Der globale Markt von Investmentfonds ist durch einen Wandel gekennzeichnet, der sich nicht ausschließlich auf die Zunahme von Produkten beschränkt, sondern auch auf den Stil der Investition ausweitet. Hierbei leisten Exchange Traded Funds (ETFs) als innovatives Finanzprodukt einen entscheidenden Beitrag. ETFs sind Investmentfonds, die einen Index nachbilden und an der Börse gehandelt werden können. Sie ermöglichen die Investition in einen breit gestreuten Wertpapierkorb, dessen Zusammensetzung dem Index entnommen werden kann und sind dabei einfach und günstig an der Börse zu erwerben. In den USA werden ETFs seit 1990 angeboten, in Europa können ETFs seit 2000 erworben werden und haben seitdem ein rasantes Wachstum verzeichnet. Das Anlageuniversum der ETFs ist mittlerweile nicht nur auf Aktienmärkte beschränkt. Eine Investition in Anleihen-, Rohstoff-, Geldmarkt- und weitere ETFs kann ebenso erfolgen. ETFs sind nicht uneingeschränkt mit anderen Finanzprodukten vergleichbar. Die besonderen undteilweise einzigartigen Eigenschaften von ETFs verlangen ein Hintergrundwissen um diese Produkte zu verstehen.
Aufbau
Die Arbeit beginnt mit den Grundlagen über Exchange Traded Funds (ETF), in diesem Kapitel wird dem Leser ein fundamentales Wissen vermittelt. Darauf aufbauend werden Indizes näher erläutert, da ein Index die Basis eines jeden ETFs darstellt. Im Anschluss wird der Leser in die Exchange Traded Funds eingeführt, ihm die Grundlagen zum Anlegen mit ETFs erklärt sowie wichtige Eigenschaften von ETFs detaillierter dargestellt. Das darauf folgende Kapitel beschäftigt sich mit der OGAW-Richtlinie, die die rechtliche Struktur von ETFs bildet. Das Kapitel stellt einen Exkurs dar, um eine Abgrenzung zwischen ETFs und anderen Exchange Traded Porducts (ETPs), welche im anschließenden Kapitel beleuchtet werden, zu verdeutlichen. Folgend wird der globale ETF-Markt analysiert und dabei gezielt die Region Europa erfasst. Anschließend werden mögliche Investitionen mittels ETF beschrieben und die derzeitige Verteilung der Anlagegelder veranschaulicht. Steuerliche Aspekte in Bezug auf den ETF-Handel, die insbesondere für private Anleger mit Wohnsitz in Deutschland von Bedeutung sind, werden im darauf folgenden Kapitel betrachtet. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen ETFs und Indexfonds werden wiederum in einem neuen Kapitel erfasst.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
A. Einleitung
I. Zielsetzung
II. Aufbau
B. Grundlagen
C. Indizes
I. Geschichte und Einführung
II. Aufteilung nach Länder, Regionen und Sektoren
III. Strategieindizes
IV. Berechnungsmethodik von Indizes
1. Gewichtung nach Marktkapitalisierung
2. Gewichtung nach Preis
3. Gleiche Gewichtung
4. Zusammenfassendes Beispiel
V. Kurs- und Performanceindizes
1. Kursindex
2. Performanceindex
3. Zusammenfassendes Beispiel
VI. Indexanbieter
VII. Zusammenfassung
D. Exchange Traded Funds
I. Geschichte der ETFs
II. Entstehung und Handel von ETFs
III. Nettoinventarwert (NAV) und indikativer Nettoinventarwert (iNAV)
IV. Replikationsmethoden
1. Physische Replikation
2. Synthetische Replikation
3. Vergleich der Replikationsmethoden
V. Risiken
1. Marktrisiko
2. Kontrahentenrisiko
3. Auflösung des ETFs
4. Währungsrisiko
5. Wertpapierleihe
VI. Kosten
1. Total Expense Ratio (TER) - Gesamtkostenquote
2. Handelskosten an der Börse
3. Erträge aus Wertpapierleihe und Swap-Spreads
VII. Tracking Error und Tracking Differenz
1. Tracking Error
2. Tracking Differenz
3. Zusammenfassendes Beispiel
E. Exkurs - OGAW-Richtlinie
I. Liquidität
II. Aufbewahrung der Wertpapiere
III. Diversifikation
IV. Sicherheiten
V. Offenlegungspflichten
VI. Index
F. Abgrenzung von ETFs zu anderen ETPs
I. Exchange Traded Fund (ETF)
II. Exchange Traded Commodity (ETC)
III. Exchange Traded Note (ETN)
G. Markt und Volumen von ETFs
IV. Global
V. Europa
VI. ETFs auf der Handelsplattform Xetra
VII. Anbieter von ETFs
H. Investitionsmöglichkeiten mit ETFs
I. Aktien-ETFs
II. Anleihen-ETFs
III. Geldmarkt-ETFs
IV. Rohstoff-ETFs und ETCs
V. Strategie-ETFs
1. Dividenden-Strategie
2. Minimum Volatilität
3. Fundamental
4. Gehebelte und inverse ETFs
a) Berechnung von gehebelten und inversen Indizes
b) Tägliches Rebalancing
VI. Aktive ETFs
I. Steuerliche Betrachtung von ETFs
I. Abgeltungsteuer
II. Ziel der Abgeltungsteuer
III. Berechnung der Steuerlast
IV. Besonderheiten der Besteuerung bei Investitionen in ETFs
1. Ausschüttende ETFs
2. Thesaurierende ETFs
a) Steuerprivileg bei thesaurierenden Fonds
J. Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Indexfonds und ETFs
I. Handel von Indexfonds
II. Investitionsprozess und Kosten bei Indexfonds
III. Wertentwicklung
IV. Zusammenfassung
K. Passives und Aktives Investieren
L. Core-Satellite-Strategie
M. Sparpläne mit ETFs
N. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung C-1: GICS Pyramide
Abbildung C-3: Vergleich einzelner Gewichtungsmethoden
Abbildung C-4: DAX Kurs vs. Performance
Abbildung D-1: Creation-/Redemption-Prozess
Abbildung D-2: Funktionsweise eines Swap-ETFs
Abbildung D-3: Anteile und Anzahl synthetischer und physischer ETFs
Abbildung D-5: Kosten aufgeteilt nach TER und Handelskosten
Abbildung D-7: Tracking Error und Tracking Differenz
Abbildung F-1: Unterteilung von ETPs in Sondervermögen und Schuldverschreibung
Abbildung G-1: Wachstum ETP-Markt Global
Abbildung G-2: Wachstum und Marktanteil ETF-Markt Global
Abbildung G-3: Wachstum ETF-Markt Europa
Abbildung G-4: Wachstum und Marktanteil nach Anlageklassen ETF-Markt Europa
Abbildung H-1: Verteilung des Vermögens in europäischen Aktien ETFs nach Regionen März 2015
Abbildung H-2: Verteilung des Vermögens in europäischen Aktien ETFs nach Sektoren März 2015
