Deutschsprachige Evangelische Auslandsgemeinden. Bestandsaufnahme und Ausblick


Textbook, 2015

53 Pages


Excerpt


Inhalt

Vorwort

Auslandsgemeinden heute

Gründe für die Mitgliedschaft in Auslandsgemeinden

Herausforderungen für Auslandsgemeinden

Auslandsgemeinden aus biblischer Sicht

Gemeindemodelle

Bibliografie

Vorwort

Weltweit gibt es mehr als 100 deutschsprachige evangelische Kirchengemeinden, die mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vertraglich verbunden sind. Viele dieser sogenannten Auslandsgemeinden bestehen schon seit Jahrzehnten, einige sogar seit Jahrhunderten, während andere erst in letzter Zeit gegründet wurden. Unter ihnen gibt es sowohl klassische Migranten- als auch Minderheitengemeinden. Was bewegt evangelische Christen solche Gemeinden aufzubauen oder ihnen beizutreten? Was sind die Herausforderungen für deutschsprachige evangelische Ge- meinden außerhalb Deutschlands? Welche Chancen haben sie? Welche Modelle von Auslandsgemeinden gibt es? Und wie sind solche Gemeindeformen aus biblisch-historischer Sicht zu beurteilen? Um diese Fragen soll es in diesem Buch gehen.

Auslandsgemeinden heute

Der in den letzten Jahren zu verzeichnende Anstieg an globalen Migra- tionsströmen hat erhebliche Auswirkungen auf die weltweite Kirche. Ge- meinden afrikanischer, lateinamerikanischer und asiatischer Christen findet man heutzutage in fast jeder größeren europäischen Stadt. Viele dieser neuen Migrationskirchen sind charismatischer oder pfingstlerischer Prägung (vgl. Heinemann 2012:208ff). Machel (2011:131) unterscheidet drei Typen von Migrationsgemeinden: autochthone, diasporale und transkulturale Gemeinden. Autochthone Migrationsgemeinden entstehen durch die Arbeit ausländischer Missionare, die von ihren Kirchen entsandt wurden, während diasporale Gemeinden von christlichen Migranten gegründet werden. Transkulturale Gemeinden dagegen sind „Migrationsgemeinden, die in einer umgekehrten Missionsbewegung stehen, indem sie von ihrem Ein- wanderungsland aus wiederum neue Gemeinden in ihrem Herkunftsland gründen“.

Von den evangelischen Landeskirchen und deren Ortsgemeinden werden diese Gemeinden anderer Sprache und Herkunft jedoch oft nicht als gleichberechtigte Partner wahrgenommen. In der vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) herausgegebenen Schrift Gemeinsam evangelisch! heißt es dazu:

Die evangelischen Kirchen in Deutschland und die EKD blicken auf eine langjährige Erfahrung in der Begegnung und der Zusammenarbeit mit ‹‹Gemeinden anderer Sprache und Herkunft›› zurück. Es gibt viele gute Beispiele gelingenden Zusammenlebens, die von gegenseitigem Respekt geprägt sind und von der Bereitschaft voneinander zu lernen. Und doch geschieht das gemeindliche Leben vielerorts eher in einem Nebeneinander als in einem Miteinander. Die einheimischen Kirchen sehen Gemeinden anderer Sprache und Herkunft oft zuerst als die ‹‹Anderen››, denen man mit Gastfreundschaft und diakonisch motivierter Hilfsbereitschaft begegnet. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung sind die EKD und ihre Gliedkirchen und die eingewanderten Christinnen und Christen und ihre Gemeinden bisher kaum als Geschwister im Glauben erkennbar (Schneider 2014:5).

