Zu Beginn der Arbeit wird das Beratungsformat Supervision als ein Bestandteil in der Arbeitswelt beschrieben.
Im weiteren Verlauf geht die Autorin auf das veränderte Kommunikationsverhalten in der heutigen Gesellschaft ein. Bezugnehmend darauf wird das Internet als „die“ neue Kommunikationsform in den Blick genommen, welche immer mehr Einzug in das alltägliche Leben gewonnen hat. Daneben verändert sich auch die Arbeitswelt, was wiederum Einfluss auf gesellschaftliche Begebenheiten hat. In diesem Kontext verdeutlicht die Autorin die Notwendigkeit, bereits vorhandene Supervisionsformate zu ergänzen und konzeptionelle Weiterentwicklungen voranzutreiben.
In Kapitel 2 wird näher auf die Begriffsdefinition und die bereits vorhandenen Formate von textbasierter Online-Supervision eingegangen. Die textbasierte Online-Supervision wird in Bezug zu neurowissenschaftlichen Aspekte, den systemisch-konstruktivistischen Ansatz und den psychoanalytischen Ansatz gesetzt. Darauf aufbauend werden Auswirkungen auf das zu untersuchende Supervisionsformat herausgearbeitet. Die Wirksamkeit von Supervision wird abschließend vor dem Hintergrund des Schreibens als ein Reflektions- und Strukturierungsmedium und der Kanalreduktionstheorie untersucht und bewertet.
Kapitel 3 stellt den empirischen Teil der Arbeit dar. Hier wurden im Zeitraum 08-09/2014 Interviews mit Supervisoren, die bereits Online-Supervision anbieten, geführt. Es erfolgt eine umfangreiche qualitative Inhaltsanalyse. Der Fokus liegt auf der Herausarbeitung von spezifischen Erfolgsfaktoren und Kriterien für die textbasierte Online-Supervision als eigenständiges Beratungsformat.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit Perspektiven in der textbasierten Online-Supervision.
Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse.
Gliederung
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung und Problemstellung
1.1. Supervision als Bestandteil der Arbeitswelt
1.2. Herausforderungen durch ein sich änderndes Kommunikationsverhalten
1.3. Aufbau der Arbeit
2. Grundlagen der textbasierten Online-Supervision
2.1. Begriffsdefinition
2.2. Die Kommunikationsformate der textbasierten Online-Supervision
2.3. Textbasierte Online-Supervision vor dem Hintergrund ausgewählter wissenschaftlicher Ansätze
2.3.1. Neurowissenschaftliche Aspekte
2.3.2. Systemisch-konstruktivistischer Ansatz
2.3.3. Psychoanalytischer Ansatz
2.4. Wirksamkeit der textbasierten Online-Supervision
2.4.1. Schreiben als Reflexions- und Strukturierungsmedium
2.4.2. Textbasierte Online-Supervision und Kanalreduktionstheorie
2.5. Zusammenfassung
3. Untersuchung
3.1. Mein Forschungsinteresse
3.2. Methodik und Vorgehensweise
3.2.1. Pretest
3.2.2. Auswahl der Methode für die Datenauswertung
3.2.3. Online-Interview
3.3. Ergebnisse der Interviews
3.4. Interpretation
4. Perspektiven für ein eigenständiges Beratungsformat
4.1. Technische Rahmenbedingungen und Datenschutz
4.2. Institutionelle Etablierung
4.2.1. Aufnahme von zusätzlichen Ausbildungsmodulen an Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen für Supervision
4.2.2. Anerkennung bei den Dachverbänden
4.2.3. Einführung einer Fortbildungsverpflichtung für Supervisoren
4.3. Kompetenzen des Supervisors
5. Abschluss und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abgrenzung von Supervision und Coaching.
Abbildung 2: Veränderungen der Arbeitswelt.
Abbildung 3: Systematisierung von Online-Beratung und E-Coaching.
Abbildung 4: Kommunikationswege in der textbasierten Online-Supervision.
Abbildung 5: Jahr, seit dem textbasierte Online-Supervision angeboten wird (Frage 1).
Abbildung 6: Umfang von textbasierter Online-Supervision pro Woche (Frage 2).
Abbildung 7: Adressaten der textbasierten Online-Supervision (Frage 3).
Abbildung 8: Angebotene Supervisionssettings (Frage 4).
Abbildung 9: Angewendete Formen der textbasierten Online-Supervision (Frage 5).
1. Einleitung und Problemstellung
1.1. Supervision als Bestandteil der Arbeitswelt
Als Einstieg in die Beschäftigung mit Supervision gemäß der Zielsetzung dieser Arbeit möchte ich zunächst eine Begriffsbestimmung vornehmen. Das Wort Supervision lässt sich aus dem Lateinischen ableiten, nämlich „super“ (übersetzt: über) und „videre“ (übersetzt: schauen), d.h. eine „Überschau“ vornehmen. Auch verwandte Begriffe wie z.B. „Überblick“, „darüber stehen“, „von oben herabsehen“ werden in der heutigen Supervisionspraxis zur Charakterisierung genutzt (Belardi 2009, S.14f).
Die Ursprünge der Supervision liegen in den USA und in England des ausgehenden 19.Jahrhunderts. Zu dieser Zeit entwickelte sich auch die Unterscheidung zwischen der administrativen Supervision, die als Beschaffung, Delegation und Leitung von Arbeit zu verstehen ist und der klinischen Supervision, im Sinne einer Entwicklung professioneller Kompetenzen. Diese Differenzierung hat bis heute Gültigkeit. Häufig ist das Verständnis von Supervision im angloamerikanischen Raum auch mit Aufsichts- und Beurteilungsfunktionen verbunden (Belardi 2009, S.15).
Ab ca. 1920 fanden in Deutschland erste supervisorische Ansätze ihre Anwendung an der Sozialen Frauenschule in München bzw. an der Wohlfahrtsschule in Jena (Bergknapp 2009, S.38). Zunächst wurden bereits vorhandene Konzepte aus dem englischsprachigen Raum übernommen. Seit Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts emanzipierte sich das Beratungsformat in Deutschland zunehmend und fand u.a. als Studiengang Einzug in die Hochschulen. Daneben entstanden privat geführte Ausbildungsinstitute, in denen eine Ausbildung als Supervisor möglich ist, und wo entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden (Bergknapp 2009, S.39). In Deutschland wird Supervision heute eher als eine Beratungsfunktion gesehen (Bergknapp 2009, S.37f.). Baur & Krapohl (2008, S.22f) zufolge, finden sich jedoch zunehmend Bestrebungen, auf der Grundlage von wissenschaftlichen Fachwissen die „Professionalisierung voranzutreiben“ (DGSv 2007, S.25) und eine noch stärkere Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten herbeizuführen.
Anhand der skizzierten Entwicklungsgeschichte wird deutlich, dass es fast unmöglich ist, eine einheitliche allgemein gültige Definition von Supervision zu formulieren. Verschiedene Einflussfaktoren, wie z.B. der länderspezifische Hintergrund mit seinem jeweiligen Verständnis von Supervision, das Arbeitsfeld der Supervision (Unterscheidung von Profit und Non-Profit-Organisationen) sowie unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze, sind für das Verständnis und die Begriffsbestimmung von Supervision zu berücksichtigen.
Das Beratungsformat Supervision beinhaltet ein Spektrum, welches sich aus verschiedenen Disziplinen, wie z.B. der Psychologie, der Soziologie, der Pädagogik und der Philosophie speist. Diese Pluralität wirft eine Methodenvielfalt und zahlreiche Interventionsmöglichkeiten auf. Die beschriebenen Variablen spiegeln sich in der Vorgehensweise und Haltung des jeweils tätigen Supervisors wieder.
