1.1. Problemaufriss und Zielsetzung
Der Wandel der Gesellschaft, der sich unter anderem aufgrund veränderter Kommunikationsmöglichkeiten und technologischer Entwicklungen in den letzten Jahren sowohl international als auch national vollzogen hat, wirkt sich auch auf die Gestaltung der Arbeitswelt aus. In Deutschland, wo die Einstellung zur Arbeit weitgehend auf Pflichterfüllung basiert, ist dieser Wandel besonders augenfällig.(1) Arbeit wird heute als „teils lästiges, teils gleichgültiges Stück Inventar“(2)angesehen und tritt in seiner Bedeutung mehr und mehr zurück. Die Ursachen für diese geänderte Einstellung sind vielfältig.
Das Verhalten der Menschen und ihre Präferenzen werden entscheidend von Werten beeinflusst und jedes Individuum hat für seine jeweiligen Lebensbereiche spezielle Werte, die sich auch auf den Bereich der Arbeit auswirken. Der konstatierte Wertewandel, auf den im weiteren Verlauf der Arbeit näher eingegangen wird, führt folglich auch zu einer Neuorientierung der Erwartungen an den Arbeitsplatz und die Arbeit im Allgemeinen.(3)
Bolte stellt fest, dass von Mitarbeitern neben den klassischen wichtigen Vorstellungen wie einem dauerhaften Arbeitsplatz und einem angemessenen Gehalt, mehr Mitentscheidungsbefugnis, Kontakt zu den Kollegen, gutes Betriebsklima, Mitsprache bei der Arbeitsgestaltung, Kreativität und Chancen zur Selbstentfaltung gewünscht werden.(4) Arbeit wird folglich nicht mehr nur als Maßnahme zur Existenzerhaltung, sondern auch als „Instrument der Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung“(5) gesehen.
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1 Vgl. Beermann/Stengel (1992), S. 373.
2 Strümpel (1982), S. 15.
3 Vgl. Macharzina/Wolf/Döbler (1992), S. 14.
4 Vgl. Bolte (1993), S. 14.
5 Zander/Popp (2000), S. 19.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung und Aufbau der Arbeit
1.1. Problemaufriss und Zielsetzung
1.2. Aufbau der Arbeit
2. Wertewandel und seine Bedeutung für die Gesellschaft
2.1. Charakteristika des gegenwärtigen Wertewandels
2.2. Definition Wert
2.3. Der Wertewandel im historischen Rückblick
2.4. Wertewandel als empirisches Phänomen: Zum Bedeutungszuwachs des Wertes Selbstentfaltung
3. Möglichkeiten der Personalentwicklung zur Berücksichtigung der Selbstentfaltung
3.1. Personalwirtschaftliche Aufgabenfelder
3.2. Personalentwicklung als Chance zur Selbstentfaltung
3.2.1. Definitorische Grundlagen und Gebiete der Personalentwicklung
3.2.2. Verfahren der Personalentwicklung
3.2.3. Adressaten und Ziele der Personalentwicklung
3.2.4. Funktionen der Personalentwicklung
3.2.5. Defizitorientiert versus Potenzialorientiert als zwei Möglichkeiten der Ausrichtung von Personalentwicklung
3.2.6. Instrumente der Personalentwicklung unter Berücksichtigung der Selbstentfaltung
3.2.6.1. Mitarbeitergespräch
3.2.6.2. Assessment Center
3.2.6.3. Traineeprogramm
4. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Problemstellung und Aufbau der Arbeit
1.1. Problemaufriss und Zielsetzung
Der Wandel der Gesellschaft, der sich unter anderem aufgrund veränderter Kommunikationsmöglichkeiten und technologischer Entwicklungen in den letzten Jahren sowohl international als auch national vollzogen hat, wirkt sich auch auf die Gestaltung der Arbeitswelt aus. In Deutschland, wo die Einstellung zur Arbeit weitgehend auf Pflichterfüllung basiert, ist dieser Wandel besonders augenfällig.[1] Arbeit wird heute als „teils lästiges, teils gleichgültiges Stück Inventar“[2] angesehen und tritt in seiner Bedeutung mehr und mehr zurück. Die Ursachen für diese geänderte Einstellung sind vielfältig.
