Warum beschleicht mich ein merkwürdiges Gefühl, wenn ich eine blonde Frau mit einem
schwarzen Mann, wohlmöglich noch mit gemeinsamen Kindern auf der Straße
sehe? Warum haben andere eine grundsätzliche Abneigung gegen Beamte, die ihrer
Meinung nach zu sicher verdienen und sowieso nur kaffeetrinkend ihre Stunden absitzen?
Warum sind einem Waldorfkindergärten suspekt? Wieso behaupte ich einfach,
dass BMW-Fahrer rücksichtslos und immer zu schnell fahren, Busfahrer immer schlechtgelaunt
und das Dienstleistungsklima in unserem Land erbärmlich ist? Warum mögen die
einen keine Israelis und andere keine lauten Italiener und warum haben wieder andere
Angst, ihr Auto mit nach Polen zu nehmen?
Vorurteile und Stereotypen sind nahezu universell und tummeln sich in allen Schichten
und Bereichen. Manchmal rufen sie Konflikte hervor, manchmal nicht. Sie sind die Brillen
unterschiedlicher Stärke und Tönung, durch die wir uns gegenseitig betrachten. Sie tragen
Mitschuld für kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Gruppen und Staaten,
färben Konkurrenzbeziehungen und Interessenkonflikte und beeinflussen unser tägliches
Handeln immens. Jeder hat sie, jeder schiebt sie anderen zu. Wie aber entstehen sie?
Was gibt den Ausschlag dafür, dass sie so massiv unser soziales Miteinander prägen?
Antworten auf diese Fragen finden sich beispielsweise in der Entwicklungs- und Kulturgeschichte
einzelner Völker, oder der Politik und Philosophie einzelner Epochen. Gegenstand
dieser Arbeit werden jedoch unterschiedliche Erklärungsansätze aus der Sozialpsychologie
aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sein. Erklärungsansätze,
die Grundsteine für die heutige Auseinandersetzung mit diesem Thema gelegt haben.
Nach einer einführenden Definition der Begriffe Vorurteil und Stereotyp , im ersten Teil,
geht es im zweiten Teil um die Erläuterung der unterschiedlichen Theorien, sowie deren
Hinterfragen. Da dieses Thema Untersuchungsgegenstand vieler verschiedener Autoren
war und ist, und zusätzlich ein Rahmen für diese Arbeit vorgegeben war, wird die Auswahl
auf die wegweisendsten Theorien beschränkt bleiben und somit kein Anspruch auf
Vollständigkeit erhoben.
Der dritte Teil wird sich um Möglichkeiten der Einstellungsänderung in vier Alltagsbereichen
bemühen und ebenso darlegen, mit welchen Schwierigkeiten sich dieses Unterfangen
konfrontiert sehen muss.
Ein zusammenfassendes und kritisches Fazit, sowie ein Quellenverweis bilden den Schluss
der Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1. Stereotyp
2.2. Vorurteil
3. Wie entstehen Vorurteile und Stereotypen?
3.1. Der psychodynamische Ansatz
3.1.1. Frustrations-Aggressions-Hypothese mit abgeleiteter „Sündenbocktheorie“ nach Dollard, Miller, Doob, Mowres, Sears
3.1.2. Theorie der autoritären Persönlichkeit nach Adorno, Frenkel-Brunswick, Levinson, Sanford
3.2. Der konflikttheoretische Ansatz
3.2.1.Theorie des realen Konflikts nach Campbell und Sherif
3.2.2.Theorie der sozialen Identität nach Tajfel
3.3. Der lerntheoretische Ansatz
3.3.1. Eagly und Steffen zu Geschlechterstereotypen, ethnischen und Rassen-stereotypen
3.4. Der kognitive Ansatz
3.4.1. nach G. W. Allport zum kognitiven Prozess
3.4.2. Theorie der illusorischen Korrelation nach Hamilton und Gifford
4. Ausblicke
4.1. Institutioneller Rahmen
4.2.. Unterrichts- und Kursprogramme
4.3. Rolle des Elternhauses
4.4. Rolle der Massenmedien
5. Fazit
6. Quellennachweis
1. Einleitung
Warum beschleicht mich ein merkwürdiges Gefühl, wenn ich eine blonde Frau mit einem schwarzen Mann, wohlmöglich noch mit gemeinsamen Kindern auf der Straße sehe? Warum haben andere eine grundsätzliche Abneigung gegen Beamte, die ihrer Meinung nach zu sicher verdienen und sowieso nur kaffeetrinkend ihre Stunden absitzen? Warum sind einem Waldorfkindergärten suspekt? Wieso behaupte ich einfach, dass BMW-Fahrer rücksichtslos und immer zu schnell fahren, Busfahrer immer schlechtgelaunt und das Dienstleistungsklima in unserem Land erbärmlich ist? Warum mögen die einen keine Israelis und andere keine lauten Italiener und warum haben wieder andere Angst, ihr Auto mit nach Polen zu nehmen?