Im Gegenzug gibt es aber auch eher traditionelle deutsch-, englisch-, niederländisch- oder schwedischsprachige Auslandsgemeinden in vielen Teilen der Welt, die ebenfalls in die Kategorie der Migrationsgemeinden fallen. Viele dieser Gemeinden bestehen schon seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten:

Die ersten evangelischen Auslandsgemeinden deutscher Sprache entstanden schon bald nach der Reformation. Das geschah bezeichnenderweise in protestantischen Ländern, und zwar durch die Niederlassung von deutschen Kaufleuten, Handwerkern und Künstlern. In Stockholm ist ein deutscher Prediger schon 1556 nachweisbar (Held 2008:295).

Im Zuge mehrerer Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert, insbesondere nach Nord- und Südamerika, kam eine Vielzahl von neuen Gemeinden dazu (:296). Wellnitz (2003:24) unterscheidet bei diesen älteren Gemeindegründungen zwischen Fremdengemeinden, Kolonistengemeinden und Kolonialgemeinden. Löffler (2008:161-162) kommentiert:

Die größte Gruppe bildeten die Fremdengemeinden, in denen sich deutsche Protestanten, die zumeist aus wirtschaftlichen Gründen ins Ausland gingen, in den Haupt- und Handelsstädten zusammen- schlossen. Durch die Massenauswanderung - vor allem nach Süd- amerika - bildeten sich Kolonistengemeinden, in denen sich die deut- schen Migranten sammelten. Schließlich gründeten sich in den deut- schen Schutzgebieten in Übersee die Kolonialgemeinden, die ebenso wie die Kolonistengemeinden aus Bauern, Handwerkern, Kaufleuten, aber auch Kolonialbeamten, Polizei und Militär bestanden [...].

Andere Auslandsgemeinden wurden dagegen erst in den letzten Jahren errichtet. Im Jahr 2008 gründete sich zum Beispiel eine deutschsprachige evangelische Gemeinde in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Entstehung dieser Gemeinde wurde vom Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) der Universität Greifswald begleitet (AMD 2008:5). Die Gemeinde trifft sich in einer anglikanischen Kirche, die auch Gastgeber für tamilische, koreanisch- und afrikaansspra- chige Christen ist. Jens Nieper (2008:20-21) schreibt über die Gemeindeneugündung in Dubai:

Doch in den letzten Jahren ist ein Wandel in den Golfstaaten von Kuwait bis hinab in den Oman festzustellen. Die Fokussierung auf Erdöl und -gas weicht angesichts der sich abzeichnenden Endlichkeit dieser Rohstoffe einer breiter angelegten Aktivität: Handel und Finanzgeschäfte, aber auch Tourismus und Dienstleistungen bestimmen zunehmend die Wirtschaft und damit das Leben in dieser Region [...]. Infolgedessen hat sich die Zusammensetzung der deutschen „community“ in dieser Region verändert. Neben Ingenieuren, Technikern und Diplomaten leben heute auch Handelsvertreter und Bankkaufleute, Experten der diversesten Sparten von der Medizin bis hin zur Reisebranche und auch der eine oder andere „Glücksritter“ in den Metropolen des Orients. Und sie bringen - anders als früher - häufig ihre Familien mit [...]. Angesichts dieser Veränderungen ist unter den in Dubai und anderen Städten der Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) lebenden Deutschen das Bedürfnis nach einer veränderten, intensiveren pastoralen Versorgung gewachsen.

Neben diesen klassischen Migrationsgemeinden gibt es sogenannte Minderheitengemeinden. Ihre Mitglieder sind überwiegend Angehörige nationaler ethnischer Minderheiten. Dazu zählen zum Beispiel die Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland im südlichen Dänemark, die Kirchengemeinden der dänischen Staatskirche in Schleswig-Holstein, die protestantischen Gemeinden im deutschsprachigen Ost- belgien, die Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (DELK) und die des Chrischona-Gemeinschaftswerkes (CGW) im südlichen Afrika (wobei es zwischen den Gemeinden des CGW und der EKD keine vertragliche Bindung gibt).