Das Verhalten der Menschen und ihre Präferenzen werden entscheidend von Werten beeinflusst und jedes Individuum hat für seine jeweiligen Lebensbereiche spezielle Werte, die sich auch auf den Bereich der Arbeit auswirken. Der konstatierte Wertewandel, auf den im weiteren Verlauf der Arbeit näher eingegangen wird, führt folglich auch zu einer Neuorientierung der Erwartungen an den Arbeitsplatz und die Arbeit im Allgemeinen.[3]
Bolte stellt fest, dass von Mitarbeitern neben den klassischen wichtigen Vorstellungen wie einem dauerhaften Arbeitsplatz und einem angemessenen Gehalt, mehr Mitentscheidungsbefugnis, Kontakt zu den Kollegen, gutes Betriebsklima, Mitsprache bei der Arbeitsgestaltung, Kreativität und Chancen zur Selbstentfaltung gewünscht werden.[4] Arbeit wird folglich nicht mehr nur als Maßnahme zur Existenzerhaltung, sondern auch als „Instrument der Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung“[5] gesehen.
Aufgrund dieser sich immer stärker und schneller verändernden Rahmenbedingungen besteht bei Unternehmungen Handlungsbedarf, um die Dynamik in den Bereichen Technologie, Markt, Werte, Organisation aufzufangen und positiv verwerten zu können. Dafür werden Mitarbeiter benötigt, die den geänderten Anforderungen entsprechen.[6] Die zur Bewältigung der Aufgaben benötigten Qualifikationen können dabei zum einen auf dem Markt, zum anderen durch einen eventuell kostengünstigeren Rückgriff auf das im Unternehmen vorhandene Potenzial rekrutiert werden. Das Nutzbarmachen der latent vorhandenen Fähigkeiten lässt sich jedoch nur durch ein effizientes Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebot erreichen. Personalentwicklung gewinnt in diesem Zusammenhang große Bedeutung, da ihr als ein Teilbereich der Personalwirtschaft die Aufgabe zukommt, eben dieses Potenzial zu erkennen, zu selektieren und zu fördern.
Im Rahmen dieser Arbeit soll geklärt werden, wie das Bedürfnis der Mitarbeiter nach Selbstentfaltung durch die Unternehmen speziell im Bereich der Personalentwicklung befriedigt werden kann. Anhand von drei ausgesuchten Instrumenten der Personalentwicklung werden die Chancen und Möglichkeiten der Berücksichtigung des Wertes Selbstentfaltung dargestellt und es wird der Versuch einer Wertung unternommen.
1.2. Aufbau der Arbeit
Um die Überlegungen zur Berücksichtigung des Wertes Selbstentfaltung in der Personalentwicklung darstellen zu können, wird in Kapitel 2 zunächst auf die Charakteristika des gegenwärtigen Wertewandels eingegangen. Hier werden die Forschungsergebnisse der Shell-Jugend-Studie 2002 in Auszügen vorgestellt, um die zur Zeit vorherrschenden Werte und die daraus resultierenden Ausprägungen in einzelnen Wertetypen darstellen zu können. Daran anschließend wird der Versuch unternommen, den Begriff „Wert“ definitorisch greifbar zu machen, was zu einem historischen Rückblick des Wertewandels führt. Die Betrachtung der Historie macht die Verknüpfung mit der Entwicklung der Wertewandelforschung möglich, die im weiteren Verlauf die Bedeutung des Wertewandels für die Gesellschaft und ihrer integrierten Unternehmen deutlich macht. Um den Belang des Wertewandels für die Arbeitswelt herauszustellen, wird in Kapitel 2.3 zuerst die Bedürfnispyramide nach Maslow dargestellt, da diese im Bezug auf andere Motivationstheorien die Selbstentfaltung in besonderer Weise berücksichtigt. Die Wertewandelforschung setzt bei den Bedürfnissen von Menschen an, um Rückschlüsse auf die Dimensionen des Wertewandels führen zu können. Die Ergebnisse dieses Forschungsbereiches werden anhand von drei ausgewählten Wertehypothesen beleuchtet, um von dort aus den Begriff der Selbstentfaltung zu definieren. Dies führt zu einer Charakterisierung von fünf Wertetypen, deren Einstellung zu Beruf und Arbeit bei Maßnahmen der Personalentwicklung Berücksichtigung finden muss.
