Mensch und Tier leben seit nahezu unendlicher Zeit auf der Erde zusammen – aber auch gemeinsam,
miteinander? Täglich kommen Tiere zu Tode. Sie dienen uns als Nahrung, aber auch als
Arbeitstier. Zudem werden sie gequält, eingesperrt oder Schmerzen ausgesetzt um des Menschen
Willen – z.B. bei Tierexperimenten. Aber auf der anderen Seite werden sie gezähmt, verhätschelt,
betüdelt, vermenschlicht und nicht selten zum „Spielzeug“ gemacht – in der Haustierhaltung –
oder zur bloßen Attraktion – im Zoo oder Zirkus. All das durch Menschenhände. Doch kann diese
„Vereinnahmung“ der Tiere in deren Sinne liegen? Was würde ein Philosoph, ein Ethiker sagen?
Was sagte Albert Schweitzer zum Verhalten des Menschen gegenüber dem Tier? –
Um dies herauszufinden, werde ich auf den nächsten Seiten zum Einen kurz auf dessen Ethik
eingehen und zum Anderen im Anschluß daran seine „Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben“ näher
beleuchten. Die Frage, die mich dabei leitet ist die folgende: In welchem Verhältnis sollte nach
Albert Schweitzer der Mensch zum Tier stehen? Das Buch, auf das ich mich stützen werde, ist
„Kultur und Ethik“, welches Albert Schweitzer 1914 bis 1917 ausarbeitete und 1923 veröffentlichte
und darin das Ehrfurchtsprinzip konzipierte.
Zu Beginn möchte ich einige Begrifflichkeiten der Schweitzerschen Ethik klären, wobei seine
Welt- und Lebensanschauung den Anfang machen wird.
Inhalt
1. Einführende Worte
2. Einige Begrifflichkeiten der Ethik Schweitzers in Ausrichtung auf seine „Tierethik“
2.1. Welt- und Lebensanschauung
2.2. Welt- und Lebensbejahung
2.3. Der Wille zum Leben
2.4. Die Ethik der Hingebung und die Ethik der Selbstvervollkommnung
3. Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
3.1. Erkennen und Erleben
3.2. Mensch und Tier
3.3. Die Selbstentzweiung des Willens zum Leben
3.4. Verantwortung und Schuld
4. Resümee
Literaturangabe
Bibliographie
1. Einführende Worte
Mensch und Tier leben seit nahezu unendlicher Zeit auf der Erde zusammen – aber auch gemeinsam, miteinander? Täglich kommen Tiere zu Tode. Sie dienen uns als Nahrung, aber auch als Arbeitstier. Zudem werden sie gequält, eingesperrt oder Schmerzen ausgesetzt um des Menschen Willen – z.B. bei Tierexperimenten. Aber auf der anderen Seite werden sie gezähmt, verhätschelt, betüdelt, vermenschlicht und nicht selten zum „Spielzeug“ gemacht – in der Haustierhaltung – oder zur bloßen Attraktion – im Zoo oder Zirkus. All das durch Menschenhände. Doch kann diese „Vereinnahmung“ der Tiere in deren Sinne liegen? Was würde ein Philosoph, ein Ethiker sagen? Was sagte Albert Schweitzer zum Verhalten des Menschen gegenüber dem Tier? –
Um dies herauszufinden, werde ich auf den nächsten Seiten zum Einen kurz auf dessen Ethik eingehen und zum Anderen im Anschluß daran seine „Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben“ näher beleuchten. Die Frage, die mich dabei leitet ist die folgende: In welchem Verhältnis sollte nach Albert Schweitzer der Mensch zum Tier stehen? Das Buch, auf das ich mich stützen werde, ist „Kultur und Ethik“, welches Albert Schweitzer 1914 bis 1917 ausarbeitete und 1923 veröffentlichte und darin das Ehrfurchtsprinzip konzipierte.
Zu Beginn möchte ich einige Begrifflichkeiten der Schweitzerschen Ethik klären, wobei seine Welt- und Lebensanschauung den Anfang machen wird.
