Einleitung
„Alles beschleunigt sich zur Zeit, das ist der Befund der Fachleute zu den Veränderungen in Gesellschaft, Kultur, Kino. Alles drängelt heftiger, hemmungsloser in die öffentlichen Bereiche, ins multimediale Scheinwerferlicht -und gerät dann mindestens ebenso schnell wieder in Vergessenheit(...)“1
So beschreibt Fritz Göttler zum Start des 20. Münchner Filmfest im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung den Zeitgeist des Jahres 2002. Diese Beschleunigung und Schnelllebigkeit, die sich in fast allen Lebensbereichen zusehends ausbreitet, zeigt sich auch und vor allem im modernen Kino. Der technische Fortschritt überfordert unsere Sinne. Der schnelle Schnitt eilt unserem Auge voraus und lässt uns zurück, oftmals erschlagen von oberflächlicher Reizüberflutung.
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1 Göttler, Fritz: Ein Kind der Achtziger- Das 20. Münchner Filmfest – ein Start in welche Zukunft? In: SZ.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Leben und Werk
1.1 Biographie
1.2 Filmwerk
2. Stil
2.1 Figuren
2.2.Themen
2.3 Formale Merkmale
3. Intermedialität
3.1 Der Film im Film
3.2 Cinephile Referenzen
3.3 Die Literatur im Film
3.4 Das Theater im Film
3.5 Die Musik im Film
3.6 Der Tanz im Film
4. Zusammenfassung
4.1 Analyseergebnisse
4.2 Spielfilmverzeichnis
5. Bibliographie
6. Wahrheitsgemäße Erklärung
0. Einleitung
„Alles beschleunigt sich zur Zeit, das ist der Befund der Fachleute zu den Veränderungen in Gesellschaft, Kultur, Kino. Alles drängelt heftiger, hemmungsloser in die öffentlichen Bereiche, ins multimediale Scheinwerferlicht -und gerät dann mindestens ebenso schnell wieder in Vergessenheit(...)“[1]
So beschreibt Fritz Göttler zum Start des 20. Münchner Filmfest im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung den Zeitgeist des Jahres 2002. Diese Beschleunigung und Schnelllebigkeit, die sich in fast allen Lebensbereichen zusehends ausbreitet, zeigt sich auch und vor allem im modernen Kino. Der technische Fortschritt überfordert unsere Sinne. Der schnelle Schnitt eilt unserem Auge voraus und lässt uns zurück, oftmals erschlagen von oberflächlicher Reizüberflutung.
„Das Weltkino steuert also auf die Implosion zu, so die Prognose. Die Filme werden schneller, das Kino wird global(…)Das Tempo wird forciert(…)Verweigerung wäre wichtig in solchen Momenten, wer kann sie sich noch erlauben, sich leisten?“.[2]
„Hable con ella“( 2002), das neueste Werk des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar, könnte diese Frage beantworten und ein erster Schritt in Richtung Verweigerung sein. Stets den vorherrschenden Trend in der Filmindustrie ablehnend, überrascht der spanische Autor und Regisseur, seit nun über zwanzig Jahren, mit einem Kino, das wohl nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Frauen im Koma, sprach- und bewegungslos, lange Einstellungen, keine hektischen Schnitte und dennoch von einer herausragenden Aktualität. Die Liebe, die Suche nach dem Glück und das menschliche Begehren bestimmen seit Anbeginn der bewegten Bilder die erzählten Geschichten. Und das Erzählen von Geschichten gehört für Almodóvar zum Leben, so selbstverständlich wie das Atmen[3], wobei er sich dabei als virtuoser Meister im Umgang mit den Medien zeigt:
„Selten hat das Kino der neueren Zeit mit so viel Fantasie die Formen des Mediums zitiert, um eine eigene Bildsprache zu verwenden(...)“[4], lobt eine Kolumnistin der Erlanger Nachrichten sein erzählerisches Talent.