Im 3. Kapitel wird die Bedeutung der Selbstentfaltung als ein Aspekt von Personalentwicklung dargestellt. Hierbei wird ausgehend von Definitionen ein Überblick über die Verfahren und Funktionen von Personalentwicklung aufgerissen. Die Darstellung einer defizitorientierten bzw. potenzialorientierten Ausrichtung gibt einen exemplarischen Überblick über die Möglichkeiten von Personalentwicklung und führt zu einer Berücksichtigung der Selbstentfaltung bei drei ausgesuchten Instrumenten personalentwickelnder Maßnahmen.
In der abschließenden Schlussbetrachtung wird Bezug genommen auf die eingangs gestellte Frage, wie die sich geänderte Bedeutung der Selbstentfaltung in der Personalentwicklung berücksichtigen lässt. Dabei werden ausgehend von einer Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel Möglichkeiten und Grenzen einer Ausrichtung auf die veränderte Wertewelt aufgezeigt. Enden soll diese Arbeit mit einem Ausblick auf die zukünftigen Anpassungserfordernisse der Personalentwicklung auf die sich verändernden Rahmenbedingungen hinsichtlich changierender Wertpräferenzen und Einstellungen der Mitarbeiter zur Arbeit.
2. Wertewandel und seine Bedeutung für die Gesellschaft
2.1. Charakteristika des gegenwärtigen Wertewandel
Seitdem der Wertewandel näher untersucht und erforscht wird, gilt ein besonderes Augenmerk häufig der Jugend, denn sie werden als Auslöser für neue Trends gesehen.[7]
Ab Mitte der 60er Jahre wird bereits festgestellt, dass sich die Werte bei den Jugendlichen verändern.[8] Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Lebensgenuss werden zunehmend wichtiger, Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung, Anpassung, Leistung und Respekt anderen gegenüber werden immer weniger angestrebt.[9] Dass analog zu diesem Prozess die Jugendkriminalität deutlich zunimmt, bestätigt Kritiker, die in dieser Entwicklung den Weg in ein soziales Chaos sehen. Das Leben soll nach Ansicht der jungen Generation nicht auf Normen basieren, sondern mehr Freiräume für den Einzelnen und den Genuss des Lebens lassen. Für Gensicke kann diese Werteveränderung als Bedeutung und Bestandteil eines „säkularen Prozesses“[10] verstanden werden, wobei jedes Individuum mehr auf sich selbst bedacht ist und nach den eigenen Maßstäben und Zielen handelt und sich weniger für andere engagiert und einsetzt. Die sozialen Missstände treten unweigerlich auf, wenn die Entwicklung so schubartig einsetzt und aus diversen Gründen nicht angemessen darauf reagiert wird. Werden die neuen Werte der Jugendlichen, z.B. der Wunsch nach Selbstentfaltung, nicht entsprechend wahrgenommen und anerkannt, so können sie auch kaum in die für den Jugendlichen relevanten Bereiche, wie beispielsweise Familie, Schule und Wirtschaft, integriert und eingebunden werden.
Seit den 80er Jahren wird das Bild des sich selbst bestimmenden, nach Selbstentfaltung strebenden jungen Menschen besser akzeptiert und es wird deutlich, dass er dabei auch von allen Seiten unterstützt werden muss, da er sich sonst schnell überfordert fühlen könnte.[11] Neben dem Wunsch nach Selbstentfaltung tritt zunehmend das Bedürfnis nach Wohlstand und Sicherheit; den Jugendlichen wird auch bewusst, dass dazu eigene Leistung erforderlich ist. Dies spiegelt sich darin wider, dass Fleiß und Ehrgeiz im Jahr 2002 im Vergleich zu 1987/88 wieder einen höheren Stellenwert bekommen haben.[12] Gründe dafür sind die Globalisierung und die sich stetig verschärfende Arbeitsmarktsituation, die den materiellen und finanziellen Wohlstand nicht mehr so sichert, wie dies noch vor zwei Jahrzehnten der Fall war. Es kommt immer mehr zu einer Verschmelzung der Wertorientierungen Selbstentfaltung und Selbstkontrolle.