Abbildung H-3: Verteilung des Vermögens in europäischen Anleihen ETFs nach Sektoren März 2015
Abbildung H-4: Verteilung des Vermögens in europäischen Rohstoff ETFs und ETCs nach Sektoren Mai 2015
Abbildung H-5: Auswirkungen von gehebelten und inversen ETFs bei stetig steigenden Kursen
Abbildung H-6: Auswirkungen von gehebelten und inversen ETFs in volatilen Marktphasen
Abbildung K-3: Auswirkungen der Fondskosten bei Aktien- und Anleihenfonds
Tabellenverzeichnis
Tabelle C-2: Beschreibung der GICS-Sektoren
Tabelle C-5: Anbieter von Finanzindizes
Tabelle D-4: Vor- und Nachteile der physischen und synthetischen Replikationsmethoden
Tabelle D-6: Durchschnittliche TER einzelner Fondskategorien
Tabelle G-5: ETF-Anbieter
Tabelle I-1: Beispielrechnung Steuerbelastung auf Kapitalerträge
Tabelle K-1: Performance-Studien zum Aktienfondsmarkt
Tabelle K-2: Anteil Investmentfonds, die eine bessere Rendite als ihr Referenzindex erzielten
Tabelle K-4: Performance-Persistenz von US-Aktienfonds
Tabelle K-5: Core & Satellite ETF-Angebot von iShares
A. Einleitung
Der globale Markt von Investmentfonds ist durch einen Wandel gekennzeichnet, der sich nicht ausschließlich auf die Zunahme von Produkten beschränkt, son- dern auch auf den Stil der Investition ausweitet. Hierbei leisten Exchange Traded Funds (ETFs) als innovatives Finanzprodukt einen entscheidenden Beitrag. ETFs sind Investmentfonds, die einen Index nachbilden und an der Börse gehandelt werden können. Sie ermöglichen die Investition in einen breit gestreuten Wertpa- pierkorb, dessen Zusammensetzung dem Index entnommen werden kann und sind dabei einfach und günstig an der Börse zu erwerben. In den USA werden ETFs seit 1990 angeboten, in Europa können ETFs seit 2000 erworben werden und haben seitdem ein rasantes Wachstum verzeichnet. Das Anlageuniversum der ETFs ist mittlerweile nicht nur auf Aktienmärkte beschränkt. Eine Investition in Anleihen-, Rohstoff-, Geldmarkt- und weitere ETFs kann ebenso erfolgen.
ETFs sind nicht uneingeschränkt mit anderen Finanzprodukten vergleichbar. Die besonderen und teilweise einzigartigen Eigenschaften von ETFs verlangen ein Hintergrundwissen um diese Produkte zu verstehen.
I. Zielsetzung
Das Ziel dieser Arbeit ist, dem Leser ein solides und umfassendes Verständnis über Exchange Traded Funds (ETFs) zu vermitteln, um dem stetig wachsenden Angebot mit der nötigen Kompetenz begegnen zu können. ETFs werden primär als Bausteine eines Portfolios gesehen, die es zu verstehen gilt. Um ETFs gezielt in einem Portfolio einzusetzen, muss nicht nur das Produkt selbst, sondern auch der zugrunde liegende Index, der die Basis eines jeden ETFs bildet, verstanden werden.
II. Aufbau
Die Arbeit beginnt mit den Grundlagen über Exchange Traded Funds (ETF), in diesem Kapitel wird dem Leser ein fundamentales Wissen vermittelt. Darauf auf- bauend werden Indizes näher erläutert, da ein Index die Basis eines jeden ETFs darstellt. Im Anschluss wird der Leser in die Exchange Traded Funds eingeführt, ihm die Grundlagen zum Anlegen mit ETFs erklärt sowie wichtige Eigenschaften von ETFs detaillierter dargestellt. Das darauf folgende Kapitel beschäftigt sich mit der OGAW-Richtlinie, die die rechtliche Struktur von ETFs bildet. Das Kapitel stellt einen Exkurs dar, um eine Abgrenzung zwischen ETFs und anderen Exchange Traded Porducts (ETPs), welche im anschließenden Kapitel beleuchtet werden, zu verdeutlichen. Folgend wird der globale ETF-Markt analysiert und dabei gezielt die Region Europa erfasst. Anschließend werden mögliche Investi- tionen mittels ETF beschrieben und die derzeitige Verteilung der Anlagegelder veranschaulicht. Steuerliche Aspekte in Bezug auf den ETF-Handel, die insbe- sondere für private Anleger mit Wohnsitz in Deutschland von Bedeutung sind, werden im darauf folgenden Kapitel betrachtet. Unterschiede und Gemeinsam- keiten zwischen ETFs und Indexfonds, die den Ursprung von ETFs bilden, wer- den wiederum in einem neuen Kapitel erfasst. Im anschließenden Kapitel werden die Renditen von klassischen Investmentfonds, deren Anlageentscheidungen durch einen Fondsmanager getroffen werden, mit den Renditen ihrer Referenzin- dizes verglichen. Eine Anlagestrategie, die besonders gut mit ETF umgesetzt werden kann, ist die Core-Satellite-Strategie und wird im nächsten Kapitel erläu- tert. Für private Anleger eignen sich ferner Sparpläne, die eine Investition in ETFs vorsehen und im letzten Kapitel vorgestellt werden. Die Arbeit endet mit einem Fazit, welches das dargelegte Wissen über die Investitionsmöglichkeiten mit ETFs zusammenfasst und bewertet.
B. Grundlagen
Ein Exchange Traded Fund (ETF) lässt sich definieren als ein Investmentfonds, der einen Index nachbildet und an der Wertpapierbörse gehandelt werden kann.1 Dabei sind die Begriffe Investmentfonds, Index und Wertpapierbörse von zentra- ler Bedeutung für dieses Produkt. Ein Investmentfonds fasst das Kapital vieler Anleger zusammen. Die Investmentgesellschaft investiert es anschließend in Wertpapiere wie Aktien, Anleihen und weitere Finanzwerte. Steigen die Kurse der Wertpapiere, profitieren die Anleger gleichermaßen davon. Dem Anleger wird durch eine Investition in einen Investmentfonds ermöglicht, schon mit kleinen Beträgen an der Wertentwicklung des Investmentfonds, der aus einem breit diversifizierten und professionell verwalteten Wertpapierkorb besteht, teilhaben zu können. Per Gesetz bieten Investmentfonds einen ausgezeichneten Anleger- schutz. Das Fondsvermögen stellt rechtliches Sondervermögen dar. Hierbei wird das Fondsvermögen stets getrennt von dem Vermögen der Investmentgesell- schaft verwahrt und darf im Falle einer Insolvenz der Investmentgesellschaft nicht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger herangezogen werden.
