In einer sich in immer stärkerer Weise globalisierenden Gesellschaft sind, aufgrund moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, Informationen so gut wie überall,
jederzeit und auf schnellem Wege verfügbar. Dies hat zweifelsfrei den Vorteil, dass im Rahmen einer Entscheidungsfindung auf eine breite Informations- und Datenbasis Rückgriff genommen werden kann. Neben diesen positiven Aspekten ergeben sich jedoch auch einige problematische Perspektiven. Die Exponiertheit bzgl. der Informationen und Daten macht es zum Einen erforderlich, hinsichtlich der Informationen zu filtern, welche von Entscheidungsrelevanz sind. Zum Anderen muss zeitgleich eine Beurteilung von Qualität und Güte dieser Informationen stattfinden, um die Entscheidung nicht von Vorhinein auf einer unvorteilhaften Basis fußen zu lassen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Thematik und Fragestellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2 Finanzanalysten als Kapitalmarktakteure
2.1 Definition und Klassifikation von Finanzanalysten
2.2 Analyseformen
2.2.1 Technische Analyse
2.2.2 Fundamentalanalyse
2.3 Nutzen und Nutznießer der Analysetätigkeit
2.3.1 Erklärungsansätze für die Existenz von Finanzanalysten
2.3.2 Profiteure der Analysetätigkeit
2.3.3 Finanzanalysten als Forschungsgebiet
2.4 Regulierungsaspekte
3 Finanzmarktprognosen und Prognosegenauigkeit
3.1 Gewinnprognosen als Teil der Analysetätigkeit
3.2 Messung von Prognosefehlern
3.2.1 Absolute Fehlermaße
3.2.2 Relative Fehlermaße
3.2.3 Benchmarkbasierte Fehlermaße
3.3 Gewinnprognosen und Verzerrungen
3.4 Einflussfaktoren auf die Prognosegenauigkeit
3.4.1 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren
3.4.1.1 Individuelle Verhaltensanomalien
3.4.1.2 Kollektive Verhaltensanomalien
3.4.2 Einfluss von Interessenkonflikten
3.4.2.1 Prinzipal-Agent-Theorie
3.4.2.2 Prinzipal-Agent Beziehungen in der Finanzanalyse
3.4.3 Weitere Einflussfaktoren
3.4.3.1 Einflussfaktoren auf Analystenebene
3.4.3.2 Einflussfaktoren aufUnternehmensebene
3.4.3.3 Einflussfaktoren auf staatlicher Ebene
3.5 Signalwirkung spezieller Merkmale von Finanzanalysten
4 Effekte zusätzlich prognostizierter Elemente
4.1 Gewinnprognosen in Kombination mit Umsatzprognosen
4.1.1 Datengrundlage derUntersuchung
4.1.2 Marktreaktionen auf ergänzte Prognosen
4.1.3 Einfluss auf die Prognosegenauigkeit
4.1.4 Zusammenfassung und Diskussion der Wirkungsweisen
4.2 Gewinnprognosen in Kombination mit Cash-Flow Prognosen
4.2.1 Datengrundlage derUntersuchung
4.2.2 Einfluss auf die Prognosegenauigkeit
4.2.3 Ursachen der Prognoseverbesserung
4.2.4 Zusammenfassung und Diskussion der Wirkungsweisen
4.3 Gewinnprognosen in Kombination mit Investitionshinweisen
4.3.1 Datengrundlage derUntersuchung
4.3.2 Einfluss auf die Prognosegenauigkeit
4.3.3 Beständigkeit der Ergebnisse
4.3.4 Zusammenfassung und Diskussion der Wirkungsweisen
5 Unternehmensmanagement und Gewinnprognosen
5.1 Beeinflussung von Gewinnen - Earnings Management
5.2 Beeinflussung von Erwartungen - Forecast Management
5.3 Wechselwirkungen - Earnings Game
6 Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Informationsverarbeitung durch Finanzanalysten
Abbildung 2: Finanzanalysten als Informationsintermediäre
Abbildung 3: Forschungsfelder der Finanzanalyse
Abbildung 4: Verzerrte Gewinnprognosen
Abbildung 5: Beispiele für kognitive Verhaltensanomalien
Abbildung 6: ExtremePrognosen
Abbildung 7: Weitere Determinanten der Prognosequalität
Abbildung 8: Erweiterung des Forschungsgebietes
Abbildung 9: Beispiel einer Aktienempfehlung
Abbildung 10: Beispiel für Expectations Management
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Buy-Side und Sell-Side Analysten
Tabelle 2: Formen der Informationseffizienz
Tabelle 3: Rechenbeispiel zum ME und MAE
Tabelle 4: Rechenbeispiel zu quadratischen Fehlermaßen
Tabelle 5: Rechenbeispiel zu relativen Fehlermaßen
Tabelle 6: Rechenbeispiel zum Theilschen Prognosefehlermaß
Tabelle 7: Variablen der Regressionsgleichung [8] bis [9]
Tabelle 8: Zusammenfassung der Untersuchungsvariablen
Tabelle 9: Berechnung des Nettogewinns
Tabelle 10: Variablen der Regressionsgleichungen [10] bis [13]
Tabelle 11: Beispiel zur Disaggregation des Gewinns
Tabelle 12: Berechnung der Cash-Flow Größen
Tabelle 13: Variablen der Regressionsgleichungen [14] bis [21]
Tabelle 14: Variablen der Regressionsgleichungen [22] bis [23]
Tabelle 15: Techniken des Earnings Managements
1 Einleitung
In einer sich in immer stärkerer Weise globalisierenden Gesellschaft sind, aufgrund moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, Informationen so gut wie überall, jederzeit und auf schnellem Wege verfügbar. Dies hat zweifelsfrei den Vorteil, dass im Rahmen einer Entscheidungsfindung auf eine breite Informations- und Datenbasis Rückgriff genommen werden kann. Neben diesen positiven Aspekten ergeben sich jedoch auch einige problematische Perspektiven. Die Exponiertheit bzgl. der Informationen und Daten macht es zum Einen erforderlich, hinsichtlich der Informationen zu filtern, welche von Entscheidungsrelevanz sind. Zum Anderen muss zeitgleich eine Beurteilung von Qualität und Güte dieser Informationen stattfinden, um die Entscheidung nicht von Vorhinein auf einer unvorteilhaften Basis fußen zu lassen.