Der allgemein vorliegende Trend, der sich aus der Auswertung einer Befragung von 14 bis 25-jährigen in der Shell Studie ergibt, wird als „Pragmatisierung“[13] bezeichnet. Das bedeutet, dass die Werte im Hinblick auf Macht, Anpassung und Leistung zunehmen und die eigenen Probleme und deren Lösung im Vordergrund stehen. Politisches, ökologisches und soziales Engagement werden vernachlässigt, die Belange der Gesellschaft verlieren an Bedeutung. Diese Entwicklung ist in einer gemäßigten Art auch in der gesamten Bevölkerung zu finden.[14]
Die Tendenz, dass Gefühle eine wichtigere Rolle spielen, ist nicht nur bei den Jugendlichen zu beobachten. Gefühle bei Entscheidungsfindungen zu berücksichtigen war früher eher mädchen- und frauenspezifisch, heute wird dies auch vom männlichen Geschlecht berücksichtigt. Dagegen scheinen die Religion und der Glaube an Gott immer unwichtiger zu werden.[15]
Ein genauerer Vergleich der Wertorientierungen der Jugendlichen und der gesamten Bevölkerung zeigt, dass es sowohl weitere Parallelen, als auch einige spezifische Unterschiede gibt.[16] Übereinstimmungen bestehen bei der hohen Bewertung von Freundschaft, Partnerschaft und Familienleben, also den Werten, die das private Umfeld und die Harmonie betreffen. Auch Eigenständigkeit wird sowohl von den Jugendlichen als auch der Gesamtbevölkerung sehr stark angestrebt, was sich in der hohen Einstufung der Werte Eigenverantwortung und Kontaktfreudigkeit widerspiegelt. Zu abweichenden Einstellungen kommt es meistens dann, wenn die Wertorientierungen den Bereichen der Selbstentfaltung bzw. Selbstverwirklichung oder der Selbstkontrolle bzw. Selbstbeherrschung zuzuordnen und folglich stark durch den Wertewandel geprägt worden sind. Für Jugendliche sind die Entfaltung und die Auslebung dieser Bedürfnisse viel erstrebenswerter als für Erwachsene. Deshalb sind für sie Selbstdurchsetzung, Macht, Kreativität und Lebensgenuss wichtiger. Weniger bedeutsam sind für die Jugend dagegen das Streben nach Sicherheit und Respekt vor Gesetz und Ordnung. Die meisten Abweichungen sind allerdings nicht sehr groß, nur die des Lebensgenusses ist gravierend. Dies ist durch den bereits weiter oben beschriebenen Trend zu begründen. Durch den Wertewandel bei den Jugendlichen werden im Unterschied zu den 80er Jahren Leistung und Sicherheit heute ähnlich hoch eingestuft.
In der 14. Shell Jugendstudie wird für die genauere Betrachtung und Differenzierung der Jugendlichen zwischen vier unterschiedlichen Wertetypen, dem pragmatischen Idealisten, dem robusten Materialisten, dem selbstbewussten Macher und dem zögerlichen Unauffälligen, unterschieden.[17]
Die pragmatischen Idealisten stammen bevorzugt aus besser gestellten Schichten und sind zu 60 % weiblich. In der vorliegenden Studie sind sie vor allem bei den 22 bis 25-jährigen, vertreten. Kreativität, Engagement und Toleranz sind die Leitwerte der pragmatischen Idealisten. Sie haben zum Hedonismus und zum Materialismus ein kritisches Verhältnis. Sie verbinden ihre Kreativitäts- und Engagementwerte mit der Achtung vor Gesetz und Ordnung. Ebenso wichtig sind ihnen Fleiß, Ehrgeiz und Sicherheit. Sie ordnen die materielle Seite ihres Lebens ihrer sozialen nach und den Lebensgenuss dem Leistungsstreben.
Die robusten Materialisten bilden das Gegenstück zu den pragmatischen Idealisten. Während ihnen Engagement und Toleranz nur wenig wichtig sind, bestimmen Hedonismus und Materialismus ihr Leben. Sicherheit spielt bei ihnen keine große Rolle und sie haben weniger Achtung vor Gesetz und Ordnung als die pragmatischen Idealisten. Zudem hat Lebensgenuss bei ihnen eine sehr hohe Priorität. Die robusten Materialisten sind überwiegend männlich und eher jüngeren Alters. Im Unterschied zu den Idealisten haben sie auch nicht so gute Voraussetzungen mit ins Leben gegeben bekommen, denn sie wachsen in schlechteren materiellen und sozialen Verhältnissen auf.