Ein Index bildet die Basis eines jeden ETFs. Indizes fassen die Wertentwicklung der Wertpapiere eines Marktes wie etwa einer Volkswirtschaft, Region oder Branche in einer Kennzahl (Indexpunkte) zusammen. Bekannte Indizes sind bei- spielsweise der DAX, Dow Jones und EURO STOXX 50. Der DAX bildet die 30 größten Aktiengesellschaften in Deutschland ab. Steigen die Kurse dieser Ge- sellschaften, steigt der Indexstand des DAX ebenfalls. Die meisten Finanzmarkt- indizes beziehen sich auf Aktien, jedoch können Anleihen, Rohstoffe und andere Anlageklassen ebenso die Basis eines Index sein. Die Kriterien für die Auswahl der im Index enthaltenen Wertpapiere sowie deren Gewichtung innerhalb des Index werden im Vorhinein definiert und sind öffentlich zugänglich, wenn ein In- dex durch einen ETF nachgebildet wird. Da die Zusammensetzung des Index zu jeder Zeit eingesehen werden kann, entsteht ein hoher Grad an Transparenz bezüglich der Zusammensetzung des Wertpapierkorbs, aus dem das ETF- Vermögen besteht.
Zudem sind ETFs börsengehandelte Produkte. Sie können demnach zu jeder Zeit während der Börsenöffnungszeiten gehandelt werden. Dabei kann ein Börsenplatz durch den Anleger ausgewählt werden und die Kauf- oder Verkauforder mit Hilfe der depotführenden Bank an den Börsenplatz weitergereicht und dort abgewickelt werden. Im Gegensatz zu ETFs erfolgt der Handel bei klassischen Investmentfonds einmal täglich. Dabei wird die Kauf- oder Verkaufsorder durch die depotführende Bank an den Emittenten (Investmentgesellschaft) weitergereicht und nicht über die Börse abgewickelt.2
C. Indizes
Indizes haben in Bezug auf ETFs eine zentrale Bedeutung. ETFs verfolgen grundsätzlich das Ziel, einen bestimmten Index bestmöglich nachzubilden. Für die Erstellung eines Index werden bestimmte Wertpapiere in einer Gruppe vereint und anschließend in einer Kennzahl (Indexpunkte) wiedergegeben. Welche An- forderungen die einzelnen Wertpapiere erfüllen müssen, um in den Index aufge- nommen zu werden und wie sie gewichtet werden, variiert je nach Index.3
I. Geschichte und Einführung
Der erste bekannte Index wurde im Jahr 1884 berechnet. Als der Journalist Charles Henry Dow nach New York kam, war bereits eine florierende, aber un- übersichtliche Finanzindustrie rund um die Wall Street entstanden. Trotz der Vielzahl an handelbaren Wertpapieren erkannte Dow, dass die gesamte Markt- stimmung von wenigen Großunternehmen maßgeblich beeinflusst wurde.4 Da- raufhin stellte Dow einen Index zusammen, indem er die Aktienkurse von 9 Ei- senbahngesellschaften und 2 Industrieunternehmen addierte und die Summe durch 11 teilte. Unter der Bezeichnung Dow Jones Average wurde der Index- stand in der Zeitung veröffentlicht und ermöglichte den Lesern damit eine schnel- le Einschätzung des Aktienmarktes. Mittlerweile bezieht sich der Dow Jones In- dex auf 30 US-amerikanische Aktiengesellschaften und ist bis dato stets präsent in den Medien.5
Auch heute werden Indizes, vor allem Länder-, Regionen- und Sektorenindizes, als Markt-, Stimmungs- und Wirtschaftsbarometer interpretiert.6 So repräsentiert der deutsche Aktienindex (DAX) mit 30 Aktiengesellschaften rund 80% des deut- schen Börsenkapitals.7 Ferner erzielen Indexanbieter Erträge durch Lizenzge- bühren, die bei Verwendung des Index, etwa für die Replikation in einem ETF, fällig werden.8 Allein das Angebot des Indexanbieters MSCI umfasst über 160.000 Indizes.9 Ein fundiertes Wissen über die verschiedenen Konstruktions- möglichkeiten von Indizes ist daher unabdingbar, um erfolgreich in ETFs investie- ren zu können.10
II. Aufteilung nach Länder, Regionen und Sektoren
Indizes können in der Regel bestimmten Ländern, Regionen und Sektoren zuge- ordnet werden. In den Medien sind besonders Länderindizes präsent. Bekannte Indizes sind beispielsweise der DAX für Deutschland, S&P 500 und Dow Jones für USA und Nikkei 225 für Japan. Durch internationale Verflechtung und grenz- überschreitende Wirtschaftsräume gewinnen Indizes, die Regionen abbilden, zunehmend an Bedeutung. Als Beispiel für einen regionalen Index kann der Eu- ro-Stoxx 50 für die Eurozone dienen. Spezialisierte Indizes, die Sektoren wie beispielsweise Energie, Industrie, Finanzwesen oder Gesundheitswesen abbil- den, werden Sektorenindizes genannt.11 Im Gegensatz zu Länderindizes, bei denen die Objektivität von Natur aus gegeben ist, können Sektoren individuell definiert werden. Um die Objektivität zu wahren und Indizes untereinander ver- gleichbar zu halten, haben die Finanzdienstleister MSCI und S&P im Jahr 1999 den Global Industrie Classification Standard (GICS) entwickelt. GICS unterschei- det weltweit 10 Sektoren, denen 24 Industriegruppen zugeordnet sind. Den 24 Industriegruppen sind wiederum 67 Industrien untergeordnet, die sich nochmals in 156 Branchen aufgliedern lassen.12 Das Prinzip von GICS soll durch folgende Abbildung veranschaulicht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung C-1: GICS Pyramide, Quelle:msci.com/gics
Als Beispiel wird der Sektor Basiskonsumgüter herangezogen. Dieser Sektor unterteil sich in drei Industriegruppen: Handel von Nahrungsmitteln und Ba- siskonsumgütern, Herstellung von Nahrungsmitteln, Getränken und Tabak und Herstellung von kurzlebenden Haushaltsprodukten wie Waschmittel und Cremes. Die Industriegruppe: Herstellung von Nahrungsmitteln, Getränken und Tabak wird wiederum in drei Industrien eingeteilt: Getränke, Nahrungsmittel und Tabak. Die Getränkeindustrie wird anschließend nach den Branchen: Brauerei, Brenne- rei & Weinbau und nichtalkoholische Getränke kategorisiert.13
Ferner können Indizes, die einen bestimmten Markt repräsentieren, wie bei- spielsweise der S&P 500 Index den US-amerikanischen Aktienmarkt repräsen- tiert, in Sektoren aufgeteilt werden. Anschließend können die Beta Faktoren (β) der einzelnen Sektoren berechnet werden. Bei Beta Faktoren handelt es sich um Gradmesser, die angeben, wie stark die Renditen der einzelnen Sektoren (z.B. Gesundheitswesen) um die Marktrendite (hier: S&P 500) schwanken. Sie können demnach für eine Risikoeinschätzung der einzelnen Sektoren herangezogen werden. Bei einem Beta größer 1 bewegt sich der Sektor in größeren Kurs- schwankungen als der Gesamtmarkt, Beta gleich 1 bedeutet eine identische Schwankung zwischen Gesamtmarkt und Sektor und bei einem Beta kleiner 1 bewegt sich der Sektor in kleineren Schwankungen als der Gesamtmarkt.14
