Die Hausarbeit beschreibt zunächst die weltpolitischen Rahmenbedingungen, denen sich die Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen heute zu stellen hat (Czempiel: Gesellschaftswelt; Münkler: Neue Kriege). Darauf aufbauend folgt ein Kapitel über die Friedenssicherung an sich. Danach werden der Wandel der Friedenssicherung- und anschließend die Reformpapiere der letzten Zeit skiziert. Im Resümee wird der Vesuch unternommen, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundbegriffe des weltpolitischen Wandels
2.1 „Gesellschaftswelt“ nach Czempiel
2.2 „Neue Kriege“ nach Münkler
2.2.1 Privatisierung/Kommerzialisierung
2.2.2 Asymmetrisierung
3 Möglichkeiten der Friedenssicherung durch die UN
3.1 Handlungsrahmen
3.2 Peacebuilding, Peacekeeping, und Peacemaking
3.3 Probleme bei der Umsetzung der Friedenssicherung
3.3.1 Finanzierung
3.3.2 Truppenbereitstellung
3.3.3 Sicherheitsratsmandate
4 Entwicklung der Friedenssicherung seit 1946
4.1 Peacekeeping in der 1. Generation
4.2 Peacebuilding in der 2. Generation
4.3 Secure environment als Ziel der 3. Generation
4.4 CivPol als Merkmal der 4. Generation
5 Konzepte zur Reform der Friedenssicherung
5.1 An Agenda for Peace
5.2 Der Brahimi-Report
6 Zusammenfassung/Zukunft der Friedenssicherung?
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In den fast 60 Jahren, die die Charta der Vereinten Nationen inzwischen alt ist, haben sich weltpolitisch einige grundsätzliche Änderungen ergeben. War noch am Ende des Zweiten Weltkriegs ein klares staatliches Gewaltmonopol erkennbar, das auf der Ebene der internationalen Beziehungen in Form von zwischenstaatlichen Kriegen zu Tage trat, hat sich spätestens nach dem Ende des Ost-West-Konflikts dieses Monopol zumindest aufgeweicht. Kriege sind inzwischen nicht mehr zwischenstaatlich, sondern viel häufiger innerstaatlich.1
Diese Entwicklung hat natürlich auch Auswirkungen auf die Arbeit der Vereinten Nationen und ihr in der Präambel der Charta an erster Stelle genanntes Ziel:
„… to save succeeding generations from the scourge of war, which twice in our lifetime has brought untold sorrow to mankind …” 2
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den neuen Anforderungen an die friedenserhaltenden und friedenssichernden Maßnahmen der UN und den Anpassungen und Reformen dieser Instrumente im Kontext der neuen weltpolitischen Bedingungen.
Dazu wird zunächst der weltpolitische Rahmen mithilfe des Gesellschaftswelt- Konzepts von Ernst-Otto Czempiel und Herfried Münklers Ausführungen über die neuen Kriege genauer umrissen. Anschließend soll der Handlungsrahmen mit den Möglichkeiten und Problemen der UN-Friedenssicherung abgesteckt werden. Im Anschluss daran werden die Entwicklungen und Anpassungen in den Bereichen peacemaking, peacekeeping und peacebuildiung skizziert. Danach sollen die beiden wesentlichen Reformpapiere „Agenda für den Frieden“ (von 1992) und der „Brahimi-Report“ (von 2000) vorgestellt und erläutert werden. Abschließend wird der Versuch unternommen, die UN Friedenssicherung in die neuen weltpolitischen Bedingungen einzuordnen und eine Perspektive für die Zukunft zu entwickeln.
2 Grundbegriffe des weltpolitischen Wandels
2.1 „ Gesellschaftswelt “ nach Czempiel
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 80er Jahre haben sich die weltpolitischen Verhältnisse geändert. Statt zweier großer und etwa gleichstarker, konkurrierender Mächte blieb nur ein Übermächtiger: die USA.
Das sowjetische Gegenmodell war zerfallen. Ursache hierfür war nicht ein militärischer Sieg des kapitalistischen Westens, der die Ideen des kommunistischen Ostens zerschlagen hatte, sondern gewissermaßen ein Sieg der Gesellschaften. Gesellschaftliche Reformkräfte hatten ihr Recht auf demokratische Mitbestimmung nach dem Vorbild des Westens eingefordert. Czempiel beschreibt diese Entwicklung als den Wandel von der Staaten- zur Gesellschaftswelt.3
Durch diese Entwicklung, die sich schon während des Ost-West-Konfliktes durch eine zunehmende Demokratisierung und Modernisierung des politischen Westens bemerkbar gemacht hatte und schließlich durch den Zerfall des Ostblockes endgültig sichtbar wurde, ist der Krieg von der zwischenstaatlichen Ebene nahezu verschwunden.
