Auffällig ist, dass es eine deutliche Differenz im Umgang mit homosexuellen Menschen zwischen dem westlich geprägten und dem orthodoxen Europa gibt.
Dies erinnert stark an das Modell des Clash of Civilizations von Samuel P. Huntington, welches er 1993 in seinem Artikel „The Clash of Civilizations?“ veröffentlichte. Auch dort spaltet sich Europa in zwei Lager, besser ausgedrückt Zivilisationen: eine westlich-christlich geprägte und eine orthodox geprägte Zivilisation Europas sowie genau genommen noch eine dritte, islamisch geprägte. Nach Beendigung des Kalten Krieges und damit auch dem Ende der ideologischen Teilung Europas folge nun eine neue Teilung anhand kultureller Unterschiede zwischen den besagten Zivilisationen.
Bei Betrachtung der Menschenrechtssituation für Schwule und Lesben in Europa stellt sich daher die Frage, ob der Umgang verschiedener Nationen mit Homosexuellen ein Muster aufweist, welches Huntingtons These der acht Zivilisationen unterstützen würde oder nicht.
In der wissenschaftlichen Literatur wurden zwei Beiträge gefunden, die sich bereits mit diesem Thema beschäftigt haben und zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen.
Aus diesen Überlegungen leitet sich nun die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit ab: Führt die kulturelle Globalisierung homosexueller (Zusammen-)Lebensmodelle zu einem neuen Clash of Civilizations nach Samuel P. Huntington?
Inhaltsverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
II Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 The Clash of Sexual Civilizations
1.2 Vorgehensweise und Methoden
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Die kulturelle Globalisierung homosexueller Lebensmodelle
2.1 Kulturelle Globalisierung und Geographie
2.2 Homosexualität und Geographie
2.3 Geschichte der Homosexualität
2.4 Ein globaler Überblick
2.5 The West against the Rest?
3. Fallbeispiel Dänemark
3.1 Die Entstehung des gleichgeschlechtlichen Partnerschaftsgesetzes
3.2 Die dänische Kultur
3.3 Der dänische Domino-Effekt
4. Der westliche Diskurs
5. Fazit und Ausblick
III Literaturverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Menschenrechtssituation für Schwule und Lesben in Europa (Arte.tv 2013)
Abbildung 2: Europas Grenze zwischen westlicher und orthodoxer/islamischer Zivilisation (linke Abbildung) (Huntington 1993: 30)
Abbildung 3: Huntingtons Zivilisationen (rechte Abbildung) (Morice 2014)
Abbildung 4: Rechtliche Situation homosexueller Menschen weltweit (Silje, Dralwik et al. 2014)
Abbildung 5: Chronologie zum dänischen Partnerschaftsgesetz (eigene Darstellung und Zusammenstellung nach Søland 1998: 50-61; Arte.tv 2013)
Abbildung 6: Axel Lundahl-Madsen und Eigil Eskildsen, erstes Paar der Welt in offizieller gleichgeschlechtlicher Partnerschaft (Special K 2013)
Abbildung 7: Basiskonzepte dänischer Kultur (eigene Darstellung nach Søland 1998: 58ff.)