1.1 Thematik und Fragestellung
Gerade im Finanz- und Wirtschaftsleben ist der Umgang mit Informationen in hohem Maße von Bedeutung. Finanzanalysten und im Speziellen Sell-Side Analysten bilden eine elementare Gruppe innerhalb der Akteure auf dem Kapitalmarkt. Sie sind aufgrund ihrer Tätigkeit der Informationssuche, -verarbeitung und -Weitergabe als klassische Informationsintermediäre zu bezeichnen. Im Rahmen dieser Prozesskette der Intermediation ergeben sich multiple Einflüsse auf die Qualität der Analyseergebnisse. Diese Ergebnisse der Finanzanalyse stellen wiederum einen bedeutsamen Ausgangspunkt von Entscheidungskalkülen weiterer Kapitalmarktteilnehmer wie privater und institutioneller Investoren dar. Für sie ist somit das Wissen um qualitätsbeeinflussende Faktoren von immanenter Wichtigkeit, um das Risiko einer Investitionsentscheidung von Vorhinein (ex-ante) adäquat zu ermessen und dementsprechend in ihr Entscheidungskalkül einzubeziehen.
Einen bedeutenden Teil der Finanzanalyse bildet das Erstellen von Prognosen und speziell die Erstellung von Gewinnprognosen für betrachtete Unternehmen. Die Qualität und Güte dieser Vorhersagen lässt sich im Nachhinein (ex-post) durch Vergleich von prognostiziertem und realisiertem Wert in Form des Prognosefehlers erfassen. Diese Operationalisierung macht es konkret an dieser Stelle möglich, der Frage nach Einflussfaktoren und Determinanten der Genauigkeit und somit der Qualität der Analyseergebnisse nachzugehen. Neben speziellen Charakteristika von Finanzanalysten und ihren Prognosen steht dabei die Frage im Raum, in wie weit sich zusätzliche Prognosen und deren Offenlegung wie etwa eine Vorhersage des Umsatzes neben der des Gewinns auf die Prognosegenauigkeit auswirken.
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick sowohl über individuelle Faktoren von Finanzanalysten als auch externe Determinanten geben, welche die Qualität von Gewinnprognosen beeinflussen. Zusätzlich erfolgt die Darstellung und Diskussion eines relativ neuen Schwerpunktes der Kapitalmarktforschung, welcher in diesem Kontext die Wirkung zusätzlich prognostizierter Elemente - wie etwa des Umsatzes eines betrachteten Unternehmens - untersucht.
Die Arbeit bedient sich dabei nachfolgender Gliederung: Kapitel 1 dient als Einführung in die Thematik und stellt die Problematik sowie den Aufbau der Arbeit dar. Das darauf folgende Kapitel 2 gibt einen Umriss der im Fokus stehenden Kapitalmarktakteure und ihrer Tätigkeit. Mit Kapitel 3 beginnt der Hauptteil der Arbeit durch Vorstellung des Bereichs der Gewinnprognosen und dem Aspekt der Prognosegenauigkeit. Ebenfalls zum Hauptteil der Arbeit zählt Kapitel 4, welches - basierend auf den Erkenntnissen in Kapitel 3 - die Darstellung hinsichtlich der Auswirkungen zusätzlich bereitgestellter Elemente durch die Analysten übernimmt. In Kapitel 5 rückt anschließend mit dem Management des Unternehmens eine weitere Gruppe der Ersteller von Gewinnprognosen in den Betrachtungsraum bevor im Rahmen einer Zusammenfassung mit Kapitel 6 die vorliegende Arbeit endet.
2 Finanzanalysten als Kapitalmarktakteure
Bevor die Qualität von Gewinnprognosen untersucht werden kann, bedarf es als Grundlage für das Verständnis der weiteren Ausführungen dieser Arbeit einer genaueren Erfassung der handelnden Personen sowie ihrer Tätigkeit. Aus diesem Grund soll das aktuelle Kapitel einen Überblick über Finanzanalysten, ihre Aktivitäten in Form der Finanzanalyse und deren Nutzen für den Kapitalmarkt und die dort agierenden Individuen und Institutionen geben.
2.1 Definition und Klassifikation von Finanzanalysten
Finanzanalysten lassen sich als professionelle Kapitalmarktakteure definieren, welche auf Basis unternehmerisch publizierter Daten und weiterer ihnen zur Verfügung stehenden Marktinformationen Wertpapiere auf dem Kapitalmarkt wie z.B. Aktien und Anleihen analysieren und bewerten (Finanzanalyse).[1] Grundlage dafür bilden neben individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Analysten der Einsatz von Kennzahlen und mathematischen Modellen zur Bewertung verschiedener Investitionsmöglichkeiten. Das in der Öffentlichkeit wohl bekannteste Ergebnis ihrer Tätigkeit bilden Aktienempfehlungen, d.h. Hinweise in der Form, eine spezielle Aktie im Bestand zu halten (hold bzw. neutral), zu kaufen (buy bzw. kaufen) oder zu verkaufen (sell bzw. verkaufen). Des Weiteren zählen Prognosen und Analyseberichte für betrachtete Unternehmen zu den essentiellen Resultaten der Analysetätigkeit. In Summe lassen sich folglich Arbeitsergebnisse von Finanzanalysten unter dem Begriff Informationsprodukte oder -güter zusammenfassen. Abbildung 1 verdeutlicht den Prozess der Informationssammlung, -verarbeitung und -weitergabe im Rahmen der Finanzanalyse.
Abbildung 1: Informationsverarbeitung durch Finanzanalysten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vgl. Ramnath/Rock/Shane (2008), S. 37.
Die Personengruppe der Finanzanalysten ist keinesfalls als homogen zu betrachten. Im Wesentlichen lassen sich zwei große Blöcke identifizieren und differenzieren.[2]
Zum Einen besitzen institutioneile Investoren wie Investmentgesellschaften oder Versicherungen eigene Researchabteilungen. Dort beschäftigte Analysten haben zum Ziel, ihrem Arbeitgeber bzw. dem verantwortlichen Portfoliomanager durch Sammeln und Aufbereiten von Informationen zu einer sachlich fundierten Investitionsentscheidung zu verhelfen und fungieren faktisch als Anlageberater. Vertreter dieser Kategorie werden als Buy-Side Analysten bezeichnet.