Die 10 GICS-Sektoren werden in folgender Tabelle dargestellt und beinhalten eine kurze Beschreibung sowie Beispiele von Aktiengesellschaften, die den jeweiligen Sektoren zugeordnet werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle C-2: Beschreibung der GICS-Sektoren, Quelle: Übersetzung aus dem Englischen: https://www.msci.com/documents/1296102/1339060/GICS_map2014.xls/c8c13aa8-2f22-44d2- 9881-0b1c9a49b16c (03.05.2015)
III. Strategieindizes
Als Strategieindizes werden jene Indizes bezeichnet, die keinen bestimmten Markt repräsentieren, sondern eher an eine Anlagestrategie erinnern. Die Zu- sammensetzung des Index wird demnach durch die zuvor definierte Indexstrate- gie bestimmt. Diese kann sich beispielsweise auf bestimmte Kennzahlen wie Dividendenrendite, Umsatz, Gewinn, Buchwert oder Exportquote einer Aktienge- sellschaft richten. Ferner können auch Optionspreisstrategien in Indizes abgebil- det werden.15 Der Indexanbieter DAX-Indices betreibt sogar einen Strategieindex, der sich an saisonale Kursmuster wie etwa dem viel zitierten Satz: „Sell in May and go away“ richtet.16
IV. Berechnungsmethodik von Indizes
Indizes werden in der Regel nach klar definierten Kriterien berechnet, die öffentlich zugänglich sind. Folgend werden drei Methoden vorgestellt, welche die Gewichtung der einzelnen Titel festlegen, die im Index enthalten sind.17
1. Gewichtung nach Marktkapitalisierung
Bei der Gewichtung nach Marktkapitalisierung wird die Marktkapitalisierung als Basis für die Gewichtung der Wertpapiere im Index herangezogen. Die Marktka- pitalisierung errechnet sich durch die Anzahl der jeweiligen Wertpapiere im Um- lauf multipliziert mit dem Preis je Wertpapier. Bei Aktienindizes hat die Kursent- wicklung von Unternehmen mit einer höheren Marktkapitalisierung folgerichtig einen höheren Einfluss auf die Kursentwicklung des Index. Geläufige Indizes ziehen häufig den Streubesitz (Free Float) einer Aktie zur Gewichtung des Titels im Index heran. Wobei die Anteile des Aktienkapitals, die sich im Besitz von Großaktionären befinden (Anteil des Aktienkapitals größer als 5%), bei der Ge- wichtung im Index nicht berücksichtigt werden.18 Grund hierfür ist, dass Großak- tionäre ihren Anteil aus strategischer Sicht und unabhängig von Kursschwankun- gen häufig langfristig halten. Demnach resultiert der Börsenumsatz primär aus Aktien, die sich im Streubesitz befinden. Bei einer Gewichtung nach Streubesitz- Marktkapitalisierung spiegelt der Index die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Marktes besser wider.19 Namentlich werden der deutsche Aktienindex (DAX)20 und der Standard & Poors´ 500 Index (S&P 500) nach dieser Methode berech- net.21
Eine Gewichtung nach Marktkapitalisierung findet ebenfalls bei Anleihen statt. Wobei die Marktkapitalisierung bei Anleihen durch die Höhe der ausstehenden Schulden eines Emittenten (Staat oder Unternehmen) definiert werden kann.22 Weil Anleihen in der Regel einer begrenzten Laufzeit unterliegen, muss die Ge- wichtung im Index häufig angepasst werden. Als Beispiel soll der Global Aggre- gate Index von Barclays Capital dienen, der den globalen Anleihenmarkt abbildet und Anleihen enthält, die von den Ratingagenturen Moody`s, S&P oder Fitch mit mindestens Baaa3, BBB- bzw. BBB- bewertet sind. Diese Mindestbewertung ist eine Voraussetzung, damit ein Schuldtitel (Anleihe, Pfandbrief, etc.) als „Invest- ment Grade“ eingestuft werden kann. Investment Grade heißt, dass das Bonitäts- risiko, also das Risiko, dass der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, durch diese Bewertung als gering eingeschätzt wird. Ferner wird dieses Mindestrating zum Teil von Aufsichtsbehörden verwendet, um eine Inves- tition in riskante Wertpapiere durch institutionelle Anleger zu verhindern.23 Der Global Aggregate Index wird zu gut 67% durch Anleihen von Staaten und staats- ähnlichen Institutionen dominiert. Unternehmensanleihen sind mit 17% vertreten. Zu knapp 16% sind Anleihen enthalten, die mit zusätzlichen Sicherheiten (z.B. Grundschuld) hinterlegt sind. Der Index wird monatlich angepasst.24 Der Barclays Euro Corporate Bond Index hingegen bildet den Markt für Anleihen von Unter- nehmen innerhalb der Eurozone ab, die ebenfalls mit „Investment Grade“ bewer- tet sind. Hierbei sind Anleihen von Banken mit knapp 35% am stärksten gewich- tet.25
2. Gewichtung nach Preis
Bei der Preisgewichtung bilden ausschließlich die Preise der jeweiligen Wertpa- piere, die sich im Index befinden, die Basis für deren Gewichtung innerhalb des Index. Je höher der Preis eines Wertpapiers, desto höher sein Gewicht innerhalb des Index.26 Für die Berechnung des Indexstandes werden die Aktienpreise der im Index befindlichen Aktien addiert und anschließend durch die Anzahl der Titel dividiert. Der US-amerikanische Index Dow Jones 30 Industrial und der japani- sche Index Nikkei 225 werden nach dieser Methode berechnet. Hauptkritikpunkt dieser Berechnungsmethode ist die Vernachlässigung der tatsächlichen Unter- nehmensgröße. Es wird nur der Preis der jeweiligen Aktie berücksichtigt, nicht aber die tatsächliche Unternehmensgröße.27
3. Gleiche Gewichtung
Bei einer gleichgewichteten Berechnung werden alle Wertpapiere innerhalb eines Index gleich gewichtet, unabhängig von dem jeweiligen Preis des Wertpapiers oder der Marktkapitalisierung. Im Vergleich zur Gewichtung nach Marktkapitali- sierung erhalten kleinkapitalisierte Unternehmen dadurch ein höheres Gewicht im Index. Die Besonderheit an gleichgewichteten Indizes ist, dass die Replikation durch ein ETF erschwert ist. Das Vermögen des ETFs wird zu Beginn gleichmäßig auf alle Wertpapiere, die im Index enthalten sind, investiert. Bei jeder Kurs- veränderung der einzelnen Titel würde sich das ETF-Vermögen nicht mehr gleichmäßig in alle Wertpapiere verteilen und das Portfolio müsste angepasst werden. Um häufige Transaktionen zu vermeiden, kann beispielsweise definiert werden, dass ein Index zum Ende eines jeden Monats die Indexmitglieder gleichgewichtet. Eine temporäre Abweichung des Gleichgewichts wird dadurch zugelassen.28
4. Zusammenfassendes Beispiel
Folgende Grafik zeigt eine beispielhafte Auswirkung auf die Gewichtung der ein- zelnen Wertpapiere innerhalb des Index, abhängig von der Berechnungsmetho- dik.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung C-3: Vergleich einzelner Gewichtungsmethoden, Quelle: Eigene Darstellung
V. Kurs- und Performanceindizes
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Indexberechnung ist der Umgang mit Dividenden, Zinszahlungen und sonstigen Erträgen, die jene Emittenten an die Anteilseigner leisten. Es wird zwischen Kurs- und Performanceindex unterschieden, die im Weiteren erläutert werden.