Auch im Bereich der Theater- und Medienwissenschaft spielt das Stichwort der Intermedialität, die Beschäftigung mit der Annäherung und der gegenseitige Ergänzung der verschiedenen Medien eine immer bedeutendere Rolle. So prägt der lebendige Einsatz von Film, Theater, Literatur, Musik und Tanz seit jeher seine Werke. Fließende Übergänge und die Verwobenheit der Medien sind auch für den laienhaften Betrachter als ein offensichtliches Element seiner Filme zu erkennen. Dieses mediale Zitatengeflecht sorgt für Abwechslung und erzeugt Spannung. Deshalb möchte ich in dieser Arbeit das Kino des Pedro Almodóvar vorstellen, mit besonderem Augenmerk auf die Intermedialität als Stilmerkmal seiner Filme. Die nähere Betrachtung ausgewählter Szenen macht deutlich, welche Möglichkeiten der Regisseur gefunden hat, die Grenzen zwischen den verschiedenen Medien aufzulösen und sie durch ihr Zusammenspiel zu überwinden. Sowohl der filmische Genuss, der die von ihm erzählten Geschichten bereiten, als auch die aktuelle Thematik der Intermedialität, sind maßgeblich gewesen bei der Wahl des Themas.
Almodóvars Fähigkeit des meisterhaften, oft gar spielerischen Umgangs mit den filmischen Mitteln, hat ihren Ursprung in seiner frühen und bis heute unerschütterlichen Liebe zu dem Medium Film, die seine Entwicklung von dem kleinen Jungen aus der La Mancha hin zum Autodidakten und Weltregisseur erst begreiflich macht. Daher führe ich zuerst die meiner Ansicht nach wesentlichen Stationen seines Lebens und seines sehr umfangreichen Werks zusammenfassend auf. Anschließender Teil beschäftigt sich mit dem Stil seiner Filme in Bezug auf zentrale, immer wieder kehrende Figuren und Themen, die den Inhalt seiner Filme bestimmen, sowie auf formale Merkmale im Umgang mit den filmischen Gestaltungsmitteln. Im Anschluss daran stelle ich an ausgesuchten Filmsequenzen intermediale Verweise auf andere und eigene Filme vor, sowie Bezüge zu Literatur, Theater, Musik und Tanz, betrachte Funktion und Wirkung solcher Einschübe und fasse abschließend die erarbeiteten Analyseergebnisse zusammen. Das Spielfilmverzeichnis am Ende der Arbeit soll einen Überblick über das umfangreiche Filmschaffen des Regisseurs geben.
1. Leben und Werk
Sein Leben sei nur ein Vorwand, um Filme zu machen[5], s o zumindest rechtfertigt Pedro Almodóvar seine Existenz als Filmschaffender. Er ist derzeit der wohl weltweit bekannteste spanische Regisseur und ein Repräsentant des postmodernen Kinos, sowie eines Kinos der Großstadt. Was für Woody Allen New York ist, ist für Pedro Almodóvar Madrid. Fast in allen seinen Filmen setzt er der spanischen Metropole ein Denkmal. Damit steht er ganz im Gegensatz zu der Idee einer heilen agrarischen Welt, die das franquistische Kino der dreißiger und vierziger Jahre propagierte. Jedoch nicht nur die urbane Atmosphäre Madrids gibt ihm Anstoß für sein kreatives Schaffen, sondern auch Lebensstil und Denkweise seiner Landsleute inspirieren sein Werk.
Eine Kindheit als Außenseiter, berufliche Erfahrungen im kleinbürgerlichen Milieu, sowie der politische und soziale Hintergrund des einst unter Franco regierten Landes, prägen den spanischen Kultregisseur und durchziehen seine Filme wie ein roter Faden. So spiegelt sich das Auf und Ab seines Lebenswegs in den ungeahnten Wendungen seiner Geschichten und in den verschiedenen Abschnitten seines künstlerischen Schaffens wieder.
Obwohl Pedro Almodóvar schon allein deshalb nicht sterben möchte, weil er die Idee hasst, jemand könnte seine Biographie schreiben, vor oder nach seinem Tode[6], werde ich nun trotzdem mit seinem, ein dem Kino gewidmetem Leben, beginnen.
