Die Bilanzierung nach den International Accounting Standards (IAS), die für kapitalmarktorientierte Gesellschaften ab 2005 in der EU Pflicht ist, wird vermutlich auch zunehmend von nichtkapitalmarktorientierten Unternehmen genutzt werden. Bei einer von der Wirtschaftsprüfung Ernst&Young im Herbst 2003 durchgeführten Befragung von 176 deutschen Unternehmungen, sahen 43% der Befragten die Umstellung auf IAS/IFRS als große Chance, welches nach Angaben in hohem Maße auf die erhöhte internationale Transparenz zurückzuführen ist. Ferner ergab die Studie, dass Banken Kredite an Unternehmen mit HGB-Abschluss zu schlechteren Konditionen vergeben, als an vergleichbare Unternehmen mit IAS/IFRS-Abschluss. Jedes vierte Unternehmen, das nach IAS abschließt, habe bereits positive Erfahrungen mit Finanzierungen gemacht. Inhaltlich unterscheiden sich die IAS vom Handelsrecht durch eine geringere Bedeutung des Vorsichtsprinzips, eine stärkere Orientierung an Stichtagszeitwerten, die Ersetzung von Aktivierungswahlrechten durch Aktivierungsgebote, Einschränkungen von Passivierungs- wahlrechten und eine frühere Gewinnrealisation in bestimmten Fällen. Bilanzpolitisch werden auf diese Weise Eigenkapitalquoten gehoben und Gewinne verstetigt, was bspw. für das Rating des Bilanzierenden gegenüber Kreditgebern erhebliche Vorteile mit sich bringen kann. Die Bilanzvorschriften des HGB sind auf kurzfristige Fertigungen zugeschnitten, so dass sich bei Unternehmen, deren Geschäfte sich hauptsächlich aus mehrperiodigen Projekten zusammensetzen, Probleme bei der Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben auf die einzelnen Perioden der Herstellung und Lieferung ergeben, da der Zeitraum der Auf- Die Bilanzierung langfristiger Fertigungsaufträge nach IAS/IFRS tragsabwicklung nicht mit den im Handels- oder Steuerrecht vorgeschriebenen Intervallen übereinstimmt.
Die Problematik hieraus ergibt sich aus der Frage, in welchen Perioden der Gewinn zu realisieren sei. Gerade bei Unternehmen, bei denen sich die Fertigstellung von mehrperiodigen Aufträgen in einer Periode häuft und dafür in anderen Perioden ausbleibt, besteht die Gefahr, dass im Zeitablauf erhebliche Schwankungen bezüglich des ausgewiesenen Unternehmenserfolges und damit eine Verzerrung der Bilanz auftritt, was wiederum eine Erschwerung der Vergleichbarkeit der Perioden und verschiedener Unternehmen untereinander verursacht.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Grundsätzliches zu langfristigen Fertigungsaufträgen
2.1 Der Begriff „construction contracts“
2.2 Merkmale und Risiken mehrperiodiger Auftragsfertigung
2.3 Vertragstypen der Auftragsfertigung
3 Teilgewinnrealisierung
3.1 Behandlung nach HGB
3.2 IAS 11: Gewinnrealisierung nach dem Leistungsfortschritt
3.2.1 Die percentage of completion-Methode
3.2.2 Bestimmung der Auftragserlöse
3.2.3 Die aktivierungsfähigen Kosten
3.2.4 Ermittlung des Fertigstellungsgrades
3.3 Die Auswirkungen in Bilanz und GuV
3.3.1 Auswirkungen bei Anwendung der completed contract method
3.3.2 Auswirkungen bei Anwendung der percentage of completion method
4 Kritische Würdigung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Beispielhafter Gewinnverlauf bei Anwendung von poc- und cc-method
Abbildung 2: Erfolgsausweis und Prinzipien bei Langfristfertigung
Abbildung 3: Unsicherheitsfaktoren der Erlösermittlung
Abbildung 4: Bilanz und GuV bei Anwendung der Completed Contract- Methode
Abbildung 5: Auftragsfortschritt und Gewinnanteil
Abbildung 6: Bilanz und GuV bei Verwendung der POCM
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Bilanzierung nach den International Accounting Standards (IAS), die für kapitalmarktorientierte Gesellschaften ab 2005 in der EU Pflicht ist, wird vermutlich auch zunehmend von nichtkapitalmarktorientierten Unternehmen genutzt werden.