Deutschsprachige evangelische Auslandsgemeinden bestehen entweder als selbständige Einzelgemeinden, wie zum Bespiel die Deutsche Evange- lische Kirchengemeinde Amsterdam, oder als Mitglieder von Kirchen oder Kirchgemeinschaften. Einige dieser Kirchen oder Kirchgemeinschaften sind, wie die Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (DELK), über- wiegend deutschsprachig. In anderen Fällen, wie zum Beispiel der Evan- gelical Lutheran Church in Canada, stellen die deutschsprachigen Gemein- den eine innerkirchliche, sprachliche Minderheit dar. Auch der rechtliche Status von Auslandsgemeinden kann sehr unterschiedlich sein. Die Deutsch Reformierte Kirche zu Kopenhagen ist eine staatlich anerkannte Freikirche. Die deutschsprachige St. Petri Kirche in Kopenhagen gehört dagegen zur Evangelisch-Lutherischen Volkskirche Dänemarks.

Gründe für die Mitgliedschaft in Auslandsgemeinden

Die Gründe warum Christen sich zu Migrations- und Minderheitengemeinden halten sind sehr vielschichtig. Sie können in fünf Kategorien eingeteilt werden: sprachliche, kulturelle, gesellschaftliche, theologische und missio- logische Gründe.

Sprachliche Gründe

Migrations- und Minderheitengemeinden bilden oftmals das einzige Forum für Migranten oder nationale Minderheiten Gottesdienste in ihrer Mutter- sprache zu feiern und an anderen kirchlichen Veranstaltungen teilzunehmen ohne sich einer Fremdsprache bedienen zu müssen. Dies ist insbesondere wichtig, wenn sie die dominierende Sprache ihrer Umwelt nicht oder nur ungenügend sprechen. Da viele Migranten sich nur vorübergehend im Gast- land aufhalten, gibt es oft keinen zwingenden Grund oder auch keine Mög- lichkeit die nationale Sprache so zu erlernen, dass man sich sicher in ihr fühlt. Aber auch Angehörige einer nationalen Minderheit, die die National- sprache gut oder sogar fließend beherrschen, verweisen immer wieder auf die Bedeutung der eigenen Muttersprache für ihren Glauben (vgl. Fuchs 2003:8). Die Muttersprache, so das Argument, ist die Sprache des Herzens in der es einfacher fällt geistliche Lieder zu singen, zu beten, in der Bibel zu lesen und sich auszutauschen. Jens Nieper (2008:22) spricht davon, „dass der Glaube zu den Dingen zählt, die man in der Muttersprache vollzieht, empfindet und entsprechend ausdrücken möchte“. Walter Sparn (2012:31) spricht sogar von dem Recht, das Christen haben, die Bibel in ihrer jeweiligen Muttersprache zu lesen:

Gott spricht. Und er spricht nicht hebräisch, griechisch oder gar lateinisch, sondern spricht unsere Muttersprache. Im Blick auf diese Heilige Schrift ist völlig klar, dass jeder einzelne Christ das Recht auf eine muttersprachliche Fassung hat; ihm diese seine Bibel wegzunehmen oder gar zu verbieten (auch das ist schon vorgekommen), ist ein Raub eines Stücks seiner Heimat.

Ähnlich sieht es Wolfgang Huber (2012) wenn er sagt, dass Religionsfreiheit das Recht einschließt „in der eigenen Muttersprache Gottesdienste zu feiern und sich in Gemeinden des gleichen Bekenntnisses, aber auch der gleichen Sprache zusammenzufinden“.