1.1 Biographie
Der Spanier Pedro Almódovar, geboren am 24. September 1951 in Calzada de Calatrava, einem kleinen Dorf der La Mancha in der Provinz Ciudad Real, ist der älteste Sohn einer Familie von Landarbeitern. Im Alter von acht Jahren zieht er mit seiner Familie nach Cáceres um, in die Extremadura des damals frankistischen Spaniens. Dort besucht er die Schule und absolviert sein Abitur an einem Konvent der Salesianer und Franziskaner. Die von den Mönchen vermittelte religiöse Erziehung wirkt sich nicht förderlich auf seine Beziehung zur katholischen Kirche und seinen Glauben an Gott aus. Almodóvar formuliert es folgendermaßen:
„Ich war zwölf, und wenn mich jemand gefragt hätte: „Was bist du?“, so hätte ich geantwortet: „Ich bin Nihilist.““[7] „Meine Kindheit war nicht traurig, aber fröhlich war sie auch nicht(...)“, beschreibt der selbst die frühen Jahre seines Lebens. „Glücklicherweise hat mich nichts traumatisiert, weil ich von Natur aus sehr positiv bin und weil ich mich eben in die Lektüre und ins Kino flüchtete, was mir ein enormes Vergnügen bereitete(...)“[8]
Hier in der kleinen Ortschaft Cáceres, in den Double Features des lokalen Kinos, datieren die Anfänge seiner Leidenschaft für die Welt des Films. Bereits im Alter von 16 Jahren zieht er alleine und ohne Geld in die Metropole Madrid, mit dem Vorhaben, Film zu studieren und selbst Filme zu machen. Da die Filmschule unter der Diktatur Francos geschlossen worden ist, beginnt er als Verwaltungsangestellter bei der staatlichen Telefongesellschaft Telefónica, wo er die nächsten zehn Jahre arbeitet. Parallel dazu geht er nach Feierabend seinen künstlerischen Interessen nach, besucht fast täglich die Kinemathek und erkundet die Subkultur der Hauptstadt.
„Ich habe mir gesagt, es sei wichtiger zu leben, und das würde meine Ausbildung sein, in allen Bereichen.“[9], beschreibt Almodóvar diese Phase seines Lebens und erlernt somit von Anfang an sein Handwerk als Autodidakt. Neben dem theoretischen Unterricht in Form zahlreicher Kinobesuche, betätigt er sich als Autor für Comicstrips und Fotoromane, verfasst Kurzgeschichten für Szene-Magazine, schreibt seine ersten Drehbücher und veröffentlicht unter einem Pseudonym fiktive Bekenntnisse des Porno Stars „Patty Diphusa“. Schnell integriert er sich in den Madrider Underground. Erste Super -8-Filme und Aufführungen mit der Punk-Band „Almodóvar y McNamara“, sowie mit der unabhängigen Theatergruppe „Los Galiardos“ lassen ihn zu einem der Fixpunkte der „Movida madrileña“ werden. Dieser Ausdruck bezeichnet eine Avantgardebewegung der pulsierenden Aufbruchstimmung in Spanien, die nach dem Tode des Diktators Franco in der Hauptstadt einsetzte. Junge Künstler probierten unter dem Motto „todo vale“[10] neue Formen von Kunst aus und experimentierten unter Verzicht auf festgelegte Regeln in den Bereichen Literatur, Mode, Musik, Malerei, Fotografie und Film.[11] Erste wichtige Bekanntschaften, wie zum Beispiel die mit Carmen Maura, eine frühe Förderin und später häufige Hauptdarstellerin vieler seiner Filme, ermöglichen ihm die Finanzierung seines ersten auf 16mm gedrehten Spielfilms. „Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón“, der 1980 in Madrid mit großer Resonanz uraufgeführt wird, ermöglicht Almodóvar endlich den Sprung ins Kino. Erst nach zwei weiteren Jahren als Angestellter der Telefongesellschaft kann er sein Nachfolgeprojekt „Laberinto de pasiones“ finanzieren und 1986 gelingt ihm mit „La ley del deseo“ schließlich der internationale Durchbruch. 1987 gründet er mit seinem Bruder Augustin eine eigene Produktionsfirma „El Deseo S.A.“, die sich mittlerweile auch der Förderung junger spanischer Regietalente verschrieben hat. Die nachfolgenden Werke festigen seinen Ruf als Begründer und Anführer des neuen Spanischen Films, der sich nach den ersten wirtschaftlichen schwachen Jahren seit Francos Tod entwickelt hatte.
