Lässt sich neben Begriffen wie „Schulbildung“, „Allgemeinbildung“ oder „Bildungs-Elite“ überhaupt noch ein sinnvolles Verständnis von Bildung ableiten? Welche Auswirkungen hat ein fehlendes Bewusstsein der bedeutenden Unterschiede und Zusammenhänge solcher Begriffe auf die pädagogische Arbeit und die Erziehung?
Unsere gegenwärtigen, vorherrschenden Vorstellungen von Bildung und Erziehung haben bedeutenden Einfluss auf die pädagogische Praxis sowie das allgemeine, gesellschaftliche Ansehen pädagogischer Arbeit an Schulen und Hochschulen. Sie bestimmen, welche Wissensinhalte in welcher Weise vermittelt werden. Sie legen fest, welche anzustrebenden Ziele in der Erziehung erreicht werden sollen und inwiefern wir Menschen uns überhaupt als verantwortungsvolle, selbstbestimmte Wesen betrachten können.
In der Pädagogik gibt es zahlreiche, kontrovers diskutierte Vorstellungen von Erziehung. Diese können in Form sprachlicher Mittel wie z. B. Bilder und Metaphern ein anschauliches Begriffsverständnis von Erziehung vermitteln. Im Laufe der Zeit haben sich zwei Metaphern etabliert, die zwei grundlegend konträre Verständnisse von Erziehung aufzeigen. Zum einen wird Erziehung analog zum Handwerk als „herstellendes Machen“ bzw. als „Herstellung eines nützlichen Produktes“ verstanden (Treml, 2011, S. 173). Der Pädagoge gleicht dem Handwerker oder Techniker, der die Natur gestaltend verändern kann.
Zum anderen wird Erziehung analog zum Garten- und Landbau als Begleitung der natürlichen Entwicklung verstanden. Das Kind entwickelt sich wie ein Keim auf natürliche Art selbst und belehrt letztlich den Lehrer. Der Pädagoge gleicht einem Gärtner oder Bauer und muss „... sich darauf beschränken, das ˏedaphon`, die ˏErde`, die ˏUmwelt` des Kindes so zu optimieren, dass die natürlichen Zwecke des Kindes von selbst entwickelt werden können“ (Treml, 2011, S. 166).
Diese beiden Bilder lassen sich meiner Meinung nach analog auf den Begriff der Bildung übertragen. Welche Bedeutung haben Institutionen für die Grundidee einer allgemeinen, jeder Person zugänglichen Bildung und ab wann fängt Bildung überhaupt an?
Über die Bedeutung von Bildung
Versuch eines ersten Verständnisses
„Echte Bildung ist nicht Bildung zu irgendeinem Zwecke, sondern sie hat, wie jedes Streben nach dem Vollkommenen, ihren Sinn in sich selbst.“ (Hesse, 2008, S. 3)
Unsere gegenwärtigen, vorherrschenden Vorstellungen von Bildung und Erziehung haben bedeutenden Einfluss auf die pädagogische Praxis sowie das allgemeine, gesellschaftliche Ansehen pädagogischer Arbeit an Schulen und Hochschulen. Sie bestimmen, welche Wissensinhalte in welcher Weise vermittelt werden. Sie legen fest, welche anzustrebenden Ziele in der Erziehung erreicht werden sollen und inwiefern wir Menschen uns überhaupt als verantwortungsvolle, selbstbestimmte Wesen betrachten können. Lässt sich neben Begriffen wie „Schulbildung“, „Allgemeinbildung“ oder einer sogenannten „Bildungs-Elite“ überhaupt noch ein sinnvolles, annehmbares Verständnis von Bildung generieren oder davon ableiten? Welche Auswirkungen hat ein fehlendes Bewusstsein der bedeutenden Unterschiede und Zusammenhänge solcher Begriffe auf die pädagogische Arbeit und die Erziehung?