Kulturelle Gründe

Auslandsgemeinden sind aber nicht nur Orte an denen Christen in ihrer Muttersprache Gottesdienste feiern können. Sie fungieren oftmals auch als eine Art kulturelle Oase für Menschen mit einem gleichen oder ähnlichen ethno-kulturellen Hintergrund oder Lebensweg. Für sie ist die Kirchengemeinde der Ort, der sie an ihr Heimat- oder Herkunftsland und ihre eigene Kultur und Geschichte erinnert. In einer Broschüre der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pressestelle der Evangelischen Kirche in Deutschland 2008) mit dem Titel Ein Stück zuhause finden heißt es dazu:

Auslandsleben bedeutet Veränderung. Eine fremde Kultur, ein neuer Lebensstil, unbekannte Menschen, die langsam zu Vertrauten oder Freunden werden. In der ersten Zeit nach der Ankunft sind Sie mit Orientieren und Organisieren beschäftigt. Es gibt Momente, in denen alles Fremde einen förmlich überrollt. Ein Ansprechpartner fehlt meist - denn die Freunde zuhause sind weit weg und könnten die Sorgen vielleicht auch nicht verstehen. Schließlich bedeutet ein Auslandseinsatz doch Abenteuer und Abwechslung. Schön, wenn Sie in solchen Momenten wissen, dass es ein Stück Heimat auch in der Fremde gibt, wo sie Menschen in ähnlichen Lebenssituationen begegnen können. In den weltweit 140 deutschsprachigen evangelischen Gemeinden im Ausland treffen Sie auf andere deutsche Expatriates. Erfahrungsaustausch ist ein zentrales Anliegen der Gemeinden und ihrer Mitglieder.

Oftmals trägt die Kirchengemeinde dazu bei die eigene Kultur nicht nur zu pflegen, sondern sie auch an die nächste Generation weiterzugeben. Dies geschieht z.B. durch den gemeindeeigenen Kindergarten, Sprachkurse oder das Feiern von traditionellen Festen (z.B. Sankt Martin, Karneval, Oktober- fest etc.). An solchen Veranstaltungen nehmen dann auch Menschen teil, die sonst keine Verbindung zur Kirche haben. Die Kirche als Kulturträger - dies gilt im Besonderen für Minderheitengemeinden. Das sieht auch die Nordschleswigsche Gemeinde (o.J.) so:

Die deutschsprachige kirchliche Versorgung in Nordschleswig hat für den Zusammenhalt der Volksgruppe auch heute noch einen nicht zu unterschätzenden Wert, da sie auch solche Menschen an die Minderheit bindet, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht an die politischen oder kulturellen Organisationen der deutschen Volksgruppe binden mögen.

In seiner Dissertation mit dem Titel Deutsche Spuren in der Kirchen- und Gesellschaftsgeschichte Namibias schreibt Guido Jura (2002:346) folgendes über eine ähnliche identitätsstiftende und -erhaltende Funktion der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia:

Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (DELK) stellt in mancherlei Hinsicht ein interessantes Beobachtungsobjekt dar: Blickt man zunächst einmal innerhalb des namibischen Horizontes auf diese Kirche, so fällt ihr als kulturell-ethnisch homogene Institution neben den deutschen Schulen und den deutschsprachigen Medien gerade angesichts des Nichtvorhandenseins einer eigenen institutionalisierten politischen Vertretung der deutschen Minderheit im Lande die Rolle einer dritten wichtigen Säule für das Identitätsbewusstsein dieser Bevölkerungsgruppe zu, was jeweils zu den Zeiten, in denen der deutschen Sprachgruppe ihre Selbstbehauptung innerhalb des multiethnischen Gebildes Südwestafrika / Namibia besonders angelegen war, in den Vordergrund rückte. Die Tradierung der deutschen Kultur und ihres Stellenwertes im namibischen Gesellschaftsgefüge kam im Kontext der seelsorgerlichen Heimat, den die Kirche ihren Gliedern bieten wollte, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, wobei vor allem der Verwendung der deutschen Sprache eine identitätsstiftende und identitätserhaltende Funktion, der sich die deutschstämmigen Namibier sehr bewusst waren (und sind), zufiel.