1. Kursindex
Bei Kurs- bzw. Preisindizes werden Auszahlungen an Anteilseigner von Wertpa- pieren, beispielsweise in Form von Dividenden bei Aktien oder Zinszahlungen (Coupons) bei Anleihen, nicht in den Indexstand mit eingerechnet. Die Wertent- wicklung des Index ist demnach ausschließlich auf die Kursveränderungen der Wertpapiere zurückzuführen. Als Folge notiert der Index unter sonst gleichblei- benden Bedingungen niedriger, wenn ein Unternehmen Dividenden ausschüttet und folglich der Aktienkurs um den Dividendenbetrag sinkt. Kursindizes bilden oft die Grundlage für ausschüttende ETFs, bei denen Zinszahlungen, Dividenden und sonstige Erträge nicht im ETF für eine Reinvestition verbleiben, sondern dem Anleger direkt zufließen.29
2. Performanceindex
Bei einem Performanceindex (Total Return Index) werden neben Kursverände- rungen auch Erträge berücksichtigt. Dabei wird eine Reinvestition der Auszah- lung unterstellt, die zu 100% in das zugehörige Wertpapier erfolgt. In der Praxis wird regelmäßig eine Steuer auf diese Auszahlungen fällig, die direkt an der Quelle der Auszahlung abgezogen wird (Quellensteuer). Schüttet beispielsweise ein deutsches Unternehmen Dividenden an seine Anteilseigner aus, werden die- se Erträge mit einem Steuersatz von 26,375% belastet und an den deutschen Fiskus entrichtet. Um dieser Steuerproblematik bei der Abbildung von Indizes durch thesaurierende ETFs entgegenzukommen, werden vermehrt Net- Performance-Indizes als Referenzindizes (Benchmarks) herangezogen. Dabei unterstellt der Index keine brutto (engl. gross), also 100%ige Reinvestition der Erträge, sondern kürzt die Reinvestition um den jeweiligen Steuersatz des Wert- papierdomizils oder um einem pauschalen Steuersatz.30 Damit wird ein Gleich- lauf zwischen der Wertentwicklung des Referenzindex und dem thesaurierenden ETF gefördert, da ein ETF ebenfalls Erträge versteuern muss, bevor sie reinves- tiert werden können.
3. Zusammenfassendes Beispiel
Als Beispiel soll der deutsche Aktienindex (DAX) dienen. Dieser Index spiegelt die Kursentwicklung der 30 größten Aktiengesellschaften in Deutschland wie- der.31 In den Medien wird regelmäßig der Punktestand des DAX-Performance- index widergegeben. Eine Berechnung des DAX als Kursindex besteht ebenfalls. In der folgenden Tabelle wird die Wertentwicklung beider Indizes dargestellt. Startzeitpunkt der Datenreihe ist der 31. Dezember 1987 bei einem Indexpunkte- stand von jeweils 1.000 Punkten. Zum 31. April 2015 stand der DAX- Performanceindex bei 11.454,38 Punkten, der DAX-Kursindex bei 5847,84 Punk- ten. Demnach notierte der DAX-Performanceindex um 5.606,54 Punkte oder 95,87% höher als der DAX-Kursindex. Der Unterschied ist primär auf die Wieder- anlage der Dividenden in die jeweiligen Index-Aktien zurückzuführen. Wie der Grafik entnommen werden kann, ist die Differenz der Punktestände bei hohen Kursen größer. Dies ist auf Kursgewinne der reinvestierten Dividenden zurückzu- führen, die bei hohen Kursen deutlicher zur Geltung kommen.32
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung C-4: DAX Kurs vs. Performance; Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus:
http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Zeitreihen_Datenbanken/Makrooekonomis che_Zeitreihen/its_list_node.html?listId=www_s140_mb05
VI. Indexanbieter
Anerkannte Indizes werden meist von unabhängigen Finanzdienstleistern und Banken bereitgestellt. Aktien werden vor allem über die Börse gehandelt. Bei Anleihen wird der Handel zu 80 bis 90 Prozent außerbörslich vollzogen. Unter außerbörslichem Handel (engl. Over The Counter - OTC) fallen jene Finanz- transaktionen, welche direkt zwischen den Händlern und nicht über die Börse geschehen. Der Marktpreis von Anleihen wird deswegen primär durch Banken bestimmt und hat eine höhere Aussagekraft als der Börsenpreis, weil auf die Börse ein geringerer Umsatz entfällt. Deswegen werden Indizes, die sich auf An- leihen beziehen, oft von Banken berechnet. Aber auch unabhängige Anbieter, wie etwa Markit, bieten Anleihenindizes an, wobei die Kursdaten weiterhin von Banken bereitgestellt werden.33
Folgende Tabelle beinhaltet eine Auflistung verschiedener Indexanbieter und den Schwerpunkt der Inhalte ihrer Indizes zum Ende September 2012.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle C-5: Anbieter von Finanzindizes; Quelle: BlackRock Global ETP Landscape (2012)
VII. Zusammenfassung
Soll in einen Index mittels ETF investiert werden, sollte der Index bestimmte Ei- genschaften vorweisen. Hierzu zählen besonders Transparenz, Investierbarkeit, Repräsentativität und Kontinuität. Es sollte klar ersichtlich und verständlich sein, welche Anlageklasse und welchen Markt der Index abbildet, nach welchen Krite- rien die enthaltenen Wertpapiere gewählt werden und wie diese gewichtet wer- den. Darüber hinaus sollte der Index keinen permanenten Änderungen unterlie- gen, um die definierte Anlagestrategie beibehalten zu können.34
D. Exchange Traded Funds
I. Geschichte der ETFs
Den Grundstein des börsengehandelten Indexfonds legte die State Street Global Advisors Group (SSGA) im Jahr 1993. Sie führte den ersten Exchange Traded Fund (ETF) auf den S&P 500 Index ein, der an der American Stock Exchange (AMEX) gehandelt werden konnte.35 Der S&P 500 Index beinhaltet die 500 größ- ten Aktiengesellschaften der USA.36 Zum 30. April 2015 betrug das Nettovermö- gen dieses ETFs etwa 174 Milliarden US-Dollar. Mit einem durchschnittlichen Handelsvolumen der letzten drei Monate von knapp 106 Millionen US-Dollar am Tag zählt es zudem zu den liquidesten Wertpapieren.37 In Europa wurde der ers- te ETF im Jahr 2000 von Merrill Lynch International emittiert. Dieser ETF repli- ziert den europäischen Leitindex Euro Stoxx 50 und konnte zuerst auf der elekt- ronischen Handelsplattform Xetra gehandelt werden. Im Januar 2010 war die Anzahl gelisteter ETFs in Europa (896 ETFs) erstmals höher als in den USA (791 ETFs).38 Zum Mai 2015 waren bereits 3.557 verschiedene ETFs global gelistet, die hauptsächlich Aktien-, Anleihen und Rohstoffindizes abbilden. Das gesamte ETF-Volumen betrug 2.809 Milliarden US-Dollar, wovon 2.083 Milliarden US- Dollar USA und 497 Milliarden US-Dollar Europa zugeordnet werden konnten.39
