Die vorliegende Masterarbeit `International Leadership am Beispiel von Medizintechnikunternehmen mit internationaler Vertriebsorganisation´ betrachtet die Führungsaufgabe international tätiger Manager unter dem Blickwinkel zunehmender Globalisierung. Sie untersucht, welche Führungsfertigkeiten erforderlich sind, um mögliche Synergien auszuschöpfen, die in der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene und in multikulturellen Teams liegen. Dazu werden die theoretischen Grundlagen und maßgeblichen Forschungsergebnisse zu International Leadership und Intercultural Management analysiert. Danach erfolgt eine kritische Betrachtung der Herausforderungen, denen Führungskräfte bei der Führung von international organisierten, virtuellen Teams gegenüberstehen. Die Zielsetzung der Arbeit ist es, einen Überblick über den Stand der Forschung zum Thema International Leadership zu erlangen und eine angemessene Auswahl an Führungskonzepten zu konkretisieren. Hieraus werden die im anschließenden empirischen Bestandteil der Thesis zu überprüfende Forschungsfragen und Hypothesen abgeleitet. Der empirische Teil der Arbeit konzentriert sich auf die Analyse bestehender und Erforschung zukünftig geeigneter Vorgehensweisen für International Leadership und fokussiert dabei auf die Führung von dezentral aufgebauten Vertriebsorganisationen im Branchensegment Medizintechnik. Hierzu wird eine Stichprobe von im Personalwesen tätigen Mitarbeiter und Führungskräfte in diesem Segment zu International-Leadership-Konzepten in ihren Unternehmen befragt. Es wird im Besonderen untersucht, wie die Unternehmen ihre Führungskräfte und Mitarbeiter auf die internationale Zusammenarbeit vorbereiten und die Interaktion, auch über geografische Grenzen, unterschiedliche Zeitzonen, verschiedene Kulturen und differierende Organisationsformen hinweg, unterstützen. Dabei werden sowohl die Auswirkungen von Internationalität im Zusammenspiel von Führungskräften und Mitarbeitern, als auch begleitende Maßnahmen wie interkulturelle Seminare, Team-Workshops, Mentoren-Programme etc. begutachtet. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse im Rahmen eines Fazits mit Empfehlungen für das International Leadership zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
Executive Summery
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anmerkung zu geschlechterspezifischen Formulierungen
Zitat zur Einführung
1 Einleitung
1.1 Hintergrund und Forschungsthema
1.2 Motivation für die Wahl des Themas
1.3 Zielsetzung der Masterarbeit
1.4 Vorgehensweise
2 Globalisierung und ihre Auswirkungen
2.1 Herausforderungen bei der Führung international organisierter Teams
2.2 Interkulturelle Führungs- und Managementforschung
3 Theoretischer Forschungsansatz 9
3.1 Literaturauswahl und Auswertung
3.2 Stand der Forschung zu International Leadership
3.2.1 Die Forschungserkenntnisse von Edward T. Hall
3.2.2 Die Forschungserkenntnisse von Geert Hofstede
3.2.3 Die GLOBE-Studie von Robert J. House
4 International Leadership im Vertrieb
4.1 Die Überbrückung kultureller Unterschiede
4.2 Die Überbrückung unterschiedlicher Zeitzonen
4.3 Die Überbrückung räumlicher Distanz
4.4 Die Überbrückung differierender Organisationsformen
4.5 Synergien durch internationale Teams
4.6 Anforderungen an Führungskräfte
5 Zusammenfassungen der theoretischen Forschungsergebnisse
5.1 Forschungslücke und Forschungsfragen
5.2 Hypothese
6 Empirischer Forschungsansatz
6.1 Design und Methodik
6.2 Befragungszielgruppe
6.3 Gütekriterien
6.4 Umfrage und Analyse der Survey-Rückläufe
6.5 Zusammenfassungen der empirischen Forschungsergebnisse
7 Konklusion und Überprüfung der Hypothese
8 Limitierungen und zukünftige Forschungsfragen
9 Literaturverzeichnis
9.1 Bücher
9.2 Internetquellen und wissenschaftliche Journals
10 Anhänge
10.1 Survey Fragebogen
10.2 Survey Statistik
10.3 Survey offene Antworten
Executive Summary
Die vorliegende Masterarbeit `International Leadership am Beispiel von Medizintechnikunternehmen mit internationaler Vertriebsorganisation´ betrachtet die Führungsaufgabe international tätiger Manager unter dem Blickwinkel zunehmender Globalisierung. Sie untersucht, welche Führungsfertigkeiten erforderlich sind, um mögliche Synergien auszuschöpfen, die in der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene und in multikulturellen Teams liegen. Dazu werden die theoretischen Grundlagen und maßgeblichen Forschungsergebnisse zu International Leadership und Intercultural Management analysiert. Danach erfolgt eine kritische Betrachtung der Herausforderungen, denen Führungskräfte bei der Führung von international organisierten, virtuellen Teams gegenüberstehen. Die Zielsetzung der Arbeit ist es, einen Überblick über den Stand der Forschung zum Thema International Leadership zu erlangen und eine angemessene Auswahl an Führungskonzepten zu konkretisieren. Hieraus werden die im anschließenden empirischen Bestandteil der Thesis zu überprüfende Forschungsfragen und Hypothesen abgeleitet. Der empirische Teil der Arbeit konzentriert sich auf die Analyse bestehender und Erforschung zukünftig geeigneter Vorgehensweisen für International Leadership und fokussiert dabei auf die Führung von dezentral aufgebauten Vertriebsorganisationen im Branchensegment Medizintechnik. Hierzu wird eine Stichprobe von im Personalwesen tätigen Mitarbeiter und Führungskräfte in diesem Segment zu International-Leadership -Konzepten in ihren Unternehmen befragt. Es wird im Besonderen untersucht, wie die Unternehmen ihre Führungskräfte und Mitarbeiter auf die internationale Zusammenarbeit vorbereiten und die Interaktion, auch über geografische Grenzen, unterschiedliche Zeitzonen, verschiedene Kulturen und differierende Organisationsformen hinweg, unterstützen. Dabei werden sowohl die Auswirkungen von Internationalität im Zusammenspiel von Führungskräften und Mitarbeitern, als auch begleitende Maßnahmen wie interkulturelle Seminare, Team-Workshops, Mentoren-Programme etc. begutachtet. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse im Rahmen eines Fazits mit Empfehlungen für das International Leadership zusammengefasst.