„ Der Krieg ist in die Staaten eingewandert, zum Bürgerkrieg geworden, weil die Gesellschaften keine Herrschaft mehr akzeptieren, die ihre Anforderungenübergeht. “ 4
Die Gesellschaften fordern ihr politisches Mitspracherecht an den Entscheidungen ihrer Regierungen ein und nehmen auch zunehmend Einfluss auf ihre Außenpolitik. Deutlich wird dies unter anderem durch die wachsende Zahl von Non-governmental- Organisations (NGOs) wie Attac, Amnesty International oder auch Greenpeace und den steigenden Einfluss der transnationalen Konzerne auf die wirtschaftspolitischen Entscheidungen eines Landes.
Czempiel sieht für diesen wachsenden Einfluss von gesellschaftlichen Akteuren drei Ursachen: Emanzipation, Wohlstand und Selbst- und Mitbestimmung.5
Die Emanzipation entsteht aus der Tatsache heraus, dass das Bildungsniveau der Bürger gestiegen ist.6 Damit verbunden ist ein größeres Verständnis für die politischen Entscheidungsstrukturen- und Spielräume.
„ Die Bürger der Gesellschaftswelt ( … ) wissen, daßKrieg und Konflikt die Folgen von Entscheidungen darstellen, die sich an Interessen orientieren und deswegen auch anders hätten getroffen werden können. “ 7
Deshalb hat die Zahl der zwischenstaatlichen Kriege stark abgenommen und ist aus weiten Teilen Europas und Nordamerikas sogar ganz verschwunden.8 Czempiel vermutet, dass diese Tatsache vor allem auf die Macht und Einflussnahme der Bürger zurückzuführen ist. Er geht nämlich davon aus, dass „… der Wohlstandsbürger risikoavers…“9 und an der Wahrung und Maximierung seines Wohlstandes interessiert ist, der durch Kriege zumindest gemindert würde. Demnach neigen demokratische Staaten, in denen die Bürger ein starkes Mitspracherecht haben, seltener dazu, zwischenstaatliche Kriege zu führen, als nicht-demokratische. Czempiel folgt in dieser Sichtweise den Annahmen der liberalen außenpolitischen Schule.10
Das dritte Merkmal der Gesellschaftswelt ist nach Czempiel der Ruf nach Selbstund Mitbestimmung:
„ Steigt der Wohlstand, verbessert sich die Bildung, vermehrt sich die Information, entsteht unweigerlich der Wunsch nach Teilhabe an der Herrschaft. “ 11
Unterstrichen wird diese Aussage durch die gewachsene Zahl der demokratischen Staaten zwischen 1980 und 2001: Während am Anfang der 80er Jahre nur 57,5% der Weltbevölkerung in Demokratien lebte, ist die Zahl in 2001 auf 64,4% gestiegen.12 Negative Seiten der Gesellschaftswelt werden vor allem dort deutlich, wo der Ruf nach mehr Selbst- und Mitbestimmung und die Steigerung des Wohlstandes nicht ausreichend durch den Staat unterstützt wird; dort entstehen Bürgerkriege und die Keimzellen von terroristischen Aktivitäten. Eine der Hauptängste der Europäer ist demnach, „… daßdie extreme Unterentwicklung und Armut in Afrika nicht nur Wanderungsbewegungen, sondern auch Gewaltbereitschaft hervorbringen könnte. “ 13 Die von langjährigen Bürgerkriegen zermürbten und zerfallenen Staaten (failed states; Beispiele sind Somalia und Afghanistan) sind eine geeignete Umgebung für die Entwicklung von terroristischen Organisationen.
2.2 „ Neue Kriege “ nach Münkler
„Neue Kriege“14 entstehen da, wo keine oder nur noch eine schwache Staatlichkeit existiert.