Die konträre Gruppe bilden Vertreter der Sell-Side Analysten. Diese stehen im Angestelltenverhältnis mit Broker-Unternehmen oder Investmentbanken, d.h. mit Institutionen, welche originär im Wertpapierhandel und Asset-Management verhaftet sind. Diese Analystenposition weist folglich eher distributiven als beratenden Charakter auf, da ihre Tätigkeit eine externe Zielkomponente beinhaltet. Erstellte Berichte, Prognosen und Empfehlungen sind an bestehende Kunden bzw. potentielle Neukunden des Arbeitgebers (private und institutionelle Investoren) und nicht in erster Linie an diesen selbst gerichtet. Diese institutionelle Unterscheidung der Finanzanalysten kann anhand einiger weiterer Gesichtspunkte noch vertieft werden. Tabelle 1 fasst dies in einer Übersicht zusammen.
Tabelle 1: Buy-Side und Sell-Side Analysten
Quelle: Eigene Darstellung nach Groysberg/Healy/Chapman (2008), S. 25-27.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Im Rahmen dieser vorliegenden Arbeit sind mit dem Begriff (Finanz-)Analysten ausschließlich Sell-Side Analysten gemeint. Bei Aussagen zu Wertpapieren und deren Analyse wird repräsentativ von Aktien ausgegangen.
2.2 Analyseformen
Finanzanalysten sammeln und werten Informationen aus, um in einem abschließenden Urteil eine Handlungsempfehlung zu geben. Im Rahmen der Wertpapieranalyse kann konzeptionell zwischen zwei Grundformen unterschieden werden.[3]
2.2.1 Technische Analyse
Bei der technischen Analyse werden historische Marktdaten mittels Kennzahlen oder Schaubildern aufbereitet und anschließend analysiert. Grundannahme dieser Analyseform ist es, dass sich Informationen auf dem Kapitalmarkt nur langsam ausbreiten und als Folge Trends entstehen können. Kurssteigerungen werden als Indiz für das Vorliegen guter Nachrichten gesehen, ein Abfallen des Kurses dementsprechend als Signal für negative Nachrichten. Diese Beobachtung wird genutzt, um die zukünftige Kursentwicklung zu prognostizieren (Richtungsprognose).
Problematisch an diesem Vorgehen ist zum Einen der Rückschluss von einer beobachteten Kursreaktion auf das Vorliegen einer entsprechenden Information und zum Anderen die Tatsache, dass Erfahrungswerte der Analysten im hohen Maße einfließen und Interpretationsspielräume bei der Deutung der Daten gegeben sind.
2.2.2 Fundamentalanalyse
Im Vergleich zur technischen Analyse weist die Fundamentalanalyse einen weitaus höheren Grad an Komplexität auf. Sie versucht unter Einsatz spezieller Bewertungsmodelle wie etwa dem Dividenden-Barwert-Modell (Dividend Discount Model, DDM) oder den Diskontierte-Cash-Flow Methoden (Discounted Cash-Flow, DCF) den fairen Kurs einer Aktie (respektive den fairen Unternehmenswert) zu bestimmen. Zu den Inputparametern der Analyse gehören neben publizierten Unternehmensdaten (Financial Statement etc.) und deren Aufbereitung auch Prognosen über die zukünftige Entwicklung (Gewinne, Zinsen, Wachstumsraten etc.) sowie qualitative Aspekte des Unternehmensgeschehens und umweltbezogene Daten. Ziel ist es, die Ertragskraft des Unternehmens in der Zukunft so exakt wie möglich zu erfassen und zu bewerten (innerer Wert der Aktie bzw. des Unternehmens). Der Vergleich zwischen ermitteltem fairen Wert und aktu- ellem Marktwert, welcher sich in Form einer Über- oder Unterbewertung manifestiert, bildet die Grundlage der Analystenempfehlung.
Der modellgestützte Ansatz liefert im Vergleich zwar eine ökonomisch begründete Einschätzung, ist aber letztlich ebenfalls mit Unsicherheit behaftet, z.B in Form hoher Prognoseunsicherheiten oder in der Bestimmung geeigneter Diskontierungssätze.
2.3 Nutzen und Nutznießer der Analysetätigkeit
Die Thematik, welchen Nutzen Finanzanalysten auf dem Kapitalmarkt erbringen, wirft zuvor eine Frage von existenzieller Natur auf. Erst wenn geklärt ist, warum Finanzanalysten als Institution auf dem Kapitalmarkt agieren, empfiehlt es sich, auf den Nutzen ihrer Arbeit und deren Profiteure zu sprechen zu kommen.
2.3.1 Erklärungsansätze für die Existenz von Finanzanalysten
Die Existenz von Finanzanalysten ist eng verknüpft mit der Thematik informationseffizienter Märkte. Ein in diesem Sinne effizienter Markt ist dadurch gezeichnet, dass sämtliche bewertungsrelevanten Informationen sich direkt in den Preisen der gehandelten Wertpapiere niederschlagen (Effizienzmarkthypothese).[4] Tabelle 2 zeigt verschiedene Ausprägungen der Effizienz hinsichtlich der zu Grunde liegenden Informationsmenge.
Tabelle 2: Formen der Informationseffizienz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Quelle: Eigene Darstellung nach Fama (1970), S. 383.
Ist der Kapitalmarkt auch nur im mittelstarken Sinne informationseffizient, so ist eine Researchtätigkeit, wie von den Analysten vorgenommen, mit keinem zusätzlichen Nut- zen verbunden und kein Kapitalmarktteilnehmer wäre bereit, diese Arbeit zu entlohnen. Sowohl eine technische als auch eine Fundamentalanalyse wären überflüssig, da alle relevanten Informationen bereits in den Preisen der Wertpapiere enthalten sind.