Die selbstbewussten Macher sind unter beiden Geschlechtern zu gleichen Teilen vertreten und mit wachsendem Alter nimmt ihr Anteil fast konstant zu. Sie bringen das mentale Rüstzeug mit, um sich den neuen Anforderungen in der ganzen Breite des Lebens zu stellen und unterscheiden sich deutlich vom Materialisten und vom Idealisten, da sie scheinbar mühelos einen Einklang zwischen Materialismus und Idealismus finden. Soziales Engagement ist fast ebenso wichtig, wie für den pragmatischen Idealisten, wobei die selbstbewussten Macher einen hohen Lebensstandard genauso hoch bewerten. Sie heben besonders ihre Durchsetzungsfähigkeit hervor, aber gewichten die Toleranz anderer Meinungen genauso hoch. Also behalten sie trotz toleranter Haltung ihre Interessen stets im Auge. Obwohl sie den Genuss des Lebens relativ hoch bewerten, erklären sie sich als eine Leistungselite. Sie sind sehr ehrgeizig und wollen einmal verantwortliche Positionen mit Einfluss und Ansehen innehaben. Soziales Denken und Engagement sind dem Leistungsgedanken des selbstbewussten Machers nachgeordnet.
Auch bei den zögerlichen Unauffälligen ist keine Tendenz zum Materialismus oder Idealismus erkennbar, da sie zu beidem kein Verhältnis haben. Sie sind nur bedingt in der Lage, Prioritäten in ihrem Leben zu setzen und zu bestimmen, was sie eigentlich wollen. Man kann sie als Jugendliche ohne besondere Willensstärke bezeichnen, deshalb sind sie überwiegend als Mitläufer zu bezeichnen. Zwar möchten sie ihr Leben genießen, aber nur wenig dafür tun. Zu 54 % besteht diese Gruppe aus Jungen und jungen Männern und am meisten tendieren die 12 bis 14-jährigen zu diesem Wertetyp.
Die in der Shelljugendstudie dargestellten Wertetypen lassen sich mit denen von Klages vergleichen.[18] Die selbstbewussten Macher sind im Prinzip das weiterentwickelte jugendliche Pendant zu dem von Klages bezeichneten Wertetyp des aktiven Realisten. Die zögerlichen Unauffälligen lassen sich den perspektivenlosen Resignierten zuordnen. Die pragmatischen Idealisten entsprechen den nonkonformen Idealisten und die robusten Materialisten den Hedomaten. Den von Klages geprägten ordnungsliebenden Konventionalisten finden wir in keinem der jugendlichen Wertetypen wieder. Das liegt daran, dass dieser in den letzten Jahren bei der Jugend einen starken Rückgang erfahren hat und er heute praktisch gar nicht mehr existent ist.[19]
2.2. Definition Wert
Nach der heutigen wissenschaftlichen Auffassung wird der Begriff Wert als „Abstraktion“, als „hypothetisches Konstrukt“[20] oder als „kognitiv-evaluativ“[21] begriffen. Er kann vor dem Hintergrund eines bestimmten Wirklichkeitsverständnisses auch als Gut, Maßstab oder Ziel beschrieben werden, wobei diese als nicht einander auszuschließende Gegensätze zu betrachten sind.[22] Daneben wird eine Abstraktion von Werten, also ein Vollzug derselben gesehen, die eine Realisierung von Präferenzmodellen bedeutet.[23] Das bringt eine Art Rangfolge von Werten zum Ausdruck. Nach Meinung Brentanos[24] stellt der Begriff Wert jedoch keinen selbständigen Gegenstand dar.[25] Dennoch scheint sich ein Sinngehalt aufzeigen zu lassen, obgleich dies angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen Wertdefinitionen und ihrer individuellen Anwendung nicht unproblematisch ist. So kann bei einer formalen Charakterisierung der Wertearten zwischen positiven oder negativen Werten, absoluten und relativen oder auch subjektiven und objektiven Werten unterschieden werden.[26] Zusätzlich existiert eine Klassifikation von Wertbegriffen, die sittliche und ästhetische Werte, wie auch Werte der Nützlichkeit unterscheidet.[27] Eine exakte Abgrenzung des Begriffes wird erschwert, da der Wortgebrauch in mehreren Fachbereichen Position eingenommen hat und es damit aussichtslos erscheint, eine für alle verbindliche Definition zu finden bzw. zu einer Übereinkunft darüber zu kommen, wie Werte zu ermitteln sind.[28]