Bis heute hat Pedro Almodóvar bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Allein die 1987 gedrehte Filmkomödie „ Mujeres al borde de un ataque de nervios “ erhält mehr als 50 Preise und macht Almodóvar zum international renommierten Starregisseur.
1.2 Filmwerk
„Alle meine Filme (…)wenden sich direkt an das Herz, den Kopf und die Genitalien der Zuschauer.“[12] (Pedro Almodóvar)
Der Kauf einer mühsam ersparten Super-8-Kamera ermöglichen dem jungen Almodóvar schließlich erste filmische Experimente. Das vorherrschende Super-8-Kino der siebziger Jahre war beeinflusst von Underground –Bewegungen, wie Fluxus und Yoko Ono: ein konzeptuelles Kino, also Filme ohne Handlungen. Almodóvar, stets seiner Rolle als Außenseiter treu bleibend, unbeirrt vom Trend der Zeit, beschreibt seine Intention des Filmemachens anders:
„Meine Filme erzählten dagegen immer eine Geschichte. Das war, von dem Moment an, als ich eine Kamera in die Hand nahm, mein Hauptanliegen.(…)[13]
So drehte er so zwischen 1974 und 1978 an die dreizehn fünf bis zehnminütigen, narrative Kurzfilme. Seine Amateurwerke, die meist ohne technische Ausstattung und bei natürlichem Licht entstanden, zeichnen sich durch Kitsch, Imitation und Parodie aus. Ein erstes Markenzeichen bilden die fiktiven parodistischen Werbefilme und Wochenschauen. „Folle…Folle…Fólleme…Tim“, der erste abendfüllende Film aus dem Jahre 1978 und „Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón“ (1980) , sein erster Kinofilm, spiegeln besonders stark das Lebensgefühl der „Movida madrileña“ wieder. Aufgrund mangelnder finanzieller Mittel unterscheiden sich diese Erstlingswerke von den nachfolgenden durch schlechte Qualität in Ton und Bild und zeugen von technischer, wie auch inhaltlicher Improvisation. Sie provozieren durch amoralische Beziehungen, vulgäre Sprache, sowie sexuelle und gesellschaftliche Tabubrüche. Drei Jahre nach Abschaffung der Zensur reizt Almodóvar die neuen filmischen Freiheiten bis zu ihren Grenzen aus. Gesellschaftlich geächtete Verhaltensweisen werden als alltäglich dargestellt und ihnen auf diese Weise das „Skandaleuse“ genommen.[14] Almodóvar selbst beschreibt diese Art der Provokation folgendermaßen:
„Ich wollte eine Reihe von Verhaltensweisen vorführen, wie sie in Pornos vorkommen, aber in einer naturalistischen und alltäglichen Atmosphäre ohne jeden Exhibitionismus.“[15]
Das Drehbuch zu „Pepi, Luci, Bom, (…)“ entwickelt sich aus dem Skript für einen geplanten Fotoroman und ist wie der gesamte Film dem Comicstil verfallen. Aktionen anstelle von Entwicklungen, Typen anstelle von autonomen Persönlichkeiten stehen im Mittelpunkt der Handlung.[16]
Das Nachfolgeprojekt „Laberinto de pasiones“ (1982), wurde auch international ein Publikumserfolg. Dieses „hyperrealistisches Melodram mit schwarzem Humor und glühenden Leidenschaften“[17], wie Almodóvar seinen Film bezeichnet, ist weniger provokativ, komödiantischer und von besserer Ton- und Bildqualität. Ebenfalls im Comicstil, verarbeitet der homosexuelle Regisseur auch hier seine Erlebnisse und Beobachtungen mit dem kulturellen Underground, sowie der schwulen Subkultur mit ihrer ausgeprägten Transvestitenszene. Schon in diesen Erstlingswerken weicht Almodóvar von dem Filmschaffen seiner Zeitgenossen ab, die sich vor allem mit Literaturverfilmungen und Themen der Vergangenheitsbewältigung befassen. Auf kein bestimmtes Genre festgelegt, begründet er damit eine radikal zeitgenössische Kunst der postfranquistischen Gegenwart. „Entre tinieblas“ von 1983 und „Que he hecho yo para menecer esto !