2. Einige Begrifflichkeiten der Ethik Schweitzers in Ausrichtung auf seine „Tierethik“
2.1. Welt- und Lebensanschauung
Für Schweitzer kann es nur optimistisch-ethische Weltanschauung geben – diese meint Bejahung der Welt.[1] Doch wie das bisherige Denken diese behandelt, ist für ihn nicht zulässig. Dadurch, daß der Mensch versucht seinen Lebenssinn im Sinn der Welt begreifbar zu machen, ließ man sich bisher auf die Erkenntnistheorie ein. Die Welt wurde abstrahiert, damit man besser mit ihr fertig werde.[2] Statt zu Erkenntnis gelangte man so jedoch nur zur Deutung der Welt. Möchte der Mensch sein Dasein wirklich in dem der Welt begreifen, so muß er sich der Tatsache stellen, daß er nicht der Nabel der Welt ist und sich nicht anmaßen darf, „dem unendlichen Universum einen auf [sich] zielenden oder durch [seine] Existenz erklärbaren Sinn beilegen zu wollen.“[3] Die Ziele der Menschheit lassen sich nicht logisch in die des Universums hineinstellen. Schon allein dadurch nicht, daß es dem Menschen nicht gelingt, eine allgemeine Zweckmäßigkeit des Weltverlaufs zu entdecken.[4] Denn es ist immer nur isolierte Zweckmäßigkeit, da die Natur nicht in der Lage ist Einzelzweckmäßigkeiten zu einer Gesamtzweckmäßigkeit zu vereinigen.[5] Der Mensch steht also vor Rätseln. „[Seine] Erkenntnis wird skeptisch.“[6] Da Weltanschauung bislang im Denken auch immer mit Lebensanschauung zusammenhing, wird somit auch die Lebensauffassung skeptisch. Doch laut Schweitzer muß dieser Zusammenhang aufgegeben werden, da jenes Denken bisher dazu neigte, Weltanschauung nach der Lebensanschauung zu formen, so daß der Wille über die Erkenntnis stieg.[7] Zu wahrhafter Weltanschauung gelangt der Mensch nur, wenn die Lebensanschauung auf sich allein gestellt ist und über das Welterkennen hinausgeht, sich mit ihm aufrichtig auseinandersetzt.[8] Nur so kann der Mensch wieder Kraft zu ethischer Welt- und Lebensbejahung finden.[9]
2.2. Welt- und Lebensbejahung
Vertiefte Welt- und Lebensbejahung meint bei Schweitzer, daß der Mensch sein eigenes Leben sowie das, was er beeinflussen kann, auf seinen höchsten Wert bringt und allem, was sich um ihn herum ereignet, ein lebendiges und soweit es geht tätiges Interesse entgegenbringt.[10]
Welt- und Lebensbejahung hängen eng mit dem Willen zum Leben zusammen – ein von Schopenhauer und Nietzsche abgeleiteter Begriff. Aus dem denkend gewordenen Willen zum Leben entwickelt Schweitzer vertiefte Welt- und Lebensbejahung.
2.3. Der Wille zum Leben
Welt- und Lebensbejahung, so Schweitzer, wird in uns vom Willen zum Leben als etwas Selbstverständliches eingegeben. Doch um zu vertiefter Welt- und Lebensbejahung zu gelangen, ist das Hinzukommen des Denkens notwendig. In Auseinandersetzung mit der bisherigen Ethik[11] stellt Schweitzer fest, daß mit Hinzunahme des Denkens sich der Wille zum Leben seither zu stark an den Erkenntnissen aus der Betrachtung der Welt ausrichtete. Seiner Meinung nach kann es dadurch nur zu herabgesetztem Willen zum Leben kommen und darüber hinaus zu nur teilweise erreichter Welt- und Lebensbejahung. Er sieht die Lösung darin, die im Willen zum Leben gegebenen Ideen als die höhere und ausschlaggebende Erkenntnis gelten zu lassen. Kraft aus sich selbst schöpfen meint dies. Der Wille zum Leben möchte sich ausleben, er drängt danach, sich in höchstmöglicher Vollkommenheit zu verwirklichen. Im Menschen ist dieser Drang derart angelegt, daß er sich selbst und alles von ihm beeinflußbare Sein auf den höchsten materiellen und geistigen Wert bringen möchte.[12] Der Wille zum Leben im Menschen möchte sich an dem Sein betätigen und der Mensch ist dazu fähig, weil er ein Wesen ist, das zu einem überlegten und zweckmäßigem Wirken imstande ist.[13]