II. Entstehung und Handel von ETFs
ETFs können zu handelsüblichen Zeiten an der Börse, dem Sekundärmarkt, ge- handelt werden. Um dies zu ermöglichen, durchlaufen ETFs auf dem Primär- markt ein Prozess zur Ausgabe und Rücknahme von ETF-Anteilen, der als Crea- tion/Redemption-Prozess bezeichnet wird. Hierbei werden Barmittel oder Wert- papierkörbe gegen ETF-Anteile getauscht. Dieser Tausch erfolgt zwischen der ETF-Gesellschaft und autorisierten Marktteilnehmern (engl. Authorized Partici- pants, Oberbegriff: Market Maker). Der Creation-Prozess besteht somit aus dem Tausch von Barmitteln des Market Makers gegen ETF-Anteile des ETF- Anbieters. Anstatt Barmittel verlangt der ETF-Anbieter regelmäßig Wertpapiere, die im ETF enthalten sind. In einer Datei (Portfolio Composition File - PCF) defi- niert der ETF-Anbieter die genaue Zusammensetzung des Wertpapierkorbs, den er für den Eintausch gegen ETF-Anteile verlangt. Der Redemption-Prozess ver- läuft genau umgekehrt: Der Market Maker erhält Barmittel bzw. einen Wertpa- pierkorb von dem ETF-Anbieter, der ETF-Anbieter erhält seine ETF-Anteile zu- rück. In der Regel werden ETF-Anteile in Blöcken von 50.000 Einheiten zwischen Market Maker und ETF-Anbieter getauscht. Dabei wird eine klare Trennlinie ge- zogen zwischen Primärmarkt, in dem die Erstausgabe der ETF-Anteile vollzogen wird, und dem Sekundärmarkt, in dem der Handel der ETF-Anteile stattfindet. Der uneingeschränkte Handel der ETF-Anteile an der Börse wird demnach durch den Market Maker gewährleistet. Dieser verpflichtet sich, verbindliche Ankaufs- und Verkaufskurse an der Börse zu stellen und sorgt für genügend Liquidität, um mögliche Transaktionen durchführen zu können.40 Folgende Grafik stellt diesen Prozess bildlich dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung D-1: Creation-/Redemption-Prozess. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Deutsche Bank Research (2008)
Sowohl Investoren als auch ETF-Anbieter können durch den Einsatz von mehre- ren Market Makern profitieren. Denn handeln verschiedene Händler dasselbe Produkt, erhöht sich der Wettbewerb unter ihnen. Dies kann sich beispielsweise in kleineren Spannen zwischen Kaufkursen und Verkaufskursen von ETFs be- merkbar machen, die Market Maker an der Börse stellen. Dadurch verringern sich die Transaktionskosten für mögliche Investoren und lassen das Produkt at- traktiver erscheinen.41
III. Nettoinventarwert (NAV) und indikativer Nettoinventarwert (iNAV)
Der innere Wert eines ETF-Anteils wird durch den Nettoinventarwert - Net Asset Value (NAV) - beschrieben. Dabei werden alle Vermögenswerte des ETFs ad- diert, Verbindlichkeiten subtrahiert und das Ergebnis durch die im Umlauf befind- lichen ETF-Anteile dividiert. Beträgt das Nettovermögen eines ETFs (Vermö- genswerte - Verbindlichkeiten) beispielsweise 1.000.000 Euro und wurden 100.000 ETF-Anteile herausgegeben, beträgt der NAV eines ETF-Anteils 10 Eu- ro. Der NAV wird einmal täglich von der depotführenden Bank der Fondsgesell- schaft berechnet. Die Berechnung findet sowohl bei ETFs als auch bei klassi- schen Investmentfonds statt.42
Im Gegensatz zu klassischen Investmentfonds werden bei ETFs auch indikative Nettoinventarwerte (iNAVs) ermittelt. Hierbei werden die einzelnen Komponenten des ETFs in der Regel jede 15 Sekunden von der Börse und den Market Makern berechnet. Für die Berechnung des iNavs werden die aktuellen Marktpreise der einzelnen Bestandteile des ETFs herangezogen. Sind in dem ETF auch auslän- dische Titel enthalten, werden Kursdaten der Heimatbörse dieser Titel herange- zogen. Ist die ausländische Börse zu dieser Zeit geschlossen, erfolgt die Preis- findung beispielsweise über Futures oder Korrelationsmodelle. Erst durch die Berechnung des iNAVs kann ein durchgehender Handel nahe oder zum tatsäch- lichen NAV des ETFs erfolgen.43 Entfernt sich der Preis für einen ETF-Anteil von seinem NAV, sorgen Arbitragehändler für eine Korrektur. Denn liegt der Preis des ETFs beispielsweise über seinem NAV, bedeutet das, dass der ETF teurer ist als die Summe seiner Vermögenswerte. Demnach kann ein risikoloser Gewinn ver- einnahmt werden, wenn alle Bestandteile des ETFs (inkl. Transaktionskosten) einzeln erworben und gegen ETF-Anteile eingetauscht werden. Liegt der Preis des ETFs unter seinem NAV, kann ebenfalls ein risikoloser Gewinn erzielt wer- den. In diesem Fall lohnt es sich, den ETF zu erwerben und die Bestandteile ein- zeln zu veräußern. Weil Chancen auf risikolose Gewinne direkt genutzt werden und sie deswegen nur für kurze Zeit auftreten, sorgt dieser Mechanismus für einen iNAV, der oft sehr nahe am tatsächlichen NAV des ETFs liegt.44
IV. Replikationsmethoden
Die Nachbildung eines Index in einem ETF erfordert die Überwindung einiger Hürden. Dividendenausschüttungen, Transaktionskosten, Indexanpassungen, Liquidität (Handelbarkeit) der zugrunde liegenden Basiswerte sowie weitere Fak- toren können bei der theoretischen Zusammensetzung in einem Index leicht um- gesetzt werden, erschweren jedoch die tatsächliche Umsetzung in einem ETF. Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal einzelner ETFs ist die Art der Nachbil- dung des jeweiligen Index.45 Grundsätzlich kann zwischen physischer und syn- thetischer Replikation unterschieden werden. Beide Replikationsmethoden wer- den im Folgenden näher erläutert.