Die Deutsche Gesellschaft für Supervision (kurz: DGSv), ein Fachverband, der die Interessen von Supervisoren berufspolitisch vertritt und die Weiterentwicklung des Beratungsformates als Ziel verfolgt, beschreibt sein Grundverständnis von Supervision wie folgt: „Supervision ist ein wissenschaftlich fundiertes, praxisorientiertes und ethisch gebundenes Konzept für personen- und organisationsbezogene Beratung in der Arbeitswelt. Sie ist eine wirksame Beratungsform in Situationen hoher Komplexität, Differenziertheit und dynamischer Veränderungen. In der Supervision werden Fragen, Problemfelder, Konflikte und Fallbeispiele aus dem beruflichen Alltag thematisiert“ (DGSv 2011a, S.8).
Belardi (2009, S.15) definiert Supervision vor dem Hintergrund psychosozialer und pädagogischer Ansätze und legt damit die Grundlage für das Verständnis insbesondere im deutschsprachigen Raum wie folgt: „Unter dem Oberbegriff Supervision versteht man Weiterbildungs-, Beratungs- und Reflexionsverfahren für berufliche Zusammenhänge. Das allgemeine Ziel der Supervision ist es, die Arbeit der Ratsuchenden (Supervisanden) zu verbessern. Damit sind sowohl die Arbeitsergebnisse als auch die Arbeitsbeziehungen zu den Kollegen und Kunden wie auch organisatorische Zusammenhänge gemeint“.
Nach Lippmann (2006, S.31) „weist die Supervision die größten Ähnlichkeiten zum Coaching auf. Der Begriff ‚Supervision‘ wird jedoch vorwiegend im Non-Profit-Bereich verwendet, während Coaching eine bessere Anschlussfähigkeit in der Wirtschaft hat. (…) Supervision findet im Non-Profit-Bereich zudem häufig in Gruppen statt. (…) Oft ist es eine Frage von Kultur und Sprachkonventionen, welcher Begriff einen besseren Anschluss beim Kundensystem findet.“ Zusammenfassend definiert Lippmann (2008, S.71) Coaching „als eine Form individueller Beratung im beruflichen Kontext, in der vom Coachee definierte Anliegen heraus- bzw. bearbeitet werden (…). Fokus bildet dabei das Spannungsfeld Person-Rolle-Organisation“.
Rauen (2008, S.8) zufolge kommen die Adressaten für Supervision eher aus psychosozialen und pädagogischen Tätigkeitsbereichen. Berufsgruppen wie Sozialarbeiter und Therapeuten formulieren Auftragsziele, wie z.B. die Reflexion und „ein vertieftes Verstehen von Erfahrungen, Ereignissen und Handlungen in ihren vielfältigen Bezügen und Wechselwirkungen“ (DGSv 2012d, S.1f.). Daneben steht die Erarbeitung von möglichst vielen Deutungsmöglichkeiten im Vordergrund, um den zu behandelnden Klienten in der eigenen Arbeitspraxis eine angemessene Beratung bzw. Betreuung zukommen lassen zu können. Die Steigerung der eigenen sozialen Kompetenz der Supervisanden und damit verbunden die Weiterentwicklung einer emanzipatorischen Haltung können im Supervisionskontext ebenso Themen sein.
Der Auftraggeber eines Coachingprozesses hingegen möchte sicher und schnell an ein Ziel gebracht werden. Der Begriff „Coach“ kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt Kutsche bzw. Kutscher (Lippmann 2006, S.12). Im Mittelpunkt dieser Beratungsform steht eher „ein fit machen für…“. Coaching hat seine Wurzeln im Leistungssport. Eine klare Abgrenzung zu verwandten Bereichen ist noch nicht vorhanden. Trainings, Schulungen, Gespräche, Seminare sind Angebote, die sich im Coaching-Sammelbecken wiederfinden. Die Coachingverbände beschäftigen sich derzeit mit der Erarbeitung von allgemeingültigen Qualitätsstandards. Seriöse Ausbildungsinstitute erhöhen ihre Ausbildungszeiten, um ein professionelles Auftreten auf dem Markt gewährleisten zu können (Kuhn 2013, S.16).
„Fachlich ist die Frage des Unterschieds zwischen Supervision und Coaching nicht entschieden; eine Bewertung der bisherigen Debatten weist möglicherweise darauf hin, dass die Suche nach einer Unterscheidung ein unmögliches Unterfangen zur Beantwortung einer ‚prinzipiell unentscheidbaren Frage‘ darstellt“. (Heinz von Foerster, zitiert nach DGSv 2011c). Letztlich ist auch festzuhalten, dass die Beantwortung der genannten Unterscheidungsfrage zudem dadurch außerordentlich erschwert wird, dass der Begriff Coaching durch seine unkontrollierte Nutzung weitgehend entgrenzt ist und jeder Abgrenzungsversuch immer auch die Gefahr der Abwertung seriöser und professioneller Beratungsangebote nach sich ziehen kann – sowohl im Coaching wie in der Supervision (DGSv 2011c).
Die definitorische Abgrenzung von Supervision und Coaching soll abschließend in der nachfolgenden Abbildung 1 verdeutlicht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Abgrenzung von Supervision und Coaching.1
Allen Begriffsbestimmungen und Definitionsversuchen (s.o.) gemein ist die Verortung der Supervision (aber auch des Coachings) in der Arbeitswelt.
Veränderungen in der Arbeitswelt stellen die Supervision vor neue Herausforderungen, z.B. die konzeptionelle Weiterentwicklung von Beratungsformaten. Die nachhaltigen Veränderungen in der Arbeitswelt wurden u.a. in zwei grundlegenden empirischen Studien 2011 und 2013 beschrieben, wobei erstmals Supervisoren als wissenschaftlicher Zugang zur Arbeitswelt genutzt wurden:
Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision. Eine Studie zu den psychosozialen Auswirkungen spätmoderner Erwerbsarbeit (2011)
Belastungsstörung mit System. Die zweite Studie zur psychosozialen Situation in deutschen Organisationen (2013)
Die dort und darüber hinaus in Wissenschaft und Praxis beschriebenen Entwicklungen und Mega-Trends können hier nicht im Einzelnen beschrieben werden. Dafür wird neben den beiden Studien auf die einschlägige Literatur verwiesen2.
Wie in der nachfolgenden Abbildung 2 dargestellt ist es jedoch für das weitere Verständnis elementar, dass die einzelnen Trends untereinander in vielfacher Wechselwirkung stehen, wobei keine einfachen, eindeutigen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beschrieben werden können. Vielmehr beeinflussen sie sich gegenseitig mit der Tendenz, die Auswirkungen der/des jeweiligen anderen Trends zu unterstützen/zu verstärken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Veränderungen der Arbeitswelt.3
In der Summe ist eine zunehmende Komplexität der Arbeitswelt zu beobachten. Veränderungen finden dabei immer schneller statt (Mega-Trend „Beschleunigung“) und geben dem Einzelnen, aber auch Organisationen immer weniger Zeit, diese auch nachhaltig zu verarbeiten/umzusetzen. Eine laufende/andauernde Veränderung mit komplexen Zusammenhängen ist demnach der Normalzustand geworden. Diese immer schnellere Veränderung bislang relativ konstanter und verbindlicher Strukturen der Arbeitswelt wird in der Literatur auch so beschrieben, dass sich bisher bestehende „Grenzen“ (= Strukturen) auflösen, insofern eine Entgrenzung stattfindet (Voß 2011, S.52).
Diese Entgrenzung betrifft mehrere Dimensionen.