Aus dieser Problematik heraus erscheint es sinnvoll, eine Grundlage für das Verständnis des Wertbegriffes zu setzen. Laut Kluckhohn definiert sich der Begriff wie folgt: „A value is a conception, explicit or implicit, distinctive of an individual or characteristic of a group, of the desirable which influences the selection from available modes, means, and ends of action.“[29] Für Klages sind „Werte oder Werteorientierungen … innere Führungsgrößen des menschlichen Tuns und Lassens, die überall dort wirksam werden, wo nicht biologische ’Triebe’, Zwänge, oder ’rationale’ Nutzenerwägungen den Ausschlag geben.“[30] Diese beiden Definitionen sollen exemplarisch für eine Vielzahl weiterer, in der wissenschaftlichen Forschung bestehenden Charakterisierungen des Wertbegriffes stehen. Lautmann fand in einer Untersuchung von ca. 4000 Fachpublikationen ungefähr 180 Anwendungen des Wertbegriffs.[31] Dabei werden unter anderem Begriffe wie Werthaltungen, Werteinstellungen oder Wertorientierungen mehr oder weniger synonym verwendet.[32] Jeder Autor hat hier eine inhaltlich unterschiedliche Interpretation, bezogen auf die jeweiligen Umstände, des Begriffs zugrunde gelegt. So stellt sich einerseits der Begriff Wert als Norm oder Wunsch, andererseits als Bedürfnis oder Anspruch dar.[33] Das Hauptaugenmerk soll hier auf die sozialwissenschaftliche Definition nach Kluckhohn gelegt werden, da sie dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Verständnis des Wertebegriffes am ehesten entspricht.[34] Stellt man nun Werte und Normen gegenüber, so fällt auf, dass Normen einen Verpflichtungscharakter aufweisen, der Nichtbefolgung sanktioniert, wohingegen sich Werte aus einer Wünschbarkeit heraus bilden. Mit dieser Sichtweise lassen sich „Werte als relativ generelle oder auch gesellschaftliche Erwartungsäußerungen“[35] verstehen und Normen als verhältnismäßig spezielle Erwartungsäußerungen definieren. So kann auch die Definition Kluckhohns verstanden werden, in der Werte als Vorstellungen vom Wünschenswerten auf gesellschaftlicher Basis dargestellt werden. Werte sollen damit als Orientierungslinien dienen, die diverse Handlungen leiten sollen. Das kann sowohl für den Einzelnen als auch für Gruppen verstanden werden.[36] Im Gegensatz dazu können Normen aufgrund ihrer verbindlichen Verhaltensforderungen auch als Mittel betrachtet werden, Werte zu bilden.[37]
Die empirische Werteforschung befasst sich nahezu ausschließlich mit den individuellen und nicht den gesellschaftlichen Wertorientierungen. Sie betrachtet also nur, was der Einzelne für wichtig und wünschenswert hält.[38] Diese Betrachtungsweise der Werte bezogen auf das kulturelle Wertesystem ist zwar von großer Bedeutung, findet aber auch in der Untersuchung der individuellen Persönlichkeitsstruktur Anwendung.[39] So zeigt sich eine Aufnahme von Werten und deren tief gehende Verinnerlichung, über Prozesse der Sozialisation.[40] Das bedeutet, dass die Persönlichkeitsstruktur des Menschen durch in ihn integrierte Werte bestimmt wird; sie wirken dort, wo keine biologischen Zwänge oder Triebe den Ausschlag geben. Werte sind folglich immer dann von Belang, wenn Menschen etwas bedeutend finden, wenn Lebensleitbilder verfolgt werden oder als Person Stellung bezogen und ein Urteil ausgesprochen wird. Diese Werte müssen dem Träger nicht zwingend bewusst sein, sondern können in sozialen Gewohnheiten und Normen wie auch in kulturellen Selbstverständlichkeiten integriert sein. Allgemein gesagt, steuern Werte das menschliche Verhalten. Werte können also als innere Führungsgrößen für den Menschen angesehen werden, die sein menschliches Tun und Lassen bestimmen und beeinflussen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man allein durch die Werte eines Menschen sein Handeln in konkreten Alltagssituationen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich, voraussagen kann.[41]
[...]