Bei einer von der Wirtschaftsprüfung Ernst&Young im Herbst 2003 durch- geführten Befragung von 176 deutschen Unternehmungen, sahen 43% der Befragten die Umstellung auf IAS/IFRS als große Chance, welches nach Angaben in hohem Maße auf die erhöhte internationale Transparenz zurückzuführen ist. Ferner ergab die Studie, dass Banken Kredite an Un- ternehmen mit HGB-Abschluss zu schlechteren Konditionen vergeben, als an vergleichbare Unternehmen mit IAS/IFRS-Abschluss. Jedes vierte Un- ternehmen, das nach IAS abschließt, habe bereits positive Erfahrungen mit Finanzierungen gemacht.1 Inhaltlich unterscheiden sich die IAS vom Handelsrecht durch eine geringere Bedeutung des Vorsichtsprinzips, eine stärkere Orientierung an Stichtagszeitwerten, die Ersetzung von Aktivie- rungswahlrechten durch Aktivierungsgebote, Einschränkungen von Passi- vierungs-wahlrechten und eine frühere Gewinnrealisation in bestimmten Fällen. Bilanzpolitisch werden auf diese Weise Eigenkapitalquoten geho- ben und Gewinne verstetigt, was bspw. für das Rating des Bilanzierenden gegenüber Kreditgebern erhebliche Vorteile mit sich bringen kann.
Die Bilanzvorschriften des HGB sind auf kurzfristige Fertigungen zuge- schnitten, so dass sich bei Unternehmen, deren Geschäfte sich haupt- sächlich aus mehrperiodigen Projekten zusammensetzen, Probleme bei der Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben auf die einzelnen Perio- den der Herstellung und Lieferung ergeben, da der Zeitraum der Auf- tragsabwicklung nicht mit den im Handels- oder Steuerrecht vorgeschriebenen Intervallen übereinstimmt.2
Die Problematik hieraus ergibt sich aus der Frage, in welchen Perioden der Gewinn zu realisieren sei. Gerade bei Unternehmen, bei denen sich die Fertigstellung von mehrperiodigen Aufträgen in einer Periode häuft und dafür in anderen Perioden ausbleibt, besteht die Gefahr, dass im Zeitablauf erhebliche Schwankungen bezüglich des ausgewiesenen Unternehmenserfolges und damit eine Verzerrung der Bilanz auftritt, was wiederum eine Erschwerung der Vergleichbarkeit der Perioden und verschiedener Unternehmen untereinander verursacht3.
Gerade die neuen Baseler Richtlinien (Basel lI), die von den Banken ein erhöhtes Risikobewusstsein erfordern, werden es Unternehmen mit einem Geschäftsmodell, das auf langfristiger Auftragsfertigung basiert, zuneh- mend erschweren, sich Fremdkapital über Banken zu beschaffen. Basel II ist eine aufsichtsrechtliche Anforderung für die Kreditgeber, sich stärker an betriebswirtschaftlichen Risiko-managementprinzipien zu orientieren4. Nur, dazu müssen die Kreditgeber auch das Geschäftsmodell verstehen. Die IAS ermöglichen bei Erfüllung bestimmter noch zu erläuternder Be- dingungen eine vorzeitige Teilgewinnrealisierung und können dadurch insbesondere Fremdkapitalgebern ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild ihrer Performance liefern.
Die vorliegende Arbeit liefert keine Analyse dazu, welche Behandlungsweise grundsätzlich besser oder schlechter sei. Sie soll dem Leser einen Einblick in die Problematik des Bilanzierungssonderfalls der Fertigungsaufträge nach IAS geben.
1.2 Gang der Untersuchung
Zur Untersuchung der vorliegenden Problematik wird in Kapitel zwei zunächst dem Begriff der Langfristfertigungsaufträge (construction contracts) nachgegangen. Hier sollen insbesondere die spezifischen Merkmale und Risiken aufgezeigt werden.