Die Grenze zwischen Arbeit und privatem Leben verschwimmt, „das über gut 200 Jahre alte Modell, dass man in die Fabrik, die Firma, ins Geschäft und also zur Arbeit geht, während das Zuhause ein von Erwerbsarbeit freier Raum ist, kommt ins Wanken“ (Funk 2011, S.51). Neuartige Arbeitszeitmodelle, wie z.B. Home-Office, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, ermöglichen größere Zeitspielräume für den Arbeitnehmer, um Privat- und Arbeitsleben miteinander abzustimmen. Diese zeitliche Entgrenzung birgt aber auch die Gefahr der Überforderung (Voß 2011). Eine besondere Herausforderung ist hier, ein Gleichgewicht zwischen Berufstätigkeit und Freizeit herzustellen. Die viel genannte „Work-Life-Balance“ lässt sich aus dem Englischen übersetzen und heißt Arbeit-Leben-Gleichgewicht. Gerät dieser Zustand ins Ungleichgewicht, kann dies u.a. gesundheitliche und soziale Folgen (soziale Entgrenzung) mit sich bringen. Feste soziale Bezüge, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Abteilung oder die Kollegialität, ein gutes Einvernehmen unter Mitarbeitern, welches nicht zuletzt auch gewinnbringend für das Unternehmen sein kann, fallen unter Umständen weg bzw. reduzieren sich (Daser 2011, Gottschall & Voß 2009). Die regelmäßige Teilnahme am (privaten) gesellschaftlichen und kulturellen Leben, z.B. die Mitgliedschaft in Sport- und Freizeitgruppen, kann im eigenen Lebensumfeld unter Umständen nicht mehr aufrechterhalten werden.
Die digitale Revolution und die Globalisierung ermöglichen auch eine zunehmende Flexibilisierung im Hinblick auf die Auswahl des Arbeitsortes (räumliche Entgrenzung). Die Zusammenarbeit im Team kann virtuell von zuhause oder auch von unterwegs (Bahn, Auto, Hotel) aus erfolgen. Der klassische Arbeitsplatz verliert an Bedeutung (Voß 2011). Dies kann zur Folge haben, dass an den Arbeitnehmer erweiterte Anforderungen an die Mobilität gestellt werden, z.B. in Form einer stärkeren Reisetätigkeit – bei global agierenden Konzernen weltweit.
Weiterhin wird der Effekt beschrieben, dass in zunehmendem Umfang die individuelle Motivation und Qualifikation an Bedeutung verliert und vielmehr das reine Ergebnis der Arbeit an Gewichtung zunimmt. Kontinuierliche Veränderungen in den Zuständigkeiten, Änderungen in der Aufgabenverteilung und den Kompetenzen führen zu eher intransparenten Arbeitsanforderungen. Der (ökonomische) Erfolg, das Ergebnis wird zum alleinigen Leistungsmaßstab (Entgrenzung von Leistung). Die Folgen können in diesem Kontext nicht selten Überstunden, Leistungsdruck und das Gefühl der individuellen Überforderung bedeuten (Alsdorf & Fuchs 2011).
Die mehrdimensionale Entgrenzung der Arbeit führt zur sog. Subjektivierung der Arbeit. Dies bedeutet für den Einzelnen ein zunehmendes bzw. hohes Maß an Selbsterledigung und Selbststeuerung. Voß (2011, S.54) beschreibt den hierdurch gekennzeichneten „Arbeitskraftunternehmer“. Der Arbeitnehmer/Beschäftigte soll Subjekt seiner selbst sein und seine Arbeitskraft aktiv und selbststeuernd im Sinn der Unternehmensergebnisse einbringen (Schlagwort auch: dezentrales Unternehmertum). Der Arbeitskraftunternehmer ist ein Beschäftigter, der sich auf dem Arbeitsmarkt, jedoch in erster Linie bei seinem Arbeitgeber und in seinem Arbeitsumfeld, permanent zur Leistung anbietet und im Arbeitsprozess gezielt selbst organisiert. Dies bedeutet ein neues Verständnis von Arbeitskraft: es geht nicht mehr um Beschäftigung, sondern um Beschäftigungsfähigkeit. Jeder Einzelne ist gehalten, sein „Arbeitskapital“ zu mobilisieren, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Nur so kann er sicherstellen, dass er in Beschäftigung bleibt, da er am Markt im Wettbewerb bestehen kann und seine Arbeitskraft auch im dynamischen Wandel gebraucht und gekauft wird. Die Arbeitnehmer sind für die dafür benötigten spezifischen Erweiterungen ihrer Fähigkeiten selbst verantwortlich, d.h. die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit fällt in den Verantwortungsbereich der Mitarbeiter, nicht des Arbeitgebers. Dieser sorgt für die strukturellen, organisatorischen und materiellen Bedingungen, während sich die Beschäftigten unternehmerisch verhalten und erkennbare Qualifizierungschancen ergreifen sollen.
Neben der fachlichen Qualifikation werden weitere Kompetenzen in einer derart charakterisierten Arbeitswelt wesentlich (Voß 2011, S.18):
Fähigkeit zur flexiblen Selbstorganisation von Alltag und Lebenslauf
Kompetenzen zum Identitätsmanagement und zur Ich-Stabilisierung inklusive der Begrenzung der Selbstausbeutung Komplexe Lernfähigkeiten (Analytisches Denken, Strukturierungsfähigkeit), umfassende Sozial- und Kommunikationskompetenzen
Erwerbstätige sind somit nicht nur mit fördernden, sondern auch mit fordernden bzw. überfordernden Arbeitsbedingungen konfrontiert. Eine hohe Ambivalenz und viele Widersprüchlichkeiten zeichnen die aktuelle Situation von Erwerbstätigen und Organisationen aus (DGSv 2011a, S.11).
Es ist offensichtlich, dass sich hier Betätigungsfelder für die Supervision ergeben. Deutlich wird aber auch, dass sich die bereits bestehenden Supervisionsformate der neuen Arbeitswelt stellen und anpassen müssen. Supervision kann ein Beratungsformat sein, in dem die oben beschriebenen Entgrenzungen im Hinblick auf die eigene berufliche Rolle reflektiert und Bewältigungsstrategien für den täglichen Umgang damit erarbeitet werden. Ein Auftrag kann hier darin bestehen, die eigene berufliche Wirklichkeit aus der Metaperspektive zu betrachten, um für sich selbst eine neue Ordnung herzustellen und den eigenen, individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die Suchbewegungen zwischen Autonomie und Interdependenz können hier essentielle Themen sein. Spürbare Auswirkungen der veränderten Arbeitswelt, wie z.B. die Notwendigkeit, jederzeit aus beruflichen Gründen den Wohnort zu wechseln, die Unsicherheit des Arbeitsplatzes oder die Zunahme von Arbeitsbelastungen können im Supervisionskontext unter gleichzeitiger Berücksichtigung der individuellen Interessen beleuchtet werden. Rollenfindungs- und Veränderungsprozesse werden durch die Supervision begleitet.
Die zunehmende Bedeutung und Entwicklung von internetgestützten Supervisionsangeboten kann als eine Folge für die Supervision aus den beschriebenen Einflussfaktoren und Treibern gesehen werden. Analog zu der Entwicklung des Arbeitsmarktes werden so Möglichkeiten geboten, das eigene professionelle Handeln, unter Berücksichtigung der Entgrenzungsdimensionen, zu reflektieren. Das Internet bietet insbesondere die Möglichkeit einer Kommunikation unabhängig von räumlichen und zeitlichen Grenzen. Im Zeitalter zunehmend begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen rücken Fragen der Qualitätsentwicklung und –sicherung in der Supervision immer stärker in den Vordergrund. Um die Potentiale von Supervision und Arbeitseffizienz nachhaltig auszuschöpfen, bedarf es einer Ergänzung der bestehenden Supervisionsformate. Hierauf soll im Folgenden eingegangen werden.