Um darüber hinaus auch zu vertiefter Welt- und Lebensbejahung zu gelangen, muß das Denken dem Willen zum Leben beistehen. Im Willen zum Leben sind Werte und Anregungen gegeben, wie sich der Mensch zur Welt und zum Leben zu verhalten habe. Schweitzer sagt, daß der Wille zum Leben diese Ideen denken muß und sich ihnen unterwirft – dabei hilft ihm das Denken. Es ist wichtig, daß deutlich wird, daß der Wille zum Leben auf sich selbst ist gestellt und „seine Bestimmung ist, zur Freiheit von der Welt zu gelangen.“[14] Nur so kommt er nicht ins Straucheln, wie er es im Erkennen der Welt täte.[15] Und weil vom Willen zum Leben Welt- und Lebensbejahung als etwas Selbstverständliches in den Menschen eingegeben wird, kann der Mensch durch jene auf die Ziele des Willens zum Leben eingehen, nämlich sein eigenes Leben und alles von ihm beeinflußbare Lebendige zu erhalten und zu fördern.[16] So kann der Mensch „in vertiefter Welt- und Lebensbejahung,[17] […] Ehrfurcht vor dem Leben“[18] bekunden. „Ehrfurcht vor dem Leben ist Ergriffensein von dem unendlichen, unergründlichen, vorwärtstreibenden Willen, in dem alles Sein gegründet ist.“[19] Einswerden mit dem unendlichen Willen zum Leben ist die Bestimmung des Menschen.[20]
2.4. Die Ethik der Hingebung und die Ethik der Selbstvervollkommnung
Die Ethik der Hingebung und die Ethik der Selbstvervollkommnung sind beide notwendig zur Entwicklung der Schweitzerschen Ethik.[21] „Um das Grundprinzip des Sittlichen aufstellen zu können, müssen [...] die Ethik der Hingebung und die Ethik der Selbstvervollkommnung miteinander [verbunden und gedacht werden].“[22]
Bisher sah die Ethik in der Ethik der Hingebung nur das Verhältnis von Mensch zu Mensch, während die Ethik der Selbstvervollkommnung ein universeller Begriff ist und es mit dem Verhalten des Menschen zur Welt zu tun hat. Schweitzer ist bestrebt, beide Begriffe ineinander zu denken.[23] Doch tauchen dahingehend zwei Probleme auf. Erstens ist es notwendig, die Ethik der Hingebung zu erweitern und sie in Bezug auf alles in der Welt zutage tretende Leben nehmen zu lassen, damit sie auf die Ethik der Selbstvervollkommnung eingehen kann. Zweitens gelangt in der Ethik der Selbstvervollkommnung der Mensch nur zu passiver Hingabe an das Sein, während Ethik der Hingebung aktiv ist. Denn erstere besteht darin, daß der Mensch in ein wahres Verhältnis zum Sein komme, wobei er aber nur zu innerlicher, geistiger Hingabe zu diesem gelangt, da das Sein bislang nur als ein abstrakter Inbegriff des wirklichen Seins verstanden ist.[24]
Das erste Problem läßt sich, so Schweitzer, dahingehend lösen, daß sich die Ethik mit der Naturphilosophie[25] auseinandersetzt und das Verhältnis des Menschen zum Sein und der Welt überhaupt erweitert werden kann. Beim zweiten muß die Ethik der Selbstvervollkommnung die leidende[26] und tätige[27] Ethik miteinander in geistiger, innerlicher Hingebung an das Sein entstehen lassen. Das heißt, Ethik der Selbstvervollkommnung darf nicht nur zu Resignationsethik des innerlichen Freiwerdens von der Welt gelangen, sondern zugleich zu einer Ethik des Wirkens in der Welt und auf die Welt.[28] „Mein Sein soll sich an alles in meinen Bereich kommende Sein und das, was meiner bedarf, hingeben und geistige, innerliche Hingebung verwirklichen.“[29] Ethik der Selbstvervollkommnung und Ethik der Hingabe durchdringen sich, wenn sie weltumfassend in Naturphilosophie werden, die die Welt so läßt wie sie ist.[30] Lebendige Hingebung an alles lebendige Sein.[31] „Die Welt ist nicht nur Geschehen, sondern auch Leben. Man darf der Welt nicht nur passiv gegenüberstehen, sondern muß sich tätig ihr gegenüber verhalten. Sinnvolles Tun besteht darin, daß man sich für das Lebendige einsetzt.“[32]
Der Mensch erlebt und verwirklicht Verantwortlichkeit für alles in seinen Bereich tretende Leben.[33] Und dort heraus entwickelt Schweitzer sein Grundprinzip des Ethischen: Hingebung an Leben aus Ehrfurcht vor dem Leben.[34]
[...]
