Die hier vorliegende Arbeit nähert sich Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama
„Draußen vor Tür“ – als Hörspiel wie als gedrucktes Werk – und versucht,
verschiedene Aspekte dieses Werks der so genannten Trümmerliteratur aufzugreifen
und zu erläutern.
Hier wird es einmal um die Stellung des Werks in der Literatur der Nachkriegszeit
gehen, aber auch um seine damalige Wirkung auf die Menschen im vom Krieg
zerstörten und von den Kriegsereignissen geprägten Deutschland. Wie wurde das Werk
damals aufgenommen, was verband die Leute mit dem hier Erzählten und was war
umstritten?
Es wird herauszustellen sein, dass Borcherts Hörspiel einerseits keine Alleinstellung
hatte, da es durchaus eine ganze Reihe von Werken der Heimkehrerliteratur gab,
anderseits sich aber vielleicht doch aus dieser Reihe hervorhebt. Das Werk war ein sehr
frühes und der Autor war ein junger, neuer Autor, der weder zu den vom
nationalsozialistischen Regime kompromittierten Autoren zählte, noch zu den ins Exil
gegangenen. Eine Besonderheit war aber vor Allem auch die praktische Gleichsetzung
des Protagonisten Beckmann mit dem Autor Borchert, die – so sah es ein breiter Teil
der Öffentlichkeit – das gleiche, oder zumindest doch ein sehr ähnliches, Schicksal
teilen. Außerdem wirkt „Draußen vor Tür“ noch recht lange noch: es erfreut sich einer
bis in die heutige Zeit recht großen Bekanntheit, was man von anderen
Nachkriegsstücken nicht ohne weiteres Behaupten kann. Ist diese Bekanntheit insofern
gerechtfertigt, als das uns das Werk auch heute noch aktuell sein kann und seine
Botschaften auch für uns eine Bedeutung haben? Die Frage wird zu beantworten sein.
Eine ganz zentrale Rolle in „Draußen vor der Tür“ spielt die Frage der Schuld und der
Verantwortung. Auch diese Tatsache ist ein Punkt, der „Draußen vor der Tür“
hervorhebt, da die Aufarbeitung der Schuld und der Verantwortung am Krieg und für
den Krieg in der breiten Bevölkerung in der Nachkriegszeit nicht gerade populär war.
Im Vordergrund standen das Verdrängen und der Blick nach vorne.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Zu inhaltlichen Gesichtspunkten des Stückes
I.1 Die Figuren des Stückes
I.1.1 Der Protagonist: Beckmann
I.1.2 Die irrealen Figuren
I.1.3 Die realen Figuren
I.2 Der formale Aufbau
I.2.1 Die Sprache
II. Zu den außerliterarischen Aspekten des Stückes
II.1 Die Aufführung des Stücks im Nachkriegsdeutschland
II.1.1 Die Situation und das Umfeld
II.1.2 Die Aufführung und die Reaktionen
II.2 Inszenierungsansätze
II.3 Zur überzeitlichen Aktualität des Stückes
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die hier vorliegende Arbeit nähert sich Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama „Draußen vor Tür“ – als Hörspiel wie als gedrucktes Werk – und versucht, verschiedene Aspekte dieses Werks der so genannten Trümmerliteratur aufzugreifen und zu erläutern.
Hier wird es einmal um die Stellung des Werks in der Literatur der Nachkriegszeit gehen, aber auch um seine damalige Wirkung auf die Menschen im vom Krieg zerstörten und von den Kriegsereignissen geprägten Deutschland. Wie wurde das Werk damals aufgenommen, was verband die Leute mit dem hier Erzählten und was war umstritten?
Es wird herauszustellen sein, dass Borcherts Hörspiel einerseits keine Alleinstellung hatte, da es durchaus eine ganze Reihe von Werken der Heimkehrerliteratur gab, anderseits sich aber vielleicht doch aus dieser Reihe hervorhebt. Das Werk war ein sehr frühes und der Autor war ein junger, neuer Autor, der weder zu den vom nationalsozialistischen Regime kompromittierten Autoren zählte, noch zu den ins Exil gegangenen. Eine Besonderheit war aber vor Allem auch die praktische Gleichsetzung des Protagonisten Beckmann mit dem Autor Borchert, die – so sah es ein breiter Teil der Öffentlichkeit – das gleiche, oder zumindest doch ein sehr ähnliches, Schicksal teilen. Außerdem wirkt „Draußen vor Tür“ noch recht lange noch: es erfreut sich einer bis in die heutige Zeit recht großen Bekanntheit, was man von anderen Nachkriegsstücken nicht ohne weiteres Behaupten kann. Ist diese Bekanntheit insofern gerechtfertigt, als das uns das Werk auch heute noch aktuell sein kann und seine Botschaften auch für uns eine Bedeutung haben? Die Frage wird zu beantworten sein.