1.2. Herausforderungen durch ein sich änderndes Kommunikationsverhalten
Auf der Internetseite, die Paul Watzlawick zu Ehren gewidmet ist, wird Kommunikation wie folgt beschrieben: „Unter sozialer Kommunikation versteht man den Austausch, die Vermittlung und die Aufnahme von Informationen zwischen Menschen.“ (Watzlawick o.J.).
Watzlawick (2000, S.50f) entwickelte fünf Axiome, die die Eigenschaften und Wirksamkeit von Kommunikation abbilden. Eine dieser Grundregeln sagt aus, dass es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren. Für den Supervisionskontext bedeutet dies, dass die Reflexion des eigenen beruflichen Handelns ohne Kommunikation nicht vorstellbar ist.
Nachhaltige Veränderungen im Kommunikationsverhalten stellen die Supervision vor Herausforderungen. Von den im Kapitel 1.1. vorgestellten Megatrends, welche nicht nur die Arbeitswelt betreffen, hat insbesondere die Digitalisierung einen enormen Einfluss. Nicht umsonst fallen in diesem Zusammenhang Begriffe und Schlagwörter wie z.B. „Digitale Revolution“, “Die dritte industrielle Revolution“, „Informationszeitalter“, welche die anhaltende Veränderung fast aller Lebensbereiche charakterisieren. (Boehnke & Döring 2001, Döring 2003, S. 304ff., Head 2005). Für die Zwecke dieser Arbeit soll eine Fokussierung auf die Veränderungen im Kommunikationsverhalten und damit zusammenhängende Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren erfolgen. Hierbei ist zunächst auf die technologischen Treiber einzugehen, ohne welche veränderte Kommunikation nicht möglich wäre. Dies bedeutet, dass es hier um Kommunikation geht, die nicht im direkten persönlichen Kontakt, im „Face-to-face“-Setting, stattfindet, sondern räumlich und/oder zeitlich entgrenzt. Voraussetzung für eine solche Kommunikation sind entsprechende Hilfsmittel oder technische Einrichtungen („Geräte“). Das älteste Instrument der in diesem Sinne „entgrenzten“ Kommunikation ist der Brief.
Ein ganz wesentlicher technischer Treiber ist die Computerisierung gewesen. Nachdem der erste Computer nach heutigem Verständnis bereits in den 1940er Jahren erfunden wurde, schuf der Einsatz von Mikroprozessoren in den 1970ern die Voraussetzung für den Siegeszug der Computer in fast allen Bereichen des beruflichen wie privaten Lebens (Wurster 2002). Der Personal Computer wurde zum Zentrum des modernen (Büro-)Arbeitsplatzes und der Heimcomputer sorgte ab Mitte der 1980er Jahre für die zunehmende Verbreitung in den privaten Haushalten (Friedewald 2000). Heute (Stand 2013) sind in Deutschland 83 % aller Haushalte mit einem Computer (stationärer Computer, Laptop, Notebook, Netbook, Tablet-Computer) ausgestattet. In Haushalten mit Kindern sind es fast 100% (Statistisches Bundesamt 2013).
Auch das Mobiltelefon brauchte nach ersten noch analogen Anfängen in den 1970er Jahren als „Autotelefon“ (in Deutschland: A-, B-, C-Netz) ca. 20 Jahre für seinen Durchbruch. Voraussetzung war hier die Einführung des digitalen GSM-Standards („Global System for Mobile Communications“, in Deutschland ab 1992). Der GSM-Standard wird heute in 670 GSM-Mobilfunknetzen in rund 200 Ländern und Gebieten der Welt als Mobilfunkstandard genutzt. Die technische Weiterentwicklung (2. Generation: Erweiterungen von GSM durch GPRS und EDGE, 3. Generation: UMTS und HSDPA, 4 Generation: LTE) fokussierte insbesondere auf die Ausweitung der Übertragungskapazität. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, nicht nur Sprache zu übertragen, sondern auch sonstige Daten (Text, Audio, Video, Internet). Diese massive Ausweitung der technischen Datenübertragungsmöglichkeiten führte zusammen mit der ebenfalls immer leistungsfähigeren Hardware (Rechenleistung, Speicher) zu einem weiteren Innovationsschub, wobei die immer kostengünstigeren Preise für Hardware sowie die Datenversorgung (insb. Flatrate-Tarife, WLAN) als zusätzlicher Beschleuniger wirkten und noch weiter wirken (Burkart 2007, Döring 2008).
Aus der Verbindung von Computer und Mobiltelefon entstand das sogenannte Smartphone. Dieses stellt mehr Computer-Funktionalität und -konnektivität zur Verfügung als ein herkömmliches fortschrittliches Mobiltelefon. Erste Smartphones vereinigten die Funktionen eines PDA („Personal Digital Assistant“) bzw. Tabletcomputers mit der Funktionalität eines Mobiltelefons. Später wurden weitere Funktionalitäten, wie die eines transportablen Medienabspielgerätes, einer Digital- und Videokamera und eines GPS-Navigationsgeräts hinzugefügt. Smartphones verfügen über einen Internetzugang und die damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten (E-Mail, SMS, Chat, Zugang zu sozialen Netzwerken, Foren, Blogs, etc.) (Döring 2003, S. 37ff., Zawacki-Richter 2013). Erste Smartphones gab es bereits in den 1990er Jahren, aber erst mit der Einführung des Apple iPhone im Jahr 2007 gewannen sie relevante Marktanteile. Heute sind die meisten verkauften Mobiltelefone Smartphones. Durch den permanent mitgeführten Internetzugang löste dies einen Wandel im Internet-Nutzungsverhalten aus. Die Nutzung des Internets verlagert sich zunehmend von stationären oder tragbaren Computer-Geräten (inkl. Laptops) auf tragbare, mobile Klein-Geräte (Smartphones), die der Nutzer aufgrund der geringen Größe praktisch jederzeit mit sich führen und nutzen kann. Dabei ist die Nutzung als Telefon nur noch eine von vielen Möglichkeiten, zunehmend ist es der Internetzugang, der im Mittelpunkt der Nutzung steht.
Die Entstehung und Entwicklung des Internets ist neben der räumlichen „Entgrenzung“ der Nutzung von Computern als Smartphones der zweite wesentliche Treiber für ein geändertes Kommunikationsverhalten. Auch die Wurzeln des Internets liegen in den 1970er bis 1980er Jahren (Döring 2003, S. 2-7, Maurer 2013, Schulmeister 2013). Ausgangspunkt waren Universitäten und Forschungseinrichtungen in den USA, deren Computer datentechnisch vernetzt wurden, um vorhandene (damals noch knappe) Rechnerkapazitäten besser nutzen zu können. Primäre Funktion war demnach der Austausch von Daten, Software, Nachrichten und Neuigkeiten, zunächst nur innerhalb der USA, später auch weltweit. Erst im Jahr 1990 wurde das Internet durch einen Beschluss der National Science Foundation auch für die kommerzielle Nutzung freigegeben. Hierdurch wurde es über die Universitäten hinaus öffentlich zugänglich. Ungefähr zeitgleich wurden die Grundlagen des „World Wide Web“ (WWW) geschaffen (Maurer, 2013). Ab 1993 erhielt das Internet dann einen massiven Verbreitungsschub: der erste grafikfähige Webbrowser („Mosaic“) wurde veröffentlicht und zum kostenlosen Download angeboten. Dies war die Grundlage für die graphisch unterstützte Darstellung von Inhalten des WWW. Da der Webbrowser seitdem fast alle andere technischen Zugangs- bzw. Nutzungsmöglichkeiten des Internets verdrängte, wird er auch als die „Killerapplikation“ des Internets bezeichnet. Das Internet ist somit wesentlicher Bestandteil der Digitalen Revolution (Döring 2003, S. 29-34).