Keywords: International Leadership, virtuelle Teams, Intercultural Management, Medizintechnik
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Vorgehensweise bei der Erstellung der Masterarbeit
Abb. 2: Eisbergmodell zur Abgrenzung kultureller Aspekte
Abb. 3: Distanzzonen nach Hall
Abb. 4: Die am besten vernetzten Länder
Abb. 5: International Leadership Skills
Abb. 6: Dimensionen von Diversity
Abb. 7: Weltsprache Englisch
Abb. 8: Weltzeitzonenkarte
Abb. 9: Unternehmensgröße und Anzahl Mitarbeiter
Abb. 10: Position im Unternehmen
Abb. 11: International-Leadership-Investition Führungskräfte
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Übersicht der Literaturbasis zu dieser Masterarbeit
Tab. 2: Unternehmensgröße und Anzahl Mitarbeiter
Tab. 3: Branchenverteilung
Tab. 4: Position im Unternehmen
Tab. 5: Vertriebsumfang
Tab. 6: Standorte europaweit bzw. weltweit in Gegenüberstellung
Tab. 7: Anzahl Mitarbeiter im Vertrieb außerhalb D
Tab. 8: Einschätzung der Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte im Vertrieb
Tab. 9: Maßnahmen zur Unterstützung von international tätigen Führungskräften im Vertrieb
Tab. 10: Maßnahmen zur Unterstützung von international tätigen Mitarbeitern im Vertrieb
Tab. 11: Verhältnis Präsenz- zu Onlinemaßnahmen Führungskräfte
Tab. 12: Verhältnis Präsenz- zu Onlinemaßnahmen Mitarbeiter
Tab. 13: International-Leadership-Investition p.a. für Führungskräfte
Tab. 14: International-Leadership-Investition p.a. für Mitarbeiter
Tab. 15: Sicherstellung der Umsetzung und Nachhaltigkeit
Tab. 16: Messbare Effekte aus den Maßnahmen zu International Leadership
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung zu geschlechterspezifischen Formulierungen
Zur Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wurden die in dieser Masterarbeit verwendeten geschlechtsspezifischen Formulierungen zumeist in der männlichen Form verwendet, wobei die weibliche Form eingeschlossen ist.
Der Verfasser bittet die weiblichen Leserinnen höflich um ihr Verständnis.
„Ich möchte Weltbürger sein, überall zu Hause und, was noch entscheidender ist, überall unterwegs.“
Erasmus von Rotterdam (1466 - 1536)
1 Einleitung
`Die Geschäftswelt wird immer komplexer, internationaler, vielfältiger - und die sogenannten weichen Faktoren werden mehr und mehr zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. Langfristig werden multinationale Teams, wie sie in der Strategieberatung seit vielen Jahren gang und gäbe sind und für jedes Projekt neu formiert werden, in allen Unternehmen selbstverständlich sein´ (Berger 2009: p11).
Voigt (2009) erläutert hierzu, dass sich Führung an unsere globale Unternehmenswelt anpasst und sich vor allem durch Interkulturalität, hohe Toleranz und ein geringes Hirarchiegefüge auszeichnet. Gemäß Mankin & Cohen (2004) und Weisband (2008) reduziert sich künftig die Relevanz von nationalen Grenzen und ethnischer Herkunft. Integrationsfähigkeit gewinnt bei der Führung in international operierenden Unternehmen dagegen zunehmend an Bedeutung. `New technologies have made the world a smaller place and altered the nature of work. Competition and markets have become global, and knowledge is now the most important resource for organizations trying to make their way through an increasing complex world´ (Mankin & Cohen, 2004: p1).
Der Überbegriff für die hier beschriebene Entwicklung lautet International Leadership und er steht mit seinen spezifischen Ausprägungen im Mittelpunkt dieser Masterarbeit.
1.1 Hintergrund und Forschungsthema
Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter sind gemäß Kadner (2004), House (2004), Remdisch (2005) und Miller (2010) heute häufiger als je zuvor gefordert, über geografische Grenzen, unterschiedliche Zeitzonen, verschiedene Kulturen und differierende Organisationsformen hinweg in virtuellen Teams zusammenzuarbeiten. Das Phänomen International Leadership ist gemäß Eichenberg (2007a) konkret und betrifft eine Vielzahl von Unternehmen, die ihre Produkte weltweit distribuieren und dazu Mitarbeiter in und aus den betreffenden Ländern beschäftigen. International Leadership wird besonders häufig in den Teilbereichen von Unternehmen gefordert, die internationale vertriebliche Aufgaben wahrnehmen. Diese Organisationsbereiche müssen, obwohl räumlich voneinander getrennt, zeitnah Informationen austauschen, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen und Problemstellungen zu bewältigen. Als Beispiel für eine globale und damit virtuell arbeitende Sales-Organisation schildern Badrinarayanan et al. (2011) in ihrem Paper über Global Virtual Sales Teams, GVST, den weltweit operierenden Software-Konzern Microsoft, der mit ca. 8.000 geografisch getrennt voneinander arbeitenden Sales-Representatives, ca. 1.000 Call-Center-Mitarbeitern und ca. 1.000 Sales-Partnern seine Produkte international vertreibt und die Kundenbetreuung sicherstellt. `GVSTs bring together salespeople from different geographic areas, time zones and cultural backgrounds to work closely together on independent global sales objectives (Badrinarayanan et al. 2011: p312).
Die vorliegende Masterarbeit untersucht, welche Führungsfertigkeiten für International Leadership erforderlich sind, wie Mitarbeiter und Führungskräfte in Vertriebsorganisationen auf die internationale Zusammenarbeit vorbereitet und durch welche Maßnahmen sie hierbei unterstützt werden.