Die Frage nach dem Grad der Informationseffizienz real existierender Märkte ist Gegenstand zahlreicher Studien und Untersuchungen, wobei ein einheitliches und eindeutiges Bild zur empirischen Evidenz der Informationseffizienz auf Märkten nicht konstatiert werden konnte.[5] Als Reaktion auf die Kritik an der Effizienzmarkthypothese etwa durch Grossman und Stiglitz (1980) sieht Fama (1991) den Nutzen des Konzepts eines effizienten Marktes unter Verweis auf real existierende Kosten für den Handel und die Informationsbeschaffung (Transaktionskosten) als Vergleichsgröße (Benchmark), an der sich die Realität messen kann bzw. sollte.[6] Bestehende Transaktionskosten und somit Marktunvollkommenheiten (z.B. in Form von auftretenden Kosten für die Informationsbeschaffung aufgrund einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Emittenten und Anlegern von Wertpapieren) können folglich als Begründung für die Existenz von Finanzanalysten angeführt werden. Sie nehmen auf dem Kapitalmarkt eine Intermediationsfunktion ein, indem sie als Mittler zwischen Produzenten und Konsumenten eines Gutes agieren.[7] In diesem Fall handelt es sich bei diesem Gut um Kapitalmarktinformationen. Diese werden von den Analysten gesammelt, aufbereitet und an interessierte Investoren kommuniziert. Durch Spezialisierung und Erzielen von Skaleneffekten sind sie dazu befähigt, diesen Prozess kostengünstiger zu verrichten als mögliche alternative Arrangements, wie etwa eine selbständige Informationsbeschaffung und -auswertung durch die Investoren.[8]
Chung und Jo (1996) sehen zudem Analogien zwischen Finanzanalysten und Ratingagenturen, da sie Entscheidungen des Managements überwachen und publizieren und damit eine disziplinierende Wirkung ausüben können.[9] Diese Sichtweise auf Finanzanalysten als Überwachungs- und Kontrollinstanz geht konform mit dem Modell von Diamond (1984). In diesem übernimmt ein Finanzintermediär zwischen Anlegern und Kapitalnachfragern Überwachungs- und Kontrollaufgaben (delegated monitoring). Wie Diamond aufzeigt, kann dies unter bestimmten Bedingungen zu einer transaktionkostenoptimalen (Minimum an Transaktionskosten) Situation führen.[10] Das Verhältnis zwi-sehen Investoren und Analysten weist somit Ähnlichkeiten mit einer Prinzipal-Agent Beziehung auf, auch wenn keine explizite Vertragsbeziehungen bestehen. Finanzanalysten stellen einen möglichen Schutz gegen opportunistisches Verhalten des Managements dar, das den Interessen von Investoren zuwider laufen kann.[11] In wie Weit sich in diesem Zusammenhang Konflikte aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis der Analysten ergeben (Ziel- bzw. Interessenkonflikte) und welche Auswirkungen auf ihre Arbeitsergebnisse damit verbunden sein können, wird an anderer Stelle dieser Arbeit noch aufgegriffen und detaillierter diskutiert werden (vgl. Abschnitt 3.4.2 und Kapitel 5).
Abbildung 2 verdeutlicht die institutionelle Stellung von Finanzanalysten als Informationsintermediäre auf dem Kapitalmarkt.
Abbildung 2: Finanzanalysten als Informationsintermediäre
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kapitalfluss ► Informationsfluss
Quelle: Vgl. Healy/Palepu (2001), S.408.
2.3.2 Profiteure der Analysetätigkeit
Das Sammeln, Auswerten und Kommunizieren von Unternehmensinformationen durch Finanzanalysten kann das Informationsniveau auf dem Kapitalmarkt steigern. Je besser diese Transformation von privater in öffentliche Information stattfindet, desto eher reflektieren Preise alle bewertungsrelevanten Informationen. Auf diese Weise tragen Analysten dazu bei, die Effizienz des Kapitalmarktes zu steigern.
Als Teil der Investmentkette unterstützen sie Investoren zudem bei deren Entscheidungsfindung. Das Aufzeigen und Kommunizieren verschiedener Investitionsmöglichkeiten durch Prognosen und Empfehlungen ermöglicht es, eine Auswahl gemäß individueller Präferenzen zu treffen.
In diesem Kontext zeigt sich ein wesentlicher Aspekt des Nutzens von Finanzanalysen. Investoren unterliegen bei ihrer Portfoliobildung einem Trade-Off zwischen Risiko auf der einen und Rendite auf der anderen Seite. Dies manifestiert sich in der Art, dass eine höhere Rendite in der Regel nur unter in Kaufnahme eines höheren Risikos möglich ist. Eine höhere Effizienz des Marktes impliziert für Investoren ein geringeres Risiko aufgrund nicht bekannter Informationen einen Verlust zu erleiden. Für ein Unternehmen, welches sich durch den Kapitalmarkt finanziert, bedeutet dies wiederum als Konsequenz, dass Kapitalkosten niedriger ausfallen, da Renditeforderungen aufgrund geringerer Unsicherheit sinken (geringere Risikoprämie).[12] Neben diesem Einfluss auf Kapitalkosten stellen Finanzanalysen für Unternehmen neben Pflichtpublizität und freiwilliger Kommunikation wie etwa in Form von Public Relations, einen zusätzlichen Weg dar, in Kontakt mit der Öffentlichkeit zu treten und die Aufmerksamkeit zu steigern[13] Inwieweit das Management eines Unternehmens hier Einfluss nimmt und Wechselwirkungen mit Analyseergebnissen der Finanzanalysten bestehen, wird in Abschnitt 3.4.2 und Kapitel 5 detaillierter dargestellt.
Mit in vorderster Reihe der Nutznießer der Arbeit der Analysten stehen selbstverständlich neben ihnen selbst deren Arbeitgeber (Broker-Unternehmen und Investmentbanken). Empfehlungen der beschäftigten Analysten können Einfluss auf das Handelsvolumen von Wertpapieren haben und z.B. Erträge aus Kommissionsgeschäften auf Kosten der Investoren steigern.[14] Wie bereits angedeutet bietet diese Konstellation von Profitorientierung der Finanzanalysten und ihrer Arbeitgeber auf der einen Seite und Bedarf an unverfälschter objektiver Researchleistung für die Investoren andererseits, Raum für mögliche gravierende Interessenkonflikte mit Einfluss auf das Analyseergebnis (vgl. Abschnitt 3.4.2).
2.3.3 Finanzanalysten als Forschungsgebiet
Neben ihrer beschriebenen Tätigkeit auf dem Kapitalmarkt stehen Finanzanalysten sowohl als Personen als auch mit den Ergebnissen ihrer Arbeit im Fokus von Wissenschaft und Forschung. Die Forschung auf dem Gebiet der Finanzanalyse und Finanzmarktpro- gnose lässt sich in verschiedene Aspekte unterteilen. Folgende Abbildung 3 zeigt eine Übersicht über einige wesentliche Forschungsfelder, auf die im Anschluss näher eingegangen wird.
Abbildung 3: Forschungsfelder der Finanzanalyse
Quelle: Vgl. Ramnath/Rock/Shane (2008), S. 37.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Jedes der Forschungsfelder beschäftigt sich mit einem speziellen Aspekt innerhalb des mit der Arbeit der Finanzanalysten verbundenen Prozesses der Informationssammlung, -Verarbeitung und -Weitergabe. Des Weiteren sind die Ergebnisse der Finanzanalyse sowie Einflüsse auf deren Qualität von Interesse für die Kapitalmarktforschung.[15] Im Rahmen der Untersuchung der Entscheidungsprozesse von Analysten wird unter Anderem den Fragen nachgegangen, welche Informationen in ihre Entscheidungsfindung eingehen, wie sie diese beeinflussen, und in welcher Weise die Transformation von Informationen in konkrete Prognosen und Empfehlungen stattfindet.