Kapitel drei widmet sich der buchhalterischen Behandlung dieser Bilanz- position und wird ausgehend von der Behandlung nach der handelsrecht- lichen Rechnungslegung auf die Behandlung nach den IAS/IFRS überlei- ten. Hier wird insbesondere auf die die Ermittlung der Auftragserlöse, des Fertigstellungsgrades und der aktivierbaren Kosten eingegangen und ab- schließend der Bilanzierungsunterschied anhand eines Beispiels veran- schaulicht. Diese Arbeit kann aus Gründen der Umfangsbeschränkung nicht auf alle Facetten dieses komplexen Bilanzierungssonderfalles ein- gehen.
2 Grundsätzliches zu langfristigen Fertigungsaufträgen
2.1 Der Begriff „construction contracts“
Das IASC fasst in IAS 11 unter dem Begriff „construction contracts“ spezi- fisch ausgehandelte Verträge über die Fertigung einzelner Vermögensge- genstände oder einer Gruppe (combination) von Vermögensgegenstän- den zusammen, die sich aufgrund einer funktionalen, technologischen oder gestalterischen Verknüpfung wechselseitig bedingen5. Langfristferti- gungsaufträge sind meist in der Bauwirtschaft sowie im Schiffs-, Flug- zeug- und Anlagenbau, aber auch bei Dienstleistungen, wie bei Architek- ten- oder Ingenieuraufträgen, die mit den zuvor genannten langfristigen Fertigungsaufträgen in Verbindung stehen, zu finden. Ferner werden im Sinne des Standards von IAS 11 auch Verträge über den Abriss oder die Restaurierung von Vermögenswerten und die Wiederherstellung der Um- welt nach dem Abriss der Vermögenswerte als Fertigungsaufträge ver- standen6. Projekte in diesen Branchen erstrecken sich in der Regel über mehrere Jahre und unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihren Zeit- anspruch von der Serienfertigung. Wegen der Erstreckung derartiger Auf- träge über mehrere Berichts- oder Geschäftsperioden fallen Vertragsab- schluss und Fertigstellung des Projekts periodisch auseinander.7 („be- cause of the nature of the activity undertaken in construction contracts, the date at which the contract activity is entered into and the date when the activity is completed usually fall into different accounting periods”)8.
2.2 Merkmale und Risiken mehrperiodiger Auftragsfertigung
Die mehrperiodige Auftragsfertigung weist im Vergleich zur auftragslosen Fertigung, wie der Serienfertigung, einige wesentliche Unterschiede auf9 10. So hat die vorliegende Leistungserstellung einen hohen Einzelfertigungs- anteil und ist sehr stark an den individuellen Anforderungen der Kunden ausgerichtet; zudem muss der Auftragnehmer auf einen Anforderungs- wechsel des Auftraggebers eingestellt sein. Die Herstellung hat einen ho- hen Neuigkeitsgrad und erfordert besondere Tätigkeiten bzw. Fähigkeiten. Langfristige Fertigungsaufträge enthalten für den Auftragnehmer eine Vielzahl besonderer Risiken. Die Planung der Kosten wird durch die kom- plexe Zusammensetzung derartiger Projekte erheblich erschwert11.
