Als sich am 1. Mai dieses Jahres die Europäische Union (EU) um zehn neue
Mitgliedsstaaten aus Mittel- und Osteuropa erweiterte, feierten Millionen Europäer die
Überwindung jahrzehntelanger ideologischer Spaltung und die wiedergewonnene Einheit
des aufgrund zweier Weltkriege einst am Boden liegenden Kontinents. Mit dem Beitritt
der neuen Mitgliedsländer Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien,
Tschechische Republik, Ungarn, Zypern und Malta festigt die EU ihre Position als eine
der stärksten Wirtschaftsmächte der Erde. Mit den 75 Millionen neu hinzugekommenen
Bürgern leben innerhalb der EU fortan 455 Millionen Menschen.
Neben den wirtschaftlichen wie politischen Hoffnungen verbinden sich mit der
EU-Osterweiterung aber auch erhebliche Befürchtungen. Was im großen Rahmen für
die Globalisierung gilt, scheint sich im kleinen auch für die europäische Integration zu
bewahrheiten: Bei beiden Prozessen wird es am Ende Gewinner und Verlierer geben.
Für deutsche Unternehmer und Konzerne versprechen die durch die Osterweiterung
gewonnenen Absatzmärkte zwar glänzende Wachstums- und Gewinnaussichten. Bei
inländischen Arbeitskräften löst die Erweiterung jedoch Angst vor sinkenden Löhnen
und steigender Arbeitslosigkeit aus. Und tatsächlich kann es angesichts der anhaltend
hohen Unterbeschäftigung in Deutschland – wie auch in anderen EU-Ländern – nicht
überraschen, dass nach negativen Konsequenzen der EU-Osterweiterung gefragt wird.
Die vorliegende Seminararbeit unternimmt im Rahmen der Übung
„Wirtschaftspolitik und Strukturwandel“ eine empirische Bestandsaufnahme und
überprüft in diesem Zusammenhang die Folgerungen nach der EU-Osterweiterung für
Deutschland in drei relevanten Aspekten: die Unterschiede im Außenhandel, in der
Qualifikation der Arbeitskräfte sowie in der zu erwartenden Bevölkerungswanderung.
Hierfür soll zunächst kurz auf die grundlegenden, volkswirtschaftlichen Theorien zum
Außenhandel von Ricardo, Heckscher-Ohlin und Leontief eingegangen werden, damit
anschließend die inhärente Logik und die entscheidenden Rahmenbedingungen der EUOsterweiterung
erläutert werden können. Nach der einleitenden Theorien- und
Merkmalsklärung sollen im Hauptteil der vorliegenden Arbeit anhand einer empirischen
Bestandsaufnahme die Konsequenzen der EU-Osterweiterung für Deutschland in den
drei geschilderten Bereichen kurz und prägnant aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Logik und Rahmenbedingungen der EU-Osterweiterung ..
3. Empirische Bestandaufnahme und Folgerungen
3.1. Unterschiede im Außenhandel
3.2. Unterschiede in der Qualifikation der Arbeitskräfte
3.3 Unterschiede in der Bevölkerungsmigration
4. Fazit
5. Literatur
1. Einleitung
Als sich am 1. Mai dieses Jahres die Europäische Union (EU) um zehn neue Mitgliedsstaaten aus Mittel- und Osteuropa erweiterte, feierten Millionen Europäer die Überwindung jahrzehntelanger ideologischer Spaltung und die wiedergewonnene Einheit des aufgrund zweier Weltkriege einst am Boden liegenden Kontinents. Mit dem Beitritt der neuen Mitgliedsländer Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern und Malta festigt die EU ihre Position als eine der stärksten Wirtschaftsmächte der Erde. Mit den 75 Millionen neu hinzugekommenen Bürgern leben innerhalb der EU fortan 455 Millionen Menschen.