Eine ganz zentrale Rolle in „Draußen vor der Tür“ spielt die Frage der Schuld und der Verantwortung. Auch diese Tatsache ist ein Punkt, der „Draußen vor der Tür“ hervorhebt, da die Aufarbeitung der Schuld und der Verantwortung am Krieg und für den Krieg in der breiten Bevölkerung in der Nachkriegszeit nicht gerade populär war. Im Vordergrund standen das Verdrängen und der Blick nach vorne.
I. Zu inhaltlichen Gesichtspunkten des Stückes
„Draußen vor der Tür“ wurde von Borchert geschrieben um aufgeführt zu werden – auch wenn im Untertitel „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“ etwas anderes behauptet wird. Den Untertitel des Stücks kann man auf die Äußerung des Kabarettdirektors beziehen, der sagt: „Das Publikum will gekitzelt werden und nicht gekniffen.“[1] Genau gegen diese 1945 vorherrschende Rezeptionshaltung will Borchert anschreiben. Eigentlich sollte es zunächst „Ein Mann kommt nach Deutschland“ heißen, aber auf Anraten von Ernst Schnabel[2] bekam es seinen Titel „Draußen vor der Tür“[3], der auf das Außenseitertum Beckmanns anspielt. Bevor es am Theater aufgeführt wurde, wurde es als Hörspiel im Radio gesendet. Bevor wir uns der Wirkung zuwenden, sollen zunächst einige inhaltliche Gesichtspunkte des Werkes behandelt werden.
„Draußen vor der Tür“ ist offensichtlich in der Form eines Stationendramas – dessen sich die dramatische Literatur des deutschen Expressionismus gerne bediente[4] – inszeniert und knüpft mit dieser Form an Strindberg an. Es gibt im Werk drei Handlungsebenen, die miteinander verschränkt sind. Das reale Geschehen, in dem die realen Figuren agieren, wird vom traumhaften Geschehen – in dem Beckmann traumartige Sequenzen durchlebt – und von den Szenen mit irrealen Figuren kommentierend ergänzt. Die Ebenen stehen also in einer Wechselwirkung im thematischen Kern des Stücks.
Die Figuren sind alle rein funktional zu sehen, sie sind auf die Repräsentation von Denk- und Handlungsweisen ausgelegt[5]. Das Vorhandensein von irrealen Figuren zielt auf die übergreifende Thematik ab, während die realen Figuren die konkrete zeitgeschichtliche Situation repräsentieren, dennoch aber auch einen zeitlosen Gehalt aufweisen. Die Forschung wirft Borcherts Stück oft eine ungeschlossene Organisation vor, die an einem Mangel an literarischer Gestaltungskraft liegen würde, jedoch sagt Koller[6], dass eine durchgehende Struktur auch nicht in der Absicht des Autors lag und dass man berücksichtigen muss, dass das Drama in sehr kurzer Zeit geschrieben wurde.
I.1 Die Figuren des Stückes
Die Handlung ist auf das monologische „Ich“ Beckmanns zentriert[7]. Der „Held“ ist von den Gestalten, die er an den Stationen trifft, abgehoben. Deren Perspektiven sind auf ihn bezogen; sie sind ihm also nicht gleichgestellt. Die Einheit der Handlung ist durch die Einheit des Ichs ersetzt.