1. Physische Replikation
Bei der physischen Replikation wird das Fondsvermögen des ETFs in Wertpapie- re investiert, die dem Index zugrunde liegen. Entspricht die Zusammensetzung der Wertpapiere im ETF exakt der Indexzusammensetzung, handelt es sich um eine volle Replikation. Die volle Replikation hat den Vorteil, dass der Index sehr genau abgebildet wird. Zudem entsteht ein hoher Grad an Transparenz bei den Investoren, da die Zusammensetzung der Wertpapiere in dem Vermögen des ETFs stets dem Index entnommen werden kann. Erschwert wird diese Abbil- dungsmethode, wenn der zu replizierende Index eine Vielzahl an verschiedenen Wertpapieren enthält oder dem Index gar Wertpapiere zugrunde liegen, die nur schwer zugänglich sind. In diesen Fällen erhöhen sich die Transaktionskosten für die Beschaffung und Veräußerung der Wertpapiere. Um derartige Indizes kos- tengünstiger abzubilden, wird teilweise auf eine repräsentative Stichprobe zu- rückgegriffen. Hierbei wird das zu investierende Kapital des ETFs in ausgewählte Basiswerte des Index investiert. Titel mit geringer Gewichtung im Index oder er- schwerter Handelbarkeit fallen weg.46 Beispielsweise enthält der MSCI World Index zum 31. März 2015 insgesamt 1.633 verschiedene Titel aus 23 Ländern.47 Einige Titel in diesem Index haben eine geringere Gewichtung als 0,001% und haben deswegen kaum einen Einfluss auf die Wertentwicklung des Index. Um dennoch eine möglichst kleinbleibende Differenz zwischen der Wertentwicklung des ETFs in Bezug auf die Wertentwicklung des Index zu erzielen, werden be- stimmte Charakteristika beibehalten wie z.B. die Gewichtung aller Wertpapiere innerhalb des Index, die einzelnen Ländern oder Sektoren zugeordnet werden können. Die optimierte Stichprobe hingegen basiert auf mathematischen Modellen. Titel mit geringer Gewichtung im Index und erschwerter Handelbarkeit werden ebenfalls vernachlässigt. Stattdessen wird das dafür nicht investierte Vermögen beispielsweise auf Wertpapiere verteilt, die eine starke Korrelation im Zusammenhang mit den aussortierten Titeln haben.48
2. Synthetische Replikation
Die synthetische Replikation eines Index durch einen ETF wird mit Hilfe von Swaps umgesetzt. Allgemein sind Swaps Tauschvereinbarungen über zukünftige Zahlungsströme, die von mindestens zwei Vertragsparteien geschlossen werden. Ein ETF als Vertragspartei verpflichtet demnach die Gegenpartei das ETFVermögen in Höhe der Rendite des Index, den der ETF abbildet, zu verzinsen. Im Gegenzug erhält die Gegenpartei die Rendite der Wertpapiere, in denen das ETF-Vermögen investiert ist. Die Swap-Vertragspartei des ETFs ist in Europa oft die hauseigene Bank des ETFs. In der Praxis bestehen zwei Hauptvarianten bei der synthetischen Replikation von ETFs durch Swaps, das Modell des fully funded Swaps und das Modell des unfunded Swaps.49
Bei dem Modell des fully funded Swaps wird das Vermögen des ETFs an die Swap-Vertragspartei übertragen. Das im ETF befindliche Vermögen besteht demnach zu 100% aus einem Swap-Vertrag. Die Swap-Vertragspartei hinterlegt jedoch für das übertragene Vermögen Sicherheiten (Collateral) bei einer unab- hängigen Depotbank, um eine Rückzahlung des Betrags an den ETF, auch im Falle einer Insolvenz der Swap-Vertragspartei, zu gewährleisten. Gemäß OGAW- Richtline werden rechtlich gewisse Voraussetzungen an die hinterlegten Sicher- heiten gestellt. Neben Bonität, Liquidität und Diversifikation der Wertpapiere darf das Kontrahentenrisiko, in diesem Fall das Risiko, dass die Swap-Vertragspartei ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, nicht mehr als 10% des Netto- inventarwertes des ETFs betragen. Die Sicherheiten betragen somit mindestens 90% des ETF-Vermögens. Tatsächlich liegt das Kontrahentenrisiko selten nahe bei 10%. So verlangt etwa der ETF-Anbieter ComStage (Commerzbank) 105% an hinterlegten Sicherheiten in Bezug auf den Nettoinventarwert des ETFs. Für synthetische db X-trackers ETFs (Deutsche Bank) werden Abschläge („Haircuts“) für die hinterlegten Sicherheiten in Höhe von 7,5% bis 20% für Aktien und 10% für Unternehmensanleihen in Bezug auf den aktuellen Marktwert der Wertpapiere berechnet. Bei einem Abschlag von 20% hätte die hinterlegte Sicherheit dem- nach einen Marktwert von 125% in Bezug auf den Swap. ETFlab Investment GmbH, eine Tochter der DekaBank, fordert eine Hinterlegung von Sicherheiten in Höhe von 130% des Swap-Volumens.50
Bei dem Modell des unfunded Swaps verbleibt das Vermögen im ETF und wird in Wertpapiere investiert, die in der Regel nicht den Wertpapieren des Index ent- sprechen, den der ETF abbildet. Zusätzlich wird mit einer Partei ein Swap- Vertrag geschlossen. Im Zuge des Swap-Vertrags wird die Wertentwicklung der Wertpapiere im Bestand des ETFs gegen die Wertentwicklung des Index ge- tauscht.51 Die genaue Zusammensetzung des Portfolios wird von vielen Anbie- tern auf deren Internetseite veröffentlicht. Auch bei einem unfunded Swap darf das Kontrahentenrisiko gemäß OGAW-Richtline nicht mehr als 10% des ETF- Vermögens betragen. Durch einen häufigen Austausch der Renditen und dem damit einhergehenden Ausgleich der gegenseitigen Zahlungsansprüche wird die Grenze von 10% in der Regel nicht ausgeschöpft. Daneben werden von einigen Anbietern auch mehrere Swap-Partner als Gegenpartei, auch für einzelne ETFs, eingesetzt. Dadurch wird das Ausfallrisiko auf mehrere Vertragsparteien verteilt und schränkt demnach das Risiko zusätzlich ein.52