Abbildung 8: Ausschnitt aus dem westlichen Diskurs über Homosexualität (eigene Darstellung und Zusammenstellung nach Dovere 2013; Queerunibasel.ch 2013; YouTube 2013: 0:46 Min.; Queer.de 2011)
Abbildung 9: Massendemonstrationen in Europa gegen die Einführung der Gesetze gegen Homosexuellen-Propaganda in Russland (Lloyd 2013)
Abbildung 10: Massendemonstrationen gegen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Frankreich (Volkert 2013)
Abbildung 11: Straßenschlachten nach der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Frankreich (Reuters 2013)
II Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Thematisch ausgewählte Autorinnen und Autoren der vorliegenden Arbeit mit Herkunft und Fachbereich (eigene Zusammenstellung)
Tabelle 2: Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft für Homosexuelle sowie der gleichgeschlechtlichen Ehe in den nordischen Ländern bzw. Gebieten (eigene Zusammenstellung nach Rydström 2001: 171-201.; Arte.tv 2013)
1. Einleitung
1.1 The Clash of Sexual Civilizations
Die Menschenrechtssituation für Schwule und Lesben in Europa wurde von der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association, kurz ILGA, in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union untersucht (vgl. Abb. 1). Dabei kam heraus, dass die Situation in den meisten europäischen Ländern im mittelmäßigen, guten oder sehr guten Bereich liegt. Ausnahmen bilden vor allem die orthodoxen Länder Europas, wie beispielsweise Russland, Weißrussland oder die Ukraine, in denen extreme Diskriminierungen und Verstöße gegen die Menschenrechte festgestellt wurden. Auffällig ist also, dass es eine deutliche Differenz im Umgang mit homosexuellen Menschen zwischen dem westlich geprägten und dem orthodoxen Europa gibt. Dies erinnert stark an das Modell des Clash of Civilizations von Samuel P. Huntington, welches er 1993 in seinem Artikel „The Clash of Civilizations?“ veröffentlichte. Auch dort spaltet sich Europa in zwei Lager, besser ausgedrückt Zivilisationen: eine westlich-christlich geprägte und eine orthodox geprägte Zivilisation Europas sowie genau genommen noch eine dritte, islamisch geprägte (vgl. Abb. 2). Nach Beendigung des Kalten Krieges und damit auch dem Ende der ideologischen Teilung Europas folge nun eine neue Teilung anhand kultureller Unterschiede zwischen den besagten Zivilisationen (Huntington 1993: 29f.).
Abbildung 1: Menschenrechtssituation für Schwule und Lesben in Europa (Arte.tv 2013)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Europas Grenze zwischen westlicher und orthodoxer/islamischer Zivilisation (linke Abbildung) (Huntington 1993: 30)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Huntingtons Zivilisationen (rechte Abbildung) (Morice 2014)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um genauer auf Huntingtons Thesen eingehen zu können, muss die Perspektive auf eine globale Ebene gehoben werden. Huntington unterteilt die Welt in acht Zivilisationen, genauer gesagt in die westliche, orthodoxe, islamische, lateinamerikanische, konfuzianische (und buddhistische), hinduistische, afrikanische (vgl. Abb. 3) und japanische (Huntington 1993: 25). Diese Zivilisationen sieht er als kulturelle Entitäten, die in kleinere Subzivilisationen zerlegt werden können – beispielsweise unterteilt sich die islamische Zivilisation in die arabische, türkische und malaiische Subzivilisation (ebd.: 23f.). Jedoch bilden sie die größtmögliche Ebene der Zusammenfassung kulturell ähnlicher Menschen (ebd.: 23f.). Individuen einer Zivilisation teilen gemeinsame Werte und mitunter spielen Geschichte, Sprache, Religion, Traditionen und Institutionen eine wichtige Rolle (ebd.: 24). Besondere Bedeutung kommt der Selbstidentifikation der Menschen zu (ebd.: 24), wodurch der subjektive Charakter der Festlegung genannter Zivilisationen deutlich wird. Die Grenzen der Zivilisationen können sich also im Laufe der Zeit verändern. Auch sagt Huntington (1993: 24), dass es Überlappungen zwischen den einzelnen Zivilisationen, bzw. Subzivilisationen, gibt.
