,,Ich sehe nicht ein, warum wir uns immer um die Männer oder gar um ihre Seeschlachten kümmern sollten, die Geschichte der Frauen ist meist viel interessanter.''
Dies hat Theodor Fontane bereits im Jahr 1891 festgestellt. Mittlerweile wird die Lebensweise und das Handeln von Frauen in der Vergangenheit immer mehr erforscht und thematisiert. Leider hört man immer wieder Leute sagen ,,Frauen? Ach, die hatten damals alle nichts zu sagen'', ohne auch nur im Entferntesten zu wissen, wovon sie reden. Doch das kann so nicht stehen gelassen werden, denn schließlich waren es nicht
nur die Männer, sondern ebenso die Frauen, die unsere Geschichte geprägt haben. Daher sollten wir uns viel mehr mit Geschichten einzelner Frauen und Frauenbewegungen beschäftigen und diese nicht einfach leichtfertig abtun.
In meiner Facharbeit habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, in Form einer Analyse festzustellen, ob die römische Ehefrau Sempronia, die der Nachwelt durch den Geschichtsschreiber Sallust bekannt ist, der sie in seinem Werk ,,De coniuratione
Catilinae'' in einem Exkurs erwähnt, möglicherweise bereits eine Vorreiterin dieser Emanzipationsbewegung gewesen ist. Dazu werde ich zunächst ihre Darstellung bei Sallust im Hinblick auf den historischen Kontext inklusive Hintergrundinformationen zu Sallust sowie Inhalt, Struktur, Wortwahl, Ton und Stilistik des Exkurses analysieren, um anschließend seine Intention zu untersuchen und ein
zusammenfassendes Fazit zu formulieren.
Es folgt ein Vergleich der Sempronia mit dem Idealbild einer römischen Matrona (Ehefrau) und im Anschluss daran ein
Gegenwartsbezug. Schließlich werde ich ein abschließendes Fazit formulieren und eine Antwort auf die Leitfrage geben, ob es sich bei Sempronia um eine Vorreiterin der Emanzipation gehandelt hat.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Analyse des Exkurses über Sempronia
2.1. Hintergrundinformationen und Einordnung in den Kontext
2.2. Feinanalyse
2.2.1. Inhalt
2.2.2. Struktur
2.2.3. Wortwahl, Ton und Stilistik
2.2.4. Intention
2.2.5. Fazit: Darstellung der Sempronia bei Sallust
2.3. Vergleich mit dem Idealbild einer römischen Matrona
2.4. Gegenwartsbezug
3. Schlussbemerkungen
4. Literaturverzeichnis
5. Anhang
1. Einleitung
,,Ich sehe nicht ein, warum wir uns immer um die Männer oder gar um ihre Seeschlachten kümmern sollten, die Geschichte der Frauen ist meist viel interessanter.''1 Dies hat Theodor Fontane bereits im Jahr 1891 festgestellt. Mittlerweile wird die Lebensweise und das Handeln von Frauen in der Vergangenheit immer mehr erforscht und thematisiert. Leider hört man immer wieder Leute sagen ,,Frauen? Ach, die hatten damals alle nichts zu sagen'', ohne auch nur im Entferntesten zu wissen, wovon sie reden. Doch das kann so nicht stehen gelassen werden, denn schließlich waren es nicht nur die Männer, sondern ebenso die Frauen, die unsere Geschichte geprägt haben. Daher sollten wir uns viel mehr mit Geschichten einzelner Frauen und Frauenbewegungen beschäftigen und diese nicht einfach leichtfertig abtun.
Das Wort emancipatio (emancipationis f.) kommt aus dem Lateinischen und bedeutet auf deutsch übersetzt die Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt, beziehungsweise die Freilassung.2 Heutzutage assoziiert man den Begriff der Emanzipation meistens mit Frauenbewegungen. Dabei sollte beachtet werden, dass es sich eher um eine Art Selbstbefreiung der Frauen handelte, die sehr um ihre politischen und gesellschaftlichen Rechte kämpfen mussten.3 Es fanden eine Vielzahl von Emanzipationsbewegungen der Frauen statt, denn in organisierten Gruppen konnte durch gemeinsames Handeln Macht gewonnen werden. Die Forderungen dieser Frauenbewegungen waren die individuelle Selbstbestimmung, Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Ihre Kritik galt den geschlechtlichen Leitbildern und Normen und es wurde gegen Vorurteile und Unverständnis angekämpft.4 Besonders erfolgreich waren die Frauenbewegungen seit 1860, durch das Erreichen von weltweiten ,,Umbrüchen in Beziehungen, Beruf, Bildung, Politik und Kultur''5.