Neben den wirtschaftlichen wie politischen Hoffnungen verbinden sich mit der EU-Osterweiterung aber auch erhebliche Befürchtungen. Was im großen Rahmen für die Globalisierung gilt, scheint sich im kleinen auch für die europäische Integration zu bewahrheiten: Bei beiden Prozessen wird es am Ende Gewinner und Verlierer geben. Für deutsche Unternehmer und Konzerne versprechen die durch die Osterweiterung gewonnenen Absatzmärkte zwar glänzende Wachstums- und Gewinnaussichten. Bei inländischen Arbeitskräften löst die Erweiterung jedoch Angst vor sinkenden Löhnen und steigender Arbeitslosigkeit aus. Und tatsächlich kann es angesichts der anhaltend hohen Unterbeschäftigung in Deutschland - wie auch in anderen EU-Ländern - nicht überraschen, dass nach negativen Konsequenzen der EU-Osterweiterung gefragt wird.
Die vorliegende Seminararbeit unternimmt im Rahmen der Übung „Wirtschaftspolitik und Strukturwandel“ eine empirische Bestandsaufnahme und überprüft in diesem Zusammenhang die Folgerungen nach der EU-Osterweiterung für Deutschland in drei relevanten Aspekten: die Unterschiede im Außenhandel, in der Qualifikation der Arbeitskräfte sowie in der zu erwartenden Bevölkerungswanderung. Hierfür soll zunächst kurz auf die grundlegenden, volkswirtschaftlichen Theorien zum Außenhandel von Ricardo, Heckscher-Ohlin und Leontief eingegangen werden, damit anschließend die inhärente Logik und die entscheidenden Rahmenbedingungen der EU- Osterweiterung erläutert werden können. Nach der einleitenden Theorien- und Merkmalsklärung sollen im Hauptteil der vorliegenden Arbeit anhand einer empirischen Bestandsaufnahme die Konsequenzen der EU-Osterweiterung für Deutschland in den drei geschilderten Bereichen kurz und prägnant aufgezeigt werden
2. Logik und Rahmen der EU-Osterweiterung
Die Logik der EU-Osterweiterung beruht aus wirtschaftlicher Perspektive auf der Annahme von Wohlstandgewinnen durch Spezialisierung, Arbeitsteilung und Freihandel im Rahmen internationaler Wertschöpfungsketten. Die europäische Integration ist hierbei als Teil der fortschreitenden Globalisierung zu verstehen, in der einst räumlich getrennte Volkswirtschaften sich immer rascher miteinander verflechten und bei der die Grenzen der Nationalstaaten zunehmend überwunden werden. Bevor die Eigenschaften und Rahmenbedingungen der EU-Osterweiterung dargestellt werden, soll eingangs das volkswirtschaftliche Theoriengerüst kurz erläutert werden, auf das sich Ökonomen und Politiker der Gegenwart bei ihrer Argumentation für einen uneingeschränkten Außenhandel stützen.
Den theoretischen Grundstein für die Idee eines weltweiten Freihandels legte der britische Wissenschaftler David Ricardo (1772-1823), der neben seinem Landsmann Adam Smith (1723-1790) als Gründervater der Nationalökonomie gilt. In seiner „Theorie der komparativen Kosten“ übertrug Ricardo das wirtschaftsliberale Konzept individueller Gewinnmaximierung und kollektiver Arbeitsteilung auf den internationalen Handel.1 Darin zeigte der Volkswirt bereits vor mehr als 200 Jahren, dass Arbeitsteilung und Spezialisierung zwischen zwei Ländern theoretisch auch dann für beide vorteilhaft sein können, wenn ein Land bei zwei Produktionszweigen einen absoluten Kostennachteil gegenüber dem anderen hat. Entscheidend ist, dass sich das scheinbar unterlegene Land auf die Herstellung und den Export jenes Gutes konzentriert, bei dem es den relativ geringsten Kostennachteil hat. In seinem Originalbeispiel zieht Ricardo ein vereinfachtes „Zwei-Länder-zwei-Güter“-Modell heran. Angenommen, England und Portugal produzieren Wein und Tuch. Die Produktion beider Güter ist in