Der „aller größte[] Wutrich und Tirann, den [er] je erkund auf aller dieser Erden“ soll der walachische Woiwode aus dem 15. Jahrhundert, Vlad III. Drăculea, laut dem kaiserlichen Hofdichter Friedrich des III., Michael Beheim, gewesen sein. „Unzählige Türken“ habe er auf Pfähle gesteckt und „zwischen ihnen mit Freunden vornehm gespeist“. Auch „Bettler und „die von Krankheit und Schicksal Geschlagenen“ seien dem Blutdurst des grausamen Tyrannen regelmäßig zum Opfer gefallen. Die Liste der angeblichen Greueltaten ließe sich endlos weiterführen. Umso erstaunlicher erscheinen die Worte des früheren rumänischen Regierungschefs Nicolae Stoicescu mit denen er 500 Jahre später den mittelalterlichen Woiwoden zu charakterisieren versucht. In Zeiten der Bedrohung durch das vordringende osmanische Reich sei er ein „model to posterity“ gewesen sein: „He organized the people’s army […], harshly punished disobedience and treason, restored order in the rule of the country and instilled a sense of honesty in his inhabitants“. Er habe weiterhin sogar unermüdlich versucht „a system of foreign alliances“ aufzubauen, um als Verteidiger des Christentums die Glaubensgemeinschaft zu beschützen. Das Bild des harten, aber gerechten Fürsten, der auf Seiten des Christentums gegen den osmanischen Feind kämpft steht dabei völlig konträr zur ersten Assoziation, die sich im Westen untrennbar mit dem Namen „Dracula“ verbunden hat: Vampirismus. Vlad Tepes tritt also in völlig unterschiedlichen Erscheinungen auf: als Tyrann, als Bollwerk gegen die Osmanen und schließlich auch als angeblich erster Vampir der Literaturgeschichte.
Die auffällig unterschiedlichen und mannigfaltigen Charakterisierungen des walachischen Woiwoden lassen bereits die schwierige Fassbarkeit der historischen Figur erahnen. Dabei wurde Vlad III. Drăculea etwa 500 Jahre von der Geschichtswissenschaft nahezu vollkommen ignoriert. Lenkten zumindest die rumänischen Historiker ihren Blick gegen Anfang des 18. Jahrhunderts auf Vlad, so wurde die Geschichtswissenschaft im Westen erst 1897, zum Zeitpunkt des Erscheinens von Bram Stokers Dracula, überhaupt erst auf die Existenz des mittelalterlichen Fürsten aufmerksam. Die Veröffentlichung des Romans und das in ihm vorherrschende Thema des Vampirismus verbanden sich im Westen untrennbar mit den Nachforschungen über den walachischen Fürsten. Grund hierfür ist lediglich der Name, den Stoker seinem Protagonisten gab: Graf Dracula. Ausgehend von einer Namensübereinstimmung...
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Vlad III. Drǎculea - Woiwode der Walachei
- 2.1 Vlad III. Drǎculea in zeitgenössischen Quellen
- 2.1.1 Die Überlieferung aus dem Byzantinischen und Osmanischen Reich
- 2.1.2 Die europäischen Quellen
- 2.1.2.1 Dokumentarische Quellen
- 2.1.2.2 Narrative Quellen
- 2.2 Vlad Ţepeş' Biographie – blutdürstiger Tyrann oder Verteidiger des christlichen Abendlandes?