[1] „Die einzig wertvolle Weltanschauung ist die optimistisch-ethische.“ Albert Schweitzer, Kultur und Ethik, S. 291
[2] Kultur und Ethik (KE), S. 292
[3] KE, S. 293
[4] KE, S. 293
[5] „Leben mit Leben zu einem Gesamtleben zusammenlaufen zu lassen, unternimmt sie nicht.“ KE, S. 293
[6] KE, S. 294
[7] „Der Wille [...] vergewaltigte die Erkenntnis“, so daß nur das gesehen wurde, was man in der Welt sehen bzw. erkennen wollte. KE, S. 296
[8] Denn Weltanschauung besteht aus Überzeugungen, die aber im Erkennen der Welt nicht bestätigt werden.
[9] KE, S. 297
[10] KE, S. 298
[11] Bisher ergab das Denken, daß der Mensch nur gedankenlosen Willen zum Leben in sich trägt. Schweitzer begründet das darin, daß, wenn der Mensch zu denken beginnt, er Fragen über seine Existenz stellt. Die Erkenntnisse darüber können jedoch nur pessimistisch sein, weiß er sich doch in die Welt nicht richtig einzufinden. Der Wille zum Leben muß also stärker als dieser Pessimismus sein. Doch kann er das nicht leisten, weil das Denken ihn nicht in ein Überlegen hineinzuführen vermag, aus dem er neue Kraft schöpfen kann. Ihm bleibt lediglich genügend Energie, um selbst zu überleben. Somit kann auch die Welt- und Lebensbejahung nur teilweise erreicht sein. Und „wo die tiefe Welt- und Lebensbejahung nicht voll erreicht ist, liegt immer herabgesetzter, nicht mehr wahrhaft lebenstüchtiger Wille zum Leben vor.“ KE, S. 300
[12] KE, S. 302
[13] KE, S. 302
[14] KE, S. 303
[15] „Das Erkennen der Welt kann ihm nachweisen, daß sein Bestreben, sein eigenes Leben und alles von ihm beeinflußbare Lebendige auf den höchsten Wert zu bringen, in dem Verlauf des Weltganzen problematisch bleibt.“ KE, S. 303
[16] „Durch das Denken löst sich der Wille zum Leben aus seiner primitiven Selbstbezogenheit und wird in die Lage versetzt, Ehrfurcht vor anderem Leben zu entwickeln.“ Eins mit der Natur. Hans-Joachim Werner. 1986, S. 98
[17] Denn aus dem denkend gewordenen Willen zum Leben entwickelt Schweitzer die vertiefte Welt- und Lebensbejahung.
[18] KE, S. 303
[19] KE, S. 303
[20] KE, S. 305
[21] A. Schweitzer, 2000
[22] L. Watzal, 1989, S. 57; Miteinander gedacht bilden sie die Grundvoraussetzung für die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben.
[23] KE, S. 316
[24] KE, S. 320, 326; D.h., der Mensch fühlte sich bisher nur mit einem Surrogat der Wirklichkeit verbunden, weil die Erhebung des Willens über das Erkennen der Welt gesetzt wurde und man sich die Welt darüber hinaus vereinfachte (Erkenntnistheorie), um sie besser zu verstehen. [Siehe hierzu rückblickend Punkt 2.1.] „Wirklich ist [aber] nur das in Erscheinungen erscheinende Sein.“ S. 325
[25] sie versucht die Natur zu deuten und zu erklären, auch die Klärung der Mensch-Natur-Beziehung obliegt ihr
[26] meint hier Resignationsethik, d. h. in leidender Ethik der Selbstvervollkommnung wird das innerliche Freiwerden von der Welt verstanden
[27] Ethik der tätigen Selbstvervollkommnung versteht sich im ethischen Verhalten von Mensch zu Mensch
[28] KE, S. 322
[29] KE, S. 326-327
[30] KE, S. 327
[31] leidende und tätige Selbstvervollkommnung sind hier vereint
[32] L. Watzal, 1989, S. 53
[33] Für Schweitzer definiert das „Ethik“. Vgl. KE, S. 327
[34] KE, S. 327
- Quote paper
- Dana Kaule (Author), 2004, Tierethik: In welchem Verhältnis sollte nach Albert Schweitzer der Mensch zum Tier stehen? - Erläutert anhand "Kultur & Ethik" von Albert Schweitzer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29556
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