I.1.1 Der Protagonist: Beckmann
Beckmann erfüllt eine Repräsentationsfunktion für die Heimkehrer und die, die in der Nachkriegsgesellschaft (noch) keinen Platz gefunden haben[8]. Die Gasmaskenbrille zeigt seine elende Vergangenheit, die ihn immer noch umklammert hält und seine außergesellschaftliche Gegenwartsposition und zeigt somit eine Art Leitmotiv auf. Seine offensichtlichen Defekte und Unzulänglichkeiten im physischen Bereich finden ihre Entsprechung in psychischen Phänomenen. Beckmann ist auf beiden Ebenen „verkrüppelt“ bzw. verwundet. Er ist asozial im umgangssprachlichen und im wörtlichen Sinn von „ungesellschaftlich“. Durch die Werte, die er einfordert – Gerechtigkeit, Verantwortung, Wahrheit – zeigt er sein humanistisches Ideal und klagt einen unbedingten Anspruch ein.
Sein Selbstmordversuch zu Anfang des Stücks ist geprägt von egozentrischem Selbstmitleid, während er bis zum Ende des Stücks in dieser Hinsicht einen Wandel erlebt und am Ende die Einsicht in die Unmenschlichkeit auf gesellschaftlicher Basis erlangt. Er ist das Sinnbild des schlechten Gewissens, was ihn für seine Mitmenschen in ihrem Wunsch nach Vergessen auch so unerträglich erscheinen lässt und für Beckmann in Hoffnungslosigkeit mündet.
Die Ambivalenz der Geschehnisse quält Beckmann[9]: bei dem Mädchen nimmt er die Rolle ein, die der neue Mann seiner Frau gegenüber ihm einnimmt. Hier ist er Opfer und dort Täter. Ähnlich verhält es sich mit der Problematik der militärischen Befehlsstrukturen. Er steht – beziehungsweise stand – in der Befehlskette zwischen dem Oberst und dem Einbeinigen bzw. dem Trupp der Soldaten und ist auch hier zugleich Opfer wie Täter. Die Rigidität der Wahrhaftigkeit verhindert bei ihm die Verdrängung und eine Flucht in die Opferrolle[10].
Beckmann kann auch als Beispiel für die Vereinsamung und Isolation der Menschen von damals – oder auch heute – gesehen werden.
Hervorzuheben ist vor allem auch der starke Bezug Beckmanns auf Borchert. Durch Borcherts frühen Tod gilt „Draußen vor der Tür“ quasi als Vermächtnis und Borcherts Tod gilt – wie Beckmann – als der Beweis der Dignität des Leidens[11] und Beckmann wird als „Alter Ego“ des kriegsgezeichneten Borcherts gesehen.
I.1.2 Die irrealen Figuren:
Der Andere[12]
Der Andere ist der „den jeder kennt“, er kennzeichnet also gewissermaßen eine anthropologische Konstante. Er steht für das „Mensch-Sein“[13] allgemein. Die Dialoge Beckmanns mit dem Anderen reflektieren das Geschehene, aber eben nicht nur als epischer innerer Monolog. Die Äußerungen besitzen auch grundsätzlichen Charakter, insofern besitzt der Andere, bzw. die Dialoge mit ihm, eine universelle Kraft. Ganz klar ist das Doppelgängermotiv zwischen Beckmann und dem Anderen, die beiden zeigen im Dialog widerstreitende Bewusstseinselemente. Zwischen den Figuren ist durch ihren Streit und ihr Debattieren eine gewisse Inkompatibilität festzustellen, allerdings zeigt der Andere nicht nur einen inneren Widerspruch Beckmanns, sondern auch eine „Zeitgeistrepräsentanz“[14]. Er will die Schuld zurückgeben und teilt damit die Mehrheitseinstellung der Bevölkerung, weshalb Koller fragt, ob der Andere nun tatsächlich ein Teil von Beckmann sei. Auf jeden Fall bleibt der Andere eine rätselhafte Figur.
[...]
[1] Borchert 1986, Seite 42
[2] Dramaturg und Regisseur beim Hörspiel des NWDR
[3] Freund 1996, Seite 5
[4] Freund 1996, Seite 87
[5] Koller 2000, Seite 9ff
[6] ders. Seite 10f
[7] Freund 1996, Seite 88
[8] Koller 2000, Seite 17ff
[9] Koller 2000, Seite 20f
[10] ders. Seite 22
[11] ders. Seite 12
[12] ders. Seite 23ff
[13] ders. Seite 14
[14] Koller 2000, Seite 24
- Arbeit zitieren
- Daniel Schüler (Autor:in), 2004, Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29598
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