Ein wesentliches Problem aufgrund des Unsicherheitsgrades besteht in den Anforderungen an die Auftragsplanung, -steuerung und -kontrolle. Das Projektcontrolling könnte sich hier in einem Zielkonflikt zwischen Ver- lustantizipation - was einen höheren Angebotspreis zur Folge haben kann - und Akquisitionsdruck - was den Preis drückt - befinden. Außerdem ist wegen der im Allgemeinen hohen Wertigkeit und der fehlenden Marktori- entierung, die sich aus Einzigartigkeit dieser Aufträge ergibt, ein sehr ho- hes Kalkulations- und Verlustrisiko gegeben12. Da der einzelne Auftrag oft einen wesentlichen Teil am Gesamtumsatz ausmacht und die Zahl der Aufträge auf das Jahr gesehen relativ gering ist, kommt es zu großen Auslastungsschwankungen13. So kann es aufgrund eines einzigen verlust- trächtigen Auftrages zu erheblichen Ergebnisverschlechterungen kommen und schlimmstenfalls den Bestand des Unternehmens gefährden. Für den Auftragsnehmer besteht ferner die Gefahr, die vertraglich vereinbarten Leistungsmerkmale und Funktionen des Projekts nicht oder nicht rechtzeitig leidern zu können. Bei Überschreitung eines vereinbarten Lieferter- mins bzw. nicht ordnungsgemäßer Vertragserfüllung können dem Auf- tragnehmer Konventionalstrafen und gem. §§ 633 II ff. BGB Nachbesse- rungs-forderung drohen. Dies kann natürlich auch bei Serienfertigung der Fall sein, dennoch sind bei der Auftragsfertigung bspw. einer Brücke die Nachbesserungskosten sehr hoch, und die ohnehin schon eng kalkulier- ten Projekte können sich zu einem Verlustbringer entwickeln.14 Ein we- sentlicher Risikoaspekt ist die starke Abhängigkeit des Auftragnehmers, die sich aus dem hohen Spezifikationsgrad des zu erstellenden Vermö- gensgegenstandes ergibt. Für den Auftragnehmer spielt insbesondere die Bonität des Auftraggebers eine wesentliche Rolle, denn der erstellte Ver- mögensgegenstand wird bei Zahlungsunfähigkeit des Auftragebers nicht anderweitig einsetzbar sein.15
Zusammenfassend lassen sich demnach folgende Risiken klassifizieren:
- Kostenrisiken
- Leistungs- und Erfüllungsrisiken
- Abnahmerisiken
- Zahlungsrisiken16.
[...]
1 Vgl.http://www.ey.com/global/download.nsf/Austria/AABS_NL_0604/$file/AABS_NL_Juni04_final.pdf
2 Vgl. Forster, M.; Gewinnrealisierung bei langfristiger Fertigung, in: (Hrsg.) Castan, E. u.a.: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt, München 1987, B 700
3 Vgl. Forster, M.; Gewinnrealisierung bei langfristiger Fertigung, in: (Hrsg.) Castan, E. u.a.: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt, München ,1987, B 700
4 Vgl. http://www.kpmg.de/topics/9306.htm
5 Vgl. Selchert, F. W.:Teilgewinnrealisierung bei Auftragsfertigung, S.4 f, München-Wien 1998, Oldenbourg
6 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union; 13.10.2003; § 5b
7 Vgl. Achleitner, A.-K./Behr, G.: International Accounting Standards, S.171f; 2.Auflage; München 2000, Vahlen
8 Vgl. IAS 11,(revised 1993) (construction contracts), in Institut der Wirtschaftsprüfer(Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards, Düsseldorf 1995, Anhang 7 vor Ziff.1, S.209
9 auch im Folgenden vgl. Selchert, F. W.: Teilgewinnrealisierung bei Auftragsfertigung, S.7 f., MünchenWien 1998, Oldenbourg
10 Hierzu weiterführend Guserl, R., Risiko-Management, 1996, S.520 ff.
11 Vgl. Achleitner, A.-K./Behr, G.: International Accounting Standards, S.172f; 2.Auflage; München 2000, Vahlen
12 Vgl. zu den Anforderungen und Verfahren der Kostenplanung im Anlagengeschäft z.B. Funke, S., Kalku- lation, Angebotskalkulation bei Einzelfertigung, 1995,S.82 ff.
13 Vgl. Achleitner, A.-K./Behr, G.: International Accounting Standards, S.172f; 2.Auflage; München 2000, Vahlen
14 Vgl. Selchert, F. W.:Teilgewinnrealisierung bei Auftragsfertigung, S. 12f., München-Wien 1998, Olden- bourg
15 Vgl. Achleitner, A.-K./Behr, G.: International Accounting Standards, S.171f.; 2.Auflage; München 2000, Vahlen
16 Vgl. Selchert, F. W.:Teilgewinnrealisierung bei Auftragsfertigung, S. 7f., München-Wien 1998, Olden- bourg
- Arbeit zitieren
- Robert Hartung (Autor:in), 2004, Die Bilanzierung langfristiger Fertigungsaufträge nach IAS/IFRS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29515
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