Im Zusammenhang mit der Nutzung des Internets, sei es auf Basis von traditionellen Computern oder von Smartphones, wird sehr häufig auch von „online“ gesprochen. Während damit in der direkten Übersetzung aus dem Englischen „auf Leitung“ gemeint ist und dies somit durchaus unterschiedliche Arten der Leitungsverbindung sein könnten, wird dieser Begriff heutzutage weitaus überwiegend verwendet, um damit anzuzeigen, dass ein Gerät eine aktive Verbindung mit dem Internet besitzt und der Nutzer somit den Zugriff auf die darüber zur Verfügung gestellten Anwendungen und Möglichkeiten hat. Ist die Verbindung inaktiv, besteht also kein aktiver Zugriff auf das Internet, wird dieser Zustand als „offline“ bezeichnet. Geräte ganz ohne Internetverbindung werden als „stand alone“ bezeichnet, sie verfügen über keine entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten.
Die Weiterentwicklung des Internets wird u.a. unter dem Begriff „Web 2.0““ diskutiert (O´Reilly 2005 und 2006 sowie Kaplan & Haenlein 2010). Im Wesentlichen wird hierunter die Erweiterung des World Wide Webs um interaktive und kollaborative Elemente verstanden. Hierbei konsumiert der Nutzer nicht nur den Inhalt (z.B. Abruf von Informationen, Lesen von Nachrichten, Bestellen von Ware), er stellt als sogenannter „Prosument“ selbst Inhalte zur Verfügung (z.B. Kommentierung von Nachrichten, Abgabe einer Bewertung bei einem Online-Versandhändler, Bereitstellung von Fotos, uvm.). Die Inhalte werden nicht mehr nur zentralisiert von Organisationen bzw. Unternehmen erstellt und über das Internet verbreitet, sondern auch von einer Vielzahl von Nutzern, die sich mit Hilfe spezieller („sozialer“) Software zusätzlich untereinander vernetzen.
Der Begriff Web 2.0 beschreibt in Analogie zu den Versionsnummern von Softwareprodukten eine neue Generation des Internets bzw. WWWs und grenzt diese von früheren Nutzungsarten ab. Dies ist jedoch nicht unumstritten, gleichzeitig hat die Verwendung des Begriffs im Laufe der letzten ca. 5 Jahre zugunsten des Begriffs Social Media abgenommen (Schürig 2010, Kaplan & Haeinlein 2010). Im weiteren Verlauf sollen die Begriffe Web 2.0 und Social Media synonym verwendet werden. Der Fokus liegt auf den durch die „sozialen Medien“ (Technologie, Software) geschaffenen Möglichkeiten für die Nutzer, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu erstellen. Das Internet hat sich somit zum dominanten Informations- und Kommunikationsmedium entwickelt. Dabei werden traditionelle Medien wie Printmedien, Telefon (VoIP), Radio (Webradio), Fernsehen (IPTV), Fax und Brief (E-Mail) sukzessive vereinnahmt bzw. ersetzt. Daneben entwickeln sich eigene, bis dato unbekannte Formen wie Suchmaschinen, Versteigerungsbörsen, „Mitmach“-Enzyklopädien (Wikis) und Diskussionsforen. Aufgrund der weiter oben beschriebenen „Mobilisierung“ der dafür benötigten Hardware findet die Nutzung des Internets zunehmend über Smartphones statt.
Welche grundlegenden Phänomene hinsichtlich eines geänderten Kommunikationsverhaltens können nun beobachtet werden? Dies soll im Folgenden beschrieben werden.
Zunächst findet eine Ausweitung der Kommunikationsmittel statt. Neben den eigenhändig formulierten/gestalteten Text und das gesprochene Wort (Telefonie) treten Bilder sowie Audio- und Videodateien bzw. –informationen, auch in Kombination, auf (z.B. Versand einer Email mit angehängter Video-Datei, Verfassen eines Blog-Eintrags mit Bild).
Daneben verschiebt sich die Kommunikation von der synchronen zu asynchronen Ausrichtung, d.h. immer mehr Informations-/Kommunikationsinhalte werden über E-Mail, Foren oder Blogs zeitlich entgrenzt ausgetauscht bzw. zur Verfügung gestellt. Die erweiterten Techniken führen auf der anderen Seite aber auch zu potenziell schnelleren Antwort- und Reaktionszeiten. Informationen können nicht mehr nur per E-Mail fast in Echtzeit rund um die Welt an ausgewählte Empfänger verteilt werden. Über das Internet kann potenziell jeder Nutzer über spezielle (kommerzielle und nicht-kommerzielle) Angebote (Facebook, Twitter, Blogs/Foren) weltweit angesprochen werden.
Gleichzeitig verändern sich die Kommunikationsbeziehungen. Aus einer bidirektionalen Kommunikationsbeziehung von Sender und Empfänger treten vernetzte Kommunikationsbeziehungen mit mehreren oder vielen Sendern und Empfängern. Dieser Aspekt wird unter dem Begriff „Kollaboration“ verdeutlicht. Die soziale Interaktion und das kollaborative Arbeiten über das Medium Internet lässt über die gemeinsame Erstellung, Bearbeitung und Verteilung von Inhalt sog. „User Generated Content“ entstehen.
Bezogen auf die Bereitstellung von Informationen durch Organisationen (z.B. Zeitungen, Zeitschriften, Verlagshäuser, Versandhandel,…) bedeutet dies eine Abkehr von der klassischen 1:n-Beziehung (mediale Monologe), bei der ein Anbieter mit vielen Nutzern oder Kunden kommuniziert. Über Kommentar- und Bewertungsfunktionen, Foren und Blogs werden die Nutzer/Kunden selber Erzeuger von Informationen. Es entstehen n:n-Kommunikationsbeziehungen (sozial-mediale Dialoge). Kommerzielle Anbieter verlieren somit einen wesentlichen Teil der Kontrolle über ihre Angebote/Produkte, können diese neuen Möglichkeiten aber auch in ihr Geschäftsmodell integrieren (z.B. Kundenbewertungen bei Amazon und Ebay, Forenbeiträge auf Spiegel Online und FAZ Online, vgl. Kaplan & Haenlein 2010).
Weiterhin ist eine Entschriftlichung festzustellen. So werden z.B. Informationen zur Nutzung von technischen Geräten oder Software nicht mehr in Textform als Bedienungsanleitung vermittelt, sondern über die Bereitstellung von animierten Bildern oder kurzen Filmen. Dies ist auch die Reaktion auf das geänderte Nutzerverhalten, insbes. seine Ungeduld (vgl. Megatrend Beschleunigung). An die Stelle des Verarbeitungsprozesses „Lesen Verstehen“ tritt die unmittelbare Abfolge „Sehen+Hören Erfahren“. Die verstandesmäßige Verarbeitung der aufgenommenen Informationen entfällt zu Gunsten einer eher direkten sinnlichen Erfahrung.