Die im Rahmen der Masterarbeit zu untersuchenden Fragestellungen lauten:
- Welche Herausforderungen ergeben sich für Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter durch International Leadership ?
- Wie und mit welchen Ergebnissen begegnen Unternehmen diesen Herausforderungen?
Die oben aufgeführten Fragen werden im Verlauf der vorliegenden Masterarbeit noch weiter ausgeführt.
1.2 Motivation für die Wahl des Themas
Der Verfasser dieser Masterarbeit ist im Rahmen seiner eigenen Führungsaufgabe als Leiter einer dezentral aufgebauten Vertriebsorganisation im Branchensegment Medizintechnik regelmäßig mit der Aufgabe betraut, Mitarbeiter aus unterschiedlichen Kulturen und über größere Distanzen hinweg zu führen. Das in Deutschland ansässige und international operierende Unternehmen verfügt über eine Fertigung in China und eine dezentrale Verwaltung in Hongkong. Es distribuiert seine Produkte und Dienstleistungen über eine Vertriebsorganisation an unterschiedlichen Standorten und mittels Partnerunternehmen.
Die Motivation für die Wahl des Themas resultierte aus der kontinuierlichen Herausforderung, diese virtuelle Organisation professionell zu führen und dabei den individuellen, persönlichen Belangen der geführten Personen gerecht zu werden. In der klassischen, auch universitären Ausbildung von Führungskräften findet die Führungsaufgabe mit dem besonderen Anspruch International Leadership nur geringe Berücksichtigung. Aus diesem Grund untersucht der Verfasser internationale Führungstätigkeit, insbesondere im Bereich Vertrieb und erforscht mögliche Handlungsempfehlungen für Führungskräfte am Beispiel von Medizintechnik-unternehmen mit internationalen Vertriebsorganisationen.
1.3 Zielsetzung der Masterarbeit
Die Zielsetzung der Arbeit ist es, einen Überblick über den Stand der Forschung zum Thema International Leadership zu erlangen, hieraus Maßnahmen, z. B. der Personalentwicklung abzuleiten, die Unternehmen nutzen können, um ihre international tätigen Führungskräfte und Mitarbeiter zu unterstützen und Empfehlungen zu geben, welche Führungsfertigkeiten besonders wichtig sind und wie diese gefördert werden können, um ein auf Synergien ausgerichtetes International Leadership zu gewährleisten.
Die unter 1.1 formulierten, einleitenden Fragestellungen zu International Leadership und seinen Ausprägungen in der Praxis werden im Verlauf der Masterarbeit konkretisiert, um daraus dezidierte Forschungsfragen und Hypothesen abzuleiten, diese durch qualifizierte Recherche der aktuellen Forschungsliteratur zu International Leadership und Intercultural Management und einer empirischen Untersuchung zu beantworten, sowie die Gültigkeit der aufgestellten Hypothese unter Beweis zu stellen. Dazu werden die theoretischen Grundlagen und maßgeblichen Forschungsergebnisse analysiert. Danach erfolgt eine kritische Betrachtung der Herausforderungen, denen Führungskräfte bei der Führung von international organisierten, teils virtuellen Teams gegenüberstehen. Aufbauend hierauf werden die Voraussetzungen zur Realisierung möglicher Synergieeffekte beleuchtet.
1.4 Vorgehensweise
Die nachfolgende Abbildung 1 zeigt die Vorgehensweise bei der Erstellung der Masterarbeit `International Leadership am Beispiel von Medizintechnikunternehmen mit internationaler Vertriebsorganisation´.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Vorgehensweise bei der Erstellung der Masterarbeit (Quelle: eigene Grafik)
Nach einer Einleitung und Beleuchtung der Globalisierungsentwicklung und den hieraus resultierenden Auswirkungen auf die Wirtschaft im Allgemeinen und auf Vertrieb im Besonderen folgt die Begutachtung der theoretischen Grundlagen und maßgeblichen Forschungsergebnisse.
Im theoretischen Teil wird die zum Untersuchungsthema relevante Literatur analysiert, bewertet und zusammengefasst. Die Erkenntnisse der Literaturanalyse konkretisieren die Forschungslücke, aus der die der Arbeit zugrunde liegenden Forschungsfragen und die Hypothese ableitet werden. Der empirische Teil beginnt mit einer Erläuterung des Untersuchungsdesigns und der Methodik. Hierauf folgen die Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Sie werden bilanziert und bewertend veranschaulicht. Den Abschluss der Arbeit bilden eine Konklusion und die Darstellung möglicher Limitierungen, welche sich in zukünftigen Forschungsarbeiten untersuchen lassen.
2 Globalisierung und ihre Auswirkungen
`Die Globalisierung ist die herausragende Realität unserer Zeit. Sie treibt die Verflechtung von Produktion, Distribution und Marketing auf globaler Ebene voran´ (De Klerk 2009: p83).
Der Begriff Globalisierung ist gemäß Mc Cann & Acs (2011) eine politisch-ökonomische Bezeichnung für den fortschreitenden Prozess weltweiter Arbeitsteilung. `Kaum ein Thema wird so intensiv und kontrovers diskutiert wie die Globalisierung. Die einen verbinden mit ihr die Annäherung der Kulturen, wirtschaftliches Wachstum weltweit und ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten. Andere hingegen fürchten die Dominanz der Ökonomie, den Verlust regionaler Vielfalt, ökologischen Raubbau sowie eine zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich´ (Bundeszentrale für politische Bildung 2014: p1). Nach Potrafke (2013) geben allerdings auch umfangreiche empirische Studien mit Makrodaten keine Hinweise darauf, dass Globalisierung die Arbeitsmärkte erodiert. In jedem Fall aber verändert Globalisierung die Arbeitswelt.
Die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene und in multikulturellen Teams ist in global agierenden Unternehmen die Regel und beeinflusst gemäß House (2004) folgerichtig auch die Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter. Weisband (2008) führt hierzu weiter aus: `Technological advances and changes in the global economy are motivation and enabling an increasing geographic distribution of work´ (Weisband 2008: p5).