„Ü berwiegend finden sie in Gegenden statt, in denen der Staat einem unaufhaltsamen Zerfallsprozess ausgesetzt beziehungsweise in denen die Staatsbildung so fragil ist, dass die staatstragenden (und oft korrupten) Eliten nicht willens oder in der Lage sind, das Kriegsmonopol wieder an sich zu ziehen. “ 15
Sie sind geprägt von Privatisierung/Kommerzialisierung und Asymmetrisierung. Die Akteure dieser Kriege sind Warlords, private Sicherheitsunternehmen, aber auch terroristische Organisationen und Netzwerke. Diese Kriege entstehen häufig dort, wo dekolonialisiert wurde (in Südostasien und Schwarzafrika, z.B. Indonesien, Somalia oder Sierra Leone) oder an den Rändern des zerfallenen Osmanen- und Zarenreichs.16 Die Akteursgruppen sind stark zersplittert und verfolgen selten konkrete Ziele. Regeln gibt es dabei so gut wie keine - in den alten Kriegen waren dagegen zumindest noch die Regeln der Haager Landkriegsordnung oder der Genfer Konvention allgemein akzeptiert.17 Eine Trennung zwischen Kombattanten und Nonkombattanten entfällt dabei gänzlich. Dieses macht sich durch ethnische Säuberungen und Gewalttaten an der Zivilbevölkerung bemerkbar:
„ Es kommt also nicht von ungefähr, wenn für uns die neuen Kriege vor allem in Flüchtlingsströmen, Elendslagern und Verhungernden, nicht aber in Gefechten und Entscheidungsschlachten sichtbar werden. “ 18
2.2.1 Privatisierung/Kommerzialisierung
Ein erstaunlicher Punkt an einem „neuen Kriege“ ist, dass „… ethnische wie religiöse Gegensätze ( … ) meist nicht die Ursachen eines Konflikts [sind], sondern sie verstärken ihn nur. “ 19 Vielmehr streben die Akteure der Kriege häufig hauptsächlich nach Macht und Reichtum. Unterstützt werden ihre Ziele durch Effekte der Schattenglobalisierung, die sich in Form von ausländischen Finanziers und Unterstützern bemerkbar machen:
„ Schließlich gehen die Akteure dieser Kriege eine Fülle von Verbindungen mit der internationalen organisierten Kriminalität ein - sei es, um Beutegut zu verkaufen, illegale Güter zu vertreiben oder sich selbst mit Waffen und Munition zu versorgen ( … ). “ 20
Konkrete Beispiele für dieses Zusammentreffen von neuen Kriegen und organisierter Kriminalität sind dabei Drogen- und auch Frauenhandel.21
Als Nachschubcamps und Reserven für die Warlords werden die Flüchtlingscamps und Hilfstransporte der internationalen Organisationen verwendet, die auf diese Weise „zu einer Ressource des Krieges“22 werden.
So entsteht eine Subsistenzwirtschaft des Krieges, der deshalb nur durch Intervention von außen beendet werden kann, da er sonst, „… wenn hinreichend interne oder externe Ressourcen zur Verfügung stehen, im Prinzip endlos dauern …“ 23 kann.
2.2.2 Asymmetrisierung
Mit dem Zerfall der Sowjetunion sind die USA als einzige Supermacht verblieben. Sie verfügen über so übermächtige militärische Mittel, dass kein Staat und auch (fast) keine Staatenkoalition die Möglichkeit hat, sich gegen sie durchzusetzen.24 Die einzigen Strategien, die wirksam gegen diese Supermacht eingesetzt werden können, scheinen - das zeigen die Erfahrungen aus dem Vietnam-Krieg und vom 11. September 2001 - Terrorismus, Partisanenkrieg oder auch Intifada zu sein. Diese Arten der neuen Kriege bedienen sich der Medien als Mittel, um die Probleme ihrer Akteure zu verbreiten und in den Köpfen der (westlichen) Bevölkerungen zu platzieren. Die Bilder von den Kriegsschauplätzen und - um das Motiv aufzunehmen - die immer wieder gesendeten Filmsequenzen von den Flugzeugen, die in die Türme des World-Trade-Centers stürzen, sind Anzeichen für diese Asymmetrie und zeigen klar, auf welche Weise diese instrumentalisiert werden kann.25
3 Möglichkeiten der Friedenssicherung durch die UN
3.1 Handlungsrahmen
Zur Verwirklichung des in der Präambel der UN-Charta genannten Ziels der dauerhaften Sicherung des Friedens stehen dem Sicherheitsrat - im Falle eines (potentiell) bewaffneten Konflikts - die Kapitel VI („Pacific settlement of disputes“) und VII („Action with respect to threats to the peace, breaches of the peace, and acts of agression“) der Charta zur Verfügung.26 Sie stellen die Hauptinstrumente des Sicherheitsrats dar, um auf Gefährdungen der internationalen Sicherheit und des internationalen Friedens zu reagieren.