In meiner Facharbeit habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, in Form einer Analyse festzustellen, ob die römische Ehefrau Sempronia, die der Nachwelt durch den Geschichtsschreiber Sallust bekannt ist, der sie in seinem Werk ,,De coniuratione Catilinae'' in einem Exkurs (c.25) erwähnt, möglicherweise bereits eine Vorreiterin dieser Emanzipationsbewegung gewesen ist. Dazu werde ich zunächst ihre Darstellung bei Sallust im Hinblick auf den historischen Kontext inklusive Hintergrundinformationen zu Sallust sowie Inhalt, Struktur, Wortwahl, Ton und Stilistik des Exkurses analysieren, um anschließend seine Intention zu untersuchen und ein zusammenfassendes Fazit zu formulieren. Es folgt ein Vergleich der Sempronia mit dem Idealbild einer römischen Matrona (Ehefrau) und im Anschluss daran ein Gegenwartsbezug. Schließlich werde ich ein abschließendes Fazit formulieren und eine Antwort auf die Leitfrage geben, ob es sich bei Sempronia um eine Vorreiterin der Emanzipation gehandelt hat.
2. Analyse des Exkurses über Sempronia
2.1. Hintergrundinformationen und Einordnung in den Kontext
Die Frauenfigur der Sempronia ist allein durch den Historiker Sallust bekannt, welcher ihr in seinem Werk ,,De coniuratione Catilinae" einen Exkurs (c.25) widmet.
Gaius Sallustius Crispus wurde 68 v. Chr. in Amiternum im Sabinerland geboren und starb 35 v. Chr. in Rom.6 Im Zuge seiner politischen Laufbahn hatte er die Ämter als römischer Senator, Volkstribun, Prätor sowie Provinzstatthalter inne.7 Bereits 50 v. Chr. wurde er aufgrund seines unmoralischen Lebenswandels aus dem Senat ausgeschlossen, jedoch wird oftmals behauptet, der eigentliche Grund wäre seine Anhängerschaft zu Caesar gewesen. Außerdem wurde er beinahe wegen angeblicher Bereicherung an Steuergeldern in der Provinz Africa, die er 46-45 v. Chr. verwaltete, angeklagt, was jedoch durch Caesar verhindert wurde. Durch dieses Amt war Sallust zu großem Reichtum gekommen. Nachdem Caesar ermordet worden war, zog sich Sallust 44 v. Chr. aus der Politik zurück.8
Daraufhin widmete sich Sallust dem Schreiben von zwei Monographien (,,De coniuratione Catilinae'' und ,,De bello Iugurthino'') und einem unvollendeten Geschichtswerk (,,Historiae'').9 Zu seiner Person ist zu bemerken, dass er ein skandalöses Privatleben, geprägt von Luxus und Leichtfertigkeit, geführt haben soll.10 Sallust lebte zu Zeiten der letzten Epoche der römischen Republik, welche sich nach dem Ende der Punischen Kriege (264-146 v. Chr.) und der Zerstörung Karthagos einstellte und aufgrund von Dekadenz und Sittenverfall als ,,stürmisch, verdorben und ohne Moral''11 bezeichnet wird.