Transnationale Unternehmen, sogenannte TNU, sind nach Einschätzung der Bundeszentrale für politische Bildung (2014) die treibende Kraft der Globalisierung. Sie verfügen über die organisatorischen, technischen und finanziellen Ressourcen, um eine Strategie des Global-Sourcing umzusetzen. Die Zahl der transnationalen Unternehmen lag im Jahr 2008 bei rund 82.000. Die TNU und ihre mehr als 800.000 Tochterunternehmen spielen eine wichtige Rolle für die Weltwirtschaft: Die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD 2013) schätzt, dass auf die TNU und deren Tochterunternehmen rund ein Drittel der weltweiten Waren- und Dienstleistungsexporte entfallen und sie mit 80 Millionen Arbeitnehmern im Jahr 2012 einen Anteil von rund 4 Prozent an den weltweit Beschäftigten hatten. In diesem Unternehmenssegment nimmt Deutschland eine führende Rolle ein.
Seit dem Jahr 2000 sind gemäß Destatis (2011) die Exporte Deutschlands um 77% gestiegen und die Importe um 68%. Der Handelsbilanzsaldo wuchs sogar um 167%. Durch die fortschreitende Globalisierung agieren also auch hiesige Unternehmen zunehmend international und wachsen vorrangig durch den Export von hochwertigen Gütern und Dienstleistungen. Resultierend aus dieser positiven Entwicklung sind sie aber auch gefordert, sich entsprechend international zu organisieren und ihre Führungskräfte und Mitarbeiter bei diesem, bereits im Gange befindlichen Prozess nachhaltig zu unterstützen.
2.1 Herausforderungen bei der Führung international organisierter Teams
`Gerade die Mixtur aus direkter Face-to-Face-Führung und virtueller Kommunikation stellt Manager vor die Herausforderung, Führungsinstrumente auf veränderte Situationen abzustimmen, kulturelle Aspekte eingehender zu beachten und die strategische Planung darauf abzustimmen´ (Miller 2010: p3).
Die Mitarbeiter- und Teamführung beinhaltet bereits innerhalb von geschlossenen kulturellen Spektren zahlreiche, sich aus unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Sichtweisen heraus ergebende, potenzielle Missverständlichkeiten. Wirken innerhalb des Teams aber mehrere kulturelle Strömungen und verschiedene Herkunftsorte auf die Führungssituation ein, versagen gemäß Remdisch (2005) standardisierte Führungsmodelle. Die Führung wird zur herausfordernden und in vielen Fällen höchst mobilen Aufgabe, die das klassische Führungsverständnis so nicht abbildet. Welche Herausforderungen innerhalb der, für die vorliegende Masterarbeit ausgewählten Branche Medizintechnik bei der Führung internationaler Vertriebsteams existieren, wird später im Verlauf der empirischen Betrachtungen noch näher untersucht.
Will man den Begriff Führung selbst näher konkretisieren, bietet die einschlägige Literatur mehrere Definitionen an. Führung wird bei Thommen & Achtleitner (2009) als die Einflussnahme auf Personen zum Zwecke der unternehmerischen Aufgaben-erledigung und Problemlösung beschrieben. Gemäß Drumm (2008) ist unter Führung die zielorientierte Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens durch den Vorgesetzten zu verstehen. Macharzina & Wolf (2010) verweisen darauf, dass Personalführung im Rahmen der Unternehmensführung in zweifacher Hinsicht von Bedeutung ist. Zum einen wird auf Unternehmensebene durch authorisierte Führungsgrundsätze das Führungsverhalten normiert. Zum anderen regulieren diese aber auch zugleich den Gestaltungsspielraum der Führung im Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern auf der individuellen Ebene. Auch wenn mehrere Mitarbeiter Beiträge zu einer gemeinsamen Aufgabe oder Problemlösung zu leisten haben, wird der Terminus Führung relevant. `Sind nämlich mehrere Personen an einer Problemlösung beteiligt, so muss aus verschiedenen Gründen, wie z. B. Zielerreichung, Effizienzsteigerung, Sicherheit, Lösung von Konflikten oder Konsensbildung ihr Verhalten beeinflusst werden´ (Thommen & Achtleitner 2009: p842).
Das klassische Führungsverständnis nach Batool (2013) und Armstrong (2000) geht davon aus, dass die Einflussnahme im persönlichen, ersatzweise fernmündlichen, Dialog stattfindet. Im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit wird der, in der Literatur häufig diffus verwendete Begriff International Leadership als Führung von Mitarbeitern an mehreren, international verteilten Standorten, interpretiert.
Wird die Führungsaufgabe gemäß Miller (2010) dann noch um die Komponente Distanz erweitert, ergibt sich eine räumlich verteilte Zusammenarbeit, welcher der gemeinsame Ort als Bindeglied fehlt. Je größer die Distanzen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oder auch zwischen Mitarbeitern untereinander hierbei sind, umso intensiver muss auf technische Kommunikations- und Interaktionsmedien zurückgegriffen werden. Es bilden sich sogenannte virtuelle Teams, die vorrangig elektronisch miteinander kommunizieren.
Mit zunehmender Entfernung, in global agierenden Unternehmen unter Umständen über Nationen und Kontinente hinweg, entsteht gemäß Miller (2010) eine weitere Instanz der Distanz: Kultur. Insgesamt verlangt somit International Leadership nach Batool (2013) und House (2004) von Führungskräften ein umfassenderes kommunikatives, soziales und interkulturelles Kompetenzspektrum als die Führung im Face-to-Face-Kontakt. `Leaders who do well in this element of emotional intelligence are great communicators. They are just as open to hearing bad news as good news. … Leaders who have good social skills are also good at managing change and resolving conflicts diplomatically´ (Batool 2013: p90).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Eisbergmodell zur Abgrenzung sichtbarer und verborgener kultureller
Aspekte (Quelle: eigene Grafik in Anlehnung an Trompenaars & Hampden-
Turner 2001 und Schultz von Thun 2005)
Die unsichtbaren, gleichsam, wie bei dem in Abbildung 2 dargestellten Eisberg unter der Wasseroberfläche verborgenen Aspekte: Werte, Normen, Kommunikationsstil, Einstellung, Auffassung, Gefühle, Verpflichtungen, Erwartungen, Bedürfnisse machen die Persönlichkeit eines Menschen zu einem großen Teil aus. Eine professionelle Arbeitsatmosphäre ermöglicht im Bereich der sichtbaren Kulturmerkmale in der Regel eine tolerante Annäherung, die unsichtbaren Kulturmerkmale bergen allerdings gemäß Özbek-Potthoff (2013) erhebliches Konfliktpotenzial, welches bei der Führung internationaler Teams zu berücksichtigen ist.