[1] Vgl. Beermann/Stengel (1992), S. 373.
[2] Strümpel (1982), S. 15.
[3] Vgl. Macharzina/Wolf/Döbler (1992), S. 14.
[4] Vgl. Bolte (1993), S. 14.
[5] Zander/Popp (2000), S. 19.
[6] Vgl. Scholz (2000), S. 275f.
[7] Vgl. Gensicke (2002), S. 139.
[8] Vgl. Noelle-Neumann (2001), zitiert nach Gensicke (2002), S. 139.
[9] Vgl. hier und im Folgenden Gensicke (2002), S. 139f.
[10] Gensicke (2002), S. 140.
[11] Vgl. hier und im Folgenden Gensicke (2002), S. 140f.
[12] Vgl. Gensicke (2002), S. 152f.
[13] Gensicke (2002), S.152, 153.
[14] Vgl. Gensicke (2002), S. 153.
[15] Vgl. Ebenda, S. 154.
[16] Vgl. hier und im Folgenden Gensicke (2002), S. 146ff.
[17] Vgl. hier und im Folgenden Gensicke (2002), S. 160ff.
[18] Vgl. hier und im Folgenden Gensicke (2002), S. 161.
Dazu ist zu beachten, dass explizit nur die Vergleichbarkeit zwischen den selbstbewussten Machern und den aktiven Realisten sowie den zögerlichen Unauffälligen und den perspektivenlosen Resignierten genannt wird. Die anderen beiden Entsprechungen ergeben sich aber aus dem logischen Zusammenhang.
[19] Vgl. Gensicke (2002), S. 161.
[20] Kmieciak (1976), S. 150.
[21] Wiehn (1979), S. 369.
[22] Vgl. Scholl-Schaaf (1975), S. 49.
[23] Vgl. Scholl-Schaaf (1975), S. 49.
[24] Vgl. Brentano (1971), S. 226ff.
[25] Es wird als ein inhaltsarmes Wort angesehen, welches erst durch den Zusammenhang des Satzes seine eigentliche Bedeutung erhält und somit undefinierbar ist. Brentano beruft sich hier auf Marty (1965), S. 17, 217f.
[26] Vgl. Schmidt (1991), S. 777.
[27] Vgl. Kraft (1951), S. 13.
[28] Vgl. Schorpp (1989), S. 9ff.
[29] Kluckhohn (1951), S. 395.
[30] Klages (1984), S. 9f.
[31] Vgl. Lautmann (1969), vgl. auch Kmieciak (1976), S. 147.
[32] Die sprachanalytische Differenzierung dieser Begriffe findet im Rahmen dieser Arbeit keine Beachtung.
[33] Normen sollen hier verstanden werden als auf gesellschaftlichem Konsens beruhend, was sich in Gesetzgebung und allgemein anerkannten Moralvorstellungen niederschlägt Der Begriff Norm wird in der Literatur dem Begriff Wert gleichgesetzt oder steht diesem diametral entgegen. Vgl. Kmieciak (1976), S. 147.
[34] So werden im weiteren die verschiedenen Einzelwissenschaften keine weitere Berücksichtigung finden. Die traditionelle Behandlung des Wertbegriffes seitens der Philosophie, der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften im klassischen Stil spricht in diesem Zusammenhang von einem Gebrauchs- oder Tauschwert und wird mit einem geschätzten Gut gleichgesetzt.
[35] Maag (1991), S. 22.
[36] Vgl. Kluckhohn (1951), S. 395.
[37] Vgl. Eichner (1981), S. 113.
[38] Vgl. Maag (1991), S. 22.
[39] Vgl. Rudolph (1959), S. 164.
[40] Vgl. Kaase (1991), S. 787.
[41] Vgl. Klages (1984), S. 10.
- Arbeit zitieren
- Carsten Rösler (Autor:in), S. Graf (Autor:in), A. Huber (Autor:in), 2003, Überlegungen zur Berücksichtigung des Wertes Selbstentfaltung in der Personalentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29695
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