Platons Politeia „ist kein politisches Werk, wie die Leute behaupten, die die Bücher nur nach dem Titel beurteilen: es ist die schönste Abhandlung über die Erziehung, die jemals geschrieben wurde.“1 Dass sich in der Politeia auch pädagogische Gedanken finden lassen, wird wahrscheinlich von keinem Interpreten bestritten. In dieser Arbeit aber soll – in der Hoffnung, auf ROUSSEAUS Urteil, zumindest bis zum Beweis des Gegenteils vertrauen zu können – eine grundsätzlich pädagogische Perspektive eingenommen werden. Eingestanden sei, dass durch eine solche, im Grunde willkürliche und erkenntnisleitende Entscheidung die Interpretationsbreite eingeschränkt und die Auseinandersetzung mit den Problemen einer staatsphilosophischen Auslegung der Politeia umgangen wird. Andererseits hilft die Beschränkung der Perspektive dabei, Relevantes im Auge zu behalten und sich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen.
Die Politeia ist ein so komplexes und umfangreiches Werk, dass auch eine Beschränkung der Perspektive das Problem der Textauswahl und des Anfangs nicht zu lösen vermag. Glücklicherweise markiert Platon selbst den Abschnitt seines Werkes, in dem er auf den Weg verweist, „diese Dinge in der denkbar größten Schärfe zu erkennen“ (504b)2, womit aber „nur der philosophische Bildungsweg selbst gemeint sein kann“3. Thema der vorliegenden Arbeit sei deshalb dieser philosophische Bildungsweg, wie er sich in Bezug auf 504d entfaltet: „Ein solcher [Wächter des Staates und der Gesetze] muß also den längeren Weg einschlagen und sich ebenso große Anstrengungen im Lernen zumuten wie in den Leibesübungen; andernfalls wird er [...] niemals den Gipfel der höchsten und unerläßlichsten Wissenschaft erreichen.“ Wie aber und wohin führt der „längere Weg“? Was ist der „Gipfel der höchsten und unerläßlichsten Wissenschaft“? Wie ist Platons philosophischer Bildungsweg zu bewerten?
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Darstellung
- 1.1. Philosophenkönige
- 1.1.1. Was ist ein Philosoph?
- 1.1.2. Das Gleichnis vom Staatsschiff
- 1.1.3. Die Verderbnisse der philosophischen Naturanlagen
- 1.1.4. Die Philosophie und der Staat
- 1.2. Die höchsten Wissenschaften: Die Idee des Guten
- 1.2.1. Das Sonnengleichnis
- 1.2.2. Das Liniengleichnis
- 1.2.3. Das Höhlengleichnis
- 1.3. Ausbildungspraxis
- 1.3.1. Das platonische Curriculum
- 2. Interpretation
- 2.1. Vom Staat zum Menschen
- 2.2. Erziehung zum Philosophen
- 2.3. Vom Menschen zum Staat
- 2.4. Folgerungen
- 3. Fazit
- 4. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit Platons pädagogischem Konzept in der Politeia und untersucht den philosophischen Bildungsweg, der zur Erreichung der „höchsten und unerläßlichsten Wissenschaft“ führt. Das Ziel ist es, die zentralen Aspekte dieser Erziehung zu beleuchten und die Bedeutung des Philosophenkönigs für die Gestaltung eines gerechten Staates zu erforschen.
- Die Rolle des Philosophenkönigs in Platons Idealstaat
- Die Bedeutung der höchsten Wissenschaften und die Idee des Guten
- Die Ausbildungspraxis und das platonische Curriculum
- Der Zusammenhang zwischen Staat und Mensch in Platons Philosophie
- Die philosophische Erziehung als Weg zur Erkenntnis und zur Staatsführung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Relevanz von Platons Politeia für die pädagogische Diskussion hervorhebt und die Zielsetzung der Arbeit sowie die methodische Vorgehensweise erläutert. Im ersten Kapitel werden die Philosophenkönige als die idealen Herrscher vorgestellt, ihre Eigenschaften und Fähigkeiten werden analysiert. Das Sonnengleichnis, das Liniengleichnis und das Höhlengleichnis werden als Schlüsselmetaphern für Platons Philosophie der höchsten Wissenschaften und der Erkenntnis des Guten erläutert. Das Kapitel endet mit einer Beschreibung der Ausbildungspraxis und des platonischen Curriculums. Im zweiten Kapitel werden die Ergebnisse der Interpretation zusammengefasst und die Konsequenzen für die Verbindung zwischen Staat und Mensch beleuchtet.
Schlüsselwörter
Philosophenkönig, Politeia, höchste Wissenschaft, Idee des Guten, Ausbildungspraxis, platonisches Curriculum, Staat und Mensch, Erziehung, Erkenntnis, Gerechtigkeit.
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- Magister Artium Markus Szczesny (Author), 2003, Totale Erziehung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29740