Folgendes grafisches Beispiel verdeutlicht die Funktionsweise und das Kontra- hentenrisiko eines unfunded Swap-ETFs. Dabei wird ein ETF-Volumen von 100 Euro unterstellt. Das Vermögen des ETFs ist in Aktien und Anleihen aus Europa investiert und beinhaltet zusätzlich einen Swap-Vertrag, der mit einer Gegenpar- tei geschlossen wurde. Der Swap-Vertrag beinhaltet die Zahlung der DAX- Rendite durch die Gegenpartei, die im Gegenzug einen Zahlungsanspruch auf die Wertentwicklung des ETF-Portfolios hat. In diesem Beispiel steigt das ETF- Portfolio am Folgetag um 5%. In der gleichen Zeit steigt der Kurs des DAX um 10%. Daraus resultiert, dass der DAX-ETF nun einen Zahlungsanspruch aus der Renditedifferenz hat. In diesem Fall (10% - 5%) x 100 Euro = 5 Euro. Solange die Gegenpartei ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, besteht ein Kontrahentenri- siko. In diesem Fall beläuft es sich auf 5 Euro bzw. 4,76% in Bezug auf das jetzi- ge Portfoliovolumen des ETFs in Höhe von 105 Euro.
[...]
1 Vgl. Picard, Exchange Traded Funds (ETF), S. 2
2 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 5
3 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 107
4 Vgl. WDR (2014), http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag8456.html (06.05.2015)
5 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 107
6 Vgl. Picard, Exchange Traded Funds (ETF), S. 32
7 Vgl. Deutsche Börse, Market Data & Analytics (2009), S.3
8 Vgl. Götte, Exchange Traded Funds (ETFs), S. 53
9 Vgl. MSCI (2015), https://www.msci.com/indexes (10.05.2015)
10 Vgl. Götte, Exchange Traded Funds (ETFs), S. 53
11 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 116
12 Vgl. MSCI (2015), https://www.msci.com/gics (08.06.2015)
13 Vgl. MSCI (2015), https://www.msci.com/documents/1296102/1339060/GICS_map2014.xls/c8c13aa8-2f22-44d2- 9881-0b1c9a49b16c (08.06.2015)
14 Vgl. Schönenberger (2012), http://www.finanz-seiten.com/finanz-lexikon/42-beta-betafaktor (08.06.2015)
15 Vgl. Thiery, Die Anlage in ETF-Fonds - Entscheidungs- und Kategorisierungskriterien, S. 14
16 Vgl. Deutsche Börse (2015), http://www.dax-indices.com/DE/index.aspx?pageID=32, (07.05.2015)
17 Vgl. Picard, Exchange Traded Funds (ETF), S. 34
18 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 111
19 Vgl. Held (2015), http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/5114/freefloat-v8.html (24.05.2015)
20 Vgl. Deutsche Börse (2015), http://www.dax-
indices.com/DE/MediaLibrary/Document/Factsheet_DAX.pdf (08.06.2015)
21 Vgl. McGraw Hill Financial (2015), http://us.spindices.com/indices/equity/sp-completion-index-ci (24.05.2015)
22 Vgl. Johnson (2011), http://www.morningstar.de/de/news/42781/Die-Probleme-mit- Anleihenindizes.aspx (24.05.2015)
23 Vgl. Alisch, Gabler Wirtschaftslexikon, S. 631
24 Vgl. Baclays Bank, Global Aggregate Index (2014), S. 1-2
25 Vgl. iShares (2015), http://www.ishares.com/de/qualifizierte-
investoren/de/produkte/251726/ishares-euro-corporate-bond-ucits-etf (29.05.2015)
26 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 111
27 Vgl. Picard, Exchange Traded Funds (ETF), S. 34
28 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 111
29 Vgl. Thiery, Die Anlage in ETF-Fonds - Entscheidungs- und Kategorisierungskriterien, S. 14
30 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 113
31 Vgl. Deutsche Börse, Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse AG (2014), S. 23
32 Vgl. boerse.de (2015), http://www.boerse.de/dividenden/Dax-Performance-Index-gegen-Kurs- Index/ (24.05.2015)
33 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 175
34 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 108
35 Vgl. SSGA (2015), https://www.ssga.com/global/en/about-us/who-we-are/history-innovation.html (09.04.2015)
36 Vgl. Wong, S&P Dow Jones Indicies, S&P 500 Equity Indices (2013), S.1
37 Vgl. Yahoo (2015), https://de.finance.yahoo.com/q?s=SPY (09.04.2015)
38 Vgl. Börse Frankfurt (2015), http://www.boerse-
frankfurt.de/de/nachrichten/boerse+frankfurt+news/fakten+10+jahre+etf+handel+in+europa+8273 (09.04.2015)
39 Vgl. Rajendra, ETF Research - European Weekly ETF Market Review (20.05.2015), S. 3
40 Vgl. Deutsche Bank Research, Exchange Traded Funds - Hohes Wachstumspotenzial dank innovativer ETF-Strukturen (2008) S. 8
41 Vgl. iShares, Multi-Dealer Model The iShares advantage (2008), S. 1
42 Vgl. Picard, Exchange Traded Funds (ETF), S. 62
43 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 21
44 Vgl. Rose (2012), http://www.morningstar.de/de/news/57239/was-kostet-die-etf-welt.aspx (12.05.2015)
45 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 26
46 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 26
47 Vgl. MSCI, MSCI World Index Factsheet (2015), S.1
48 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 27
49 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 27-28
50 Vgl Johnson, Synthetic ETFs Under the Microscope A Global Study (2012), S. 22
51 Vgl. Niedermayer, Exchange Traded Funds und Anlagestrategien, S. 28
52 Vgl. Johnson, Synthetic ETFs Under the Microscope A Global Study (2012), S. 8
- Arbeit zitieren
- Viktor Seel (Autor:in), 2015, Exchange Traded Funds (ETFs). Ein unverzichtbares Element im klassischen Assetmanagement?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302569
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