Neben den Entscheidungsprozessen sind Fragen der Kompetenz von Analysten von Bedeutung und Interesse. Dabei zeigt sich Kompetenz in der Fähigkeit, qualitativ höherwertige (genauere) Prognosen zu erstellen. Gegenstand und Ergebnisse der Untersuchungen sind Eigenschaften und Merkmale, welche die Kompetenz der Analysten erklären. Obendrein werden in den Studien Umstände beleuchtet, die die Nützlichkeit von Prognosen erhöhen. Diesem Forschungsfeld lassen sich ebenfalls Untersuchungen zuordnen, die das Phänomen des Herdentriebs bzw. Herdenverhaltens bei Finanzprognosen und seine möglichen Ursachen zum Thema haben.
Ein drittes Feld befasst sich mit dem Informationsgehalt der Ergebnisse der Analys-tenarbeit, d.h. inwieweit werden durch Prognosen der Finanzanalysten Informationen transportiert und in welchem Ausmaß kongruieren diese Prognosen und die Erwartungen des Marktes miteinander. Dieser Informationsgehalt betrifft nicht nur Gewinnprognosen, sondern auch Prognosen von Gewinnkomponenten, wie der des Umsatzes. Relativ neu in diesem Zusammenhang ist eine Betrachtung kombinierter Wirkungsweisen, z.B. wie reagiert der Markt bei einer revidierten Gewinnprognose bei gleichzeitiger Kaufempfehlung durch die Analysten. Dieser Aspekt der Kombination wird in Kapitel 4 im Rahmen der Wirkung zusätzlicher Prognosen auf die Genauigkeit der Gewinnprognosen ebenfalls zum Tragen kommen.
Im Bereich der Effizienz wird z.B. der Frage nachgegangen, ob die Informationsverarbeitung durch die Analysten auf effiziente Weise stattfindet oder Anzeichen für (systematische) Verzerrungen in Form von Unter- oder Überreaktionen hinsichtlich Informationen zu finden sind.
Studien zum Aspekt der Anreize untersuchen die Auswirkungen extrinsischer Motivation, wie z.B. die der Entlohnungssysteme oder Karrieregesichtspunkte auf den Arbeitsprozess und das Arbeitsergebnis von Analysten. In diesem Bereich liegt auch ein möglicher Erklärungsansatz für zuvor beschriebene Verzerrungen bei Prognosen.
Die Effekte, welche das Regelungsumfeld, d.h. gesetzliche Bestimmungen und Standards auf die Arbeit der Finanzanalysten hat, bilden ein weiteres Forschungsfeld. Auch internationale Vergleiche diesbezüglich und weiterer länderspezifischer Unterschiede fallen darunter.
Im letzten Punkt Aspekte des Forschungsdesigns lassen sich Arbeiten subsumieren, die Forschungsergebnisse und bis dato gezogene Schlussfolgerungen bzgl. Finanzanalysten und Prognosen kritisch hinterfragen. Dies betrifft z.B. die den Arbeiten zu Grunde liegenden Annahmen oder deren Datengrundlage.
2.4 Regulierungsaspekte
Durch Finanzanalysten generierte Informationsprodukte fließen in Entscheidungskalküle von privaten und institutionellen Investoren ein. Aufgrund der weitreichenden Folgen und möglichen Fehlentwicklungen, die damit verbunden sein können, existieren kodifizierte Regelungen sowie Standards und Normen für den Bereich der Finanzanalyse auf staatlicher und nicht-staatlicher Ebene, von denen einige im Folgenden kurz umrissen werden sollen.
In Deutschland überwacht in diesem Kontext die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Aufsichtsbehörde den Wertpapierhandel nach Maßgabe des
Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) bezüglich der Einhaltung gestellter Ansprüche an Kompetenz, Transparenz und Organisation. Relevanter Paragraph ist in diesem Zusammenhang §34b WpHG, welcher neben einer Definition von Finanzanalyse (§34b Absatz 1, Satz 1 WpHG) und Finanzinstrumenten (§34b Absatz 3 WpHG) auch Forderungen an Finanzanalysten hinsichtlich Sachkunde, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit stellt (§34b Absatz 1 WpHG).
Diese sehr allgemein gehaltenen Auflagen des WpHG konkretisieren sich im Rahmen der Finanzanalyseverordnung (FinAnV). Neben Angaben über Ersteller und Verantwortliche (§2 FinAnV) und Grundsätze sachgerechter Erstellung und Darbietung (§3 FinAnV) widmet sich ein Großteil der Thematik möglicher Interessenskonflikte und deren Aufdeckung in der Finanzanalyse (§5 FinAnV).[16]
Auf nicht-staatlicher Ebene trägt der Berufsverband Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) durch selbstauferlegte Normen und Standards, wie den Grundsätzen ordnungsmäßigen Finanz-Researchs (GoFR), zur Qualitätssicherung im Rahmen der Finanzanalyse bei.[17]
In den USA übt die Securities and Exchange Commission (SEC) die staatliche Aufsicht über Wertpapiergeschäfte aus. Die SEC kann ihre Verantwortung und damit verbundene Kontrollaufgaben im Rahmen der Wertpapieraufsicht an private Einrichtungen oder Unternehmen delegieren, welche dann als Self Regulatory Organizations (SROs) Verhaltens- und Organisationspflichten erlassen und überwachen.[18] Für den Bereich der Finanzanalysten hat die Financial Industry Regulatory Authority (FINRA) als wichtigste SRO eine Vielzahl von Regeln und Verboten mit dem Ziel des verbesserten Schutzes von Investoren erlassen.[19]
Als private Organisation agiert in diesem Kontext das CFA-Institute (Berufsverband für Finanzanalysten und Investment-Experten) mit Hauptsitz in den USA und seinem Berufsbildungsprogramm zum Chartered Financial Analyst (CFA).[20]
3 Finanzmarktprognosen und Prognosegenauigkeit
Das vorangegangene Kapitel 2 hat verdeutlicht, wie Finanzanalysten dazu beitragen können, Transaktions- und Kapitalkosten im Rahmen ihrer Rolle als Informationsintermediäre auf dem Kapitalmarkt zu senken und ihre Informationsprodukte Eingang in Investitionsentscheidungen von Investoren finden zu lassen. Diese Entwicklungen sindje- doch nicht per se gegeben, sondern an gewisse Anforderungen bzw. Erwartungen hinsichtlich Qualität und Güte der Analysearbeit bzw. deren Ergebnisse geknüpft. Aus diesem Grunde steht der Aspekt der Qualität, sowie Faktoren, welche diese beeinflussen, im Fokus der vorliegenden Arbeit und des folgenden Kapitels. Konkret treten dabei Gewinnprognosen und deren Genauigkeit als ein wesentliches Produkt ins Zentrum der Betrachtung.