England absolut betrachtet teurer, während Portugal bei der Herstellung von beiden Gütern einen absoluten Kostenvorteil hat. Allerdings ist der Kostennachteil von England bei Tuch relativ betrachtet geringer als bei Wein. England sollte sich daher vollkommen auf Tuchproduktion spezialisieren, weil es auf diesem Produktionssektor geringere Opportunitätskosten und damit einen komparativen Kostenvorteil hat. Portugal sollte sich dagegen auf Weinproduktion konzentrieren, weil es hier neben den absoluten auch den komparativen Kostenvorteil besitzt. Durch die Spezialisierung gewinnen beide Länder an Effektivität, büßen jedoch an Souveränität ein. Da jedes Land im Optimalfall nur noch ein Gut produziert, sind beide auf den wechselseitigen Handel angewiesen. Anzumerken ist, dass das Ricardo-Theorem ein vereinfachtes Modell zu Grunde legte. Bei der Anwendung der Theorie muss berücksichtigt werden, dass sie auf stark einschränkenden Annahmen beruht. Dazu zählt die vollkommene Mobilität der Produktionsfaktoren innerhalb eines Landes und gleichzeitig deren vollkommene Immobilität zwischen den beiden Ländern. Auch werden Transportkosten vernachlässigt, die den Kostenvorteil aus Spezialisierung und Handel zunichte machen könnten. Drittens bleiben die Kosten auch bei einer Veränderung der Produktionsmenge konstant. Es werden also nicht Größenvorteile berücksichtigt, die bei der Produktion zu zusätzlichen Kosteneinsparungen führen könnten (sogenannte Scale-Effekte).
Das Ricardo-Theorem wurde von Wissenschaftlern im 20. Jahrhundert erweitert und verfeinert. Der schwedische Nationalökonom Bertil Ohlin griff die Vorarbeiten seines Kollegen E. Heckscher auf. Das Heckscher-Ohlin-Theorem unterstreicht die Bedeutung der Produktionsfaktoren im internationalen Handel und berücksichtigt hierbei vor allem die unterschiedliche Verteilung von Kapital, Boden und Arbeit zwischen den Ländern.2 Das Heckscher-Ohlin-Theorem erweitert Ricardos Ansatz zu einem „Zwei-Länder-zwei-Güter-zwei-Faktoren-Modell“. Demnach produziert und exportiert ein Land vor allem jenes Gut, dessen Herstellung den Faktor nutzt, mit dem dieses Land am besten ausgestattet ist. Die Theorie berücksichtigt hierbei lediglich die reine Mengenrelation in der Faktorausstattung. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Wassily Leontief zeigte darüber hinaus, dass neben den quantitativen auch die qualitativen Merkmale der Produktionsfaktoren von entscheidender Bedeutung sind. Nicht nur die Mengenrelation von Arbeit, Boden und Kapital spielt demnach eine Rolle, sondern auch die Qualitäten der vorhandenen Produktionsfaktoren. Das Leontief-Paradox trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Arbeitskraft nicht gleich Arbeitskraft ist. Die qualitative Variable für den Faktor Arbeit stellt beispielsweise das Humankapital dar: Nicht nur die Anzahl der Arbeitskräfte ist im internationalen Standortwettbewerb entscheidend, sondern auch ihr Ausbildungsgrad und Wissensstand (Know-how), die zu einer höheren Produktivität, Effektivität und Kreativität der Arbeitskräfte führen.
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1 Vgl. Gruber / Kleber: „Grundlagen der Volkswirtschaftslehre“, München: Vahlen 1997, S. 26 ff.
2 Vgl. Rose / Sauernheimer: „Theorie der Außenwirtschaft“, München: Vahlen, 1995, S. 389.
- Arbeit zitieren
- Michael Nienaber (Autor:in), 2004, Die Folgen der EU-Osterweiterung für Deutschland. Unterschiede im Außenhandel, der Qualifikation von Arbeitskräften und der Bevölkerungswanderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29890
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