- 2.3 Die Diskussion um die Gefangennahme durch Matthias Corvinus
- 3. Der „literarische Weg“ Vlad III. Drăculeas in der zentraleuropäischen Überlieferung
- 3.1 „Vnd deme quaden thyrane Dracole wyda“ - Vlad III. Drăcuela als Exempel des Bösen-antitürkische Propaganda in Literatur und Bild
- 3.1.1 Handschriften und Drucke
- 3.1.2 Abbildungen
- 3.2 Vlad III. Drǎculea in der spätmittelalterlichen Exempelliteratur
- 3.2.1 Das mittelalterliche Exemplum
- 3.2.2 Die Verwendung des Dracula-Exempels in der Kanzelrhetorik
- 3.2.3 Die Blutdurstmetapher in der Exempelliteratur
- 3.3 Vlad Ţepeş in Rumänien
- 3.3.1 Die rumänische schriftliche Überlieferung
- 3.3.2 Die rumänische mündliche Überlieferung
- 3.3.3 Vlad Ţepeş in der rumänischen und in der westlichen Historiographie
- 4. Bram Stokers Dracula – Untersuchung des Romans und der Arbeitsnotizen in Bezug auf die Vorbildthese
- 4.1 Die Veröffentlichung des Romans und der literaturgeschichtliche Kontext
- 4.2 Analyse der Arbeitsnotizen
- 4.2.1 Allgemeine Informationen
- 4.2.2 Erwähnungen Vlad Ţepeş' in den Arbeitsnotizen
- 4.3 Weitere Theorien
- 4.3.1 Die Theorie über Arminius Vambery
- 4.3.2 Die Bibliothek des Britischen Museums
- 4.4 Die Untersuchung des Romantextes
- 4.4.1 Kurze Inhaltszusammenfassung
- 4.4.2 Die Physiognomie des Grafen im Romantext
- 4.4.3 Die Biographie des Grafen im Romantext
- 4.4.3.1 Transsilvanien als Schauplatz in Dracula
- 4.4.3.2 Das Motiv der Grausamkeit im Text des Romans
- 4.4.3.3 Die Herkunft des Grafen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den „literarischen Weg“ von Vlad III. Drăculea, vom spätmittelalterlichen Woiwoden zum Vampir in Bram Stokers Dracula. Ziel ist es, die unterschiedlichen Darstellungen Vlads zu analysieren und die Entstehung des Dracula-Mythos zu beleuchten. Die Arbeit betrachtet die historischen Quellen, die literarische Verarbeitung Vlads im deutschsprachigen Raum und in Rumänien, sowie die Rezeption in Bram Stokers Werk.
- Die historische Figur Vlad III. Drăculea und seine Darstellung in zeitgenössischen Quellen.
- Die Entwicklung des Bildes Vlads in der spätmittelalterlichen Literatur und Propaganda.
- Der Einfluss regionaler Überlieferungen (Rumänien vs. Zentraleuropa) auf das Vlad-Bild.
- Die Analyse von Bram Stokers Dracula und die Frage nach der Vorbildfunktion Vlads.
- Der Vergleich der verschiedenen literarischen und bildlichen Darstellungen Vlads.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die gegensätzlichen Bilder Vlad III. Drăculeas vor: den blutdürstigen Tyrannen und den Verteidiger des christlichen Abendlandes. Sie hebt die lange Ignoranz der westlichen Geschichtsschreibung gegenüber Vlad hervor und betont die entscheidende Rolle von Bram Stokers Dracula für das veränderte Bild des Woiwoden im Westen. Die Arbeit kündigt die Untersuchung der Quellenlage, die Analyse des literarischen Weges Vlads und den Vergleich der unterschiedlichen Darstellungen an.
2. Vlad III. Drǎculea - Woiwode der Walachei: Dieses Kapitel befasst sich mit der historischen Figur Vlad III. Drăculea. Es analysiert die zeitgenössischen Quellen aus dem byzantinischen, osmanischen und europäischen Raum, um ein möglichst umfassendes Bild des Woiwoden zu zeichnen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Diskussion um seine Biographie und die widersprüchlichen Beschreibungen seines Charakters und seiner Herrschaft. Die Gefangennahme durch Matthias Corvinus wird als ein Schlüsselfaktor für die spätere Diffamierung des Woiwoden eingeordnet. Dieses Kapitel legt die Grundlage für das Verständnis der nachfolgenden literarischen Interpretationen.
3. Der „literarische Weg“ Vlad III. Drăculeas in der zentraleuropäischen Überlieferung: Dieses Kapitel verfolgt den literarischen Weg Vlads von der spätmittelalterlichen Exempelliteratur bis in die moderne Zeit. Es analysiert, wie Vlad als Exempel des Bösen in der antitürkischen Propaganda verwendet wurde und welche Rolle die Blutdurstmetapher in dieser Darstellung spielte. Es vergleicht die Darstellung Vlads im deutschsprachigen Raum mit der rumänischen Überlieferung, sowohl schriftlich als auch mündlich, um regionale Unterschiede hervorzuheben. Die Verwendung von zeitgenössischen Abbildungen und Flugschriften trägt zum besseren Verständnis der Entwicklung seines Bildes bei.