3.1 Gewinnprognosen als Teil der Analysetätigkeit
Basierend auf ihren Einschätzungen der zukünftigen Entwicklung eines beobachteten Unternehmens geben Finanzanalysten Gewinnprognosen (mit quartalsmäßigem, jährlichem oder langfristigem Horizont) in Form des erwarteten Gewinns pro Aktie (Earnings per Share, EPS) ab, welche auch zur Fundierung ihrer Empfehlungen dienen[21] Dabei ist dies kein einmaliges und abgeschlossenes Ereignis, sondern ein kontinuierlicher Prozess im Vorlauf zur Gewinnbekanntgabe durch die Unternehmen (Prognoserevisionen durch die Analysten)[22] Mit fortschreitendem Unternehmensgeschehen und dem Auftreten neuer bewertungsrelevanter Informationen wird eine Anpassung der Gewinnerwartungen in positiver oder negativer Hinsicht notwendig. Verschiedene Studien wie etwa Gleason und Lee (2003) dokumentieren anhand der Erzielung abnormaler Renditen, dass durch Gewinnprognosen bzw. deren Revisionen Informationen transportiert und Bewegungen auf dem Kapitalmarkt verursacht werden. Dabei erfolgt der Preisanpassungsprozess nicht unmittelbar sondern verzögert und wird unter Anderem beeinflusst von Quantität und Qualität der Prognoserevision.[23]
Für private und institutionelle Investoren bilden Gewinnprognosen und Prognoserevisionen eine wichtige Orientierungshilfe im Rahmen ihrer Portfoliobildung und dessen Management. Erwartete Marktentwicklungen bzw. Entwicklungen des Gewinns können im Hinblick auf die Profitabilität Investitions- oder Desinvestitionsentscheidungen notwendig machen. Diese Markterwartungen hinsichtlich zukünftiger Gewinne (Renditeerwartungen der Investoren) bedingen die bedeutende Rolle von Gewinnprognosen der Analysten im Rahmen der empirischen Kapitalmarktforschung.[24] In diesem Kontext dienen Analystenprognosen als Proxy für die Gewinnerwartungen des Marktes, da ihnenim Vergleich zu alternativen Bestimmungsmethoden wie etwa Prognosemodellen basie- rend auf historischen Daten (Prognosen aufbauend auf Zeitreihen) eine Überlegenheit zugeschrieben wird. Als eine mögliche und nicht völlig unumstrittene Ursache dieser Überlegenheit werden dabei unter Anderem die besseren Informationsversorgung und Informationsverarbeitung durch die Finanzanalysten gesehen.[25] Nichtsdestotrotz unteroder überschätzen auch Prognosen von Finanzanalysten Gewinne von Unternehmen, was sich in Form von Prognosefehlern offenbart.
3.2 Messung von Prognosefehlern
Die Güte einer Gewinnprognose lässt sich im Nachhinein (ex-post) anhand des Prognosefehlers, d.h. der Differenz zwischen prognostiziertem und realisiertem Gewinn beurteilen. Verschiedene Berechnungsmethoden des Fehlers und somit verschiedene Gütemaße sind in der Praxis anwendbar, von denen die bekanntesten im Folgenden kurz vorgestellt werden.[26]
Grundsätzlich ist es in diesem Zusammenhang je nach Untersuchungsaspekt und -Perspektive möglich, zwischen individuellen Prognosen und sogenannten Konsens-Prognosen mehrerer Analysten zu differenzieren und Prognosefehler zu berechnen. Für die folgende Darstellung wird von individuellen Prognosen von Finanzanalysten ausgegan- gen.[27]
3.2.1 Absolute Fehlermaße
Absolute Fehlermaße berechnen die Abweichung zwischen prognostiziertem und realisiertem Wert ohne eine weitere Bezugsgröße. Zu der Kategorie dieser Gütemaße zählt der mittlere Fehler (Mean Error, ME), der sich wie folgt berechnet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der ME beschreibt die durchschnittliche Über- bzw. Unterschätzung der Analystenprognose, wobei Überschätzungen hierbei mit negativen, Unterschätzungen mit positiven Werten in die Berechnung eingehen.[28] Der Nachteil dieses Maßes besteht in dem stattfindenden Fehlerausgleich, d.h. in der Addition der einzelnen Abweichungen des prognostizierten Wertes (Punktprognosen) (yt) vom realisierten Wert (yt). So kann z.B. eine Überschätzung des Gewinns im Zeitpunkt (t) durch eine Unterschätzung in(t+ 1) kompensiert werden. Im Ergebnis ist es folglich möglich, dass bei reiner Betrachtung dieses Maßes, Aussagen zur Prognoseleistung getroffen werden, welche nicht der Realität entsprechen.
Alternativ zum ME steht die Berechnung des mittleren absoluten Fehlers (Mean Absolut Error, MAE) zur Verfügung, welcher die durchschnittliche Abweichung zwischen prognostiziertem und realisiertem Wert aufzeigt. Im Gegensatz zum ME findet hierbei kein Fehlerausgleich statt, d.h. es erfolgt keine Saldierung zwischen über- und unterschätzten Werten. Der Wert des MAE berechnet sich anhand der Gleichung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Zur Verdeutlichung zeigt Tabelle 3 mit Hilfe eines einfachen Zahlenbeispiels die Berechnung der beiden absoluten Fehlermaße ME und MAE.
[ Tabelle 3 siehe Anhang ]
Eine Unterkategorie der absoluten Prognosefehler bilden Fehlermaße, welche die auftretenden Abweichungen vor der Summierung quadrieren und auf diese Weise die Saldierung von Fehleinschätzungen vermeiden. Ein Vertreter dieser Gruppe ist der mittlere quadratische Fehler (Mean Squared Error, MSE):
Mit Hilfe des MSE lässt sich wiederum die Standardabweichung (Root Mean Squared Error, RMSE) als dessen Wurzel berechnen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Im Unterschied zu den beiden ersten absoluten Maßen werden bei den quadratischen Fehlermaßen evtl. auftretende Ausreißer in der Stichprobe, d.h. große Prognosefehler überproportional gewichtet, weshalb man auch von der Ausreißersensitivität dieser Fehlermaße spricht. Tabelle 4 zeigt die Berechnung anhand des Beispiels.