“ von 1984 vervollständigen die begonnene Trilogie urbaner Komödien, wobei erstmals die Menschen in ihrer Persönlichkeit im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Mit „Que he hecho(…)“ trat der Regisseur aus dem Dunstkreis des „Underground“ heraus, gewann die ersten Preise und fand national wie internationale Anerkennung.[18]
1986 folgen „Matador“ und „La ley del deseo“, bei denen die Themen Liebe und Lust, Tod und Sterben und nun auch erstmals männliche Protagonisten im Zentrum des Geschehens stehen. Der Erfolg der Komödie „Mujeres al borde de un ataque de nervios“ (1988) mit Carmen Maura, ermöglicht ihm, die folgenden Projekte mit sehr hohem Etat zu produzieren. “¡Atame!” (1989), “High Heels” (1991) und “Kika” (1993) sind kunterbunte Filme, geprägt von exzentrischer Ausstattung, in deren Zentrum sich meist sexuelle und psychisch verstörte Menschen befinden. Obsessive Liebe, ungezügelte Leidenschaften, groteske Handlungsverläufe und skurille Figuren bestimmen die melodramatische narrative Grundkonstellation, zu denen Almodóvar selbst die Drehbücher verfasst.
Nachfolgender Film, “La flor de mi secreto” von 1995, bezeichnet er als Ergebnis seines künstlerischen Reifeprozesses und sieht darin seinen ersten erwachsenen Film. Hier kündigt sich eine Zäsur in seinem Schaffen an. Wie gewöhnlich steht zwar eine Protagonistin im Mittelpunkt des Geschehens, aber neben dem Kampf um ihr weibliches Selbstverständnis, wird auch die künstlerische Thematik der Literatur in ihrer Rolle als Schriftstellerin betont.
Der darauf folgende Film “Carne tremula” von 1997 ist in zweifacher Hinsicht, nämlich sowohl in Bezug auf das Genre, wie auch inhaltlich eher untypisch in der Tradition Almodóvars. Diese freie Verfilmung einer Romanvorlage von Ruth Rendell, thematisiert unter anderem die politischen und sozialen Verhältnisse im Spanien der siebziger Jahre unter der Diktatur Francos. Und in “Todo sobre mi madre” (1999) nimmt erneut Bezug auf die spanische Gegenwart, allerdings mit Blick auf die Vergangenheit der achtziger Jahre, auf die bewegte Dekade der „Movida“ und deren für Almodóvar so prägenden Lebensgefühl. Für diesen Film erhält er zahlreiche Preise, u.a. die Auszeichnung als „Bester Regisseur“ beim Filmfestival von Cannes 1999.
Als 2002 „Hable con ella“ erscheint, gut zwanzig Jahre, nachdem sein erster Film in die Kinos gekommen ist, hat Pedro Almodóvar bereits eine beneidenswerte Position als Filmkünstler erreicht, bei der kommerzieller Erfolg und künstlerischer Anspruch zu einer selten erreichten Synthese zusammengefunden habe.[19] Für diesen Film erhält er neben den insgesamt fünf europäischen Filmpreisen am 24. März 2003 den Oscar in der Kategorie „Bestes Originaldrehbuch“.