Im weiteren Verlauf der vorliegenden Masterarbeit werden die einzelnen Facetten internationaler und interkultureller Führung noch dezidierter untersucht.
2.2 Interkulturelle Führungs- und Managementforschung
Nach den Ausführungen von Eichenberg (2007), Löhner (2005) und Bruch et al. (2012) ist interkulturelle Führungs- und Managementforschung ein relativ neuartiges Forschungsfeld. `Während zunächst der Fokus der Forschung auf cross-nationalen Vergleichen lag, was ein Gleichsetzen kultureller und nationaler Grenzen impliziert, wurde später der Schwerpunkt auf die interkulturelle Interaktion gelegt´ (Eichenberg 2007: p15).
Im Rahmen der Forschung kulturell bedingter Unterschiede im Führungs- und Managementverhalten bildeten sich nach Eichenberg (2007) zwei kontroverse Thesen heraus: die Kulturkonvergenz-These geht davon aus, dass sich Kulturen durch zunehmende Interaktion der Unternehmen, Institutionen und Bürger über Grenzen hinweg immer weiter annähern. Die Kulturdivergenz-These geht davon aus, dass die Annäherungen nur oberflächlicher Natur sind und daraus keine Konvergenz der zugrunde liegenden Werte und Grundannahmen ableitbar ist.
Diese Masterarbeit konzentriert sich auf die Führungsaufgabe unter Wahrnehmung und Berücksichtigung möglicher kultureller Unterschiede und folgt somit tendenziell der Kulturdivergenz-These, ohne aber die fortschreitende Annäherung durch zunehmende Internationalisierung und Globalisierung unberücksichtigt zu lassen.
3 Theoretischer Forschungsansatz
`Reviewing the literature critically will provide the foundation on which your research is build´ (Saunders et al. 2009: p61).
In diesem Teil werden die theoretischen Grundlagen für International Leadership anhand einer umfassenden, quantitativen Literaturanalyse untersucht. Dazu wurde eine Auswahl, der aus dem Blickwinkel des Verfassers relevanten Literatur und wissenschaftlichen Papers, Journals etc., wie in Tabelle 1 dargestellt, getroffen, um sich dem geplanten Forschungsthema angemessen zu nähern und die Grundlage für den empirischen Teil dieser Masterarbeit zu schaffen.
3.1 Literaturauswahl und Auswertung
Die Literaturauswahl beinhaltet die maßgeblichen Forschungserkenntnisse zu International Leadership und Intercultural Management. Aufbauend hierauf werden die aktuelle Fachliteratur und Fachveröffentlichungen analysiert.
Die in Tabelle 1 dargestellte Literaturbasis erhebt aber insgesamt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Literaturauswahl im weiteren Prozess der Erstellung dieser Masterarbeit noch deutlich erweitert wird. Der theoretische Forschungsansatz umfasst die ausführliche Sichtung der für das Forschungsthema als relevant eingestuften Literaturbasis und wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Sofern in der Aufzählung in Tabelle 1 Bücher, Journals oder Papers vor 2010 enthalten sind, ist davon auszugehen, dass keine aktuellere Ausgabe erhältlich ist, die Erkenntnisse aber dennoch als wesentlich und aussagefähig eingestuft wurden, oder sie als Grundlagenwerke von hoher Relevanz sind.
Der Verfasser geht, wie ausdrücklich von Saunders et al. (2009) und Kornmeier (2012) angeregt, nach der zunächst erfolgten intensiven Literaturrecherche namhafter Fachbuchveröffentlichungen zum Untersuchungsgegenstand weiter über die zentralen wissenschaftlichen Onlinedatenbanken wie Ebsco, Lexis, Google Scholar hin zur detaillierte Recherche nach aktuellen Journals, Papers und Dissertationen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Übersicht der Literaturbasis zu dieser Masterarbeit (Quelle: eigene Recherche und Grafik)
3.2 Stand der Forschung zu International Leadership
`Vor dem Hintergrund einer zunehmenden weltweiten Verflechtung wächst auch der Bedarf an Führungspersonen, welche die Heterogenität kulturell begründeter Moral- und Wertvorstellungen adäquat berücksichtigen können. Im Rahmen der International-Leadership -Forschung setzt sich daher auch die Wissenschaft mit der gesteigerten Komplexität von effektiver und effizienter Führung im globalen Kontext auseinander´ (Schlaile 2012: pII). Einen wesentlichen Betrag zum Forschungsstand von internationaler und interkultureller Führung haben die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Edward T. Hall, Geert Hofstede, Robert J. House, Fons Tompenaars und C. Hamden-Turner geliefert. Sie analysierten die Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten von interkulturellem Zusammenleben, sowohl innerhalb von Nationen als auch über Nationen und Kontinente hinweg und legten hiermit den Grundstein für kooperativen Austausch und Zusammenarbeit über vermeintliche zwischenmenschliche Unterschiede hinweg.
3.2.1 Die Forschungserkenntnisse von Edward T. Hall
Hall (1990) identifizierte bei seinen Untersuchungen zunächst drei grundlegende Dimensionen menschlichen Zusammenlebens, die in unterschiedlichen Kulturen auch unterschiedlich wahrgenommen werden und somit als Differenzierungsmerkmal zwischen Kulturen herangezogen werden können: Raum, Zeit und Kommunikation. Bei der Dimension Raum erforschte er die unterschiedlichen Grade räumlicher Nähe und den Gebrauch von Raum und machte den Fachbegriff Proxemik geläufig.