[ Tabelle 4 siehe Anhang ]
3.2.2 Relative Fehlermaße
Aus Gründen der Vergleichbarkeit von Prognosen bietet sich der Einsatz relativer (normierter) Fehlermaße an. Diese berechnen die Abweichung zwischen prognostiziertem und realisiertem Wert in Bezug zu einer Referenzgröße.
Zu diesen Gütemaßen zählt zum einen analog zum mittleren Fehler (ME) der mittlere prozentuale Fehler (Mean Percentage Error, MPE), welcher die Prognosefehler z.B. mittels Division durch den realisierten Gewinn normiert.[29] Wie zuvor lässt das Vorzeichen des MPE auf eine durchschnittliche Über- oder Unterschätzung schließen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Die beiden Maße ME und MPE sind dazu geeignet, systematische Verzerrungen von Prognosen zu beurteilen (vgl. Abschnitt 3.3), da sie diese isoliert (ohne in Kombination mit der Streuung) betrachten.
Äquivalent zum MAE kann der mittlere absolute prozentuale Fehler (Mean Absolut Percentage Error, MAPE) berechnet werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Tabelle 5 zeigt anhand des bekannten Beispiels die Methodik der beiden relativen Fehlermaße.
[ Tabelle 5 siehe Anhang ]
Bei den zuvor dargestellten Fehlermaßen ist es ebenfalls möglich, z.B. um der Wirkung von Ausreißern zu begegnen, statt des arithmetischen Mittels den Median zu verwenden, welcher diesbezüglich weniger sensitiv reagiert.
3.2.3 Benchmarkbasierte Fehlermaße
Benchmarkbasierte Fehlermaße setzen ein angewandtes Prognoseverfahren in Bezug zu einem Referenzverfahren, um auf diese Art die Güte des eingesetzten Verfahrens zu beurteilen.
Als ein Vertreter dieser Maße sei hier das Theilsche U2 dargestellt, welches einen Vergleich zu einer naiven Prognose, d.h. einer reinen Fortschreibung der Werte in die Zu-
kunft (yt+i = yt ; Random Walk ohne Drift) erlaubt. Der Wert des Maßes berechnet sich anhand der Gleichung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Bei der Berechnung werden relative Gewinnveränderungen (Wachstumsraten) miteinander verglichen. Dabei stehen (Ayt) für die realisierte und (Ayt) für die prognostizierte Veränderung und erfassen auf diese Art Fehler in der Prognose. Vorteil dieses Maßes ist unter Anderem die einfache Interpretation des Ergebnisses. Optimaler Weise liegt der erhaltene Wert von U2 zwischen Null und Eins und zeigt damit an, dass die Analystenprognose bessere Ergebnisse als die Benchmark (naive Prognose) liefert. Ein Ergebnis von Eins oder höher impliziert, dass das eingesetzte Prognoseverfahren im Vergleich zur Referenz zu keinen besseren bzw. schlechteren Ergebnissen führt und folglich nicht effizient ist und verworfen werden sollte. Tabelle 6 zeigt die Berechnung des Theilschen Fehlermaßes.[30]
[ Tabelle 6 siehe Anhang ]
3.3 Gewinnprognosen und Verzerrungen
Aus einer konstatierten vermeintlichen Überlegenheit von Prognosen der Finanzanalysten gegenüber Zeitreihenmodellen kann wie angeführt nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass Analysten stets perfekte Prognosen liefern. So zeigt eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen, dass Gewinnprognosen von Analysten ungenau sind.[31]
Gleichzeitig kommen mehrere Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Gewinnprognosen einerseits nicht nur ungenau, sondern auch im Mittel überwiegend positiv verzerrt sind. Eine Verzerrung (bias) besteht in diesem Zusammenhang, wenn sich zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Wert systematische Differenzen manifestieren, welche nicht zufallsbedingt sind und sich als Folge im Mittel nicht ausgleichen.[32] Im Durchschnitt kommt es in Konsequenz zu systematischen Über- oder Unterschätzun- gen des Untemehmensgewinns.[33] Im ersten Falle spricht man von optimistisch verzerrten, im Letzteren von pessimistisch verzerrten Prognosen.[34] Abbildung 4 verdeutlicht dies beispielhaft anhand der Verteilungsfunktion der Gewinnprognosen in Form einer systematischen Überschätzung (optimistischer bias). Der Fall pessimistisch verzerrter Prognosen ergibt sich spiegelbildlich.
Abbildung 4: Verzerrte Gewinnprognosen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vgl. Olsen (1996), S. 38.
Einige ausgewählte Studien können die Thematik der Verzerrungen von Gewinnprognosen der Finanzanalysten exemplarisch verdeutlichen.
Easterwood und Nutt (1999) dokumentieren in ihrer Arbeit, dass Analysten auf negative Informationen eine Unterreaktion- und auf positive Informationen eine Überreaktion zeigen. Dieses Ergebnis stützt ihre Sicht der systematisch optimistischen Reaktion von Analysten auf Informationen.