Vorurteile und Stereotypen sind nahezu universell und tummeln sich in allen Schichten und Bereichen. Manchmal rufen sie Konflikte hervor, manchmal nicht. Sie sind die Brillen unterschiedlicher Stärke und Tönung, durch die wir uns gegenseitig betrachten. Sie tragen Mitschuld für kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Gruppen und Staaten, färben Konkurrenzbeziehungen und Interessenkonflikte und beeinflussen unser tägliches Handeln immens. Jeder hat sie, jeder schiebt sie anderen zu. Wie aber entstehen sie? Was gibt den Ausschlag dafür, dass sie so massiv unser soziales Miteinander prägen?
Antworten auf diese Fragen finden sich beispielsweise in der Entwicklungs- und Kulturgeschichte einzelner Völker, oder der Politik und Philosophie einzelner Epochen. Gegenstand dieser Arbeit werden jedoch unterschiedliche Erklärungsansätze aus der Sozialpsychologie aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sein. Erklärungsansätze, die Grundsteine für die heutige Auseinandersetzung mit diesem Thema gelegt haben.
Nach einer einführenden Definition der Begriffe Vorurteil und Stereotyp, im ersten Teil, geht es im zweiten Teil um die Erläuterung der unterschiedlichen Theorien, sowie deren Hinterfragen. Da dieses Thema Untersuchungsgegenstand vieler verschiedener Autoren war und ist, und zusätzlich ein Rahmen für diese Arbeit vorgegeben war, wird die Auswahl auf die wegweisendsten Theorien beschränkt bleiben und somit kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Der dritte Teil wird sich um Möglichkeiten der Einstellungsänderung in vier Alltagsbereichen bemühen und ebenso darlegen, mit welchen Schwierigkeiten sich dieses Unterfangen konfrontiert sehen muss.
Ein zusammenfassendes und kritisches Fazit, sowie ein Quellenverweis bilden den Schluss der Arbeit.
2. Definitionen
Beim Durchsuchen der Lexika der Soziologie nach Definitionen der beiden Begriffe, erschienen mir folgende aus dem Lexikon zur Soziologie am ausführlichsten und umfangreichsten.
2.1. Stereotyp
Stereotyp, eine festgefügte, für lange Zeit gleichbleibende, durch neue Erfahrungen kaum veränderbare, meist positiv oder negativ bewertende und emotional gefärbte Vorstellung über Personen und Gruppen (auch die eigene: →Autostereotyp), Ereignisse oder Gegenstände in der Umwelt und insofern das Extrembeispiel sozialer →Einstellung. Bei der Bildung der dem S. zugrunde liegenden Urteile werden nur wenige, oberflächliche Merkmale des betreffenden Sachverhalts berücksichtigt. (→Wahrnehmung, selektive): im Wechselspiel von verwendeten Merkmalen und den durch diese Merkmale angesprochenen Denkschablonen des Beurteilers entsteht das S., das sich später auch dann nicht mehr verändert, wenn derselbe Sachverhalt in anderen Zusammenhängen erneut auftritt. Häufig wird angenommen, dass die Bildung von positiven wie negativen S.en dem Individuum die Orientierung in und die Interaktion mit der Umwelt vereinfacht und somit erleichtert.[1]
2.2. Vorurteil
Vorurteil, Globalurteil, Pauschalurteil, ein verfestigtes, vorgefasstes, durch neue Erfahrungen oder Informationen schwer veränderbares Urteil über Personen, Gruppen, Sachverhalte usw. Es ist emotional gefärbt und enthält meist positive (vor allem gegenüber der eigenen Person und Gruppe) oder negative (vor allem gegenüber Fremden und Fremdgruppen) moralische Wertungen. Die Informationen, auf die sich ein V. stützt, sind in der Regel lückenhaft, verzerrt oder sogar falsch. Der Bildung von V.en über Fremdgruppen (z.B. andere Nationen, →Minoritäten usw.) liegen vielfach Erfahrungen mit einzelnen Mitgliedern dieser Gruppe zugrunde, die generalisiert und für jedes Mitglied der betreffenden Gruppe als zutreffend angesehen werden. Die abwertende Einstellung gegenüber fremden Gruppen, die in den V.en über diese meist zum Ausdruck kommt, geht in der Regel darauf zurück, dass die eigenen Normen und Wertvorstellungen für allgemein gültig gehalten und zum Maßstab des Verhaltens auch aller anderen Menschen gemacht werden.[2]
Es wird deutlich, dass beide Begriffe eng miteinander verknüpft sind, die Definitionen klingen ähnlich. Der prägnante Punkt ist meiner Meinung nach, dass Vorurteile die Vorstufe zum Stereotyp darstellen. Sie kommen in einer derartigen Hartnäckigkeit daher, dass sie sich zu einem Stereotyp manifestieren.