Schließlich können auch Berührungsängste und Vorbehalte gegenüber anderen Kulturen eine Rolle bei der Gründung eigener Kirchengemeinden haben:

Die Begegnung mit Menschen aus fremden Kulturen wird häufig auch als ein Risiko oder als Bedrohung empfunden. Fremde haben Gewohnheiten und Einstellungen, die unseren Maßstäben nicht entsprechen. Bei der Begegnung von Kulturen geht es um Macht: Macht der Regeln, Macht der Sprache, Macht der Gewohnheiten (Machel 2011: 136).

Gesellschaftliche Gründe

Es gibt jedoch manchmal auch Situationen in denen Christen gar keine andere Wahl haben als sich an eine Auslandsgemeinde zu halten. Dies ist z.B. in Ländern der Fall in denen das Christentum kaum vertreten ist, eine Minderheit darstellt, oder offiziell verboten ist. In diese Kategorien fallen sicherlich Länder wie Iran, Syrien oder die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Zur Lage des Christentums in den Vereinigten Arabischen Emiraten schreibt die christliche Menschenrechtsorganisation Open Doors (2014):

Die Hauptantriebskraft der Verfolgung in den VAE ist „Islamischer Extremismus“. Alle Staatsbürger werden als Muslime definiert. Das Gesetz verweigert den Muslimen unter Androhung der Todesstrafe die Freiheit, ihren Glauben zu wechseln. Um Tod, gesellschaftliche Stigmatisierung und andere Repressionen zu vermeiden, stehen Konvertiten, deren Glaubenswechsel bekannt geworden ist, unter dem starken Druck, zum Islam zurückzukehren oder in andere Länder auszureisen, in denen ihr „Christ-Sein“ erlaubt ist.

In anderen Ländern mag es zwar viele Kirchen geben, diese werden jedoch aufgrund historischer Entwicklungen von verschiedenen nationalen Bevölkerungsgruppen dominiert, die wiederum Migranten und Angehörige nationaler Minderheiten nicht im Blick haben. In einigen Fällen erfüllen Migrations- und Minderheitengemeinden auch die Funktion von Zufluchtsstätten in denen Christen Schutz vor unterschiedlichen Formen der Dis- kriminierung erfahren.

Theologische Gründe

Weniger verbreitet, aber dennoch wichtig sind theologische Gründe warum sich Christen zu Auslandsgemeinden halten. In diesen Fällen sind es bestimmte theologische Überzeugungen und Traditionen, die sie anziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich bei der Auslandsgemeinde um eine konfessionell geprägte Gemeinde handelt. Die vertraute Gottesdienst- liturgie, das Angebot des Konfirmandenunterrichts für Jugendliche oder grundlegende Glaubensüberzeugungen geben schließlich den Ausschlag für die Gemeinde-Mitgliedschaft. So legt zum Beispiel die Deutsch Refor- mierte Kirche zu Kopenhagen sehr viel Wert auf ihre reformierte Prägung in einem traditionell lutherischen Umfeld. Der Pfarrer schreibt folgendes über die Kirche:

Doch unsere Kirche ist weltweit eine der ältesten reformierten Kirchen, die als reformierte Kirche gebaut wurde und die immer noch als Kirche genutzt wird. Und als solche ist sie typisch! Der Kirchraum drückt aus, worum es im reformierten Gottesdienst geht: Im Zentrum stehen Kanzel und Abendmahltisch, die versammelte, hörende Gemeinde sitzt im Halbkreis um dieses Zentrum. Das Wort Gottes steht also nicht nur gedanklich, sondern auch deutlich sichtbar in der Mitte. Und wenn ein Kind getauft wird, dann steht die Taufschale auf dem Abendmahltisch (Bargheer 2014:3).