2. Stilmittel
Die auffallend enge Verknüpfung von Leben und Werk, die psychologisch betrachtet einer seelischen Aufarbeitung gleichkommt, zeigt sich besonders im Inhalt und der Thematik seiner Geschichten. Bei der Realisierung und filmischen Umsetzung seiner Ideen entwickelt Pedro Almodóvar einen ganz eigenen Stil, jedoch stets darauf bedacht, sich nicht festgelegen zu lassen:
„Das versuche ich dauernd: von mir loszukommen! (…) Ich will keine Handschrift haben, die zum Markenzeichen wird, aber die Leute mit denen ich arbeite, meinen das.“[20]
Stets hat Almodóvar seine Verächter wie auch seine Bewunderer verblüfft, indem er zwar seinen Obsessionen treu bleibt, nicht aber dem Bild, das man von ihm hat.[21] Der schräge Stilmix und die ständigen Stilbrechungen sind für sein Schaffen genauso typisch wie die Respektlosigkeit gegenüber Genrekonventionen. So ist „La ley del deseo“ eine Mischung aus Seifenoper, Melodram, Großstadtkomödie und Homo – Thriller.[22] „Mujeres al borde (…)“ dagegen liegt zwischen „sophisticated comedy“ und „Melodram“.[23] Auch „Tacones lejanos“ ist wie fast alle seine Filme eine Kombination aus Versatzstücken verschiedener Genres für den Almodóvar eine ganz eigene Kategorie gegründet hat: „Es ist ein Drama. Aber auch Musical, Krimi und Komödie- es ist ein 'Almo-Drama'.“[24]
[...]
[1] Göttler, Fritz: Ein Kind der Achtziger- Das 20. Münchner Filmfest – ein Start in welche Zukunft? In: SZ.
[2] Ebd.
[3] Vgl. Pflaum, H.G. : Der verschwundene Artikel – Entschuldigung bitte…(…). In: SZ
[4] Rauh, Inge: An der Pforte zum weiblichen Kosmos – Über das Begehren: Pedro Almodóvars Melodram „Sprich mit ihr“. In: EN. S.22
[5] Vgl. Strauss, Frédéric: Pedro Almodóvar - Filmen am Rande des Nervenzusammenbruchs – Gespräche mit Frédéric Strauss / Pedro Almodóvar. S.2
[6] Vgl. ebd. S.13
[7] Ebd. S.20
[8] Haas, Christoph: Almodóvar – Kino der Leidenschaften. S.13
[9] Ebd. S. 15
[10] Dt. Übersetzung: „alles ist möglich“
[11] Vgl. Kogel, Regine Susanna: Mütter und Huren – Konstruktion von Weiblichkeit in den Filmen von Vicente Aranda, Bigas Luna und Pedro Almodóvar. S.20
[12] Almodóvar, Pedro in: Hanck, Frauke: Ich ziele auf das Herz meiner Zuschauer. In: Abendzeitung
[13] Strauss, F.: Pedro Almodóvar - Filmen am Rande des Nervenzusammenbruchs(…). S.18
[14] Vgl. Eckert, Susanne.: Pedro Almodóvar – Filmregisseur des neuen Spaniens. S.40
[15] Almodóvar, P. in: Vidal, Nuria: El cine de Pedro Almodóvar. S.21, Z.32ff
[16] Vgl. Eckert, S.: Pedro Almodóvar – Filmregisseur des neuen Spaniens. S.44
[17] Gomper, Renate: La ley del deseo. In: Metzler Film Lexikon. S.338
[18] Vgl. Eckert, S.: Pedro Almodóvar – Filmregisseur des neuen Spaniens. S.51
[19] Vgl. Haas, C.: Almodóvar – Kino der Leidenschaften. S.161
[20] Strauss, F.: Pedro Almodóvar - Filmen am Rande des Nervenzusammenbruchs(…). S.202
[21] Vgl. ebd. S.14
[22] Gomper, Renate: La ley del deseo. In: Metzler Film Lexikon. S.338
[23] Vgl. Vossen, U.: Pedro Almodóvar. S.25
[24] Almodóvar, P. in: Dieter Oßwald: Meine Dialoge können töten. In: Neue Presse
- Arbeit zitieren
- Magister Christiane Hagn (Autor:in), 2003, Das Kino des Pedro Almodóvar und die Intermedialität als Stilmerkmal seiner Filme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29686
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