Während im Mittelalter Konflikte zwischen Monarchien die Regel waren, wurden diese seit dem Westfälischen Frieden von 1648 nach und nach von Kontroversen zwischen Nationalstaaten abgelöst (Huntington 1993: 22f.). Diese wichen im 20. Jahrhundert ideologischen Kämpfen zwischen demokratischen, sozialistischen und faschistischen Blöcken (ebd.: 22f.). Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs traten ideologische Differenzen zugunsten kultureller in den Hintergrund – nicht nur in Europa (ebd.: 29). Es kommt zum Clash of Civilizations, der sich vor allem entlang der Grenzen zwischen Zivilisationen ereignen werde (ebd.: 22). Gleichzeitig werde es zwar auch Konflikte innerhalb einer Zivilisation geben, diese seien allerdings weniger intensiv und gewaltsam (ebd.: 38). Da die Interaktionen von Individuen unterschiedlicher Zivilisationen miteinander – im Zuge der Globalisierung – deutlich zugenommen haben, werden den Personen die Unterschiede immer bewusster und die Identifikation mit der eigenen Zivilisation wird immer größer (ebd.: 25). Die Konflikte finden also zum einen auf der Mikroebene – zwischen Personen unterschiedlicher Zivilisationen – statt, zum anderen aber auch auf der Makroebene – zwischen Nationalstaaten oder supranationalen Institutionen verschiedener Zivilisationen (ebd.: 29). Beides zeigt sich sehr präsent in den Medien: ersteres zum Beispiel anhand von Konflikten zwischen Israelis (westlich) und Palästinensern (islamisch), letzteres beispielsweise durch Kontroversen zwischen der Europäischen Union (westlich) und Russland (orthodox) oder zwischen China (konfuzianisch) und Japan (japanisch).
Bei erneuter Betrachtung der Menschenrechtssituation für Schwule und Lesben in Europa (vgl. Abb. 1) stellt sich nun die Frage, ob der Umgang verschiedener Nationen mit Homosexuellen ein Muster aufweist, welches Huntingtons These der acht Zivilisationen unterstützen würde oder nicht. In der wissenschaftlichen Literatur wurden zwei Beiträge gefunden, die sich bereits mit diesem Thema beschäftigt haben. Ronald Inglehart und Pipper Norris befürworten in ihrem 2003 geschriebenen Artikel „The True Clash of Civilizations“ diese These. Sie haben die westliche mit der islamischen Zivilisation verglichen und zum einen Gemeinsamkeiten in Bezug auf den Wunsch nach demokratischen Regierungsstrukturen festgestellt, zum anderen aber fundamentale Unterschiede in der Einstellung gegenüber Rechten von Homosexuellen, welche ihrer Ansicht nach zu einem Clash führen könnten (Inglehart und Norris 2003: 63f.). Rüdiger Lautmann ist dagegen etwas kritischer, wie er in seinem Artikel „Globaler Konflikt der sexuellen Zivilisationen? Zur Transformation der Sexualkulturen“ von 2012 schrieb. Er spricht sich zwar auch für einen Zusammenhang von Huntingtons These mit der Einstellung zu Homosexualität aus, jedoch sieht er die Konflikte nicht zwischen den Zivilisationen ausgetragen, sondern innerhalb einer Gesellschaft (Lautmann 2012: 561). Ethnisch stark gemischte Länder hätten daher ein hohes Konfliktpotential, da extrem unterschiedliche Vorstellungen über und Einstellungen zu Homosexualität aufeinander prallen (ebd.: 561). Aus diesen Überlegungen leitet sich nun die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit ab: Führt die kulturelle Globalisierung homosexueller (Zusammen‑)Lebensmodelle zu einem neuen Clash of Civilizations nach Samuel P. Huntington?
Zur Beantwortung dieser Frage ist sowohl ein Blick in die Wissenschaft als auch in Medien und Alltagsdiskurse notwendig, was im Folgenden über die Vorgehensweise und die Wahl der Methoden genauer ausgeführt wird.