In der Pädagogik gibt es zahlreiche, kontrovers diskutierte Vorstellungen von Erziehung. Diese können in Form sprachlicher Mittel wie z.B. Bilder und Metaphern ein anschauliches Begriffsverständnis von Erziehung vermitteln. Im Laufe der Zeit haben sich zwei Metaphern etabliert, die zwei grundlegend konträre Verständnisse von Erziehung aufzeigen. Zum einen wird Erziehung analog zum Handwerk als „herstellendes Machen“, bzw. als „Herstellung eines nützlichen Produktes“ verstanden (Treml, 2011, S. 173). Der Pädagoge gleicht dem Handwerker oder Techniker, der die Natur gestaltend verändern kann. „Die Ziele des Handelns werden nun nicht mehr der Natur entnommen, sondern von außen - vom Menschen selbst - an sie herangetragen.“ (Treml, 2011, S. 172) Zum anderen wird Erziehung analog zum Garten- und Landbau als Begleitung der natürlichen Entwicklung verstanden. Das Kind entwickelt sich wie ein Keim auf natürliche Art selbst und belehrt letztlich den Lehrer. Der Pädagoge gleicht einem Gärtner oder Bauer und er muss „... sich darauf beschränken, das ˏedaphon`, die ˏErde`, die ˏUmwelt` des Kindes so zu optimieren, dass die natürlichen Zwecke des Kindes von selbst entwickelt werden können“ (Treml, 2011, S. 166).
Diese beiden Bilder lassen sich meiner Meinung nach analog auf den Begriff der Bildung übertragen.
Sollte Bildung als etwas, das von staatlichen, sozialen und kulturellen Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen, Universitäten, Gemeindezentren, Parteien, Kirchen, Vereinen, Theater, Museen etc. abhängig ist, verstanden werden? Welche Bedeutung haben solche Institutionen für die Grundidee einer allgemeinen, jeder Person zugänglichen Bildung und ab wann fängt überhaupt
„Bildung“ an?
Oder ist Bildung eher als eine persönliche Entwicklung, durch die der Mensch sich auf natürliche Weise aus sich selbst heraus entfaltet, zu verstehen? Was ist die Bedeutung von „echter“ Bildung?
Die Frage, ab wann Bildung beginnt, kann meiner Ansicht nach mit folgender Aussage beantwortet werden: Bildung beginnt dann, wenn der Mensch lernt, sich mit sich selbst und seiner Umwelt auseinanderzusetzen. Das bedeutet, Bildung findet bereits in der frühen Kindheit statt. Bei der Betreuung eines sieben Monate alten Kindes lassen sich zum Beispiel folgende Handlungen beobachten: Bereits ein so junges Kind entwickelt Strategien und verschiedenste Techniken, um sich fortzubewegen, es erforscht seinen Körper und generiert Ideen, um an Dinge heranzukommen, die zunächst unerreichbar scheinen. Das Kind entwickelt Lösungen von Problemen, die in der täglichen Auseinandersetzung im Kreis seiner Bezugspersonen und seiner gewohnten Umgebung entstehen. Es entwickelt Strategien durch die bewusste und unbewusste Verarbeitung seiner Erlebnisse, d. h. im Umgang mit persönlichen Erfahrungen.
Für den Philosoph und Pädagogen John Locke ist der menschliche Geist bei der Geburt mit einem unbeschriebenen Blatt Papier oder einer leeren Tafel zu vergleichen. Der Mensch besitzt keine angeborenen Ideen, sondern er gründet alle Erkenntnisse aus der Erfahrung. Sämtliche Eindrücke und Ideen, die der Mensch erwirbt, werden zunächst durch die Sinne rezipiert und anschließend durch die Operationen des Verstandes weiterverarbeitet. Somit unterscheidet Locke zwei Quellen menschlicher Erkenntnis, aus denen unsere Ideen stammen, nämlich Sensation und Reflection (vgl. Locke, 2006, S. 107-110).
Unterschiedliche Erfahrungen zu sammeln ist ein fundamentaler Bestandteil des menschlichen Lebens. Kleine Kinder lernen unfassbar schnell und präzise durch das Abschauen und Nachmachen bestimmter Handlungsabfolgen und -schemata, jedoch ebenso durch Überwindung von Problemen, die im Verständnis der Sache selbst liegen. Scheinbar triviale Dinge oder Spiele wie z.B. ein Puzzle können das Interesse des Menschen derart auf sich ziehen, dass derjenige, der sich intensiv damit beschäftigt, Mühe hat davon loszukommen. In der sozialen Praxis kann man Kinder oft dabei beobachten, dass sie von einem Spiel so fasziniert sind, dass sie sich auf nichts Anderes mehr konzentrieren können. Die Welt um sie herum scheint vergessen zu sein als wären sie in einem Bann gefangen, der von dieser einen Sache ausgeht. Andreas Dörpinghaus vergleicht dieses Interesse und die Neugierde am Lernen, durch die Bildung ermöglicht wird, mit dem griechischen Begriff eros. „Dieser Eros, diese Lust auf Bildung, dieses Angemacht-werden-von-etwas und Nicht-mehr ablassen-können, weil es uns beschäftigt und uns keine Ruhe lässt (…) ist eine unbändige Neugierde, die sich an den Dingen entzündet und für deren Verständnis man all die Mühen auf sich nimmt.“ (Dörpinghaus, 2009, S. 8).
