Heinrich von Kleist wird in der Spätphase der Aufklärung klar, dass sich die „zerbrechliche Einrichtung der Welt“ nicht grundlegend geändert hat. Diese schmerzhafte Erkenntnis nimmt Kleist als existenzielle Bedrohung seiner selbst wahr, wie einem Brief an Wilhelmine von Zenge vom 22. März 1801 zu entnehmen ist. Der Begriff „Skepsis“ ist hier schon fast zu kurz gegriffen, da diese allgemeine Ernüchterung und der Übergang zu einer geschäftsmäßigen, institutionalisierenden Betrachtung der Aufklärung in der ihn umgebenden Welt, längst zu einer ernsthaften Krise in Kleists Persönlichkeit geführt hatte.
Kleist sah sich in den Zusammenhang einer Entwicklung gegnüber, die sein Werk maßgeblich beeinflusste: Die Fragen nach dem, was man erhofft hatte und dem, was nun (oder nur?) errungen worden war, bildete die Klammer für seine künstlerisch-literarische Agenda. Man findet sowohl in den Erzählungen "Das Erdbeben in Chili" und "Die Marquise von O" als auch im Lustspiel "Der zerbrochne Krug" vielfach Motive und narrative Muster, die dem Publikum und dem Leser die Schwächen und Einfallstore der Aufklärung präsentieren.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einführung
- 1.1. Die Spätaufklärung als Epoche
- 1.2. Heinrich von Kleist und die Aufklärung
- 2. Hauptteil: Kleists Literatur am Ende der Aufklärungsphase
- 2.1. Zwischen Skepsis und Beharrlichkeit
- 2.2. Die Theodizee-Problematik als Merkmal schwindenden Optimismus': Das Erdbeben in Chili (1807)
- 2.3. Die Grenzen der Aufklärung: Die Marquise von O (1808)
- 2.4. Herrschaft als bürokratischer Vorgang: Der zerbrochene Krug (1806)
- 3. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Ziel dieser Arbeit ist es, die literarischen Werke Heinrich von Kleists um 1800 zu analysieren und zu untersuchen, inwiefern sie eine Skepsis gegenüber der Aufklärung widerspiegeln. Dabei soll die Entwicklung der Aufklärung in ihre Spätphase eingeordnet und der Einfluss auf Kleists Schaffen beleuchtet werden.
- Die Spätaufklärung als Epoche der Konsolidierung und Implementierung
- Die Theodizee-Problematik und die Grenzen des Rationalismus
- Die Widersprüchlichkeit und Diskontinuität menschlicher Charaktere in Kleists Werken
- Die Kritik an der Aufklärung als irreversiblem Prozess der Verbesserung der Welt
- Kleists literarische Darstellung der dunklen Seiten des Menschseins
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Kapitel 1: Einführung: Dieses Kapitel bietet eine Einführung in die Spätaufklärung als Epoche und ihren Einfluss auf die literarische Produktion. Kleists Werk wird in diesem Kontext als Spiegelbild der Zweifel an der Aufklärung dargestellt.
- Kapitel 2.1.: Zwischen Skepsis und Beharrlichkeit: Dieser Abschnitt untersucht Kleists Skepsis gegenüber der Aufklärung, die aus der Erkenntnis resultiert, dass sie die Welt nicht grundlegend verändert hat. Kleists Werke werden als Spiegelbild dieser Ernüchterung dargestellt.
- Kapitel 2.2.: Die Theodizee-Problematik als Merkmal schwindenden Optimismus': Das Erdbeben in Chili (1807): Dieses Kapitel analysiert Kleists Erzählung "Das Erdbeben in Chili" und die darin enthaltene Kritik an der Aufklärung. Die Theodizee-Problematik wird als ein Schlüsselthema betrachtet, das die Grenzen des Rationalismus aufzeigt.
- Kapitel 2.3.: Die Grenzen der Aufklärung: Die Marquise von O (1808): Hier wird Kleists Erzählung "Die Marquise von O" im Hinblick auf die Grenzen der Aufklärung analysiert. Die Kritik an der Macht der Gesellschaft und der Unfähigkeit der Aufklärung, die dunklen Seiten des menschlichen Seins zu beheben, steht im Vordergrund.
- Kapitel 2.4.: Herrschaft als bürokratischer Vorgang: Der zerbrochene Krug (1806): In diesem Kapitel wird Kleists Lustspiel "Der zerbrochene Krug" analysiert. Die Kritik an der bürokratischen Herrschaft und der Unfähigkeit der Aufklärung, den Menschen zu verbessern, wird hier beleuchtet.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Hauptthemen und Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Spätaufklärung, Heinrich von Kleist, Skepsis, Theodizee, Rationalismus, Widerspruch, Diskontinuität, Kritik an der Aufklärung, dunkle Seiten des Menschseins, Grenzen der Aufklärung, Herrschaft, Bürokratie, literarische Analyse, Erzählung, Lustspiel, Erdbeben in Chili, Die Marquise von O, Der zerbrochene Krug.
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- Raoul Hadaschik (Author), 2015, Spätaufklärerischer Skeptizismus im Werk Heinrich von Kleists um 1800, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301488