Abbildung 3 zeigt die jeweiligen Distanzzonen beispielhaft auf. Bei einer Distanz von mehr als 400cm spricht man von öffentlicher Zone, bei 150 - 400cm von der sozialen Zone, bei 60 - 150cm von persönlicher Zone und bei weniger als 60 cm von intimer Zone. Die Zonen sind innerhalb eines Kulturkreises gemäß Hall (1990) abhängig von Alter, Temperament und Geschlecht nur leicht differierend, aber unterscheiden sich von Kulturkreis zu Kulturkreis erheblich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Distanzzonen nach Hall (Quelle: eigene Grafik in Anlehnung an Hall 1990 und Miller 2010)
Erweitert man das beschriebene Distanzspektrum noch um verschiedene Gebäude, Städte, Länder und Kontinente, wird deutlich, welchen Herausforderungen Führungskräfte und Mitarbeiter bei International Leadership gegenüberstehen: im Extremfall jahrelanger Zusammenarbeit in virtuellen Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen und virtuellen Kollegenteams nur unter Zuhilfenahme von Telefon, elektronischen Medien und Mailkorrespondenz. Da sich aber vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Menschen auch durch körperliche Nähe und Körpersprache ergeben, besteht bei ausschließlich virtueller Kommunikation die Gefahr von Glaubwürdigkeitsverlust für die Führungskraft und Vertrauensverlust beim Mitarbeiter. Unterschiedliche Kulturen bedürfen darüber hinaus auch unterschiedlicher Nähe. Die Kommunikation ist unter diesem Gesichtspunkt bereits innerhalb von Europa differenziert zu betrachten. Die enge Umarmung in Südeuropa, auch zu geschäftlichen Anlässen, oder der Wangenkuss in Frankreich wirkt auf manchen Mittel- und Nordeuropäer befremdlich, da sie ein unvermitteltes und direktes Eindringen in die in Abbildung 3 dargestellte intime Zone bedeutet. Es ist aber in vielen Fällen unverzichtbar, die höflich angebotene Begrüssungsgeste Umarmung oder Wangenkuss anzunehmen, um nicht gleich zu Beginn der Konversation unnötig Distanz aufzubauen. Nachvollziehbar fehlt umgekehrt besonders in Kulturen mit gewohnt enger Körperlichkeit bei der Führung über internationale Distanzen hinweg die persönliche Nähe und, resultierend hieraus, der gewohnte und gewünschte Vertrauensaufbau.
Bei der Dimension Zeit unterscheidet Hall (1990) zwischen mono- und polychronen Kulturen. Als zeitlich linear und eindimensional fokussiert, also monochron, gelten die nord- und westeuropäischen Länder sowie Nordamerika, während eine polychrone Wahrnehmung der Zeit, also auch von Terminen und zeitlicher Aufteilung in den südeuropäischen, südamerikanischen, asiatischen und arabischen Ländern vorherrscht. Pünktlichkeit, sowie die Einhaltung von Fristen, werden hier grundlegend anders bewertet als in monochronen Kulturen, was bei der Zusammenarbeit in einem internationalen Team auf beiden Seiten für Unverständnis sorgen kann. Dabei handelt es sich letztendlich um einen Wertekonflikt.
Die beiden Werte Planung (monochron) und Flexibilität (polychron) sind zunächst einmal grundsätzlich positiv. Erst durch die jeweilige kulturelle Sichtweise werden sie als vermeintlich starr oder chaotisch und somit tendenziell negativ bewertet. In dem später noch ausführlicher zu erläuterndem Unternehmensbeispiel aus dem Arbeitsbereich des Verfassers sind tägliche virtuelle Meetings erforderlich, um die enge Verbindung zwischen dem deutschen Headoffice, der in China positionierten Fertigungsstätte und dem in Hongkong ansässigen chinesischen Management aufrecht zu erhalten. Es benötigte geraume Zeit, die Verabredung des Beginns einer Telefon- oder Videokonferenz auch wirklich minutengenau zu vereinbaren, um den pünktlich präsenten Teilnehmern unnötige Wartezeiten zu ersparen. Die Wahrnehmung der chinesischen und hongkongnesischen Teilnehmer tendiert noch heute zu einer, aus ihrem Blickwinkel, starr und formalistisch geprägten deutschen Meetingkultur, während sich die deutschen Teilnehmer immer wieder über verspätet eingelockte asiatische Konferenzteilnehmer ärgern und ihnen, resultierend hieraus, in manchen Fällen auch weniger Verantwortung im Gesamtprozess zubilligen wollen, da sie ja nicht einmal eine Konferenz pünktlich beginnen können. Objektiv betrachtet funktionieren aber beide Organisationsteilbereiche in ihrem jeweils angestammten Kulturumfeld perfekt, bis auf eben diese Schnittstellen, wie den beispielhaft beschriebenen virtuellen Konferenzen, an denen die unterschiedlichen Zeitkulturen monochron versus polychron aufeinandertreffen. Vergleichbares berichtet Köppel (2009) und führt aus, dass in virtuellen Arbeitssituationen über elektronische Medien zwar die Möglichkeit zum Ausstausch gegeben ist, aber die unterschiedliche Wahrnehmung der organisatorischen Rahmenbedingungen, z. B. auch der zeitlichen Organisation, zu Missverständnissen und unzureichender Kommunikation führen.