Olsen (1996) zeigt auf, dass mit steigendem Schwierigkeitsgrad der Prognoseerstellung die Gewinnprognosen der Analysten eine Tendenz zum Konsens aufweisen (Herdentrieb bzw. Herdenverhalten). Gleichzeitig veranschaulicht die Studie, dass mit steigendem Herdentrieb eine positive Verzerrung einhergeht, welche durch selbigen verstärkt wird. Richardson, Teoh und Wysocki (1999) beschreiben in ihrer Untersuchung einen dynamischen Prozess im Vorfeld der Gewinnbekanntgabe durch die Unternehmen. Demnach findet im Zeitablauf des Geschäftsjahres ein Wechsel von optimistisch hin zu pessimistisch verzerrten Prognosen statt. Als Begründung führen sie eine Veränderung des Trade-Off in den Anreizen der Analysten an. Dem entsprechend wägen Analysten zum einen zwischen Prognosegenauigkeit als Bewertungskriterium für ihr Prognoseleistung und Zugang zu Informationen für die Erstellung der Prognosen durch ein wohlwollendes Unternehmensmanagement auf der anderen Seite ab. Je näher der Zeitpunkt der Gewinnbekanntgabe und damit die Offenlegung ihrer Leistung rückt, desto mehr Gewicht legen sie auf genaue Prognosen. Einen ähnlichen Wechsel vom Optimismus hin zum Pessimismus kann Brown (2001a) für den Kapitalmarkt der USA anführen. Demnach sind die Jahre 1984 bis 1999 durch eben diese Veränderung gekennzeichnet.[35] Kothari (2001) steht den Anzeichen für das Bestehen verzerrter Analystenprognosen mit Hinweis auf unterschiedliche Untersuchungsrahmen und Untersuchungsdesigns, sowie auf einen dokumentierten kontinuierlich schwindenden Grad an Verzerrung eher skeptisch gegenüber. Die Einbettung in eine temporale Sichtweise, wie in der Untersuchung von Richardson, Teoh und Wysocki (1999) mit Hinblick auf den Prognosehorizont, erscheint ihm am sinnvollsten zu sein, was gegen die Persistenz von Verzerrungen spricht.[36]
Die geschilderte Thematik wirft die generelle Frage nach Einflussfaktoren bzw. Deter- minaten der Prognosegenauigkeit von Finanzanalysten auf, um möglicherweise vor einer Investitionsentscheidung (ex-ante) gute von schlechten Analysten separieren zu können.
3.4 Einflussfaktoren auf die Prognosegenauigkeit
Entsprechend den Ausführungen von Bessler und Stanzel (2005) können Einflussfaktoren auf die Genauigkeit von Gewinnprognosen weitgehend in drei Gruppen aufgeteilt werden.[37]
Zum Einen zeigt die verhaltensorientierte Finanzierungslehre (behavioral finance) auf, dass entgegen der Annahme des rational agierenden homo oeconomicus, Menschen und somit auch Finanzanalysten Entscheidungsheuristiken und Verhaltensanomalien unterliegen können (Abschnitt 3.4.1). Des Weiteren sind Analysten in ein Umfeld vielfältiger Interessengegensätze eingebettet.
[...]
[1] Zur Definition und Beschreibung vgl. z.B. DVFA (2008), S.3.
[2] Vgl. zu dieser Kategorisierung und weiteren Beschreibung z.B. Groysberg et al. (2007), S. 1-13 sowie Groysberg/Healy/Chapman (2008), S. 25-27.
[3] Vgl. zu diesen Formen und der weiteren Beschreibung z.B. Bodie/Kane/Marcus (2008), S. 361-363 und S. 570-678.
[4] Durchgeführt werden dabei Tests auf abnorme Perfomance (Erzielung von Überrenditen). Übersichten zu relevanten Arbeiten finden sich bei z.B. bei Levy/Post (2004), S. 390, 394 und 397.
[5] Vgl. Grossman/Stiglitz (1980), S. 393 und Fama (1991), S. 1575.
[6] Vgl. Sjurts(2011).
[7] Vgl. Kinietal.(2003), S.8.
[8] Vgl. Chung/Jo (1996), S. 494.
[9] Im Modell konvergieren die Delegationskosten gegen Null, wenn die Anzahl kapitalnachfragender Unternehmen gegen Unendlich strebt. Es verbleiben nur die Kosten des Monitoring.
[10] Vgl. Healy/ Palepu (2001), S. 409.
[11] Vgl. Easley/O'hara (2004), S. 1578.
[12] Vgl. Healy/ Palepu (2001) S. 406.
[13] Vgl. Hayes (1998) S. 312-313, Hong/Kubik/Solomon (2000) S. 122 und Healy/ Palepu (2001) S. 417.
[14] Vgl. zu den folgenden Ausführungen Ramnath/Rock/Shane (2008), S. 38-68, welche ebenfalls tabellarische Zusammenstellungen der zu Grunde liegenden Arbeiten präsentieren.
[15] Für die Darstellung auftretender Interessenskonflikte vgl. Abschnitt 3.4.2.
[16] Vgl. DVFA (2006), S.1-2.
[17] Vgl. Hoffmann (2009), S. 59.
[18] http://www.finra.org/Industry/Issues/ResearchAnalystRules.
[19] http://www.cfainstitute.org.
[20] Vgl. Bradshaw (2004).
[21] Vgl. Richardson/Teoh/Wysocki (1999), S. 1.
[22] Vgl. Gleason/Lee (2003), S. 221-222.
[23] Vgl. Schipper (1991), S. 106-107 sowie Clement (1999), S. 286.
[24] Kothari (2001, S. 153) beschreibt diese vermeintliche Überlegenheit zu Zeitreihenmodellen als eine zumeist implizit getroffene Annahme und zeigt ebenfalls auf, dass die Verwendung der Prognosen als Proxy für die Markterwartungen in der Forschung keinesfalls unumstritten ist.
[25] Vgl. zu den dargestellten Maßen und Ausführungen Küsters (2005) S. 367-380.
[26] Vgl. zu dieser Differenzierung Schipper (1991), S. 106-107 sowie Kothari (2001), S. 152.
[27] Erfolgt die Berechnung derart, dass der realisierte Wert von der Prognose abgezogen wird ( yt - ÿt), so ist dies entsprechend spiegelbildlich zu interpretieren.
[28] Wie im Verlauf der Arbeit noch zu sehen sein wird, können zur Normierung der Prognosefehler auch andere Werte als der des realisierten Unternehmensgewinns benutzt werden (vgl. Kapitel 4).
[29] Auf die Darstellung weiterer benchmarkbasierter Fehlermaße sei an dieser Stelle verzichtet und beispielhaftauf Küsters (2005), S. 378-380 verwiesen.
[30] Vgl. exemplarisch das Ergebnis von Stickel (1990), S. 417 oder Sinha/Brown/Das (1997), S. 4.
[31] Vgl. Kothari (2001), S. 153.
[32] Dennoch ist es möglich, dass Prognosen, welche verzerrt sind genauer sind als unverzerrte, vgl. Das/Levine/Sivaramakrishnan (1998) S. 279 sowie die Ausführungen im Abschnitt 3.2 dieser Arbeit.
[33] Vgl. Bessler/Stanzel (2005) S. 8.
[35] Vgl. Brown (2001), S. 239.
[36] Vgl. Kothari (2001), S. 155-156.
[37] Vgl. im Folgenden Bessler/Stanzel (2005), S.4-5.
- Quote paper
- Markus Schiffbauer (Author), 2011, Genauigkeit von Gewinnprognosen und Effekte zusätzlicher Prognosen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299120
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