Linguistisch betrachtet, setzt sich das Wort Stereotyp aus zwei Teilen zusammen: steréos (fest) und týpos (Gestalt), was somit schon den eindeutigen Hinweis auf etwas Verfestigtes und Erstarrtes gibt, Eigenschaften die ebenso dem Vorurteil zugrunde liegen.
In unserem Sprachgebrauch werden die Begriffe deshalb in ihrer Anwendung auch nicht klar differenziert.
Wo wir Vorurteile und Stereotypen überall äußern, weitergeben, entlarven und zu spüren bekommen, wurde eingangs kurz erwähnt. Sie sind uns vertraut, als dass ihre Verbreitungsgebiete an dieser Stelle ausführlich beschrieben werden müssten. Sind wir uns ihrer also bewusst, stellt sich folgende Frage:
3. Wie entstehen Vorurteile und Stereotypen?
Die nachfolgenden Erklärungsansätze aus der Sozialpsychologie geben einen Überblick über die wichtigsten formulierten Theorien.
3.1. Der psychodynamische Ansatz
Die Überlegungen dieses Ansatzes sind in ihren Ursprüngen im Wesentlichen auf die klassische Psychoanalyse von Sigmund Freud und auf Arbeiten aus der Tiefenpsychologie von E. Fromm und Wilhelm Reich zurückzuführen. Die Gemeinsamkeit beider folgenden Theorien liegt darin, dass sie die Ursache für vorurteilsbeladenes und stereotypes Denken in den innerpsychischen Prozessen eines Menschen sieht, insbesondere in seinen persönlichen Konflikten, die ihre Projektionsfläche in der Gesellschaft suchen.
3.1.1. Frustrations-Aggressions-Hypothese mit abgeleiteter „Sündenbocktheorie“ nach Dollard, Miller, Doob, Mowres, Sears
Die Autoren werten aggressives Verhalten eines Menschen als Antwort auf innere Frustration. Kann ein Individuum seine verfolgten Ziele aufgrund von negativen Umständen nicht erreichen, kommt es in einen Zustand der Frustration. Die zur Erreichung des Zieles mobilisierte psychische und physische Energie staut sich an und muss in irgendein Verhalten entladen werden, bei dieser Annahme in Aggressionen. Diese Reaktion richtet sich entweder gegen die Ursache selbst oder, wenn die Ursache nicht ausfindbar ist oder zu institutionell und mächtig erscheint, gegen andere[3], unbedingt unterlegene Opfer, von denen keine Gegenwehr zu erwarten ist. Es kommt zu einer Verschiebung der Reaktion auf Schwächere, sie dienen sozusagen als Sündenböcke. Das Verantwortlichmachen einer bestimmten Minderheit wird für die eigene, aber auch kollektiv erfahrene Frustration, als Rechtfertigung diskriminierenden Verhaltens und der Zuschreibung negativer Eigenschaften hingestellt.[4] Da die eigentliche Ursache mit diesem Verhalten nicht ausgeräumt wird, mündet dieser Konflikt in noch aggressivere Tendenzen gegenüber Minderheiten oder Randgruppen, die den Stempel des Sündenbocks tragen. Neben den Schuldzuschreibungen für ein akutes Problem, werden jedoch auch Aggressionen gewohnheitsmäßig gegen Minderheiten formuliert und ausgelebt. In Noltings Analyse der „Aggression mit Schuldzuschreibung in akuten Frustrationssituationen“ werden folgende relevante Punkte angeführt:
„Die Personen werden ohnehin nicht ´gemocht`… werden irgendwie mit der primären Frustrationsquelle assoziiert … es erscheint ungefährlich, die Personen anzugreifen … moralisch gerechtfertigt, sie anzugreifen … sie sind andersartig in Sprache, Glauben, Gewohnheiten … sie sind gut erkennbar …“[5]
Der Erklärungsansatz ist plausibel und nachvollziehbar, dennoch stellt sich die Frage, ob es sich nach den vorangegangenen Definitionen um wirkliche Vorurteile und Stereotypen handelt. Sind wir uns der Urteile wirklich bewusst oder steht unser Verhalten eher für eine unbewusste Projektion? Suchen wir nicht eher für ein Ärgernis ein Ventil und treffen dabei irgendeinen mit unserer Frustration, der sich in unserer Nähe befindet? Hier wird menschliches Verhalten zu kopflastig beschrieben; Lebensäußerungen, die eher stark emotional gefärbt sind, als dass sie mit auseinandersetzender Denkleistung des Individuums einhergehen.