1.2 Vorgehensweise und Methoden
Für die vorliegende wissenschaftliche Arbeit wurde zunächst die bereits vorhandene wissenschaftliche Literatur zum Thema studiert und anschließend die wichtigsten Inhalte in Bezug auf die Forschungsfrage zusammengetragen. Es wurde nach Belegen sowohl für als auch gegen die Fragestellung gesucht und zudem ein breites Hintergrund- und Überblickswissen aufgebaut, welches in den folgenden Kapiteln nähergebracht werden soll. Ein Blick in die speziell zur Forschungsfrage vorhandene und (mit universitären Mitteln) frei verfügbare wissenschaftliche Literatur zeigt die Diversität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit dem Thema auseinandersetzen (vgl. Tab. 1). Auffällig ist jedoch, dass nur einer der Autoren aus dem deutschsprachigen Raum kommt und nur einer der Artikel von Geographinnen verfasst wurde (vgl. Tab. 1). Die Dominanz liegt klar bei Autorinnen und Autoren aus dem englischsprachigen Raum sowie bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Sozialwissenschaften, vor allem Politikwissenschaften und Gender Studies.
Tabelle 1: Thematisch ausgewählte Autorinnen und Autoren der vorliegenden Arbeit mit Herkunft und Fachbereich (eigene Zusammenstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Verteilung spiegelt auch das generelle Bild wieder. Zum einen sind Inhalte zum Thema Sexualität in der Geographie bisher nur Randthemen und von deutlich geringerer Bedeutung als in benachbarten Sozial- und Kulturwissenschaften, zum anderen sind die geographischen Beiträge zur Sexualität hauptsächlich im englischsprachigen Raum verfasst worden. Um die Relevanz des Themas für die Geographie zu verdeutlichen und hervorzuheben, wird in dieser Arbeit besonderen Wert auf eine regelmäßige Verknüpfung der Sachverhalte mit der Geographie gelegt.
Auffällig ist, dass die Artikel ausschließlich von Autorinnen und Autoren aus der westlichen Welt geschrieben wurden. Da wahrscheinlich auch die vorliegende Arbeit westlich geprägt ist, sollte beim Lesen berücksichtigt werden, dass die Perspektive womöglich eingeschränkt und/oder zum Teil eurozentrisch sein kann. Denkbar ist, dass der gezogene Schluss in der Arbeit ein anderer wäre, wenn auch Meinungen und Diskurse aus nicht-westlichen Ländern hinzugezogen werden würden. Leider war es nicht möglich entsprechende Literatur zu finden, die der Schwerpunktsetzung der vorliegenden Arbeit entspricht.
Neben der Verwendung wissenschaftlicher Literatur war es außerdem wichtig, auf Beiträge in den Medien zurückzugreifen, um einen aktuellen Diskurs präsentieren zu können und die Bedeutung des Themas im alltäglichen Leben darzustellen. Die zur Analyse verwendeten Medienbeiträge sind ebenso wie die wissenschaftlichen Beiträge am Ende der Arbeit im Literaturverzeichnis zusammengetragen. Zur visuellen Unterstützung und inhaltlichen Erweiterung der Arbeit dienen Karten, Fotos, Schaubilder und Tabellen. Diese sind im Abbildungs- und Tabellenverzeichnis zusammengefasst. Bei den Karten wurden außerdem die Quellen für deren Datengrundlage auf Validität, Objektivität, Reliabilität sowie Aktualität geprüft. Nachdem nun bereits die Formteile der Arbeit erläutert wurden, folgt ein Überblick über die inhaltliche Zusammensetzung der Arbeit.
1.3 Aufbau der Arbeit
Kapitel 2 setzt sich zunächst mit den Begrifflichkeiten Globalisierung, kulturelle Globalisierung und Homosexualität auseinander und setzt diese in den Kontext der Geographie. Anschließend wird die Situation homosexueller Menschen sowohl auf zeitlicher als auch auf räumlicher Ebene dargelegt. Schließlich werden die entscheidenden Inhalte zusammengetragen und dienen am Schluss des Kapitels zur Schärfung der Forschungsfrage durch die Formulierung einer weiteren, untergeordneten Subfrage und damit einer regionalen Konzentration auf den Westen.