Kommunikation unterteilt Hall in High- und Low-Kontext-Kulturen, d. h. er unterscheidet, wie stark der Kontext in die Kommunikation mit einbezogen wird. Während in einer Low-Kontext-Kultur wie Deutschland oder der Schweiz vorwiegend das gesprochene Wort ausreicht, um Inhalte zu vermitteln, beziehen High-Kontext-Kulturen, wie beispielsweise asiatische, die Rahmen- und Umgebungsbedingungen, in denen das Gespräch stattfindet, stark mit in die Inhaltsvermittlung ein. Feng (2009) schildert, dass in China Netzwerke einen hohen Stellenwert haben. Vor dem Aufbau einer Geschäftsbeziehung erfolgt erst die Festigung einer Vertrauensebene. Hierfür benötigt es ausreichend Zeit und angemessene Rahmenbedingungen. Es ist nach den Erkenntnissen des Verfassers für einen Europäer auch mit Asien-Erfahrung nahezu unmöglich, die Körpersprache des chinesischen Gesprächspartners eindeutig den verbalen Aussagen zuzuordnen, da wir es gewohnt sind, dass mit verbalen Aussagen auch ein angemessener Wahrheitsgehalt einhergeht. Unwahrheiten werden in Europa bei aufmerksamer Betrachtung und intuitiv über körpersprachliche Signale schnell entlarvt. In China stimmt der Mitarbeiter einer für ihn unverständlichen oder nicht auszuführenden Anweisung dennoch zu, um vor dem deutschen Manager nicht das Gesicht zu verlieren. Nach seinem Kulturverständnis ist dies überhaupt keine Unwahrheit, auch wenn ausser Frage steht, dass er die Anweisung keinesfalls umsetzen wird oder kann. Alles in seiner Aussendarstellung, verbalen Aussage, Mimik und Gestik dokumentieren für einen europäisch erzogenen Gesprächspartner festes Einverständnis und freudige Initiative; die Aufgabe wird im Anschluss aber dennoch nicht erledigt sein, was wiederum zum schleichenden Gesichtsverlust des europäischen Vorgesetzten führen wird, der aus dem Blickwinkel der chinesischen Mitarbeiter sinnlose Anweisungen gibt, und sich dessen nicht einmal bewußt ist. Geht der Europäer dagegen schrittweise und kulturell integrativ vor, bindet die chinesischen Line-Manager in die Anweisung ein, veranstaltet aufwendige Meetings hierzu und lobt alle Beteiligten für ihre Weitsicht und Tatkraft, werden diese alles tun, die Anweisung umzusetzen, um ihrerseits nicht das Gesicht zu verlieren. So werden vielleicht auch völlig unsinnige Anweisungen realisiert, aber die prozessuale Umsetzung funktioniert.
3.2.2 Die Forschungserkenntnisse von Geert Hofstede
Aufbauend auf den Erkenntnissen von Hall und eigenen internationalen Forschungen, vor allem im IBM-Konzern, definierte Hofstede (2005) die Kulturdimensionen Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung, Individualismus vs. Kollektivismus, Maskulinität vs. Feminität sowie Lang- vs. Kurzfristorientierung.
Machtdistanz dokumentiert, ob und inwieweit Machtverhältnisse gefordert und akzeptiert werden und behandelt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeitern. Auch hierbei bestehen gemäß Barmeyer (2003) bereits innerhalb von Europa erhebliche Unterschiede, wie er an dem Beispiel Frankreich versus Deutschland dokumentiert: `…während in Frankreich die regelmäßige Konsultation des Chefs durch den Mitarbeiter erwartet wird. Rückfragen an den Chef sind erwünscht (wenn der Chef nichts hört, stimmt was nicht), ist eine regelmäßige Konsultation in Deutschland eher Zeichen von Unsicherheit und fehlender Professionalität. Der Mitarbeiter wird als kompetent und eigenverantwortlich angesehen, Rückfragen an den Chef sind nur in Notsituationen erwünscht (wenn der Chef nichts hört, funktioniert alles)´ (Barmeyer 2003: p17f). Das bedeutet für international tätige Führungskräfte, dass sie sehr präzise auswählen müssen, mit welchem Mitarbeiter aus welchem Kulturkreis sie mehr oder weniger direktiv und Macht dokumentierend umgehen. In beiden Fällen, sowohl bei Ausübung von zuviel Machtdistanz, als auch bei zu geringer Machtdistanz ist der Führungserfolg gefährdet. Einen eleganten Mittelweg gibt es hier nicht. Speziell ausländische Führungskräfte haben gemäß Bruch et al. (2012) nur kurze Zeit „Welpenschutz“. Dann wird erwartet, dass sich ein neu eingestellter Manager orientiert hat und entsprechend individuell führt. Die vom Verfasser als Untersuchungsgegenstand ausgewählte Funktion Vertrieb in Medizintechnik-unternehmen hat gemäß Spectaris (2014) hier aufgrund der komplexen technischen Anforderung, die in der Regel nur Ingenieure erfüllen, gepaart mit internationaler sprachlicher und kultureller Kompetenz eine besonders hohe Anspruchshaltung an international vertrieblich tätige Manager.
Die von Hofstede (2005) definierte Dimension Unsicherheitsvermeidung erläutert die Bereitschaft einer Kultur, sich auf unsichere Situationen einzulassen. In Deutschland oder der Schweiz werden Vereinbarungen grundsätzlich schriftlich besiegelt. Auch eine geschäftliche Absichtserklärung bedarf hier zumindest einer E-Mail als zusammenfassender Bestätigung. In arabischen Ländern dagegen gilt das gesprochene Wort mehr als jede schriftliche Vereinbarung. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im Vorfeld eine persönliche Beziehung aufgebaut werden konnte. Eine schriftliche Vereinbarung dagegen kann beliebig oft nachverhandelt werden. Gleiches gilt in Skandinavien. Analog zum historischen Handschlaggeschäft eines hanseatischen Kaufmanns können sich auch hier die Kontraktpartner nach der festen Zusage auf eine verbindliche geschäftliche Vereinbarung verlassen.
Individualismus vs. Kollektivismus kennzeichnet am Beispiel Deutschland vs. Japan, inwieweit die Mitglieder der kulturellen Gruppe sich als klar abgegrenzte Individuen oder als Teil eines Kollektivs sehen und auch so handeln. Besonders im Vertrieb sind Zielvereinbarungen üblich. Während in der Vergangenheit Einzelvereinbarungen als Standard galten, werden in der aktuellen Vertriebslandschaft mehr und mehr auch kollektive Bestandteile in die Zielvereinbarungen für Vertriebsmitarbeiter und vertrieblich tätige Führungskräfte eingepflegt. So kann z. B. die Umsatzentwicklung einer gesamten Vertriebsgruppe oder eines Unternehmenssegments ausdrücklicher Bestandteil der Gratifikation sein und somit die Kollektivverpflichtung in den Vordergrund vertrieblichen Handelns stellen, statt die autonome Abgrenzung besonders erfolgreicher Einzelakteure zu honorieren.