“ In order to ensure prompt and effective action by the United Nations, its Members confer on the Security Council primary responsibility for the maintenance of international peace and security, and agree that in carrying out its duties under this responsibility the Security Council acts on their behalf. ” 27
Der Sicherheitsrat ist damit ein privilegiertes Organ, das von den Mitgliedsstaaten der UN bevollmächtigt wird, Zwangshandlungen gegen Staaten zu beschließen. Damit verbunden verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, die entsprechenden Beschlüsse des Rates umzusetzen.28
Der Hauptvorteil dieser starken Stellung des Sicherheitsrates liegt in seiner hohen Flexibilität: Da er in relativ kleinem Kreise hinter verschlossenen Türen tagt und damit nicht dem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt ist, kann er in der Regel recht schnell auf internationale Entwicklungen reagieren.29
[...]
1 Das Heidelberger Institut für Friedens- und Konfliktforschung hat für das Jahr 2003 nur einen zwischenstaatlichen Krieg ausgemacht: den der USA gegen Irak. vgl. Heidelberger Institut für Friedens- und Konfliktforschung e.V. (2004): Konfliktbarometer 2003. 12. jährliche Konfliktanalyse, Heidelberg: Universität Heidelberg.
2 Sofern nicht anders vermerkt, wird im Rahmen dieser Arbeit bei Zitaten aus der Charta der Vereinten Nationen, die online unter http://www.un.org/aboutun/charter/index.html verfügbare ist, zurückgegriffen [Stand: 15. Juli 2004].
3 vgl. Czempiel, Ernst-Otto (2002): Weltpolitik im Umbruch - Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen, München: C.H. Beck.
4 ebd., S. 7
5 vgl. ebd., S. 15ff.
6 vgl. hierzu ebd., Seite 16.
7 ebd., Seite 17.
8 vgl. Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung e.V. (2004): a.a.O.
9 Czempiel (2002), a.a.O., Seite 18.
10 vgl. hierzu exemplarisch: Risse-Kappen, Thomas (1995): Vom Ost-West-Konflikt zur internationalen Unübersichtlichkeit, in: Der Bürger im Staat, 45. Jahrgang Heft 1, S. 3f.
11 Czempiel (2002), a.a.O., Seite 27.
12 vgl. ebd.
13 ebd., Seite 56.
14 Münkler, Herfried (2003): Die neuen Kriege, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag Gmbh.
15 Lohmann, Hans-Martin (2002): Jenseits von Clausewitz - Herfried Münkler prophezeit ein Zeitalter der „neuen Kriege“, in: Die Zeit - Literaturbeilage, Oktober 2002.
16 vgl. Münkler (2003), a.a.O., S. 13f.
17 vgl. ebd., S. 24ff.
18 ebd., S. 31.
19 ebd., S. 16.
20 ebd., S. 32.
21 vgl. Schlak, Stephan (2002): Leviathan ist längst geschlachtet - Und Krieg wird wieder, das zeigt Herfried Münkler, auf private Rechnung geführt, in: Frankfurter Rundschau, Literaturbeilage, 9. Oktober 2002, Seite 19.
22 Münkler (2003), a.a.O., S. 36.
23 ebd., S. 26.
24 vgl. ebd., S. 49.
25 vgl. ebd., S. 52.
26 Maßnahmen nach Kapitel VI und VII der Charta fallen nicht unter das Souveränitätsprinzip (Art. 2,1), das Interventions- (Art. 2,7) und das allgemeine Gewaltverbot (Art. 2,4).
27 UN-Charta, Artikel 24,1.
28 vgl. UN-Charta, Artikel 25.
29 vgl. Schmidt, Rudolf (1993): Das Instrumentarium der Vereinten Nationen zum Krisenmanagement und seine Entwicklung in den letzten Jahren, in: Kühne, Winrich: „Blauhelme in einer turbulenten Welt - Beiträge internationaler Experten zur Fortentwicklung des Völkerrechts und der Vereinten Nationen, Baden-Baden: Nomos Verlag, Seite 134.
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