Jean-Jacques Roussau versteht Bildung ganz im Sinn der Selbstbildung als einen Entwicklungsprozess. Er geht davon aus, dass der Mensch von Natur aus gut ist jedoch der Charakter durch die Gesellschaft verdorben wird. Gemäß seines Leitbildes der natürlichen Bildung soll der Mensch sich auf ganz natürliche Weise entfalten können, damit er frei, unabhängig und selbstständig werden kann. Dazu sollten Kinder nicht durch Ver- und Gebote gehindert und durch vorgegebene, den Interessen der Erwachsenen dienende Erziehungsziele belehrt werden. Das Kind soll eher durch die Methode des Beispiels dazu gebracht werden zu verstehen, warum es etwas tun oder nicht tun soll. Der Erzieher ist mehr als ein passiver Begleiter zu verstehen, der das Kind im Sinn einer negativen Erziehung unterstützt. (vgl. Sturma, 2001, S. 125- 137)
„Das Kind darf nicht einfach über vorgegebene Erkenntnisse belehrt werden. Es muss vielmehr in den Stand versetzt werden, im Verlauf seiner Bildung selbst zu erkennen, was wahr, gut und schön ist.“ (Sturma, 2001, S. 127)
Aus diesen Gedanken lässt sich schließen, dass Bildung auch als ein Prozess des Erkennens und Gestaltens verstanden werden kann. Durch ein reflektiertes, selbstkritisches Hinterfragen der eigenen Handlung entsteht das Gefühl sich selbst fremd zu werden. Dadurch erschließt sich der Person ein neues Selbstverständnis, denn „(…) Bildung umfasst so eine Transformation des Selbst“ (Dörpinghaus, 2009, S. 9). Diesen Gedanken weitergedacht, zeigt sich, dass durch Bildungsprozesse Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gefördert werden, da Menschen ihre Person bzw. ihre Identität konstituieren können. Ludwig Liegle erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung des Begriffs „Autopoiesis, der ein Sich-Selbst-Hervorbringen meint“ und„... des ´autopoietischen` Charakters von Bildungsprozessen...“ (Liegle, 2002, S. 62f.) Dörpinghaus behauptet, dass Bildung immer mit einem sog. „kulturellen Gedächtnis“ verbunden sei, durch das Menschen sich wie durch einen kulturellen Spiegel ihrer eigenen geschichtlichen Situation und ihrer Kulturgüter bewusst werden. (vgl. Dörpinghaus, 2009, S. 12) Er geht weiter davon aus, dass diese Kulturgüter wie Kunst, Musik, Sprache etc. für Menschen wichtig sind, da sie eine Möglichkeit bieten, sich mit dem Wesen Mensch selbst auseinanderzusetzen und entsprechend die Gegenwart in ihrem historischen Kontext zu interpretieren. Sie geben den Menschen also durch ihre sinnstiftende Funktion eine Form der Orientierung. (vgl. Dörpinghaus, 2009, S. 12f.)
Aus diesen Ideen lassen sich mannigfaltige, weitere Überlegungen ableiten. Zum einen werden dabei Diskrepanzen zwischen persönlichen und anderen Sichtweisen, eigenen und fremden Kulturen, unterschiedlichen ethischen Normen sowie gesellschaftspolitischen Systemen deutlich. Durch eine reflexive, hinterfragende Grundhaltung wird man sich der Involvierung im sozialen,
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- B.A. Jennifer Weyermann (Author), 2014, Die Bedeutung der Pädagogik bei der Definition eines Bildungsbegriffs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300680