Missiologische Gründe

Nun gibt es aber auch missiologische Gründe warum Christen sich bewusst einer Auslandsgemeinde anschließen oder solche Gemeinden von ihnen gegründet werden. Im Zentrum steht hierbei die Überzeugung, dass man als Migrations- oder Minderheitengemeinde die eigenen Landsleute besser mit dem Evangelium erreichen kann als dies andere Kirchen können. Da man die gleiche Sprache spricht und mit den kulturellen Eigenheiten bestens vertraut ist, so das Argument, hat man einen natürlichen Vorteil was Evangelisation, Diakonie und seelsorgerliche Begleitung angeht. Missionswissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang vom Homogenitäts- prinzip. Cla Reto Famos (2005:60) kommentiert:

Schon in der Missionsbewegung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat man immer wieder die Erfahrung gemacht, dass dort die Gemeinden am schnellsten wachsen, wo schon Christen der gleichen Ethnie präsent sind [...]. Das daraus abgeleitete Homogenitätsprinzip stellt ein wichtiges und zugleich sehr umstrittenes Element der Bedüfnis- und Zielgruppenorientierung dar. Es geht von der Beobachtung aus, dass die Menschen eher geneigt sind, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden, wenn sie dabei keine Rassen-, Klassen- oder Sprachbarrieren überwinden müssen. Damit zusammen hängt die Beobachtung, dass Gemeinden mit einer homogenen Struktur ein größeres Wachstum verzeichnen können.

Herausforderungen für Auslandsgemeinden

Es gibt also gute Gründe warum Christen Teil einer Auslandsgemeinde sind. Dies bedeutet aber nicht, dass solche christliche Gemeinden sich keinen Problemen und Herausforderungen gegenüber gestellt sehen. Was für die Gründe gilt, gilt auch für die Probleme und Herausforderungen: sie sind sehr vielschichtig.

Missiologische Herausforderungen

Es liegt in der Natur der Sache, dass Auslandsgemeinden ihren missionarischen Auftrag in der Regel auf Angehörige ihrer eigenen Sprach- oder Kulturgemeinschaft beschränken (natürlich gibt es auch hier Ausnahmen). Für Menschen mit einem anderen ethno-kulturellen Hintergrund fühlen sie sich nicht direkt zuständig. Nach Heinz Joachim Held (2008:315) ist diese Ausrichtung bei deutschsprachigen evangelischen Auslandsgemeinden auch von Seiten der EKD so gewollt:

Die Auslandsgemeinden haben keine missionarische Aufgabe im Sinne einer gezielten Gewinnung von neuen Mitgliedern aus anderen Kirchen und Religionen. Wohl aber haben sie eine evangelistische Verantwortung, insofern sie den Glauben an das Evangelium von Jesus Christus im Umkreis der eigenen Mitglieder stärken und vertiefen, möglicherweise erst wieder wirklich erwecken und sie alle zu Gottesdienst, Anbetung, Predigt und Sakramentsfeier sammeln, in deutscher Sprache, doch nach Bedarf auch in anderen Sprachen. Sie sind in erster Linie an die eigenen Glaubens- und Sprachgenossen gewiesen, verschließen sich aber im einzelnen Fall nicht, wenn andere Christen und Gläubige sich ihnen anschließen möchten oder Gottesdienste mit ihnen feiern wollen.

[...]

Excerpt out of 53 pages

Details

Title
Deutschsprachige Evangelische Auslandsgemeinden. Bestandsaufnahme und Ausblick
Author
Year
2015
Pages
53
Catalog Number
V295098
ISBN (eBook)
9783656933335
ISBN (Book)
9783656933342
File size
1686 KB
Language
German
Keywords
Auslandsgemeinden, Evangelische Kirche in Deutschland, Migrationsgemeinden, Minderheitengemeinden, Gemeindeformen, Gründe für die Mitgliedschaft in Auslandsgemeinden, Herausforderungen für Auslandsgemeinden, Auslandsgemeinden aus biblischer Sicht, Gemeindeneugündung
Quote paper
Dr. Thorsten Prill (Author), 2015, Deutschsprachige Evangelische Auslandsgemeinden. Bestandsaufnahme und Ausblick, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295098

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