Dies betrifft schließlich auch die Veränderung der Sprache. Ganz wesentlich geprägt durch die Verbreitung von SMS- und E-Mail-Mitteilungen wird Kommunikation auf die wesentlichen Inhalte reduziert. Beispielsweise werden keine ganzen Sätze mehr ausformuliert oder es entfallen klassische Bestandteile wie Anrede oder Grußformulierungen. Die Bedeutung der Veränderung liegt darin, dass aus der ursprünglich technisch bedingten Beschränkung der Kommunikation – eine SMS kann maximal 160 Zeichen enthalten – ein eigener Sprachstil entstanden ist, der auf andere Formen der Kommunikation übergreift, auch auf das gesprochene Wort. Wesentlicher Bestandteil dieser Form der Kommunikation, die insbesondere in Foren und Chats anzutreffen ist, ist die Verwendung von Abkürzungen, Akronymen und Emoticons. Letztere sind kleine Bilder oder Kombinationen von Zeichen, die einen Gegenstand, eine bestimmte kurze Aussage oder ein bestimmtes Gefühl sehr verdichtet zum Ausdruck bringen. Letztlich hat sich somit ein eigener „Netzjargon“ gebildet, der zudem sehr stark durch die englische Sprache geprägt ist und die traditionelle Rechtschreibung weitgehend ignoriert. Aus „Nutz eine Suchmaschine, bevor du mich fragst!“ wird so „GIYF“ (lang: „Google is your friend“) (Döring 2003, S. 182ff.).
Nutzung von Netzjargon und Entschriftlichung führen zu dem Effekt, dass insb. Gefühle tendenziell weniger oder nicht mehr beschrieben, sondern unmittelbar „versinnbildlicht“ werden. Aus „ich freue mich“ wird so „smile“ oder „:-)“, aus „Das Essen schmeckt mir nicht“ wird „*würg*“. Neben der hierdurch bedingten allgemeinen Verarmung der Sprache ist bezogen auf komplexere Gefühle bzw. Situationen festzustellen, dass diese mit einer solchen Kurz-Sprache kaum noch zum Ausdruck gebracht werden können. Bedeutsam für den supervisorischen Kontext ist auch, dass eine Reflektion von Erlebtem vor der Kommunikation durch die Unmittelbarkeit des Ausdrucks entfällt.
Durch die Verbreitung des Smartphones, leistungsfähiger Netzverbindungen und der daraus folgenden jederzeit verfügbaren Internetverbindung folgt beim jeweiligen Nutzer eine Verstetigung der Kommunikation, welche zu einem kontinuierlichen „Strom“ von ausgetauschten Informationsteilmengen wird. Ein Indiz: während jeder Bundesbürger am Jahresanfang 2014 zwei SMS täglich verschickte, sendete jeder WhatsApp-Nutzer 30 Nachrichten pro Tag (Chip Online 2014). Beispielsweise erzählt man beim Heimkommen nicht mehr, wie die Anreise mit der Bahn war, sondern lässt den Partner bereits während der Fahrt an dieser über z.B. Kurznachrichten teilhaben. Relevante („Verspätung!“) und irrelevante Informationen („gegenüber sitzt ein Unsympath“) werden hierbei vermischt.
Die Verstetigung und die jederzeitige persönliche Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit von Informationen (auch beschrieben als „always on(line)“) kann aber auch zur Angst führen, etwas zu verpassen. Erste wissenschaftliche Studien bestätigen in diesem Zusammenhang, dass es so etwas wie „Internet-Sucht“ gibt (PINTA-Studie, vgl. Rumpf, u.a. 2011). Bezogen auf die Kommunikation könnte z.B. das Ausbleiben von laufenden Informationen (z.B. Kurznachrichten) ein Mangelgefühl auslösen (Arnold & Weber 2013).
Ein weiteres Phänomen des Social Media-Zeitalters ist die freiwillige Preisgabe von privaten Informationen durch die Nutzer. Über entsprechende Programme und Dienste (z.B. Facebook) werden einer nicht oder nur schwer eingrenzbaren Anzahl von Personen weltweit z.T. sehr private bzw. intime Daten sowie Bilder und Videos zur Verfügung gestellt. Einmal im Internet verfügbar, ist eine nachträgliche Rücknahme de facto unmöglich. Die hier unschwer erkennbaren narzisstischen Tendenzen finden ihren Ausdruck auch im Aufkommen der sogenannten „Selfies“ (mit dem Smartphone aufgenommene Selbstportraits, die im Internet der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden). Ähnliches ist aber auch im beruflichen Kontext zu beobachten. So können über eine Plattform wie XING berufliche Daten und Lebensläufe der dort registrierten Mitglieder eingesehen werden.
Spezifische Auswirkungen auf die Arbeitswelt ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Organisation der Arbeit. Hier ist auf die unter 1.1 beschriebenen Effekte der Entgrenzung der Arbeit zu verweisen. Neben der beschriebenen Ausweitung der Erreichbarkeit der Mitarbeiter werden Elemente des Web 2.0 insbesondere zur vernetzten, standortunabhängigen Zusammenarbeit genutzt. Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich im Bereich des Wissensmanagements (Intranet, Wikis, Blogs). Darüber hinaus gelten natürlich auch die oben beschriebenen allgemeinen Phänomene des geänderten Kommunikationsverhaltens für die Arbeitswelt, wenn auch mit Einschränkung. Da Akteure der Kommunikation immer die jeweiligen Menschen sind, werden diese ihr verändertes Kommunikationsverhalten auch in die Arbeitswelt „mitbringen“, wobei wir bereits festgestellt haben, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen, was den Diffusionsprozess beschleunigen dürfte. Allerdings ist von einem adaptierten Verhalten auszugehen, d.h. die Veränderung im Kommunikationsverhalten wird in einem beruflichen Kontext tendenziell weniger deutlich ausfallen. Gleichwohl können alle genannten Effekte auch hier festgestellt werden.
Auch Supervision muss sich einem veränderten Kommunikationsverhalten stellen. Ein Ansatz kann darin gesehen werden, bereits bestehende Supervisionsangebote analog zur entgrenzten und subjektivierten Arbeitswelt weiter zu entwickeln. Die Herausforderung besteht an dieser Stelle darin, die technologischen Treiber effektiv zu nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die computervermittelte Kommunikation in der Supervisionsarbeit zeigt Möglichkeiten und Grenzen auf, auf die ich im weiteren Verlauf dieser Masterthesis noch eingehen möchte. In der Synergie von neuen und altbewährten Verfahren können weitere Beratungsformate, wie z.B. die textbasierte Online-Supervision, generiert werden.
Durch eine bewusste Verschriftlichung kann – gegenläufig zu den Megatrends - eine Entschleunigung erreicht werden, um angestrebte Veränderungsprozesse reifen und wirken zu lassen. So kann die Nachhaltigkeit von Supervision auch sichergestellt werden.
Eine weitere Antwort auf die Entgrenzung von Arbeit (vgl. Kapitel 1.1) kann in der Erarbeitung eines Formates bestehen, welches sich technologischer Mittel, wie z.B. Laptop oder Smartphone, bedient. Unabhängig von Zeit und Raum kann dann eine Erweiterung der eigenen Kompetenzen umgesetzt werden und eine Reflexion der Arbeit erfolgen.
Die textbasierte Online-Supervision befindet sich in einem Entstehungsprozess. Erste Erfahrungen und Erkenntnisse mit dieser neuen Beratungsform wurden bereits veröffentlicht. Hier verweise ich insbesondere auf die Veröffentlichungen von Emily Engelhardt, Geschäftsführerin des Institutes für E-Beratung an der Technischen Hochschule Nürnberg (u.a. Engelhardt & Storch 2013, Engelhardt 2014a, Engelhardt 2014b). Das Institut forscht und entwickelt in Bereichen der elektronisch vermittelten Kommunikation. Konzeptionelle Überlegungen unter den Aspekten von Möglichkeiten und Grenzen, werden auf der Grundlage von theoretischen Ansätzen von ihr vorgestellt. Daneben wurden methodische Konzepte von Praktikern erarbeitet.
Allerdings sind bis heute noch keine allgemeingültigen Kriterien für die internetgestützte Supervision geschaffen worden. Ihre Wirksamkeit ist noch nicht evaluiert. Meine Arbeit möchte einen Beitrag dazu leisten, die Bedeutung von textbasierter Online-Supervision unter verschiedenen Aspekten zu beleuchten mit dem Ziel, eine Antwort auf die Frage nach dem Nutzen dieses Beratungsformates zu geben.