Im 3. Kapitel soll die Subfrage anhand eines Fallbeispiels untersucht werden. Hierfür dienen das Land Dänemark und die dortigen Prozesse vor, während und nach der Verabschiedung eines Gesetzes zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Nach einem geschichtlichen Einstieg und Ablauf wird ein kultureller Blick auf Dänemark gegeben. Anschließend wird untersucht, wie durch Prozesse der kulturellen Globalisierung Ideen von homosexuellen Zusammenlebensformen zunächst in die nordischen Nachbarländer weitergetragen wurden und anschließend eine Ausbreitung in das restliche Europa sowie auf andere Kontinente stattgefunden hat.
Um die Aktualität, Brisanz und Relevanz des Themas zu verdeutlichen, dienen im 4. Kapitel Berichte aus den Medien (überwiegend Internet-Artikel sowie ein YouTube-Video). Diese stellen einen Ausschnitt aus dem westlichen Diskurs zum Thema Homosexualität dar. Im 5. Kapitel werden die wichtigsten Pros und Kontras in Bezug auf Forschungsfrage und Subfrage aus den vorigen Kapiteln zusammengefasst und in Form eines Fazits bewertet. Eine kritische Stellungnahme und ein Ausblick schließen das Kapitel und die Arbeit ab.
2. Die kulturelle Globalisierung homosexueller Lebensmodelle
2.1 Kulturelle Globalisierung und Geographie
Im Vorwort seines Buches „Globalisierung“ schreibt Backhaus (2009: 8): „Wie kaum ein anderes Fach eignet sich die Geographie zur Beschreibung und Analyse der Globalisierung. Durch die Breite und Differenzierung bietet das Fach viele Anknüpfungspunkte an die verschiedenen Prozesse, welche Globalisierung ausmachen“. Der geographischen Disziplin wird hier ein hohes Potenzial zur Globalisierungsforschung aufgrund der Vielseitigkeit des Faches nachgesagt. In einem, eigens der Geographie gewidmeten, Kapitel wird diese These weiter ausgeführt. Anhand dessen wird im Folgenden die Globalisierung mit speziellem Blick auf Anwendungsbereiche und Überschneidungen mit Inhalten der Geographie dargestellt. Eine umfassende Definition der Globalisierung bietet Fäßler (2007: 30):
„Globalisierung wird als ein Prozess aufgefasst, in dessen Verlauf (a) soziale Interaktionen immer weitere Räume erschließen (Expansion), (b) zunehmend dichtere Interaktionsnetzwerke diese Räume durchziehen (Netzwerkverdichtung), aus denen (c) globale Wechselwirkungen (Reziprozität) erwachsen, welche (d) den strukturellen Umbau (Transformation) einbezogener Gesellschaften befördern.“
Der Charakter der Globalisierung ist also vor allem prozesshaft. Darüber hinaus wirkt die Globalisierung sowohl global als auch lokal (Backhaus 2009: 54) und gerät außerdem häufig aufgrund von Konflikten und negativen Konsequenzen in die Medien und das öffentliche Interesse (ebd.: 10 und 14). Die Geographie untersucht genau das: Prozesse und Probleme auf der Erde – auf unterschiedlichen Maßstabsebenen (ebd.: 54). Berücksichtigt werden Kategorien wie Kultur, Gesellschaft, Natur, Wirtschaft und Politik, die ebenfalls bedeutend für die Globalisierung sind. Der aufgezeigte interdisziplinäre Charakter des Faches wird durch seine enge Zusammenarbeit mit Nachbardisziplinen aus Kultur-, Sozial-, Wirtschafts-, Politik- und Naturwissenschaften bestärkt, die sich genau wie die Geographie mit Themen der Globalisierung befassen (ebd.: 53). Im Gegensatz zu anderen Disziplinen wird in der Geographie versucht, Ereignisse und Situationen im Kontext zu betrachten, statt sich auf die Perspektive aus einer der genannten Kategorien zu spezialisieren, was bei dem komplexen Phänomen der Globalisierung von großem Vorteil ist (ebd.: 55). Die netzwerkartigen Verflechtungen sozialer Interaktionen können somit umfassend und zusammenhängend untersucht werden.