Sein 42 v. Chr. verfasstes Werk ,,De coniuratione Catilinae'' thematisiert die Catilinarische Verschwörung und ist eine historische Monographie, da das Thema auf die Verschwörung begrenzt ist, die es genau und detailliert beschreibt. Nach dem einleitenden Prooemium erfolgt die Vorstellung Catilinas und seines Charakters, ein Exkurs über die Entwicklung Roms sowie Informationen zu Catilina und seinen Anhängern. Die anschließende Ereignisschilderung eines Treffens von Anhängern, welche Catilina dabei unterstützen wollen, das Amt des Konsuls zu erlangen, stellt den Beginn der Verschwörung dar. Am Ende dieser Schilderung und somit direkt nach den Informationen zu der Geliebten eines Mitverschwörers (Fulvia), welche Catilina und seine Anhänger verrät, steht der Exkurs zu Sempronia, welche ebenfalls zu Catilinas Anhängern gehört. Daraufhin folgt die Beschreibung der eigentlichen Verschwörung im Jahre 63 v. Chr., in der Catilina plant, Cicero durch ein Attentat zu beseitigen, worauf Cicero mit der Aufdeckung dieser Pläne, der Beantragung eines Notstandsbeschlusses sowie einer Rede gegen Catilina im Senat reagiert. Dies hat zur Folge, dass Catilina aus Rom flieht und zum Staatsfeind erklärt wird. Es folgt ein Parteienexkurs über die gegenwärtigen Zustände in Rom sowie ein Abschnitt darüber, wie der gallische Stamm der Allobroger die Teilnahme am Aufstand der Catilinarier ablehnt und statt dessen Cicero informiert. Des Weiteren kommt es zu einer Senatsdebatte, welche mit dem Beschluss der Hinrichtung der Gefangenen endet. Zuletzt wird über das Ende der Verschwörung in der Entscheidungsschlacht bei Pistorium berichtet.12
Es lässt sich somit feststellen, dass die Charakterisierung der Sempronia an einem wesentlichen Wendepunkt des Werkes steht, nämlich nach den Vorbereitungen und vor dem Beginn der Handlung.13
2.2. Feinanalyse
2.2.1. Inhalt
Originaltext aus Sallusts ,,De coniuratione Catilinae'' (c.25) Exkurs über Sempronia:
25 1 Sed in iis erat Sempronia, quae multa saepe virilis audaciae facinora conmiserat. 2 Haec mulier genere atque forma, praeterea viro atque liberis satis fortunata fuit; litteris Graecis et Latinis docta, psallere et saltare elegantius quam necesse est probae, multa alia, quae instrumenta luxuriae sunt. 3 Sed ei cariora semper omnia quam decus atque pudicitia fuit; pecuniae an famae minus parceret, haud facile discerneres; lubido sic accensa, ut saepius peteret viros quam peteretur. 4 Sed ea saepe antehac fidem prodiderat, creditum abiuraverat, caedis conscia fuerat; luxuria atque inopia praeceps abierat. Verum ingenium eius haud absurdum: posse versus facere, iocum movere, sermone uti vel modesto vel molli vel procaci; prorsus multae facetiae multusque lepos inerat.14
Meine Übersetzung:
Unter ihnen aber befand sich Sempronia, die oft viele Untaten von männlicher Kühnheit begangen hatte. Diese Frau war in Abstammung und auch Schönheit, außerdem mit dem Mann und den Kindern ziemlich vom Glück begünstigt; war in griechischer und lateinischer Literatur unterrichtet, konnte Zither spielen und geschickter tanzen, als es für eine anständige Frau notwendig ist, besaß noch vieles andere, was Mittel des Luxus sind. Aber ihr war immer alles wertvoller als ihre Anständigkeit und ihre Keuschheit; ob sie ihr Vermögen oder ihren Ruf weniger verschonte, hätte man nicht leicht entscheiden können; ihre Sinnlichkeit war so entzündet, dass sie öfter Männer aufsuchte, als dass sie aufgesucht wurde. Aber zuvor hatte sie oft ihr Wort gebrochen, Schulden abgeschworen und von Mord gewusst; durch Verschwendung und Mittellosigkeit war sie in große Gefahr geraten. Aber ihre Begabungen waren nicht verkehrt: Sie konnte Verse machen, scherzen, zeigte sich im Gespräch entweder bescheiden, oder sanft, oder frech; kurz: sie besaß viel Witz und Anmut.
2.2.2. Struktur
Sempronias Charakterisierung beginnt mit einer Beschreibung ihrer Übernahme männlicher Handlungsweisen (25,1). Daraufhin folgt die Aufzählung ihrer positiven Elemente, darunter ihre gute Abstammung, ihre Schönheit sowie ihre Bildung und Intelligenz. Noch im selben Satz wird ihr Übermaß an diesen positiven Eigenschaften sowie ihr Besitz von Luxusgütern erläutert, wodurch Sempronias Verdorbenheit betont wird (25,2). Als eine Art Leitgedanke folgt die Aussage, dass für Sempronia stets alles andere wertvoller war als ihre Anständigkeit und ihre Keuschheit. Das stellt somit eine allgemeine Begründung für ihr Handeln und ihre Lebensweise dar. In diesem Satz wird ihr moralischer Tiefpunkt geschildert, indem beschrieben wird, wie sie ihre Anständigkeit und ihre Keuschheit verletzt. An dieser Stelle liegt außerdem der ,,Höhepunkt des sexuellen Vorwurfs''15 an Sempronia (25,3). Inhalt des folgenden Satzes ist Sempronias Verschwendungssucht hinsichtlich finanzieller Mittel sowie ihre Vertrauensunwürdigkeit, was ihre Mittellosigkeit und ein gefährliches Leben zur Folge hat. Sallust beendet seine Charakterisierung durch das Loben ihrer positiven Eigenschaften, indem er zusammenfassend Sempronias Witz und ihre Anmut ausdrücklich hervorhebt (25,4).