1.3. Aufbau der Arbeit
Zu Beginn beleuchte ich das Beratungsformat Supervision als ein Bestandteil in der Arbeitswelt. Im weiteren Verlauf beschreibe ich dann das veränderte Kommunikationsverhalten in der heutigen Gesellschaft. Bezugnehmend darauf wird das Internet als „die“ neue Kommunikationsform in den Blick genommen, welche immer mehr Einzug in das alltägliche Leben gewonnen hat. Daneben verändert sich auch die Arbeitswelt, was wiederum Einfluss auf gesellschaftliche Begebenheiten hat. In diesem Kontext verdeutliche ich die Notwendigkeit, bereits vorhandene Supervisionsformate zu ergänzen und konzeptionelle Weiterentwicklungen voranzutreiben.
In Kapitel 2 gehe ich näher auf die Begriffsdefinition und die bereits vorhandenen Formate von textbasierter Online-Supervision ein. Ich setzte die textbasierte Online-Supervision in Bezug zu neurowissenschaftlichen Aspekte, dem systemisch-konstruktivistischen Ansatz und dem psychoanalytischen Ansatz und erarbeite die Auswirkungen auf das zu untersuchende Supervisionsformat. Die Wirksamkeit stelle ich abschließend vor dem Hintergrund des Schreibens als ein Reflektions- und Strukturierungsmedium und der Kanalreduktionstheorie vor.
In Kapitel 3 stelle ich den empirischen Teil meiner Arbeit vor. Ich beschreibe zunächst mein Forschungsinteresse. Im Anschluss schildere ich meine gewählte Methode und Vorgehensweise bei der Datenerhebung. Die Ergebnisse der Interviews fasse ich zusammen und schließe diesen Teil mit meinen eigenen Interpretationen ab.
In Kapitel 4 beschäftige ich mich mit Perspektiven in der textbasierten Online-Supervision. Im Fokus werden hier Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für ein eigenständiges Beratungsformat entwickelt und dargestellt.
Im letzten Kapitel fasse ich die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit zusammen und formuliere Fragen, die sich für mich in der Auseinandersetzung mit diesem Thema stellen.
In dieser Masterthesis verwende ich sowohl die männliche als auch die weibliche Form nach dem Zufallsprinzip. Eine Hervorhebung des jeweiligen Geschlechts ist nicht beabsichtigt.
2. Grundlagen der textbasierten Online-Supervision
2.1. Begriffsdefinition
Vor den Ausführungen über die besonderen Merkmale und die Wirksamkeit der textbasierten Online-Supervision steht eine kurze Begriffsbestimmung. Hierbei wird Bezug genommen auf die in Kapitel 1.2. dargestellten Grundlagen.
Da es im deutschsprachigen Raum derzeit noch keine allgemeingültige Definition von textbasierter Online-Supervision gibt, kann hier eine Annäherung in Analogie zu vorhandenen Konzepten erfolgen. Dabei werden bekannte und anerkannte Vorgehensweisen und Verfahren der Supervision auf die (textbasierte) Online-Supervision zu übertragen sein. Die Erarbeitung von allgemeingültigen Standards, die z.B. auch von den Dachverbänden anerkannt werden, steht heute (2015) noch aus. Weiterhin gilt es zu beachten, dass sich die Online-Beratung schon ca. Anfang der 2000er Jahre, d.h. vor ungefähr 15 Jahren, etabliert hat (Reindl & Hergenreider & Hünninger 2012). Die Entwicklung der Online-Supervision begann deutlich später. Insofern können insbesondere Definitionsansätze und Merkmale der (textbasierten) Online-Beratung auf die Online-Supervision übertragen werden.
Josef Lang, Mitglied der Kommission Fortbildung Online-Beratung (KFOB) der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP), definiert Onlineberatung folgendermaßen: „Psychologische Onlineberatung ist eine aktive, helfende Begegnung resp. Beziehung zwischen einem/einer Ratsuchenden und einer/m psychologischen BeraterIn. Sie findet virtuell im Internet mittels dessen spezifischen Kommunikationsformen (E-Mail, Chat, Forum etc.) statt, wobei der/die KlientIn Ort und Zeitpunkt der Problemformulierungen selber bestimmt. Sie hat zum Ziel, bei der Klientin/beim Klienten kognitiv-emotionale Lernprozesse anzuregen, um damit die Selbststeuerungs- und Handlungsfähigkeit zu verbessern. Psychologische Online-BeraterInnen benutzen anerkannte psychologisch-beraterische Methoden und halten sich an medienspezifisch erweiterte berufsethische Standards (Schweigepflicht, Datenschutz, Erkennbarkeit der Beraterkompetenz, u.a.)“ (Lang 2002).
Auffallend sind hier der explizit genannte psychologische Ansatz, der sich aus der eigenen Profession bzw. der des Verbandes ergibt, sowie die Nennung der Kommunikationsformate E-Mail, Chat, Forum. Diese Aufzählung ist allerdings nur beispielhaft und somit nicht abschließend. Es sind jedoch ausschließlich textbasierte Formate. Ferner umfasst die Lang´sche Definition neben der reinen Begriffsklärung auch Anforderungen an die Berater, welche online tätig werden.
Im Handbuch Onlineberatung, welches als ein Standardwerk für die psychosoziale Onlineberatung gilt (Engelhardt & Storch 2013, S. 3), werden als Medien der Online-Beratung ebenfalls ausschließlich die textbasierten Formen der Kommunikation im Internet, nämlich Chat, Foren sowie die Einzelberatung per Mail, genannt (Kühne & Hinterberger 2009).
Engelhardt & Storch (2013) stellen dem eine allgemeinere Begriffsklärung der Onlineberatung gegenüber. So schreiben sie, „dass Onlineberatung sämtliche Formen der Beratung einschließt, die auf die Infrastruktur des Internets angewiesen sind, um den Prozess der Beratung zu gestalten und die sowohl synchron/asynchron textgebunden (Forum, Einzelberatung, Chat) als auch synchron und textungebunden via Videochat, Avataren oder Internettelefonie stattfinden können. Ebenso sind Mischformen denkbar, wenn im Videochat nebenbei geschrieben werden kann oder beim Einsatz von Avataren über das Mikrofon gesprochen wird.“
Onlineberatung ist demnach eine Beratung, bei der die Kommunikation zwischen Berater und Beratendem über das Internet erfolgt. Dies deckt sich mit dem allgemeinen Verständnis von „online“ (vgl. Kapitel 1.2.). Allerdings wird in dieser Definition nach Engelhart & Storch (2013) die Kommunikation per E-Mail nicht explizit genannt, jedoch auch nicht ausgeschlossen. Die Beratung per E-Mail stellt die älteste Form der Online-Beratung dar (Schellack 2012, S. 61). Eine Ausgrenzung ist m.E. auch aufgrund der nach wie vor hohen Verbreitung sowie der spezifischen Wirkfaktoren (vgl. Kapitel 2.4.) nicht sinnvoll. Engelhardt & Storch nähern sich der Definition insbesondere über die technischen Kommunikationsmittel und diskutieren im späteren Verlauf auch noch einzelne Begriffe wie „virtuell“, das „E“ in z.B. „E-Coaching“ und die „Beratung mit neuen Medien“. Dies sind jedoch m.E. alles, zum Teil auch bereits wieder überkommene, Bezeichnungen für die Nutzung des Internets.
