gemeinschaft, die allerdings immer prekär bleibt (Häußermann 1998, S. 152).
Aufgrund von zunehmenden ökonomischen Unsicherheiten seit den 90er Jahren, welche Ungleichheiten verstärken und verschärfte Armutslagen vor allem in den Städten erzeugen, wird der Ruf nach einer Wertedebatte laut, die das Ziel haben soll, einen neuen Wertekanon zu evozieren. Hier stehen sich zwei Positionen gegenüber: die wertkonservative Seite sieht wachsende Ungleichheiten als unausweichlich, da sie durch die unbeeinflußbare globale ökonomische Entwicklung begründet sind und spricht sich für eine Rückbesinnung auf Pflicht- und Akzeptanzwerte aus. Mithilfe eines neuen Gemeinschaftssinns – also ein Gegenentwurf zur Individualisierung – soll benachteiligten Gruppen die Integration erleichtert werden. Die zweite, sozial- oder wohlfahrtsstaatliche Position sieht die Individualisierung als unumgänglich und fordert, eine ökonomische Gleichheit herzustellen, um Desintegration zu vermeiden.
3. Was verhindert Integration ?
3.1 kommunalpolitisch
Die Kommunalpolitik besitzt eine erhebliche Bedeutung für die Integrationsleistung der Stadt. Dabei ist sie angewiesen auf angemessene Spielräume, in denen sie ihre kommunalpolitischen Entscheidungen treffen kann. Da Probleme sich in der Regel immer lokal spezifisch unterscheiden, sind sie dementsprechend zu behandeln (für die Arbeitsmarktpolitik Heinelt 1991, S.116), ist also, obwohl es mitunter um die Umsetzung zentralstaatlicher Programme geht, ein angemessener Grad von Autonomie der kommunalen Politik notwendig.
Politische Autonomie der Kommunen ist Voraussetzung für eine Integrationsleistung der Stadt (zitiert nach Offe u.a. in Göschel 1998). Seit der Industrialisierung allerdings wird dieser rein lokale Bezug kommunaler Politik reduziert und ergänzt, bzw. immer mehr bestimmt von überlokalen Einflüssen. Kommunale Selbstverwaltungen wurden mit ökonomischem Strukturwandel, demographischen Verschiebungen durch neue Arbeitsmärkte, dem Einfluß überlokaler Interessenorganisationen sowie dem Ausbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme (Häußermann 1991, S.37) konfrontiert und mußten diese Veränderungen in ihre Entscheidungen miteinbeziehen. Ein „Vergesellschaftungsprozeß“, also eine Schwächung der Bedeutung der Gemeinde setzte ein, und hält bis heute an (ebd.). Dieser Prozeß wird von der Dominanz ökonomischer Prioritäten bestimmt, wobei die Gemeinden ihre kommunale Haushalte sowie ihre Investitionspolitik an gesamtstaatlichen makroökonomischen Strategien ausrichten (ebd., S.40). Wenn aber die kommunale Politik sich von der Betreuung lokaler Probleme mit dem Verweis auf unbeeinflußbare nationalstaatliche bis globale Marktmechanismen verabschiedet, so stellt sich die Frage, auf wen sich der Bürger stützen kann. Bei wachsenden Gruppen stellen sich so „Gefühle der politischen Ohnmacht oder sogar der Rechtlosigkeit ein, die anomische Desintegration mit Stigmatisierung (...) zur Folge haben“ (Göschel 1998).
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- Arbeit zitieren
- Benjamin Klimaschewski (Autor:in), 2004, Integration und Desintegration in der Stadt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30332
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