Die Bereitschaft, Frauen z. B. in Führungsposionen zuzulassen, wird von der Dimension Maskulinität vs. Feminität bestimmt. Es scheint für ein westeuropäisches Land wie der Schweiz kaum nachvollziehbar, dass Frauen erst seit 1990 ein allgemein gültiges Wahlrecht in allen Kantonen besitzen, während im Nachbarland Deutschland seit 2005 mit Angela Merkel eine weibliche Bundeskanzlerin regiert. Die Dimension Lang- vs. Kurzfristorientierung betrachtet die perspektivisch zeitliche Dimension, mit der Individuen, aber auch Unternehmen handeln. Während in amerikanischen Unternehmen Ergebnisse vorrangig quartalsweise begutachtet werden, denken japanische Unternehmen in Fünf- oder Zehnjahresplänen, ohne natürlich kurzfristige Entwicklungen außer Acht zu lassen.
3.2.3 Die GLOBE-Studie von Robert J. House
Auf Basis der Untersuchungsergebnissen von Hall, Hofstede, Tompenaars und Hamden-Turner analysiert eine Gruppe internationaler Wissenschaftler seit 1991 unter der Leitung von Professor Robert J. House (1932-2011) an der University of Pennsylvania innerhalb des Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness (GLOBE) Forschungsprogramms universell gültige Führungsideale, ihre kulturellen Determinanten und ihre Bedeutung für die Produktivität in Organisationen. Hieraus entwickelte sich nach Steyrer & Schiffinger (2008) und Schlaile (2012) ein weltweites Forschungsprogramm, an dem gemäß House (2004) 170 Wissenschaftler aus 62 Ländern beteiligt sind, die den Zusammenhang zwischen der Kultur von Gesellschaften und Unternehmen in ihrer Wechselwirkung und in Bezug auf Führungsfragen erforscht. Das Forschungsprojekt GLOBE umfasst bis heute drei Phasen. Die aktuell laufende Phase konzentriert sich auf die interkulturelle Führung und die Auswirkung von Führungsstilen innerhalb unterschiedlicher Kulturen. Mitarbeiter als Angehörige jedes unterschiedlichen Kulturkreises haben gemäß House (2004) bestimmte Anforderungen bezüglich der Eigenschaften, Charakter, Fähigkeiten und des Verhaltens an eine Führungskraft. Abhängig von der Mitarbeitererwartungen und den Eigenschaften der Führungskraft wird Führung behindert, gefördert oder überhaupt erst möglich. `Ob Vorgesetzte als Führungskraft wahrgenommen und akzeptiert werden, hängt also vom Ausmaß ab, inwieweit das Verhalten des Vorgesetzten mit den impliziten Führungstheorien der Mitarbeiter übereinstimmt´ (Buchegger 2006: p7). House (2004) überträgt diese implizite Führungstheorie von der individuellen Ebene auf die soziale Ebene als kulturbedingte implizite Führungstheorie Culturally endorsed implicit leadership theory - CLT und schafft so ein Messkriterium für internationale bzw. interkulturelle Führung.
Das theoretische Modell der GLOBE-Studie besteht nach den Ausführungen von House (2004) aus diesen Thesen, die Führung, insbesondere über nationale und somit häufig kulturelle Grenzen hinweg versucht, transparenter zu machen:
- `Die kulturellen Normen von geteilten Werten und Handlungen beeinflussen das Führungsverhalten.
- Führung beeinflusst Organisation, Kultur und Verhalten von Unternehmen.
- Die kulturellen Werte und Handlungen einer Gesellschaft beeinflussen die Kultur und das Verhalten von Organisationen.
- Kultur und Verhalten von Organisationen beeinflussen das Verhalten von Führungskräften.
- Landes- und Organisationskultur beeinflussen die impliziten Führungstheorien.
- Die Kontingenzfaktoren einer Organisation (Umwelt, Größe, Technologie) beeinflussen die Organisationskultur und das Verhalten.
- Die organisationale Kontingenz beeinflusst das Verhalten der Führungskräfte.
- Die Verbindung zwischen organisationaler Kontingenz und Organisationsform, -kultur und -praktiken werden durch die Kultur gemäßigt.
- Die Akzeptanz der Führungskraft ist eine Funktion der Wechselwirkung zwischen CLTs und Führungsverhalten.
- Die Akzeptanz der Führungskraft durch die Mitarbeiter erleichtert bzw. ermöglicht effektive Führung.
- Effektive Führung erhöht mit der Zeit die Akzeptanz der Führung.
- Gesellschaftliche Praktiken stehen im Zusammenhang mit der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit.
- Gesellschaftliche Praktiken stehen im Zusammenhang mit der psychologischen und physiologischen Wohlfahrt der Mitglieder einer Gesellschaft´ (House 2004: p17f).
Mit Kenntnis der Inhalte und dem Ergebnis der Studie sind international tätige Führungskräfte noch besser in der Lage, sich den unterschiedlichen Erwartungshaltungen ihrer weltweit verteilten Mitarbeiter anzupassen und somit die Effizienz ihrer Führungstätigkeit zu erhöhen. Im Branchensegment Medizintechnik sind nach den Untersuchungen des Bundesverbandes Medizintechnologie (2014) vergleichbar geartete, weltweit organisierten Vertriebsstrukturen die Regel, so dass die Ausbildung von mittleren und oberen Führungskräften noch umfassender auf diese besondere Führungssituation vorbereiten sollte. Nach Remdisch (2005) ist das jedoch nicht der Fall. Vielmehr spart insbesondere die universitäre Ausbildung von Führungskräften die Segmente International und Distance Leadership nach Ansicht von Eichenberg (2007) meist aus.
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- Reiner S. Bandorf (Author), 2015, International Leadership in Medizintechnikunternehmen mit multinationaler Vertriebsorganisation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302311
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