Ein weiterer Kritikpunkt wäre der der Rolle der Institutionen. Ich wage zu bezweifeln, dass uns eine Institution zu mächtig erscheint. Vorurteile ihnen gegenüber entspringen eher der Bequemlichkeit, sich nicht mit ihnen beschäftigen zu müssen oder ihrer Undurchschaubarkeit. Ihre Komplexität macht sie mitunter schwer greifbar, ihr wirres Regelwerk ist oft frustrierender als ihre Entscheidungen und erzeugt bei nicht Wenigen ablehnende Voreingenommenheit.
Zurück zu den innerpsychischen Konflikten im Menschen, haben folgende Autoren einen anderen Ansatz aufgestellt.
3.1.2. Theorie der autoritären Persönlichkeit nach Adorno, Frenkel-Brunswick, Levinson, Sanford
In dieser Arbeit stützt man sich auf Erkenntnisse aus den Studien über „Autorität und Familie“ von S. Freud, in denen deutlich wird, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den autoritären Erziehungspraktiken in einer Familie - mit meist unbedingtem Gehorsam - und dem sozialen Verhalten des Menschen in der Gesellschaft gibt. Die in seiner Persönlichkeit verwurzelten Erfahrungen haben wesentlich Anteil an den in seinem Unbewussten ablaufenden Prozessen und somit Auswirkungen darauf, wie er der Umwelt begegnet[6].
Man wies nach, dass die Kindheit eines sich stark unterordnenden Menschen, der sich zu faschistischen Ideologien hingezogen fühlte, durch Erziehungsmaßnahmen mit strenger Disziplin, Repression und geforderter Unterordnung unter den Vater geprägt war. Moralische Vorschriften wurden klar vorgegeben und verlangten Einhaltung ohne Abweichung. Aus dieser Art Erziehung wiederum entwickelten sich Hassgefühle den Eltern gegenüber, die diese Person jedoch unterdrückte und nicht zuließ. Im Erwachsenenalter suchten sich solche Personen ebenso Autoritäten, denen sie sich unterordnen konnten und verschoben – und das ist der bedeutsame Fakt – ihre noch immer aufgestauten Aggressionen auf schwächere Fremd- und Randgruppen. [7]
[...]
[1] Klima, R., in: Fuchs-Heinritz, W.: Lexikon der Soziologie
[2] Waldemar, L., in: Fuchs-Heinritz, W.: Lexikon der Soziologie
[3] Hervorgegangen ist diese Hypothese aus einer Studie von 1939 über den Antisemitismus in Deutschland.
[4] Vgl. Ganter S.: Determinanten ethnischer Grenzziehung: Mikroanalytische Grundlagen und Erklärungsansätze. S.8 und vgl. Lin, S.: Stereotypen, Vorurteile, Feindbilder. http://www.friedenspädagogik.de/themen/vorurt/vor_05.htm
[5] Nolting, H.-P., in: Lin, S.: Stereotypen, Vorurteile, Feindbilder. http://www.friedenspädagogik.de/themen/vorurt /vor_05.htm
[6] Hervorgegangen ist diese Theorie 1950 aus dem Forschungsprogramm „Studies in Prejudice“ des American Jewish Committee, mit dem Ziel, die Bedeutung psychischer und emotionaler Faktoren des familiären Kontextes für die Entstehung von Vorurteilen und Stereotypen zu erforschen. Den Ausgangspunkt bildeten die Erfahrungen mit dem Faschismus in Deutschland, man wollte die Mechanismen erforschen, die so große Bevölkerungsteile dazu gebracht hatten, eine menschenverachtende Politik zu tolerieren und mitzutragen.
[7] Vgl. Rippl, S.: The Authoritarian Personality, in: Lexikon der soziologischen Werke. S. 18
- Quote paper
- Axinia Voigtlaender (Author), 2002, Vorurteile und Stereotypen in der sozialpsychologischen Vorurteilsforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29619
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