Folglich lässt sich feststellen, dass eine Kreisstruktur vorliegt, da Sempronias Verdorbenheit, eingerahmt durch die Beschreibung ihrer positiven Eigenschaften, das Mittelstück der Charakterisierung ist.16
2.2.3. Wortwahl, Ton und Stilistik
In dem einleitenden Hauptsatz ,,Sed in iis erat Sempronia" (Z.1)17 wird die Außerordentlichkeit beziehungsweise Besonderheit Sempronias unter den Mitverschwörern durch die Verwendung des direkt am Satzanfang stehenden ,,Sed'' (Z.1) betont. Es folgt ein durch das Relativpronomen ,,quae'' (Z.1) eingeleiteter Nebensatz. Zwischen diesem Relativsatz sowie dem Beginn des folgenden Satzes mit ,,haec mulier ..." (Z.2) liegt der Gegensatz und eine daraus resultierende Spannung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht vor. ,,Virilis audaciae facinora" (Z.1) verdeutlicht, wie sich die Handlungsfelder der Männer und Frauen im Extremfall berühren können, was schnell zu einer allgemeinen Unordnung führen kann.18 Denn eine Eigenschaft von römischen Männern war das Anstreben der Politik und das Verlangen danach, an die Öffentlichkeit zu gelangen. Frauen dagegen wären im Haus besser aufgehoben, da sie als das leichtsinnigere, schwächere und triebhaftere Geschlecht galten. Wenn diese bestehende Grenze zwischen den Geschlechtern durch den Besitz von Eigenschaften des anderen Geschlechts überschritten wurde, konnte es zu ,,Verhöhnung, Ausgrenzung, Demütigung, Verleumdung und Herabsetzung''19 kommen. Unterstützt wurde dieser Aspekt durch die Tatsache, dass zur Zeit der späten römischen Republik ,,die Möglichkeit des Dämonischen, Genialischen, Interessanten von und an der Frau''20 entdeckt wurde.
[...]
1 Fontane, Theodor, S. 2
2 Vgl. Fromm, Adolf W./ Gregor Vetter, S. 296
3 Als Beginn dieser Frauenbewegung wird die französische Revolution von 1789 gesehen, deren Leitgedanken ,,Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit'' waren. Auch viele Frauen vertraten diese Ansichten und beteiligten sich somit an revolutionären Maßnahmen. Mit der Zeit wurde immer mehr Kritik an dem bestehenden Idealbild der Geschlechterrollen geäußert. Denn nach diesem Rollenverständnis waren die Eigenschaften der Frau die Tugend, die Sittsamkeit und der Fleiß. Des Weiteren war der Arbeits- und Aufenthaltsort der Frau das Haus, wo sie als Ehefrau und Mutter zu fungieren hatte, während sich der Ehemann in der Öffentlichkeit aufhielt. (Vgl. Vahsen, Mechthilde, S.1- 2) Die Frau wurde als ,,emotional, abhängig und beziehungsorientiert'' (Lenz, Ilse, S.20) angesehen.
4 Vgl. Lenz, Ilse, S. 19-21
5 Lenz, Ilse/ Mae, Michiko/ Klose, Karin, S. 7
6 Vgl. Büchner, Karl, S.14,19
7 Vgl. Syme, Ronald, S. 1-2
8 Vgl. Gert, Susanne/ Kuhlmann, Peter, S.9
9 Vgl. Syme, Ronald, S. 1-2
10 Vgl. McGushin, Peter, S. 21
11 Syme, Ronald, S. 16
12 Vgl. Gert, Susanne/ Kuhlmann, Peter, S.10
13 Vgl. Vretska, Karl, S. 22
14 Sallustius Crispus, Gaius
15 Vretska, Karl, S. 352
16 Vgl. McGushin, Peter, S. 163
17 Die Zeilenangaben hinter den lateinischen Worten beziehen sich in diesem Abschnitt ,,2.2.3. Wortwahl, Ton und Stilistik'' auf den Text über Sempronia, der sich auf Seite 5 der Facharbeit unter dem Analysepunkt ,,2.2.1. Inhalt'' befindet.
18 Vgl. Vretska, Karl, S. 348
19 Peterson, Christa Maria, S. 5-6
20 Vretska, Karl, S. 348
- Quote paper
- Lara Isabel Hollmann (Author), 2015, Das Frauenbild der Römer. Sempronia als Vorreiterin der Emanzipation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302324
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