Zwar wurde die Globalisierung vor allem aus wirtschaftlichen Motiven heraus angetrieben (Fäßler 2007: 30f.), doch ist auch der Einfluss und die Bedeutung der Kultur nicht zu vernachlässigen (Backhaus 2009: 215). Die sogenannte kulturelle Globalisierung verstärkt die Verbreitung kultureller Werte und Normen – z. B. über Filme, Musik, Mode, aber auch durch Tourismus und Migration – auf globaler Ebene (ebd.: 42) sowie die individuelle Aneignung dieser auf lokaler Ebene (ebd.: 219). Dieser Definition liegen zwei kulturwissenschaftliche Konzepte zugrunde: ein weiter Kulturbegriff sowie ein fließendes Kulturverständnis.
Während ein enger Kulturbegriff die Kultur mit Künsten und Bildung gleichsetzt, bezieht sich die vorliegende Arbeit auf den weiten Kulturbegriff. Bei diesem setzt sich die Kultur zusammen aus „Werten, die Mitglieder einer bestimmten Gruppe teilen, den Normen, denen sie folgen und den materiellen Gütern, die sie kreieren“ (Backhaus 2009: 216). Daran schließt sich eine Unterscheidung zwischen statischem und fließendem Verständnis von Kultur an. Lange Zeit dominierte ein statisches Kulturverständnis, welches die räumliche Verankerung von Gesellschaften und Kulturen postulierte. Kultur und räumliche Entitäten wurden deckungsgleich betrachtet. Es wurde davon ausgegangen, dass „Kulturen klar begrenzt werden können und mehr oder weniger an einen bestimmten Ort gebunden sind und dass alle, die an diesem Ort leben, dieser Kultur angehören (sollten)“ (ebd.: 216). Beispiele hierfür sind Annahmen wie „die Deutschen leben in Deutschland“ oder „die Ostfriesen leben in Ostfriesland“ und umgekehrt: „in Ostfriesland leben Ostfriesen“ oder „in Deutschland leben Deutsche“.
Im Zeitalter der Globalisierung ist ein statisches Kulturverständnis nicht länger tragbar, da Kulturen ineinander übergehen, nicht eindeutig voneinander trennbar und nicht zwangsläufig räumlich ver-ortbar sind (Backhaus 2009: 218). Ein fließendes Kulturverständnis stellt dagegen die Wahl in den Vordergrund, die jedes Individuum in Bezug auf seine/ihre Kultur hat. Die „kulturelle Identität [besteht] aus einer Neuzusammensetzung und einer bestimmten Wahl von ‚kulturellem Material‘, das (zumindest theoretisch) allen zugänglich ist“ (ebd.: 218). Hier wird also zum einen die Veränderlichkeit von Kultur deutlich, zum anderen die eigene Reflexion, die bei der Wahl und Zusammensetzung kultureller Eigenschaften eine Rolle spielt. Die Globalisierung hat diesen Prozess verstärkt, indem nun „die meisten kulturellen Muster und Informationen von außen auf eine Gemeinschaft zu[kommen]“ (ebd.: 218). Geklärt werden muss nun auch, inwiefern Homosexualität im Zusammenhang mit der kulturellen Globalisierung gesehen werden kann und wie diese Wechselwirkungen innerhalb der Geographie sinnvoll untersucht werden können.
[...]
- Quote paper
- S. Beier (Author), 2014, "Clash of Civilizations". Samuel Huntingtons These und die kulturelle Globalisierung homosexueller Lebensmodelle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300081
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