4. Bram Stokers Dracula – Untersuchung des Romans und der Arbeitsnotizen in Bezug auf die Vorbildthese: Dieses Kapitel analysiert Bram Stokers Dracula und untersucht die Frage, inwiefern Vlad III. Drăculea als Vorbild für den Roman diente. Es betrachtet den literaturgeschichtlichen Kontext der Veröffentlichung des Romans, analysiert Stokers Arbeitsnotizen auf Erwähnungen Vlads und untersucht weitere Theorien zur Entstehung des Dracula-Charakters. Eine detaillierte Untersuchung des Romantextes, inklusive einer Analyse der Physiognomie, Biographie und des Motivs der Grausamkeit des Grafen Dracula, rundet das Kapitel ab.
Schlüsselwörter
Vlad III. Drăculea, Dracula, Vampir, Spätmittelalter, Walachei, Osmanisches Reich, Exempelliteratur, antitürkische Propaganda, Bram Stoker, Historiographie, Quellenkritik, Rumänien, Zentraleuropa, Blutdurst, Tyrannei.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Der "literarische Weg" Vlad III. Drăculeas
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Wandel des Bildes von Vlad III. Drăculea vom spätmittelalterlichen Woiwoden zum Vampir in Bram Stokers Dracula. Sie analysiert die verschiedenen Darstellungen Vlads und beleuchtet die Entstehung des Dracula-Mythos.
Welche Quellen werden in dieser Arbeit verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf eine breite Palette von Quellen, darunter zeitgenössische Dokumente aus dem byzantinischen, osmanischen und europäischen Raum, spätmittelalterliche Literatur (Exempelliteratur, Flugschriften), rumänische schriftliche und mündliche Überlieferungen, sowie Bram Stokers Roman "Dracula" und dessen Arbeitsnotizen.
Welche Aspekte von Vlad III. Drăculea werden untersucht?
Die Arbeit untersucht die historische Figur Vlad III. Drăculea, seine Darstellung in zeitgenössischen Quellen, die Entwicklung seines Bildes in der spätmittelalterlichen Literatur und Propaganda, den Einfluss regionaler Überlieferungen (Rumänien vs. Zentraleuropa), die Analyse von Bram Stokers Dracula und die Frage nach der Vorbildfunktion Vlads, sowie einen Vergleich der verschiedenen literarischen und bildlichen Darstellungen.
Wie wird die historische Figur Vlad III. Drăculea dargestellt?
Die Arbeit präsentiert die gegensätzlichen Bilder Vlads: den blutdürstigen Tyrannen und den Verteidiger des christlichen Abendlandes. Sie analysiert die widersprüchlichen Beschreibungen seines Charakters und seiner Herrschaft in den historischen Quellen und erklärt die Bedeutung seiner Gefangennahme durch Matthias Corvinus für seine spätere Diffamierung.
Welche Rolle spielt die spätmittelalterliche Literatur?
Die Arbeit analysiert die Verwendung Vlads als Exempel des Bösen in der antitürkischen Propaganda des Spätmittelalters. Sie untersucht die Rolle der Blutdurstmetapher und vergleicht die Darstellung Vlads im deutschsprachigen Raum mit der rumänischen Überlieferung (schriftlich und mündlich).
Wie wird Bram Stokers Dracula untersucht?
Die Arbeit analysiert Bram Stokers Dracula im Hinblick auf die Frage, inwiefern Vlad III. Drăculea als Vorbild für den Roman diente. Sie berücksichtigt den literaturgeschichtlichen Kontext, analysiert Stokers Arbeitsnotizen, untersucht alternative Theorien zur Entstehung des Dracula-Charakters und führt eine detaillierte Analyse des Romantextes durch (Physiognomie, Biographie, Motiv der Grausamkeit).
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu Schlussfolgerungen über die Entwicklung des Dracula-Mythos, die verschiedenen Interpretationen Vlads und den Einfluss historischer Quellen, regionaler Überlieferungen und literarischer Verarbeitung auf die Entstehung des modernen Bildes von Vlad III. Drăculea.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Vlad III. Drăculea, Dracula, Vampir, Spätmittelalter, Walachei, Osmanisches Reich, Exempelliteratur, antitürkische Propaganda, Bram Stoker, Historiographie, Quellenkritik, Rumänien, Zentraleuropa, Blutdurst, Tyrannei.
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- Anonym (Author), 2013, Vlad Tepes - Der Vampir? Der "literarische Weg" des walachischen Woiwoden Vlad Tepes vom Spätmittelalter bis zu Stokers "Dracula", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299972