In dem von Geißler und Metz herausgegebenen Sammelband „E-Coaching und Online-Beratung“ (Geißler & Metz 2012) werden in diversen Beiträgen die unterschiedlichen Formate beschrieben4. Die Supervision wird von diesem Werk allerdings nicht erfasst. Die Strukturierung erfolgt hier in vier Gruppen sowie der übergreifenden bzw. alle Elemente umfassenden Multimedialen Basiskommunikation (vgl. Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Systematisierung von Online-Beratung und E-Coaching5.
Zunächst ist festzustellen, dass bei dieser Strukturierung auch das (normale) Telefon als Medium von „E-Coaching und Online-Beratung“ erfasst wird. Entwicklungsgeschichtlich mag es sinnvoll sein, dieses an den Anfang der Beschreibung zu stellen, aber unter die Definition selber fällt es m.E. eindeutig nicht. Insofern sind alle anderen Kommunikationswege ausschließlich internet-basiert. „Online“ und „E-“ stehen also auch hier synonym für das Internet.
Weiterhin ist bei Geißler & Metz (2012) der deutliche Schwerpunkt bei der webbasiert-textlichen Kommunikation erkennbar. Weitere Kommunikationsformate, die auch mit Audio- und/oder Videoübertragungen arbeiten, werden m.E. zutreffend als ergänzende „Zusatztools“ charakterisiert. Gerade wirklich neue Ansätze, die z.B. klassische Instrumente aus dem Face to Face-Setting konsequent in die Online-Welt übertragen (z.B. Aufstellungen), befinden sich noch in einem Entwicklungs- bzw. Erprobungsstadium. Im Gegensatz zu den webbasiert-textlichen Ansätzen kann man hier nicht von einer Etablierung bzw. weiten Verbreitung sprechen. Dies gilt umso mehr für die Supervision, die (s.o.) den Entwicklungen der Beratung erkennbar mit einem zeitlichen Versatz folgt.
Umgekehrt ist aus dem Definitionsansatz nach Geißler & Metz (2012) auch erkennbar, dass eine Online- oder E-Beratung eben immer auf eine textbasierte oder fernmündliche Basiskommunikation angewiesen ist. Eine Beratung oder ein Coaching ohne Text, der gelesen wird, oder das gesprochene Wort, welches gehört wird, ist de facto nicht möglich.
Aufgrund von Bedeutung, Verbreitung und Reifegrad möchte ich somit auf die textbasierte Kommunikation auf Basis des Internets fokussieren. Übertragen auf die Supervision möchte ich im Folgenden in Anlehnung an Belardi (2009, S.15) und Lang (2002, S.18) von folgender Definition ausgehen:
Textbasierte Online-Supervision ist ein Weiterbildungs-, Beratungs- und Reflexionsverfahren für berufliche Zusammenhänge. Gegenstandsbereiche dieses Beratungsformates sind die Klienten- und Kundenebene, das Arbeitsfeld der jeweiligen Einrichtung / Organisation sowie der berufliche Auftrag mit dem Fokus auf die eigene Person. Sie findet ausschließlich internet-basiert mittels der spezifischen Kommunikationsformen E-Mail und / oder dem Austausch in Foren bzw. per Text-Chat statt, wobei der Supervisand Ort und Zeitpunkt der Anliegenformulierung selber bestimmt.
Das Beratungsformat der textbasierten Online-Supervision hat zum Ziel, bei dem Supervisanden Entwicklungs-und Lernprozesse anzuregen, um damit die Selbststeuerungs- und Handlungsfähigkeit zu verbessern. Supervisoren, die textbasiert und online arbeiten, benutzen anerkannte Verfahren, kennen die unterschiedlichen Wirkfaktoren in den jeweiligen Beratungsformaten und sind ausgebildet in medienspezifischen Supervisionsmethoden. Sie verpflichten sich den erweiterten berufsethischen Standards (z.B. Datenschutz- und Sicherheit im Internet).
2.2. Die Kommunikationsformate der textbasierten Online-Supervision
Vor der vertieften Auseinandersetzung mit der textbasierten Online-Supervision sollen die nunmehr herausgearbeiteten relevanten Kommunikationsmedien/-formate kurz dargestellt werden. Diese können grundsätzlich in einer Matrix aus Zeit und Raum eingeordnet werden (vgl. Abbildung 4). Die Unterscheidungsmerkmale sind jeweils, ob die Kommunikation zeitlich bzw. räumlich entgrenzt abläuft oder nicht. Bezogen auf die zeitliche Entgrenzung der Kommunikation spricht man auch von einer asynchronen Kommunikation.
Eine entgrenzte Kommunikation ist grundsätzlich kein neues Phänomen und bedingt auch nicht das Internet als Voraussetzung (vgl. z.B. Brief, Telefon, Telefax). Allerdings erweitert moderne Kommunikationstechnik (Internet, hoch performante Datenübertragungskapazitäten) die Möglichkeiten und die praktische Nutzbarkeit. In der Folge sind tatsächlich neue, insbesondere asynchrone, Kommunikationsmedien auf Basis des Internets geschaffen worden. Für diese Arbeit relevant sind davon Chat, E-Mail, Blog und Foren. Diese Kommunikationsmedien sind textbasiert und nutzen das Internet als technische Basis. Während E-Mail, Blog und Foren asynchrone Kommunikationsmedien sind, verläuft die Kommunikation beim Chat synchron.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Kommunikationswege in der textbasierten Online-Supervision.6
Der englische Begriff „Chat“ bezeichnet ursprünglich den Inhalt einer Kommunikation, d.h. direkt übersetzt „Plauderei“, „Geplapper“, „Unterhaltung“. Heute hat sich dieser Begriff zur Bezeichnung einer elektronischen Kommunikation in Echtzeit, i.d.R. über das Internet, durchgesetzt. Über spezielle Software-Programme können somit zwei oder mehrere Personen synchron kommunizieren. Als „Chat-Rooms“ werden Internetangebote bezeichnet, die auf die Kommunikation mehrerer bzw. vieler Personen ausgerichtet sind. Hier wird ausschließlich textbasiert gearbeitet. In Abgrenzung dazu gibt es spezielle Messanger-Programme (z.B. Skype), die auf die bilaterale synchrone Kommunikation ausgerichtet sind. Diese Programme bieten heute neben dem textbasierten Chat auch noch weitere Kommunikationsmöglichkeiten, die z.T. auch als Chat bezeichnet werden. Der Audio-Chat ist dabei allerdings nur eine andere Bezeichnung für Telefonie über das Internet (VoIP-Telefonie) und der Audio-Chat bezeichnet demnach die Videotelefonie, ebenfalls über das Internet.
[...]
1 Quelle: Eigene Abbildung.
2 Globalisierung: Varwick 2004, Czempiel 1999, aus ökonomischer Sicht: Levitt 1983. Ökonomisierung: Minssen 2012, Funk 2011. Finanz-Kapitalismus: Minssen 2012, Funk 2011, Senghaas-Knobloch 2010. (De-)Regulierung: Braithwaite 2008, Vogel 1998, Faur 2005. Digitale Revolution: Balkhausen 1984, Head 2005, Heuser 2000, Rifkin 2004, Rifkin 2013, Thiede 2013. Wertewandel: Lay & Posé 2006, Bruch & Wanka 2006, Duncker 1998, Duncker 2000.
3 Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Haubl & Voß 2011 und Haubl & Voß, u.a. 2013.
4 Viele Beiträge beschränken sich allerdings auf die mehr oder weniger ausführliche Beschreibung von Praxisbespielen (z.B. Einsatz eines virtuellen Trainercoachings in einem Baumarkt).
5 Quelle: Eigene Darstellung nach Geißler & Metz 2012.
6 Quelle: Eigene Abbildung.
- Quote paper
- Martina Schäfer (Author), 2015, Kriterien in der textbasierten Online-Supervision als eigenständiges Beratungsformat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299096
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